Karl May
Durch das Land der Skipetaren
Karl May

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Im Turme der alten Mutter

Wir ritten durch das Thor. Nach der Beschreibung, welche uns der Schneider gemacht hatte und nach dem Eindruck des Gebäudes von der Ferne aus hatte ich ein schloßähnliches Bauwerk erwartet. Aber wie sah es aus!

Es war allerdings lang und hoch, aber halb verfallen. Die Fensterlücken starrten uns leer entgegen. Das Dach war an vielen Stellen offen. Der Bewurf der Mauer war verschwunden, und längs der Fronte lag das Mehl der Ziegelsteine, welche unter dem Einfluß der Witterung sich auflösten.

Wir ritten bis vor das hohe, breite Thor, wo uns ein Kerl empfing, dessen lang gezogenes Galgengesicht keineswegs vertrauenerweckend war.

»Das ist Humun, der Diener des Herrn,« erklärte der Schneider.

Ah, da hatten wir den Mann also ja gleich, vor welchem wir uns hüten sollten! Er machte mir eine tiefe, ehrerbietige Verneigung, deutete auf zwei kräftige Burschen, welche hinter ihm standen, und sagte:

»Effendim, mein Herr hat mit Trauer vernommen, daß Du nicht gehen kannst. Darum gab er den Befehl, daß diese Leute Dich zu ihm tragen sollen. Sie sind so kräftig, daß Du Dich ihnen anvertrauen kannst.«

Ich stieg ab. Die beiden Bezeichneten schlangen je einen Arm in einander und faßten sich dann mit den beiden andern Händen. Auf die Hände setzte und an die Arme lehnte ich mich, und so war eine Art Tragstuhl gebildet, mittelst dessen ich in die Flur und durch zwei Stuben in das Empfangs-Zimmer getragen wurde. Meine Gefährten folgten mir.

Dieses Zimmer war leidlich ausgestattet. Um die Wände liefen Divans. Auf einer erhöhten Stelle, dem Eingang gegenüber, saß der Schloßherr. Neben sich hatte er eine ähnliche Erhöhung, welche wohl für mich bestimmt war, und vor seinem Platz lagen einige Polster für meine Gefährten.

Meine beiden Träger blieben mit mir unter der Thüre stehen. Der Herr verbeugte sich, ohne sich zu erheben, und sagte:

»Sei mir willkommen, hoher Effendi. Allah segne Deinen Eingang in mein Haus und gebe Dir lange Tage bei mir! Verzeihe, daß ich mich nicht erhebe, denn die Nikris plagt meine Beine, so daß ich sie nicht bewegen kann. Laß Dich zu mir tragen, um neben mir zu meiner Rechten Platz zu nehmen. Deine Gefährten aber mögen hier vor uns Ruhe ihrer Glieder finden.«

Man setzte mich neben ihm nieder, während die Drei uns gegenüber Platz nahmen. Ich sagte natürlich einige höfliche Worte des Dankes und der Entschuldigung, welche er mir aber mit der Versicherung abschnitt, daß nicht ich, sondern er zu Dank verpflichtet sei.

Die Träger hatten sich entfernt, und der Diener brachte Pfeifen und Kaffee. Im Orient ist man gewöhnt, den Reichthum des Mannes nach der Beschaffenheit seiner Pfeifen zu taxiren. Mit diesem Maßstabe gemessen, war Murad Habulam ein sehr reicher Mann.

Seine Pfeife, und diejenige, welche ich bekam, hatten Rohre von ächtem Rosenholz, welches mit Goldfäden umstrickt und mit Perlen und Edelsteinen verziert war. Die Spitzen waren Kabinettstücke. Der Bernstein war von jener halb durchsichtigen, rauchigen Art, welche im Orient weit höher geschätzt wird, als der durchsichtige. Die kleinen Fingans standen in goldenen Schalen von köstlich durchbrochener Arbeit, und als ich kostete, mußte ich mir gestehen, daß ich nur in Kairo einmal einen besseren Kaffee getrunken hatte. Er wurde natürlich nach orientalischer Art sammt dem feingestoßenen Satz genossen. Ein Täßchen enthielt ungefähr den Inhalt von vier Fingerhüten.

Auch der Tabak war fein. Schade, daß die Pfeifenköpfe so klein waren! Wenn man ungefähr fünfzehn Züge gethan hatte, mußten sie wieder gestopft werden, was Humun, der Liebling seines Herrn, besorgte.

Da es die gute Sitte erfordert, daß man den Gast nicht gleich nach seinen Verhältnissen fragt, so wurden nur allgemeine Redensarten gewechselt. Dann rückte mir der Herr etwas näher, indem er fragte:

»Hast Du heute eine gute Reise gehabt, Effendim?«

»Allah hat mich gut geleitet,« antwortete ich.

»Afrit, der Schneider, sagte mir, Du kämst von Sbiganzy?«

»Ich war seit gestern dort.«

»Und vorher?«

»In Radowitsch und Ostromdscha.«

»So bist Du täglich unterwegs gewesen?«

»Ja, denn wir kommen von Edreneh und Stambul.«

»Von Stambul! Allah hat es sehr gut mit Dir gemeint, daß er Dich in der Stadt des Padischah hat geboren werden lassen!«

»Ich bin nicht dort geboren. Ich kam von Damask über Falesthin dahin.«

»So bist Du also gar ein Damaski?«

»Auch nicht. Ich bin ein Franke, ein Germani und reiste von meinem Vaterland aus nach der großen Sahar, um von da nach Gypt und Belad el arab zu gehen.«

»Allah ist groß! So weit hat Deine Reise Dich geführt? Hast Du da gute Geschäfte gemacht?«

»Ich reise nicht, um Geschäfte zu machen. Ich will die Länder sehen, die Völker, welche dieselben bewohnen, ihre Sprachen und Sitten kennen lernen. Deßhalb habe ich für eine so lange Zeit meine Heimat verlassen.«

Er sah mich mit ungläubigem Blick an.

»Deßhalb? Allah! Was bringt es Dir für Nutzen, wenn Du die Berge und die Thäler anschaust, die Menschen und die Thiere, die Wüsten und die Wälder? Was hast Du davon, wenn Du siehst, wie man sich kleidet, und hörst, wie man spricht?«

Das war die alte Ansicht, welcher ich so oft begegnet war. Diese Leute können es durchaus nicht begreifen, daß man aus rein sachlichem Interesse fremde Völker und Länder besucht. Eine Geschäftsreise, eine Wallfahrt nach Mekka, weiter hinaus geht ihr Verständniß nicht.

»Liebst Du die Dschografia?« fragte ich ihn.

»Sehr. Ich lese gern solche Bücher.«

»Wer hat dieselben geschrieben?«

»Gelehrte Männer, welche in den betreffenden Ländern gewesen sind.«

»Und diesen Männern weißt Du es wohl Dank, daß sie Dich mit ihren Büchern unterhalten und unterrichten?«

»Natürlich!«

»Nun, auch in meiner Heimat gibt es Leute, welche solche Bücher wünschen. Viele, viele Tausende sind es, welche dieselben lesen. Es muß auch Männer geben, welche dieselben schreiben und also in entfernte Länder reisen, um dieselben kennen zu lernen. Zu diesen gehöre ich.«

»So bist Du also ein Ehli Dschografia. Aber ich frage Dich dennoch: was hast Du davon? Du verlässest Dein Haus und Dein Harem; Du gibst die Freuden des Daseins auf, um in der Ferne Unbequemlichkeiten, Hunger und Durst zu leiden und vielleicht gar mit Gefahren zu kämpfen.«

»Das ist freilich der Fall.«

»Dann setzest Du Dich hin und schreibst Dir Deine Augen krank, damit die Neugierigen erfahren sollen, was Du gesehen hast. Was frommt das aber Dir?«

»Ist das Reisen kein Genuß?«

»Nein, sondern es ist eine große Beschwerde.«

»So würdest Du wohl zum Beispiel keinen hohen Berg mühsam besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen?«

»Nein, denn mein Gehirn ist gesund. Was soll ich hier meinen bequemen Divan verlassen, wo ich rauchen und Kaffee trinken kann? Wozu soll ich steigen und klettern, um nachher wieder herabzulaufen? Es ist doch unnütz. Die Sonne geht auf und geht unter, auch wenn ich nicht da oben auf dem Berg sitze. Allah hat Alles weislich eingerichtet, und ich kann durch mein Klettern nicht das Mindeste zu seinem Rathschluß beitragen.«

Ja, so sind die Ansichten dieser Leute! Allah il Allah, allüberall Allah! Das ist ihr Wahrspruch und die Entschuldigung ihres geistigen und körperlichen Phlegmas.

»So wirst Du allerdings auch nicht die Beschwerden und Gefahren weiter Reisen auf Dich nehmen, nur um die Fremde kennen zu lernen?«

»Nein, das werde ich nicht.«

»Aber einen Nutzen habe ich doch. Ich lebe davon.«

»Wie so? Kannst Du die Berge verspeisen und dazu die Flüsse austrinken, welche Du siehst?«

»Nein; aber wenn ich ein solches Buch geschrieben habe, so bekomme ich Geld dafür, und das ist mein Einkommen.«

Jetzt hatte ich endlich Etwas vorgebracht, was nicht ganz verrückt war.

»Ah,« sagte er, »jetzt verstehe ich Dich. Du bist kein Geograph, sondern ein Kitabdschi

»Nein, sondern der Kitabdschi bezahlt mich für das, was ich schreibe, druckt es dann zu einem Buch und verkauft es an die Leser. So machen wir Beide ein Geschäft.«

Er legte den Finger an die Nase, sann eine Weile nach und sagte dann:

»Jetzt weiß ich es. Du bist es, der den Kaffee aus Arabien holt, und der Kitabdschi ist es, der ihn einzeln an die Leute verkauft?«

»Ja, ungefähr so ist es.«

»Schreibst Du Alles nieder, was Du siehst?«

»Nicht Alles, sondern nur, was interessant ist.«

»Was aber ist interessant?«

»Was mein Denken und meine Gefühle mehr als gewöhnlich beschäftigt.«

»Zum Beispiel, wenn Du einen recht guten Menschen kennen lernst?«

»Ja, der kommt in mein Buch.«

»Oder einen recht Bösen?«

»Auch über diesen schreibe ich, damit die Leser ihn kennen und verabscheuen lernen.«

Er schnitt ein ernstes Gesicht und fuhr sich mit der Pfeifenspitze unter den Turban. Die Sache gefiel ihm gar nicht, sie war ihm bedenklich.

»Hm!« brummte er. »So werden also Beide, die Guten und die Bösen, durch Dich in Deinem Lande bekannt?«

»So ist es.«

»Schreibst Du auch ihre Namen auf?«

»Gewiß.«

»Wer und was sie sind und den Ort und das Haus, in welchem sie wohnen?«

»Sehr genau sogar.«

»Was sie gethan haben und was Du mit ihnen gesprochen und über sie erfahren hast?«

»Alles das!«

»Allah, Allah! Du bist ein großer Verräther! Man muß Dich ja fürchten!«

»Die Guten brauchen mich nicht zu fürchten, sondern man wird sie in allen Ländern rühmen, da diese Bücher auch in andere Sprachen übersetzt werden. Den Bösen aber geschieht ganz recht, wenn sie bekannt werden und Abscheu und Verachtung erregen.«

»Wirst Du auch über Sbiganzy schreiben?«

»Sehr viel sogar, denn ich habe dort sehr viel erlebt.«

»Vielleicht auch dann über Kilissely?«

»Jedenfalls, denn Kilissely ist ein schöner Ort, den ich nicht übergehen darf.«

»Was wirst Du über ihn schreiben?«

»Das weiß ich noch nicht. Ich muß erst warten, was ich hier sehe, höre, erlebe und erfahre. Aber daß Du prächtige Pfeifen und einen herrlichen Kaffee hast, das werde ich rühmend erwähnen.«

Er blickte still vor sich hin, und es verging eine Weile des Schweigens. Ich hatte ihn gleich von meinem Eintritt an scharf betrachtet. Er kam mir so bekannt vor. Wo hatte ich nur sein Gesicht gesehen!

Er machte keineswegs den Eindruck eines reichen Mannes. Sein Turbantuch war alt und schmutzig und sein Kaftan gleichfalls. Von seinen Beinen sah ich nur, daß sie wegen des Podagra dick umwickelt waren. Trotzdem waren die Füße nackt und steckten nur in alten, dünnen, abgeschlurften Pantoffeln.

Er war allerdings sehr lang und sehr hager. Sein Gesicht lag in frühzeitigen Falten. Die scharfen Züge, die kleinen, stechenden, harten Augen, das stark entwickelte Kinn, der breite, an den Spitzen nach unten gezogene Mund ließen sein Gesicht nichts weniger als angenehm erscheinen. So, genau so war das Gesicht eines Geizhalses zu denken, der nur auf Erwerb sinnt, der nur zusammenscharrt, ohne zu fragen, auf welche Weise er zu Gewinn kommt.

»Ich hoffe,« sagte er endlich, »daß es Dir bei mir gefallen wird, und daß Du nur Gutes von mir schreibst.«

»Das bin ich überzeugt. Du hast mich so gastfreundlich aufgenommen, daß ich Dir nur dankbar sein kann.«

»Ich hätte Dich noch ganz anders aufgenommen und würde Dich noch viel besser verpflegen, aber die Herrin meines Hauses ist verreist, und ich kann mich nicht bewegen. Die Nikris plagt mich an den Füßen. Ich habe sie mir im Krieg geholt.«

»So warst Du Soldat? Wohl gar Offizier?«

»Ich war etwas noch weit Besseres und Höheres. Ich war Asker zachredschiji und habe den Helden des Sultans Kleidung und Nahrung gegeben.«

Ah, ein Kriegslieferant! Ich dachte an die armen, halb nackten und ausgehungerten Soldaten und an die Geldsäcke, welche diese Herren Lieferanten sich während des Krieges gefüllt hatten.

»Da hast Du allerdings ein hochwichtiges Amt verwaltet und das größte Vertrauen des Großherrn besessen,« erwiederte ich.

»Ja, so ist es,« sagte er stolz. »Der Lieferant gewinnt die Schlachten; der Lieferant führt die Krieger zum Sieg. Ohne ihn gibt es keinen Muth, keine Tapferkeit, sondern nur Hunger, Elend und Krankheit. Das Vaterland hat mir viel, sehr viel zu verdanken.«

»Soll ich das in meinem Buch erwähnen?«

»Ja, erwähne es; ich bitte Dich darum. Hast Du über das Reich und über die Unterthanen des Padischah viel Gutes zu schreiben?«

»Sehr viel,« antwortete ich kurz, denn ich bemerkte, daß er jetzt auf das Thema übergehen wollte, welches für ihn das wichtigste war.

»Wohl auch manches Böse?«

»Auch das; es gibt ja überall gute und böse Menschen.«

»Hast Du von den Letzteren viele bei uns getroffen?«

»Besonders in der letzten Zeit, und zwar hier in dieser Gegend.«

Er rückte hin und her. Auf dieses Thema hatte er kommen wollen.

»Da werden die Leser des Buches ja Alles erfahren. Wenn ich doch ein solches Buch haben könnte!«

»Du würdest es nicht lesen können, da es nicht in Deiner Sprache gedruckt werden wird.«

»So könntest Du mir wenigstens jetzt Etwas von dem Inhalt erzählen.«

»Vielleicht später, wenn ich mich ausgeruht habe.«

»So werde ich Dir Deine Wohnung anweisen lassen. Vorher aber könntest Du mir wenigstens Einiges erzählen.«

»Ich bin wirklich sehr müde; aber damit Du siehst, daß ich den Wunsch meines Gastfreundes achte, soll Dir mein Gefährte Halef Omar eine kurze Übersicht dessen geben, was wir in der letzten Zeit erlebt haben.«

»So mag er beginnen; ich höre.«

Daß Halef erzählen sollte, war diesem sehr lieb. Aber daß der Mann ihn in so kurzer, halb befehlender Weise dazu mahnte, das ärgerte ihn. Ich wußte, was da gleich kommen würde.

»Erlaube mir zunächst,« begann er, »Dir zu sagen, wer derjenige ist, welcher die Güte hat, Dir seine Worte zu widmen. Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Mein berühmter Stamm reitet die besten Hassi-Ferdschahnstuten der Wüste, und die Krieger meiner Ferkah tödten den Löwen mit der Lanze. Der Urahne meines Urgroßvaters ritt mit dem Propheten in die Schlacht, und der Aberurahne dieses Helden hat mit Abram, dem Vater Isak's, Wassermelonen verspeist. Ist die Reihe Deiner Vorfahren auch eine so vollkommene?«

»Die Reihe meiner Ahnen reicht hoch hinauf,« antwortete Murad Habulam ein wenig verlegen.

»Das ist gut, denn man darf den Mann nicht nach seinen Pfeifen und Tassen, sondern nach der bekannten Zahl seiner Väter schätzen. Im Paradies harren Tausende meines Kommens, deren geliebter Nachkomme ich bin. Ich würdige nicht einen Jeden meiner Rede, aber da mein Freund und Herr, der Hadschi Effendi Kara Ben Nemsi Emir es gewünscht hat, daß ich erzählen soll, so verlange ich, daß Du mir Deine ganze Aufmerksamkeit widmest.«

Das kam Alles so ruhig heraus, als sei er selbst dabei gewesen, als dieser Aberurgroßahne mit Abraham Wassermelonen aß! Er that ganz so, als ob es eine Gnade für unsern Wirth wäre, daß er ihn seiner Rede würdigte.

Nun lieferte er in wohlüberlegten Worten einen Umriß der letzten Ereignisse. Kein Jurist hätte es besser machen können, als der kleine Hadschi. Er sagte keine einzige Silbe, welche den früheren Lieferanten auf den Gedanken hätte bringen können, daß wir wußten, woran wir mit ihm waren.

Ich hatte meine stille Freude über ihn und nickte ihm anerkennend zu, als er geendet hatte und mir nun einen fragenden Blick zuwarf, wie er seine Sache gemacht habe.

Murad Habulam that, als ob er ganz außer sich vor Erstaunen wäre. Er legte seine Pfeife weg, was bei einem Muselmann sehr viel bedeutet, faltete die Hände und rief:

»O Allah, Allah, sende doch Deine Boten der Rache herunter auf die Erde, daß sie mit Feuer verzehren die Missethäter, deren Verbrechen zum Himmel schreien! Soll ich glauben, was ich vernommen habe? Ich vermag es nicht, nein, ich vermag es nicht!«

Er fiel in Schweigen, nahm seinen Rosenkranz her und ließ die Perlen durch die hageren Finger gleiten, als ob er bete. Dann hob er plötzlich den Kopf empor, sah mich forschend an und fragte:

»Effendim, bestätigest Du die Wahrheit der Worte dieses Hadschi?«

»Wort für Wort.«

»Man hat Euch also fast an jedem der letzten Tage tödten wollen?«

»Es ist so.«

»Und Ihr seid den Mördern so glücklich entgangen! Ihr müßt große Lieblinge Allah's sein!«

»So wären also die Mörder, wenn ihnen ihre Absichten gelungen wären, Allah's Lieblinge?«

»Nein, aber Euer Tod wäre im Buche des Lebens verzeichnet gewesen, und was da verzeichnet steht, kann selbst Allah nicht ändern. Es ist Kismet.«

»Nun, so will ich hoffen, es sei das Kismet dieser Halunken, daß sie schon hier auf Erden von ihrer Strafe ereilt werden.«

»Das hat an Dir gelegen, denn Du hast sie verschont.«

»Ich wollte nicht ihr Richter sein.«

»Erzählst Du das Alles in Deinem Buch? Von dem Schut, von den Aladschy, von Manach el Barscha, Barud el Amasat und von dem alten Mübarek?«

»Alle erwähne ich.«

»Das ist eine entsetzliche Strafe für sie. Und glaubst Du, daß Du nochmals mit ihnen zusammentreffen wirst?«

»Ganz gewiß, denn sie verfolgen mich. Hier in Deinem Hause bin ich freilich sicher; das danke ich Dir und dem guten Schneider Afrit. Aber morgen, wenn ich weiter reite, werden die Missethäter wieder über mir sein.«

»Du wirst meinem Hause nicht die Schande anthun, daß Du nur eine Nacht unter meinem Dach verweilst.«

»Ich werde es mir überlegen. Übrigens ist es ja nach Deiner eignen Ansicht bereits seit Ewigkeit im Buch des Lebens verzeichnet, wie lange ich bei Dir bleibe. Keiner von uns Beiden kann hieran Etwas ändern. Ja, selbst Allah kann es nun nicht anders machen.«

»So ist es. Aber ich hoffe, daß ich noch lange das Licht Deiner Augen über mir leuchten sehe. Ich wohne einsam in meinem Hause, und Du wirst mir mein Dasein verschönern und die Leiden meiner Füße verkürzen, wenn Du recht lange verweilst.«

»Auch mir wäre es lieb, wenn ich Deine Gegenwart recht lange genießen könnte. Du sollst sehr große Reisen gemacht haben?«

»Wer sagte das?«

»Der Schneider.«

Ich sah es seinem Gesicht an, daß der Schneider die Unwahrheit gesagt hatte. Dennoch antwortete er:

»Ja, meine Füße haben, als sie noch gesund waren, die Städte und Dörfer vieler Länder betreten.«

»Und vorhin sagtest Du, daß Du nicht einmal einen Berg besteigen würdest, um den Aufgang der Sonne zu sehen!«

»Jetzt, da meine Füße krank sind,« vertheidigte er sich.

»Warum umwickelst Du die Beine und lässest dennoch die Füße entblößt?«

Ich sah ihn dabei scharf an. Er wurde verlegen. Sollte er aus irgend einem Grund das Podagra nur heucheln?

»Weil ich die Krankheit in den Schenkeln, nicht aber in den Füßen habe,« antwortete er.

»So hast Du also keinen Schmerz in der großen Zehe?«

»Nein.«

»Und sie ist auch nicht geschwollen?«

»Sie ist gesund.«

»Wie steht es Abends mit dem Fieber?«

»Ich habe noch nie ein Fieber gehabt.«

Der Mann verrieth sich, denn wenn dies Alles nicht der Fall war, so hatte er auch das Podagra nicht. Er war ganz unwissend in Beziehung auf die Erscheinungen, von denen das Podagra begleitet ist. Ich wußte nun, woran ich war.

Um auch noch seine angebliche Bibliothek zu erwähnen, sagte ich zu ihm:

»In Deinen Leiden und in Deiner Einsamkeit wirst Du Linderung und Unterhaltung finden durch die vielen Bücher, welche sich in Deinem Besitz befinden.«

»Bücher?« fragte er erstaunt.

»Ja, Du bist ein hochgelehrter Mann und besitzest eine Menge von Schriften, um welche Du zu beneiden bist.«

»Wer sagte das?«

»Auch der Schneider.«

Offenbar hatte der Zwerg diese Lüge ersonnen, um mich in die Falle zu locken.

Habulam erkannte dies, darum sagte er:

»Herr, meine Bibliothek ist gar nicht so viel werth, wie Du wohl denkst. Für mich reicht sie freilich aus, aber für einen solchen Mann, wie Du bist, ist sie zu unbedeutend.«

»Dennoch hoffe ich, daß Du mir einmal erlaubst, sie zu betrachten.«

»Ja, aber jetzt nicht. Du bist ermüdet, und ich werde Euch in Eure Wohnungen führen lassen.«

»Wo befinden sich dieselben?«

»Nicht hier im Hause, denn da würdet Ihr zu sehr gestört sein. Ich habe deßhalb für Euch die Kulle jaschly Anaja in Stand setzen lassen; da seid Ihr unter Euch.«

»Ganz, wie es Dir beliebt. Warum aber heißt dieses Gebäude der Thurm der alten Mutter?«

»Das weiß ich selbst nicht. Man sagt, eine alte Frau sei nach ihrem Tod oft wieder gekommen und habe des Abends im weißen Sterbegewand oben auf dem Söller des Thurmes gestanden, um von da herab ihre Kinder zu segnen. Glaubst Du an Gespenster?«

»Nein.«

»So wirst Du Dich wohl auch nicht vor der Alten fürchten?«

»Fällt mir nicht ein! Kommt sie auch jetzt noch zuweilen wieder?«

»Die Leute sagen es und gehen darum des Nachts nicht in den Thurm.«

Warum sagte er mir das? Wenn es in dem Gebäude umging, so war dies doch wohl eher ein Grund für mich, das Übernachten darin abzuweisen. Vielleicht sollte irgend Jemand im Gewand jenes Gespenstes einen Streich gegen uns ausführen und dann die Verantwortung auf die alte Frau geschoben werden – ein sehr kindischer Gedanke, der nur dem Gehirn solcher Leute entspringen konnte.

»Wir würden uns freuen,« erwiederte ich, »einmal einen Chajjal zu sehen, um es zu fragen, wie es im Lande der Todten aussieht.«

»Hättest Du den Muth dazu?«

»Sicher.«

»Aber es könnte Dir schlimm ergehen. Man soll mit keinem Geist sprechen, weil dies das Leben kosten kann.«

»Das glaube ich nicht. Allah wird keinem Verdammten erlauben, die Qualen der Hölle zu verlassen, um auf Erden zu lustwandeln. Und gute Geister braucht man doch nicht zu fürchten; maskirten Gespenstern aber gehen wir ohne Weiteres zu Leibe. Und nun bitte ich Dich, uns nach dem Thurm bringen zu lassen.«

»Ihr werdet durch einen Theil des Gartens gehen müssen, und ich denke, daß Du Dich über denselben freuen wirst. Er kostet mich viel Geld und ist so prächtig wie der Park der Glückseligen hinter dem Eingangsthor des ersten Paradieses.«

»So thut es mir leid, daß ich ihn nicht genießen kann; denn es ist mir unmöglich, durch seine Gänge zu wandeln.«

»Wenn Du willst, so kannst Du ihn dennoch genießen. Du brauchst nicht zu gehen, sondern kannst fahren. Meine Bent amm kann auch nicht gut gehen. Darum habe ich ihr einen Tekerlek sandaliji machen lassen, auf welchem sie sich fahren läßt. Jetzt ist sie nicht daheim, und Du kannst ihn also benutzen.«

»Das ist eine sehr große Wohlthat für mich.«

»Ich werde den Stuhl gleich holen lassen. Humun wird Dich fahren und Euch überhaupt bedienen.«

Dieser Bursche sollte uns jedenfalls beobachten, so daß wir nichts unternehmen konnten, ohne daß er es bemerkte. Ich erwiderte also:

»Ich darf Dich Deines Leibdieners nicht berauben und bin gewöhnt, mich von meinen Gefährten unterstützen zu lassen.«

»Das kann ich nicht dulden,« entgegnete er. »Sie sind ebenso meine Gäste wie Du, und es wäre eine Unhöflichkeit von mir, sie als untergeordnete Personen zu behandeln. Rede mir also nichts darein. Humun ist beauftragt, Eure Befehle auszuführen und immer bei Euch zu sein.«

Immer bei uns zu sein! Das heißt, wir waren unter seine Aufsicht gestellt. Wie konnte ich ihn nur los werden?

Er brachte den Stuhl, ich setzte mich hinein und verabschiedete mich von unserem Wirth. Der Diener schob mich hinaus, und die Andern folgten.

Wir kamen durch die weite Flur des Hauptgebäudes zunächst in einen Hof, welcher als allgemeine Düngerstätte benutzt zu werden schien. An zwei Seiten standen niedrige, schuppenähnliche Gebäude, welche mit Stroh gefüllt waren. Die vierte Seite des Hofes enthielt Stallungen und hatte in der Mitte einen Durchgang, durch welchen wir in den Garten gelangten.

Dies war ein Rasenplatz, auf welchem zahlreiche Heuschober standen. Dann kamen wir an einige Beete mit Küchengewächsen, zwischen denen einige Blumen blühten. Sollte dies der berühmte ›Garten der Glückseligen‹ sein? Nun, in diesem Fall hatte der Prophet von dem Geschmack der Moslemim gar keine sonderliche Vorstellung gehabt.

Als wir an diesen Beeten vorüber waren, erreichten wir abermals einen Rasenplatz, welcher größer als der vorige war. Auch hier standen mehrere große Feime, aus Heu und verschiedenen Getreidearten errichtet.

Und da ragte nun der ›Thurm der alten Mutter‹ auf.

Es war ein rundes, sehr altes Bauwerk mit vier Fenstern über einander, also von ziemlicher Höhe. Fenster aus Glas aber waren, wie gewöhnlich, nicht da. Der Eingang stand offen.

Das Erdgeschoß bestand aus einem einzigen Raum, aus welchem eine ziemlich gebrechliche Treppe nach oben führte. Ich sah, daß Matten an der Wand hin gelegt waren, auf denen einige Kissen lagen. In der Mitte des Raumes stand auf niedrigen Füßen ein viereckiges Brett, welches uns wahrscheinlich als Tisch dienen sollte. Weiter gab es nichts.

»Dies ist Eure Wohnung, Herr,« erklärte Humun, nachdem er mich hineingeschoben hatte.

»Wohnen öfters Gäste hier?«

»Nein. Dieses Zimmer ist das beste, welches wir haben, und der Gebieter will Dich dadurch auszeichnen, daß er es Euch anweist.«

»Was für Räume sind über uns?«

»Noch zwei eben solche, wie dieser hier, und dann kommt das Gemach des schönen Blickes in die Ferne; aber sie sind nicht möblirt, weil niemals Jemand darin wohnt.«

Die Wand, welche uns umgab, sah fast so aus, als ob hier öfters ein kleines Erdbeben die Mauersteine aus ihrer Fassung zu bringen pflege. Einen Bewurf der Mauer, ein Kamin gab es nicht. Es war ein kahles Loch.

Übrigens war mir unterwegs ein Gedanke gekommen, wie ich den Diener los werden könnte. Wir waren einem Arbeiter begegnet, welcher böse, triefende Augen hatte, und ich war dadurch unwillkürlich an den Umstand erinnert worden, daß die Orientalen alle den Aberglauben hegen, es gebe einen ›bösen Blick‹. Die Italiener nennen das bekanntlich Jettatura.

Sieht Einer, welcher mit dem bösen Blick behaftet ist, den Andern nur scharf an, so hat dieser alles mögliche Schlimme zu erwarten. Ein Mensch, welcher ganz zufälliger Weise einen scharfen, stechenden Blick besitzt, kommt leicht in den Verdacht, ein Jettatore zu sein, und wird sodann von Jedermann gemieden.

Um Kinder gegen den bösen Blick zu schützen, bindet man ihnen rothe Bänder um den Hals oder hängt ihnen ein Stückchen Koralle um denselben, welches die Form einer Hand besitzt.

Erwachsene kennen nur ein einziges Mittel, sich vor den Folgen des bösen Blickes zu schützen. Dasselbe besteht darin, daß man die ausgespreizten Finger der erhobenen Hand dem Betreffenden entgegen hält. Wer das thut und sich dann schnell entfernt, bleibt vor den schlimmen Folgen der Jettatura bewahrt.

»Ich bin sehr zufrieden mit dieser Wohnung,« sagte ich. »Hoffentlich wirst Du uns für den Abend eine Lampe bringen?«

»Ich bringe sie dann mit, wenn ich Euch die Mahlzeit vorsetze. Hast Du sonst noch einen Wunsch, Herr?«

»Wasser, das ist Alles, was wir für jetzt brauchen.«

»Ich eile, es zu holen, und hoffe, daß Ihr mit meiner Aufmerksamkeit und Schnelligkeit zufrieden sein werdet. Solche Herren, wie Ihr seid, muß man schleunigst bedienen. Ich habe gehört, was Ihr dem Gebieter erzähltet. Ihr besitzet meine Achtung und Ergebenheit. Das Herz hat mir gebebt, als ich von den Gefahren vernahm, in welchen Ihr Euch befunden habt. Allah ist Euer Schutz gewesen, sonst wäret Ihr längst zu Grunde gegangen.«

»Ja, Allah hat uns stets errettet. Er hat mir ein Geschenk verliehen, welches mich in jeder Gefahr beschützt, so daß kein Feind mir Etwas anhaben kann.«

Seine Neugierde war sofort erregt.

»Was ist das, Herr?« fragte er lauernd.

»Mein Auge.«

»Dein Auge? Wie so?«

»Sieh' mir einmal grad, offen und voll in die Augen!«

Er that es.

»Nun, bemerkst Du nichts?«

»Nein, Effendi.«

»Haben meine Augen nicht Etwas, was Dir auffällt?«

»Gar nichts.«

»Das ist eben das Gute für mich, daß man mir gar nichts ansieht. Ich aber brauche meine Feinde nur anzublicken, so sind sie verloren.«

»Wie so denn, Herr?«

»Weil ihnen niemals wieder im Leben Etwas gelingen wird. Wen ich anschaue, der wird von da an nur noch Unglück haben, nämlich wenn ich will. Der Blick meines Auges bleibt bei ihm immerdar. Seine Seele gehört mir hinfort an, und ich brauche nur an ihn zu denken und ihm etwas Böses zu wünschen, so widerfährt es ihm auch.«

»Herr, ist das wahr?« fragte er hastig und erschrocken. »Hast Du etwa den Kem bakysch in Deinen Augen?«

»Ja, ich habe den bösen Blick, wende ihn aber nur gegen Übelwollende an.«

»So beschütze mich Allah! Ich mag nichts mehr mit Dir zu thun haben. Allah w' Allah!«

Er streckte mir alle zehn Finger entgegen, drehte sich dann um und rannte in höchster Eile fort. Meine Gefährten brachen in ein lautes Gelächter aus.

»Das hast Du gut gemacht, Sihdi,« meinte Halef. »Der kommt nicht wieder, er hat ein böses Gewissen. Wir werden einen andern Diener bekommen.«

»Ja, und zwar wahrscheinlich denjenigen, welchen ich mir wünsche, nämlich Janik, den Bräutigam der jungen Christin.«

»Warum meinst Du dies?«

»Weil Humun ihm feindlich gesinnt ist wegen Anka. Er wünscht ihm also Böses und wird es so einzurichten wissen, daß sein verhaßter Nebenbuhler von Habulam mit unserer Bedienung beauftragt wird. Jetzt aber helft mir auf das Polster, und dann geht Ihr einmal recognosciren. Ich muß wissen, wie es in diesem Thurm aussieht.«

Als ich meinen Sitz eingenommen hatte, stiegen die drei Anderen in den Thurm hinauf, kehrten aber bald zurück. Halef meldete:

»Ich glaube nicht, daß hier irgend eine Gefahr auf uns lauern kann. Die beiden Stuben des ersten und zweiten Stockes gleichen genau diesem Raum hier.«

»Sind Läden an den Fenstern, so wie hier?«

»Ja, und sie können durch starke hölzerne Riegel versperrt werden.«

»So können wir also dafür sorgen, daß des Nachts Niemand einsteigen kann, ohne ein Geräusch zu machen. Und wie ist es ganz oben?«

»Es gibt da ein rundum offenes Gemach mit vier steinernen Säulen, welche das Dach tragen. Ringsum läuft eine steinerne Balustrade.«

»Die habe ich von außen gesehen. Jedenfalls ist da die ›alte Frau‹ hinausgetreten, um ihre Kinder zu segnen.«

»Jetzt aber könnte sie nicht mehr hinaus, weil die frühere Öffnung zugemauert ist,« bemerkte Halef.

»Das muß irgend einen Grund haben. Wie aber gelangt man hinauf in dieses offene Gemach der schönen Aussicht? Da es offen ist, so kann es hinein regnen, und das Wasser würde über die Treppe herab in die niederen Räume laufen. Dem muß doch wohl vorgebeugt sein?«

»Ja, die Treppenöffnung ist mit einem Deckel verschlossen, den man abheben kann. Er ist am Rand, wie auch die Öffnung mit Gomelastic versehen, so daß er wasserdicht schließt. Der Boden senkt sich ein wenig von der Mitte aus, und in der Mauer ist ein kleines Loch, durch welches das Wasser ablaufen kann.«

»Hm! Dieses offene Gemach kann uns bedenklich werden. Man kann da einsteigen.«

»Dazu ist es zu hoch.«

»Doch nicht. Hier diese Stube ist nur so hoch, daß ich im Stehen mit dem Kopf fast die Decke berühre. Wenn die beiden über uns liegenden Gemächer dieselbe Höhe besitzen, so liegt der Fußboden des offenen Gemaches höchstens elf Ellen hoch. Rechne ich dazu zwei Ellen, welche die Mauer beträgt, die das Gemach da oben umschließt, so sind es etwa dreizehn Ellen.«

»Man müßte einen Merdiwan von dieser Höhe haben, und sicher ist ein solcher vorhanden.«

»Das denke ich auch. Kann die Fußbodenklappe verschlossen werden?«

»Nein.«

»Da habt Ihr es! Und die andern Fußböden haben wohl gar keine Klappe, um die Treppenöffnungen zu verschließen?«

»Nein.«

»So steht also unsern Feinden, welche jedenfalls eine Leiter besitzen, der Weg zu uns offen. Sie steigen hinauf und kommen dann von oben herabgeschlichen, von woher wir sie sicherlich nicht vermuthen. Ich muß selbst einmal hinauf, um mir die Sache anzusehen. Osco, kannst Du mich auf die Achseln nehmen?«

»Ja, Herr; steige auf!«

Ich setzte mich ihm reitend auf die Schultern, und er trug mich hinauf.

Jedes Stockwerk des Thurmes bestand, wie das Erdgeschoß, nur aus einer Stube. Die Fußböden hatten Löcher, durch welche die Treppe führte. Diese Löcher waren offen, außer im obersten Stock, wo eine starke, schwere Klappe zum Verschluß vorhanden war. Gummiränder machten diese Klappe völlig wasserdicht schließen. Die Mauer, durch welche dieses obere Gemach gebildet wurde, war nur zwei Ellen hoch, so daß zwischen den Säulen, auf denen das Dach ruhte, sich offene Räume befanden. Diese gestatteten eine liebliche Fernsicht hinaus auf die Felder und Fruchthaine.

Da oben führte außen ein Balkon rund um den Thurm. Die Steine waren gelockert und sogar an einigen Stellen hinabgestürzt. Man durfte es nicht wagen, sich hinaus zu stellen, und das war gewiß der Grund, weßhalb man die Thüröffnung, welche einst hinausführte, vermauert hatte.

Hier war, wie gesagt, die einzige für uns bedrohliche Stelle. Mit einer Leiter konnte man heraufsteigen und dann über die drei Treppen hinab zu uns gelangen. Wollten wir uns dagegen verwahren, so mußten wir die Klappe von innen so verrammeln, daß sie von außen nicht geöffnet werden konnte.

Die Fernsicht hatte sich übrigens etwas getrübt. Schon während der letzten Stunden unseres Rittes hatten wir Wolken bemerkt, welche jetzt den Horizont vollständig umsäumten und immer höher zogen.

Kaum waren wir wieder in unser Wohnzimmer hinabgestiegen, so kam ein junger, kräftiger Bursche, welcher zwei Gefäße mit Trink- und Waschwasser brachte. Er hatte ein offenes, kluges Gesicht und betrachtete uns mit freundlichen, forschenden Blicken.

»Sallam!« grüßte er. »Der Herr sendet mich, Euch Wasser zu bringen, Effendi. Das Essen wird sehr bald fertig sein.«

»Warum kommt Humun nicht?«

»Der Herr bedarf seiner.«

»Er sagte uns doch das Gegentheil!«

»Seine Beine beginnen zu schmerzen; da muß er den Diener haben.«

»Also werden wir Dich bekommen?«

»Ja, Herr, wenn Du es nicht anders wünschest.«

»Du gefällst mir besser als Humun. Du bist wohl Janik, der Bräutigam Anka's?«

»Ja, Herr. Du hast sie reich beschenkt. Sie hat das Geld erst angesehen, als sie heimkam, und ich soll es Dir nun wieder zurückgeben, weil Du Dich geirrt haben mußt. So viel hast Du gewiß nicht geben wollen.«

Er hielt mir das Geld hin.

»Ich nehme es nicht wieder, denn ich habe gewußt, wie viel ich gab. Es gehört Deiner Anka.«

»Das ist aber doch zuviel, Herr!«

»Nein. Vielleicht erhältst Du auch ein solches Geschenk, wenn ich mit Deiner Bedienung zufrieden bin.«

»Ich mag kein Bakschisch, Effendi. Ich bin arm, Dich aber werde ich gern bedienen. Anka hat mir gesagt, daß Du unsers Glaubens seiest und sogar in Rom den heiligen Vater gesehen habest. Da ist es mir eine Sache des Herzens, Dir meine Ergebenheit zu bezeugen.«

»Ich sehe, daß Du ein braver Bursche bist, und würde mich freuen, wenn ich Dir irgendwie von Nutzen sein könnte. Hast Du einen Wunsch?«

»Ich habe nur den einen Wunsch, Anka recht bald mein Weib nennen zu können.«

»So siehe zu, daß Du die tausend Piaster recht bald beisammen hast!«

»Ah, Anka hat schon geplaudert! Übrigens habe ich die Tausend fast beisammen. Anka ist aber mit den ihrigen noch nicht so weit.«

»Wie viel fehlt Dir noch?«

»Zweihundert nur.«

»Wann wirst Du sie verdient haben?«

»Nun, zwei Jahre wird es wohl noch währen. Doch ich muß Geduld haben. Stehlen kann ich mir das Geld ja nicht, und Habulam zahlt einen kargen Lohn.«

»Wie nun, wenn ich Dir die Zweihundert schenken würde?«

»Herr, Du scherzest!«

»Mit einem so braven Burschen mag ich keinen Scherz treiben. Ich will Dir das Geld geben, und dann kannst Du Deiner Anka sparen helfen. Komm her und nimm!«

Das waren nicht ganz vierzig Mark. Ich gab sie ihm mit Vergnügen, denn er war es werth und es ging nicht von dem Meinigen. Seine Freude war groß, und er konnte es gar nicht begreifen, daß ein Fremder ohne allen Grund ihm ein solch reiches Geschenk machte.

Den eigentlichen Grund sagte ich ihm natürlich nicht. Meinen Zweck erreichte ich, denn ich war überzeugt, daß Janik sich nun mit aller Entschiedenheit auf unsere Seite stellen würde.

Er gab einem Jeden von uns die Hand und versicherte, daß er Alles thun würde, um unsere Zufriedenheit zu erwerben.

Nun begann ich, ihn vorsichtig über seinen Herrn auszuforschen, und das Hauptergebniß meiner vielen Fragen war folgendes:

Habulam war der Bruder von Manach el Barscha, des wegen Unterschlagung flüchtig gewordenen Steuereinnehmers von Uskub. Darum also war mir das Gesicht Habulam's so bekannt vorgekommen, denn er sah seinem Bruder ähnlich. Manach kam öfter zu Habulam und hatte ein Versteck in jenem großen Getreideschober, welcher zunächst unserm Thurm stand. Dieses Versteck sollte zwar ein Geheimniß vor den Dienstboten sein, aber diese hatten es längst entdeckt. Freilich schwiegen sie darüber. Auch hatte Janik den Auftrag, sich möglichst wenig von uns zu entfernen und seinem Herrn Alles zu hinterbringen, was wir reden würden.

»So antworte ihm,« sagte ich nun, »daß Du uns nicht verstehen könntest, weil wir in einer fremden Sprache reden, welche Du nicht kennst.«

»Das wird das Allerbeste sein. Jetzt aber muß ich fort, denn das Essen wird fertig sein.«

Als Janik ging, mußte er die Thüre offen lassen, damit ich mir die ominöse Getreidefeime betrachten konnte. Sie war von ziemlichem Umfang, und uns gegenüber bemerkte ich unten eine Stelle, welche von ihrer Umgebung abstach. Das war jedenfalls der Zugang. Aus der Spitze des trichterförmigen Daches ragte eine Stange hervor, an welcher sich ein Strohwisch befand. Vielleicht diente diese Vorrichtung dazu, um ein geheimes Zeichen zu geben.

Bald kehrte Janik zurück mit einem großen Korbe in der Hand. Er legte den Inhalt desselben auf den Tisch. Das Essen bestand aus Maisbrod, kaltem Fleisch und einer warmen, appetitlich duftenden Eierspeise.

»Herr,« sagte er, »Anka flüsterte mir zu, Euch vor dem Jumurta jemeki sehr in Acht zu nehmen.«

»Hat sie etwas Verdächtiges bemerkt?«

»Der Herr hat den Teig selbst gemacht und Anka hinausgeschickt. Sie lauschte aber und sah, daß er die Düte mit Sytschan zehiri aus der Tasche nahm.«

»War er noch jetzt in der Küche?«

»Ja, er fragte mich, wovon Ihr gesprochen hättet, und ich antwortete so, wie Du mir gesagt hast. Da befahl er mir, recht freundlich mit Euch zu thun und so oft wie möglich mit Euch zu sprechen, damit Ihr mir antworten müßtet und vielleicht Lust bekämt, ein Gespräch mit mir anzuknüpfen. Er hat mir ein Bakschisch von fünf Piastern versprochen, wenn ich meine Sache gut mache.«

»So siehe zu, ob Du Lust hast, Deine Seele für fünf Piaster der Hölle zu verschreiben.«

»Um Tausende nicht! Aber Anka läßt Euch sagen, daß Ihr Brod und Fleisch ohne Sorge essen könntet.«

»So wollen wir ihr folgen. Den Jumurta jemeki werde ich gleich einmal den Sperlingen zu kosten geben.«

Welche hochfein eingerichtete Wohnung wir hatten, war auch daraus zu sehen, daß unsere Stube einigen Sperlings-Familien als Heimat und Unterstützungswohnsitz diente. Es waren einige Steine aus der Mauer gefallen, und in den dadurch entstandenen Löchern befanden sich die Nester dieser frechen Proletarier, welche nicht einmal so viel Sinn für Ordnung und Styl besitzen, ihren Brutstätten eine feste und gefällige Form zu geben.

Die Spatzen schienen sich gar nicht vor uns zu fürchten. Sie flogen ohne Zagen aus und ein und betrachteten uns von ihren Nestern aus mit jener schändlichen Vertraulichkeit, mit welcher Sperlinge eben auf Leute blicken, für welche sie nicht den geringsten Respekt besitzen.

Ich warf ihnen mehrere Brocken von dem Eierkuchen in die Ecke, und die Vögel flatterten herbei, sich um denselben zu zanken und zu beißen. Sie befanden sich überhaupt jetzt alle bei uns im Thurm. Draußen war es düster geworden, und ein fernes Grollen verkündete uns das Nahen eines Gewitters.

»Hole uns eine Lampe,« sagte ich zu Janik, »und benutze diese Gelegenheit, Deinem Herrn mitzutheilen, daß wir sämmtliche Läden des Thurmes verschließen und verriegeln werden.«

»Warum?«

»Er wird Dich wohl danach fragen. Sage ihm, ich hätte gemeint, wir wollten den Geist der alten Mutter nicht herein lassen.«

Als er sich entfernt hatte, stiegen die Gefährten in die oberen Stockwerke empor, um die Läden auch wirklich fest zu schließen. Dann kehrte Janik mit einer alten Thonlampe zurück, in welcher sich so wenig Öl befand, daß sie nach kaum einer Stunde verlöschen mußte.

»Warum hast Du so wenig Öl gebracht?« fragte ich ihn.

»Der Herr gab mir nicht mehr. Er sagte, Ihr würdet Euch wohl bald schlafen legen. Anka aber ist ein kluges Mädchen und hat mir heimlich das mitgegeben.«

Er zog ein Fläschchen, in welchem sich Öl befand, aus der Tasche und gab es mir.

»Das ist jedenfalls nicht bloß Geiz,« sagte ich. »Er will haben, daß wir uns im Finstern befinden sollen; da ist man hilflos.«

Ein ängstliches Piepen und Zirpen ließ mich nach den Sperlingen schauen. Sie saßen mit gesträubtem Gefieder in ihren Nestern und benahmen sich ganz so, als ob sie Schmerzen hätten. Einer flatterte aus seinem Loch heraus und fiel auf den Boden nieder, wo er noch einige Male mit den Flügeln schlug und dann sich nicht mehr bewegte. Er war todt.

»So schnell!« meinte Halef. »Der Kerl muß eine tüchtige Portion Gift in die Eierspeise gethan haben!«

»Es gehört auch eine gehörige Menge dazu, vier kräftige Männer zu tödten. Bei uns wäre es freilich nicht so schnell gegangen, wie da bei dem Sperling. Dieser Mensch ist nicht nur bodenlos schlecht, sondern auch im höchsten Grade dumm. Er muß gedacht haben, daß wir so schnell stürzen würden, wie die Sperlinge, und gar keine Zeit zur Rache hätten.«

Es lagen jetzt schon mehrere Vögel todt am Boden. Die armen Thierchen dauerten mich, aber ich hatte sie opfern müssen, um Gewißheit zu erlangen.

»Was wirst Du denn nun mit dem Kuchen thun, Sihdi?« fragte mich Halef. »Wollen wir zu Habulam gehen und ihn mit der Peitsche zwingen, seine eigene Eierspeise zu verzehren?«

»Den ersten Theil Deines Vorschlages wollen wir ausführen, den letzteren aber nicht. Wir suchen ihn augenblicklich auf und nehmen den Eierkuchen mit, welchen wir mit den todten Vögeln garniren.«

»Herr, tu' das nicht,« bat Janik, »sonst ergeht es mir schlimm, weil er glauben wird, daß ich Euch gewarnt habe.«

»Dem werden wir dadurch vorbeugen, daß wir thun, als ob wir Dir ein Stück gegeben hätten, welches Du gegessen habest; Du mußt dann heftige Leibschneiden simuliren. Wirst Du Dich so verstellen können?«

»Ich denke, ja.«

»Das Übrige ist meine Sache. Kannst Du uns sagen, wo wir Habulam finden werden?«

»In seiner Stube hinter dem Selamlük, in welchem Ihr mit ihm gesessen habt. Ihr werdet die Thüre gleich sehen. Ist er nicht dort, so trefft Ihr ihn in der Küche, denn Anka sagte mir, daß er dabei sein will, wenn Euch das Achscham taami bereitet wird.«

»Und wo ist die Küche?«

»Links neben der Hofthüre. Du bist an ihr vorübergefahren worden. Seid aber klug und laßt Euch nicht zu früh bemerken, sonst versteckt er sich.«

Er ging, und auch wir brachen auf. Halef ließ es sich nicht nehmen, den Eierkuchen zu tragen, und hielt ihn mit dem Zipfel seines Kaftan zugedeckt. Aber wir nahmen nicht den Weg quer über den Hof, sondern wendeten uns, um nicht gleich gesehen zu werden, an dem Stall hin und dann am Hauptgebäude entlang.

Zunächst suchten wir den Hausherrn in seiner Stube. Da das Empfangszimmer mit Matten belegt war, verursachten wir kein Geräusch. Osco öffnete die von dort weiter führende Thüre und blickte hinein.

»Was willst Du?« hörte ich die erschrockene Stimme Habulam's fragen.

In demselben Augenblick wurde ich von Omar auf dem Rollstuhl in die Stube geschoben. Als Habulam mich erblickte, spreizte er alle zehn Finger aus, hielt sie mir entgegen und schrie im höchsten Schreck:

»Hasa, fi amahn Allah – Gott bewahre mich, Gott beschütze mich! Gehe hinaus, hinaus! Du hast den bösen Blick!«

»Nur für meine Feinde, nicht aber für Dich,« antwortete ich.

»Nein, nein! Ich darf mich nicht von Dir ansehen lassen!«

»Habe keine Sorge! So lange Du mir freundlich gesinnt bist, kann mein Auge Dir keinen Schaden bringen.«

»Das glaube ich nicht! Hinaus, hinaus!«

Er hatte sich angstvoll abgewendet, um mich nicht ansehen zu müssen, und streckte beide Hände nach der Thüre.

»Murad Habulam,« sagte ich in strengem Ton, »was fällt Dir ein? Behandelt man seinen Gast jemals in der Weise? Ich sage Dir, daß Dir mein Blick nichts schaden wird, und werde nicht eher gehen, als bis ich den Grund meines Kommens mit Dir besprochen habe. Wende Dich also zu mir und schaue mir getrost in das Angesicht.«

»Kannst Du mir bei Allah versichern, daß Dein Blick, trotzdem er auf mich fällt, nichts Böses bringen wird?«

»Ich gebe Dir die Versicherung.«

»So will ich es wagen. Aber ich sage Dir, daß mein schrecklichster Fluch Dich treffen wird, wenn Du mir Unheil bringst.«

»Er wird mich nicht treffen, denn mein Auge wird nur mit Freundlichkeit auf Dir ruhen und Dir also nichts schaden.«

Jetzt wendete er sich zu mir. Aber in seinem Gesicht spiegelte sich doch eine so große Bangigkeit, daß ich mich innerlich höchlichst belustigt fühlte.

»Was wünschest Du von mir?« fragte er.

»Ich möchte Dich um eine kleine Auskunft bitten und vorher ein freundliches Gesuch an Dich richten. Es ist Sitte, daß der Gastfreund das Brod mit seinen Gästen breche. Du hast das nicht thun können, weil das Podagra Dich verhindert, zu mir zu – –«

Ich hielt inne und that, als ob ich seine Beine erst jetzt genauer betrachtete. In Wahrheit aber hatte ich gleich bei meiner Ankunft bemerkt, daß die dicken Umhüllungen nicht mehr vorhanden waren.

Er stand ganz aufrecht vor mir. Die weiten Pluderhosen hingen ihm faltenreich um die Knie, und seine vom Schreck erzeugten Bewegungen waren vorhin so schnell und kräftig gewesen, daß von einer schmerzlichen Krankheit gar keine Rede sein konnte. Darum fuhr ich nach einer Pause des Erstaunens fort:

»Was sehe ich! Hat Allah ein Wunder gethan? Die Krankheit ist ja von Dir gewichen!«

Er befand sich in so großer Verlegenheit, daß er nur einige mir unverständliche Worte stammelte.

»Und da hast Du Angst vor meinem Auge?« fuhr ich fort. »Mein Blick bringt denen, welche mir wohlgesinnet sind, nur Gutes. Ich bin also überzeugt, daß Du meinem Auge und meiner wohlwollenden Freundschaft diese plötzliche Besserung zu verdanken hast. Wehe aber denen, welche Böses gegen mich sinnen! Mein Blick ist für sie eine Quelle größten Unheiles! Selbst wenn ich ihnen fern bin, genügt ein Gedanke von mir, ihnen alles Üble anzuthun, welches ich ihnen wünsche.«

Damit hatte ich ihm willkommenen Stoff zu einer Ausrede gegeben. Er benutzte denselben sofort, indem er sagte:

»Ja, Effendi, nur so kann es sein. Seit Jahren leide ich an dem Übel. Kaum warest Du von mir fort, so bemerkte ich ein unbeschreibliches Gefühl in meinen Beinen. Ich versuchte, zu gehen, und siehe da, es gelang! Noch niemals in meinem Leben habe ich mich so wohl und kräftig gefühlt, wie jetzt. Das kann nur Dein Blick gethan haben.«

»So siehe zu, daß es so bleibe! Die Umwandlung Deiner Gesinnungen würde auch eine Änderung in Deinem besseren Befinden hervorbringen. Du würdest kränker werden, als Du vorher jemals gewesen bist.«

»Effendi, warum sollte ich anders gegen Dich denken? Du hast mir ja nichts Böses gethan, sondern Du hast mir Heilung gebracht. Ich bin Dein Freund, und Du bist der meinige.«

»So ist es. Und just darum hat es mir so leid gethan, daß ich unser Mahl nicht mit Dir theilen konnte. Du sollst aber nicht von uns sagen, daß wir die Gesetze der Höflichkeit und Freundschaft nicht kennen. Darum kommen wir, um Dir den leckersten Theil unseres Mahles zu bringen und Dich zu bitten, ihn in unserer Gegenwart zu genießen. Wir werden Dir zuschauen und uns herzlich freuen, wenn Du die Gabe zu unserer Ehre verzehrst. Hadschi Halef Omar, gib sie heraus!«

Halef nahm den Kaftanzipfel von dem Eierkuchen, trat vor Habulam hin und überreichte ihm denselben mit den Worten:

»Herr, nimm die Speise der Gastfreundschaft und erweise uns die Liebe, zusehen zu dürfen, wie es Dir schmeckt!«

Es lagen sechs todte Sperlinge darauf. Habulam blickte betroffen von Einem zum Andern und fragte:

»Was soll das? Warum befinden sich diese Sperlinge auf dem Jumurta jemeki?«

»Ich gab ihnen davon zu essen, und sie sind sogleich vor Wonne über den Wohlgeschmack der Speise gestorben. Nun sind sie Djur el djinne geworden und schweben durch die Gärten des Paradieses, um mit Nachtigallentönen den Preis Deiner Kochkunst zu singen.«

Er langte nicht nach dem Kuchen – er war blaß geworden und stotterte:

»Effendi, ich verstehe Dich nicht. Wie können Sperlinge an einer Eierspeise sterben?«

»Das ist es ja, was ich Dich fragen wollte; deßwegen bin ich gekommen.«

»Wie soll ich darauf antworten können?«

»Du kannst es am besten wissen. Hast Du ihn denn nicht bereitet?«

»Ich? Wie kommst Du auf den Gedanken, daß ich selbst ihn gebacken habe?«

»Ich glaubte, die Freundschaft für uns hätte Dich fortgerissen, mit eigenen Händen diese Speise für uns zu verfertigen.«

»Das kann mir nicht einfallen. Ich bin kein Aschdschy; ich würde Alles verderben.«

»So sage uns, wem wir diesen guten Kuchen zu verdanken haben.«

»Anka, die Dienerin, hat ihn gebacken.«

»So zeige ihn ihr, und sage ihr, daß sie selbst davon kosten möge. Das ist nicht eine Ümr taami, sondern eine Ölüm jemeki. Wer sie genießt, über den senken sich die Schatten der Verwesung.«

»Herr, Du erschreckst mich!«

»Du würdest noch viel mehr erschrecken, wenn ich den bösen Blick nicht hätte. Wir lägen jetzt als Leichen im Thurm, und unsere Seelen würden des Nachts dort mit dem Geist der alten Frau erscheinen, um die Leichtsinnige anzuklagen, welche den Tod in diese Speise gebacken hat. Glücklicher Weise aber ist mein Blick so scharf, daß er Alles durchdringt. Es kann ihm nichts entgehen, weder Gutes noch Böses. Und wenn ich es auch nicht merken lasse, so sehe ich doch jedem Menschen in das Herz und weiß ganz genau, was darinnen wohnt. So habe ich auch sogleich das Gift der Ratten bemerkt und, um es Dir zu beweisen, den Vögeln davon gegeben, die schnell daran verendet sind.«

»Allah! Das soll ich glauben?«

»Ich sage es Dir, und darum mußt Du es glauben.«

»Wie aber sollte das zugegangen sein?«

»Ich denke, daß Du das wissen wirst.«

»Kein Wort weiß ich davon. Die Sache ist mir ganz unbegreiflich. In meiner Küche gibt es doch kein Gift!«

»Aber Ratten hast Du im Hause?«

»Sehr viele.«

»Und also auch Gift, sie zu tödten?«

»Ja, ich habe es aus Uskub kommen lassen.«

»Und wo bewahrst Du es auf?«

»Hier in meiner eigenen Stube. Es liegt dort auf dem Ifgar an der Wand. Nur ich selbst kann dazu gelangen.«

Ich blickte hin. Auf der schmalen Hervorragung der Mauer standen allerlei Kästchen und Büchsen. Eine Düte sah ich nicht. Vielleicht hatte er sie noch in seiner Tasche; darum sagte ich:

»Wenn Du es Dir nicht erklären kannst, so will ich mich meines Blickes bedienen, welcher alles Verborgene durchschaut. Ich sehe Anka, das Mädchen, in der Küche und Dich dazu. Du sendest sie hinaus. Während sie sich draußen befindet, nimmst Du die Düte mit Sytschan zehiri aus der Tasche und schüttest davon in den Teig.«

Er wich um einige Schritte zurück.

»Effendi!« rief er aus.

»Ist es nicht so?«

»Nein! Ich bin doch kein Zehirdschi

»Habe ich das gesagt? Du hast Dich wohl vergriffen und das Gift für Zucker gehalten.«

»Nein, nein! Dein Auge belügt Dich. Ich bin gar nicht in der Küche gewesen!«

»Ich sehe Dich aber doch mit meinem geistigen Blick drinnen!«

»Nein, Du täuschest Dich. Es muß ein Anderer gewesen sein!«

»Ich täusche mich nie. Greife in Deinen Kaftan. Das Gift befindet sich noch darinnen.«

Er fuhr unwillkürlich mit der rechten Hand in die Tasche, entfernte aber die Hand schnell wieder und rief:

»Ich weiß nicht, was Du willst, Effendi! Warum sollte ich Gift in meiner Tasche herumtragen?«

»Um es gegen die Ratten anzuwenden.«

»Ich habe aber kein Gift!«

»Greife nur in die rechte Tasche; dort befindet sich die Düte – ich sehe sie.«

Er griff hinein, zog die Hand leer wieder heraus und versicherte:

»Es ist ja gar Nichts darin.«

»Murad Habulam, wenn Du bisher auch die Wahrheit gesagt hättest, jetzt aber belügst Du mich. Die Düte ist darin.«

»Nein, Effendi!«

»Hadschi Halef, nimm sie ihm heraus!«

Halef trat zu ihm und streckte seine Hand aus. Habulam wich zurück und sagte zornig:

»Herr, was willst Du? Meinst Du, ich sei ein Lump, mit dem man machen kann, was man will? Es hat kein Mensch ein Recht, mich auszusuchen und mir in die Tasche zu greifen, noch dazu in meinem eigenen Hause!«

Da erhob Halef warnend den Finger.

»Du, Murad Habulam, weigere Dich nicht! Wenn Du meinen Effendi erzürnst, so wird er Dich sofort mit dem bösen Blick anschauen, und dann gebe ich keinen halben Para für Dein Leben. Bedenke das!«

Er griff, ohne jetzt daran gehindert zu werden, in die Tasche und brachte die Düte hervor.

»Nun, Habulam,« sagte ich. »Wer hat Recht gehabt?«

»Du, Effendi,« stammelte er. »Aber ich weiß bei Allah nicht, wie diese Düte in meine Tasche gekommen ist. Es muß sie Jemand hinein gethan haben, um mich zu verderben.«

»Meinst Du, daß ich das glauben soll?«

»Du mußt es glauben, denn ich schwöre es Dir bei dem Barte des Propheten zu. Das kann kein Anderer als Janik gethan haben, denn er ist in der Küche gewesen.«

»Dieser war es am allerwenigsten.«

»Du kennst ihn nicht. Er ist ein heimtückischer Mensch, der nur auf Böses sinnt. Warum hat er Euch zu mir gesandt? Ist er nicht bei Euch, um Euch zu bedienen? Weiß er nicht, daß ich Euch gar nicht erwartet habe? Warum hat er Euch nicht gehindert, zu mir zu kommen?«

»Weil er nicht konnte. Um seine Einrede nicht hören zu müssen, sandte ich ihn nach dem Stall, und dann sind wir schnell und heimlich aufgebrochen.«

»Und dennoch ist nur er es gewesen!«

»Du verdächtigst ihn ohne seine Schuld. Er hat von der Eierspeise gegessen, denn wir boten ihm von derselben an. Würde er das gethan haben, wenn er sie vergiftet hätte?«

»Wie? Er hat gegessen, er?«

»Frage ihn selbst. Siehst Du nicht, daß ein ganzes Stück davon fehlt?«

Dieses Stück hatten wir abgeschnitten und versteckt.

»O Allah! Da muß er ja sterben!«

»Leider!«

»Und Du trägst die Schuld, denn Du hast ihm davon gegeben!«

»Nein, Du bist der Schuldige! Warum hast Du uns diesen Kuchen des Todes geschickt? Mich kannst Du nicht täuschen. Ich will Dich aber noch nicht strafen, sondern Dir Zeit zur Reue geben. Hüte Dich jedoch, noch weiter Böses gegen uns zu sinnen. Eigentlich sollte ich Dein Haus sofort verlassen; da aber würde das Unglück bei Dir zurückbleiben und Dich verzehren. Darum will ich aus Barmherzigkeit noch bis morgen bleiben, damit Du Dich zu bessern vermagst. Jetzt lassen wir Dich allein. Denke nach, wie unbesonnen Du gehandelt hast und auch noch handeln willst!«

Er antwortete keine Silbe, und wir entfernten uns. Ich hatte mich gehütet, mich klar auszudrücken. Er durfte noch nicht wissen, was und wie wir über ihn dachten. Als wir in den Hof kamen, blitzte es auf, und ein Donnerschlag folgte. Das Gewitter brach los, und wir beeilten uns, den Thurm zu erreichen, wo Janik auf uns wartete.

Infolge des Gewitters und auch der sehr vorgerückten Tageszeit war es ziemlich dunkel geworden. Halef wollte die Lampe anzünden, aber ich gab dies nicht zu. Die Thüre wurde angelehnt, doch nicht ganz zugemacht, so daß ich von meinem Sitz aus durch die Spalte in den Garten hinaussehen und die Feime im Auge behalten konnte.

Obgleich es nicht wahrscheinlich war, daß ich Etwas sehen werde, denn ich mußte annehmen, daß man mit großer Vorsicht verfahren werde, war der Zufall doch außerordentlich günstig. Ein blendender Blitz erleuchtete für einen Augenblick das Dunkel, aber dieser Moment hatte genügt, mir zu zeigen, daß es dort an dem Getreideschober Menschen gab. Zwei von ihnen waren in gebückter Stellung eben bemüht, den Eingang in das Innere dadurch zu öffnen, daß sie einige der Getreidebündel herauszogen.

Wer waren diese Leute? Jedenfalls die von uns Erwarteten, denen das Regenwetter, in Folge dessen alle Bewohner des Hauses sich in die Stuben zurückgezogen, die gute Gelegenheit gegeben hatte, unbemerkt das Versteck zu erreichen. Ich beschloß, sie zu belauschen.

Zunächst hielt ich Janik an, sich an die Thürspalte zu stellen, um zu sehen, wann der geeignete Augenblick gekommen sei. Die unaufhörlich zuckenden Blitze gaben ihm dazu die genügende Beleuchtung. Als er mir meldete, daß er Niemanden mehr sehe und daß das Eingangsloch der Getreidefeime wieder verstopft sei, ließ ich mich durch ihn und Osco bis an die Feime tragen. Nachdem sie sich schleunigst zurückgezogen hatten, versuchte ich es, mich zwischen die wagerecht auf einander liegenden Getreidebündel hinein zu drängen. Das hatte seine Schwierigkeit, weil dieselben durch ihr eigenes Gewicht fest zusammengedrückt wurden und ich jedes Geräusch ängstlich vermeiden mußte.

In letzterer Hinsicht war mir der laut prasselnde Regen, sowie das Heulen des Gewittersturmes und das fast ununterbrochene Rollen des Donners von großem Vortheil. Den Kopf natürlich voran, schob ich mich weiter und weiter zwischen die Bündel hinein. Die Halme des Roggens, aus welchem sie bestanden, hatten Manneslänge und waren nicht in wirre Bündel, sondern zu sogenannten ›Schütten‹ vereinigt, bei denen die Stengel ihre vollständige Länge behalten und das Gebund beträchtlich länger wird, als die Halme eigentlich sind. Daher kam es, daß die Dicke der Feimenwand mehr als meine Körperlänge betrug und ich ganz, auch mit den Füßen, in ihr verschwinden konnte, ohne daß man im Innern meinen Kopf zu bemerken vermochte.

Die Bündel lagen mit den vollen Ähren nach innen. Ich schob mich langsam und leise so weit vor, daß die Ähren mein Gesicht vollständig verschleierten, ich aber zwischen ihnen hindurch den hohlen Innenraum völlig überblicken konnte. Das Gewitter kam mir dabei sehr zu Statten. Meine Bewegungen verursachten ein unvermeidliches Rascheln des Strohes und ein Ausfallen der Körner, welches mich in anderem Falle hätte unbedingt verrathen müssen. Wie wäre es mir dann möglich gewesen, mich zu vertheidigen, da ich mich nicht frei bewegen konnte! Jede auf mich gefeuerte Kugel mußte mich treffen, da es mir nicht gelingen konnte, ihr auszuweichen. Die einzige Art der Rettung bestand darin, daß ich dem Feind zuvorkam. Darum hatte ich meine beiden Revolver bereits draußen vor der Feime in die Hände genommen, weil ich sonst, zwischen den Bündeln eingepreßt, nicht in den Gürtel oder die Taschen zu greifen vermocht hätte. Alles Andere, selbst das Messer und den ganzen Inhalt meiner Taschen, hatte ich in dem Thurm zurückgelassen, da etwas Verlorenes hier schwerlich wieder zu finden war.

Die kreisförmige Grundfläche des Schobers konnte einen Durchmesser von vierzehn Ellen haben. Die Wände waren ungefähr vier Ellen dick; also besaß der innere, leere Raum einen Durchmesser von wohl sechs Ellen, so daß ein Dutzend Personen in sitzender Stellung ganz gemächlich darin Platz finden konnten. Janik hatte weniger angegeben. In der Mitte war ein starker, hoher Pfahl in die Erde gerammt, welcher das dicke Strohdach trug. Rundum lagen Getreidebündel, um als Sitze zu dienen, und an dem Pfahl hing eine brennende Laterne, welche den sonst dunklen Raum erleuchtete. Der Eingang bestand aus einigen weniger starken Gebunden, welche sehr leicht weggezogen und wieder vorgeschoben werden konnten, was von außen gar nicht, von innen aber sehr deutlich zu bemerken war.

Wozu hatte Murad Habulam dieses Versteck erbaut? Etwa nur, um seinen Bruder Manach el Barscha darin zu verbergen? Dann hätte er den Innenraum bedeutend kleiner machen können. Und jedenfalls gab es in seinem Hause und Gehöft wohl noch einen andern und weit bequemeren Platz, welcher als Aufenthalt einer einzelnen Person geeignet war. Übrigens kam der einstige Steuereinnehmer doch wohl nur zu Pferd, und es mußte also für das Thier noch ein besonderes Versteck vorhanden sein.

Nein, diese Feime war jedenfalls zur Aufnahme größerer Gesellschaften bestimmt; sie diente zu geheimen Zusammenkünften, und es war leicht zu vermuthen, daß die hier verkehrenden Personen zu den Anhängern des Schut gehörten.

War das aber wirklich der Fall, so stand es fest, daß Murad Habulam ein hervorragendes Mitglied dieser Verbrecherbande sei. Er, welcher das Podagra simulirt hatte, war seiner Füße so gut mächtig, daß er trotz des Unwetters nach der Feime hatte gehen können. Er saß mir grad gegenüber. Zu seinen beiden Seiten befanden sich sein Bruder Manach el Barscha und Barud el Amasat. Neben dem Letzteren saß der alte Mübarek, welcher den Arm in einer Binde trug. Am Eingang stand Humun, der Diener, und ihm gegenüber der Miridit, der Bruder des todten Fleischers zu Sbiganzy. Er war also doch auch gekommen, wie ich vermuthet hatte.

Auf der Seite, an welcher ich versteckt war, befanden sich drei Personen, nämlich die beiden Aladschy und Suef, der Spion. Sehen konnte ich sie nicht, da sie niedriger saßen, als mein Kopf sich in dem Stroh befand, aber ich hörte sie reden.

Das waren also neun Personen, deren Feindschaft wir Vier uns zu erwehren hatten. Ihre Kleider waren vom Regen durchnäßt, und nun hingen die Spelzen des Getreides so massenhaft an denselben, daß man die eigentliche Farbe gar nicht zu erkennen vermochte.

Der Erste, welchen ich reden hörte, war der Miridit. Er machte die mich zunächst weniger interessirende Bemerkung:

»Wir hätten unsere Pferde nicht in dem Gehölze unterbringen sollen; bei diesem Donnergetöse sind wir ihrer nicht sicher.«

»Du brauchst keine Sorge zu haben,« antwortete Habulam. »Meine Knechte werden gut aufpassen.«

Die Pferde standen also in irgend einem Gehölz, und zwar unter der Aufsicht einiger Knechte unseres Wirths. Dies gab mir die Gewißheit, daß derselbe noch mehrere vertraute Leute außer Humun besaß.

Der alte Mübarek hatte den Arm aus der Binde gezogen und ließ sich von Barud el Amasat den Verband öffnen. Habulam reichte ihm eine Büchse mit Salbe hin, welche jedenfalls zu diesem Zweck bei ihm vorher bestellt worden war. Am Boden stand ein Wasserkrug, mit dessen Inhalt die Wunden ausgewaschen wurden.

Ich sah, daß ihm mein vorgestriger Schuß durch die inneren Oberarmmuskeln gegangen war. Die gestrige Kugel hatte ihm das Ellbogengelenk zerschmettert. Beide Verletzungen, besonders aber die letztere, mußten ihm großen Schmerz verursachen, zumal von einem kunstgerechten Verband keine Rede war. Im allergünstigsten Fall behielt er einen steifen Arm; wahrscheinlicher aber war, daß ihm wenigstens der Vorderarm amputirt werden müsse. Wenn der Verwundete nicht sehr bald in die richtige Pflege kam, so stand mit Sicherheit zu erwarten, daß der Brand eintreten würde.

Nachdem die verletzten Theile gewaschen worden waren, ließ er sie von einem mit der Salbe bestrichenen Leinwandlappen umwinden und sodann mit einem Tuch verbinden. Dabei verzog der Alte keine Miene. Er mußte sehr starke Nerven haben, sonst hätte er diesen Schmerz nicht zu ertragen vermocht.

»Allah, Allah, wie hat Dich der Fremde zugerichtet!« sagte Habulam. »Dieser Arm wird niemals wieder werden, wie er gewesen ist.«

»Nein; ich bin ein Kötrümgeworden, ein armseliger Kötrüm, der den Gebrauch seines Armes verloren hat,« knirschte der Alte. »Dafür aber soll er eines zehnfachen Todes sterben. Ist er denn so leicht in das Netz gegangen?«

»So leicht wie ein Kara karga, dem man im Winter eine Düte mit einem Stückchen Fleisch hinlegt. Dieser dumme Vogel steckt den Kopf hinein, um sich das Fleisch heraus zu holen, und da die Düte mit Oksa ausgestrichen ist, so bleibt sie ihm am Kopf stecken, und man kann ihn mit den Händen greifen, weil er nicht zu sehen vermag. Eine solche Düte haben wir diesem Fremden über den Kopf gesteckt. Mein Bruder hat ihn mir als sehr klug geschildert, aber er hat es nicht bewiesen, daß er es ist.«

»Nein, klug ist er gar nicht, sondern er hat den Scheïtan, welcher ihn beschützt.«

»Da irrst Du Dich, denn er hat nicht den Teufel, sondern den Kem bakysch.«

»Allah, w' Allah!« rief der Mübarek erschrocken. »Ist das wahr?«

»Er hat es hier meinem Diener Humun mitgetheilt und ihn gewarnt. Aber was das Allerschlimmste ist, er hat nicht nur den einfachen bösen Blick, welcher nur beim unmittelbaren Anschauen wirkt, sondern den Kem bakysch jyraka doghru. Er braucht sich nur eine Person in Gedanken vorzustellen und mit seinem geistigen Auge zu betrachten, so sendet sein Blick dem Betreffenden alles Böse, was er demselben anwünscht.«

»Allah sei uns gnädig! Nicht der Teufel, sondern sein böses Auge macht ihn unüberwindlich. Wer mit ihm kämpft, muß ihn natürlich ansehen und ist dann verloren. Man darf also mit diesem Menschen nicht offen kämpfen, sondern man muß ihn hinterrücks tödten und vor allen Dingen dafür sorgen, daß dabei sein Auge nicht auf uns fällt.«

»So wäre es also mit unserm schönen Plan nichts?« fragte Murad Habulam.

»Nein, außer es hat Einer von Euch den Muth, den Chajjal zu machen. Ich aber mag Keinem dazu rathen, denn das Auge des Fremden würde auf ihm ruhen und ihm Verderben bringen. Wer war denn dazu bestimmt?«

»Humun.«

»Nein, nein!« rief der Diener ängstlich. »Erst war ich dazu entschlossen; nun aber fällt es mir gar nicht ein, den Geist der alten Mutter zu spielen. Mein Leben ist mir viel zu lieb dazu.«

»So wird sich vielleicht ein Anderer finden,« sagte Habulam. Da sie Alle aber verneinten, fuhr er fort: »Also nicht? Nun, so müssen wir etwas Anderes ersinnen. Wir sind ja hier beisammen und können uns besprechen.«

»Es bedarf keiner großen und langen Berathung,« erklärte Barud el Amasat. »Was wir wünschen, das ist der Tod dieser Leute. Wir müssen sie tödten, ohne daß der Deutsche uns dabei anblicken kann; dies kann nur geschehen, wenn wir ihn und seine Leute im Schlaf überfallen.«

»Ganz richtig!« stimmte Manach el Barscha bei. »Wir warten, bis sie schlafen, und fallen dann über sie her, vorausgesetzt, daß das Rattengift meines Bruders sie nicht bis dahin umgebracht hat.«

»Rattengift?« fragte der Mübarek. »Haben sie denn solches erhalten?«

»Ja. Ich besprach dies mit Habulam, als ich ihm Eure Ankunft meldete. Er wollte es ihnen in einer Eierspeise geben, welche sie hoffentlich bereits verzehrt haben.«

»Nun, dann ist ja ihr Tod ganz gewiß, falls er nicht zu wenig genommen hat.«

»O, drei ganze Hände voll habe ich in die Eier gethan,« sagte Habulam. »Das ist genug, um zehn Menschen umzubringen. Diesen Wichten aber hat es gar nichts geschadet.«

»Gar nichts? Warum denn?«

»Weil sie den Eierkuchen nicht gegessen haben. Dieser Bursche mit dem bösen Blick hat der Speise sofort angesehen, daß sie vergiftet war.«

»Das ist doch unmöglich!«

»Unmöglich? Ich möchte wissen, was dem Giaur überhaupt unmöglich ist! Denkt Euch, er kam mit seinen drei Begleitern zu mir, um mir den Eierkuchen zu bringen. In seiner freundlich höhnischen Art sagte er mir, daß der beste Theil des Mahles dem Wirth gehöre, und ich möge darum die Eierspeise essen.«

»O wehe!«

»Noch dazu verlangte er, daß ich sie vor seinen Augen verzehren sollte. Er hatte sie sogar mit todten Sperlingen belegt, an denen er das Gift vorher probirt hatte.«

»O Allah! So war die Sache verrathen!«

»Natürlich. Zum Unglück hat auch Janik davon gegessen und wird wohl nun sterben müssen.«

»Um diesen Menschen ist es nicht Schade!« fiel Humun hämisch ein.

»Weil er Dein Feind ist? Du mußt bedenken, in welchen Verdacht ich dadurch komme! Ich kann in Folge dessen der Giftmischerei angeklagt werden.«

Und nun erzählte er den erstaunten Zuhörern den ganzen Vorfall. Hierauf fuhr er fort:

»Die Eierspeise ist sammt den Sperlingen vernichtet, und nun soll mir einmal Jemand nachweisen, daß sie vergiftet gewesen ist!«

»Der Tod Janik's wird es beweisen.«

»O nein! Wer weiß, was er gegessen hat? Ich sage, daß ich selbst den Eierkuchen verzehrt habe. Mir hat er nicht das Mindeste geschadet.«

»Werden die Fremden heute abend vielleicht noch einmal essen?«

»Ich denke es. Wenigstens muß ich ihnen ein Abendmahl anbieten, freilich ohne Gift; denn ich darf mich nicht wieder in die Gefahr begeben, abermals für einen Giftmischer angesehen und nun ganz gewiß überführt zu werden. Nein, heute abend sollen sie so gut und reichlich bewirthet werden, als ob sie mir die liebsten Gäste seien.«

»Nach meiner Ansicht thust Du wohl daran. Diese Gastlichkeit wird sie irre machen und ihren Verdacht zerstreuen. Sie werden in Sicherheit gewiegt, und wir haben sodann leichteres Spiel. Also speise sie so splendid wie möglich. Du kannst es ja thun, denn was es Dich kostet, das ist ja eine Kleinigkeit gegen den ungeheuren Nutzen, welchen Du von unserer Verbrüderung gezogen hast und auch noch ziehen wirst.«

»Ungeheuer? Du sprichst ja, als ob Ihr mir bereits Millionen eingebracht hättet. Die Vortheile aber, welche Ihr mir bietet, sind gering gegen die Gefahr, welche ich laufe, indem ich mich zu Eurem Agenten mache.«

»Oho!«

»Denke Dir nur den jetzigen Fall! Wenn wir diese Fremden tödten und es wird offenbar, so ist es um mich geschehen. Mein ganzer Einfluß reicht nicht aus, mir das Leben zu retten. Ihr reitet fort und laßt Euch nicht erwischen. Ihr habt keine Heimat und auch kein liegendes Eigenthum. Wollte ich mich durch die Flucht retten, so müßte ich Alles verlieren, was ich besitze.«

»So fange es nur klug an!« murmelte der alte Mübarek. »Es darf keine Spur von den Verhaßten übrig bleiben.«

»Natürlich! Sie müssen ganz klein zerhackt und dann in den großen Fischteich Habulam's geworfen werden, den Hechten zum Fraß,« meinten die Andern.

»Und die Hechte verspeise dann ich?« fragte Habulam mit einer Gebärde des Abscheus. »Das fällt mir gar nicht ein!«

»Es ist auch nicht nöthig. Die Fische verkaufst Du. Nur müssen wir uns sputen, daß vor Anbruch des Tages Alles ohne Lärm beendet ist; denn schießen dürfen wir nicht.«

Nun folgte eine lange Berathung darüber, wie sie uns am besten überfallen und erwürgen oder erschlagen könnten.

Endlich einigten sie sich dahin, mittels einer vorhandenen Leiter von außen den Thurm zu ersteigen, den Deckel der Treppenöffnung aufzuheben und dann behutsam über die Treppe bis in's innerste Geschoß, wo wir fest im Schlaf liegen würden, hinab zu gelangen.

»Die Burschen sind vielleicht wachsam,« warf jetzt Einer ein.

»Das glaube ich nicht,« erwiderte Habulam. »Wozu sollten sie wachen? Sie verriegeln die Thüre und die Fenster, und da sie jedenfalls nicht vermuthen, daß Jemand von oben in den Thurm steigt, so werden sie sich ganz sicher fühlen. Übrigens steht es uns ja frei, uns vorher zu überzeugen, daß sie schlafen.«

»In welcher Weise?«

»Dadurch, daß wir an den Läden horchen. Ich bin fest überzeugt, daß sie schlafen werden; im Dunkeln bleibt man nicht leicht wach.«

»Du wirst ihnen doch eine Lampe gegeben haben?«

»Ja, aber mit nur so viel Öl, daß sie schon lange vor Mitternacht verlöschen muß.«

Der alte Halunke ahnte nicht, daß wir durch Janik mit Öl versehen worden waren.

»Knarren die Treppenstufen nicht?« erkundigte sich Barud el Amasat.

»Nein, denn sie sind von Stein; einige mögen wohl ein wenig locker sein, aber Geräusch verursachen sie sicher nicht.«

»Es wäre eine dumme Geschichte, wenn wir sammt den Stufen unter lautem Gepolter die Treppe hinabstürzen würden.«

»Das haben wir nicht zu befürchten. Übrigens nehmen wir uns eine Laterne mit, um die Stufen zu beleuchten, bevor wir sie betreten.«

»Daß uns die Kerle bemerken, nicht?«

»Nein. Es sind ja mehrere Stockwerke da, so daß der Lichtschein nicht aus dem einen in das andere fallen kann. Wenn wir das unterste Geschoß erreichen, lassen wir die Laterne stehen und holen sie erst dann herbei, wenn die Wichte todt sind.«

»So bin ich befriedigt. Aber dennoch ist die Sache nicht etwa leicht. Wir müssen unser Werk im Finstern thun und zwar völlig geräuschlos. Das ist schwer.«

»Nun, mir ist nicht sehr bange. Wir müssen uns nur genau verständigen und die Rollen vertheilen, damit ein Jeder weiß, was er zu thun hat. Dann wird Alles schnell und in Ruhe und Ordnung geschehen.«

»Was meinst Du mit den Rollen?«

»Ich meine, daß Jeder von uns gesagt bekommt, wen er packen soll, damit wir uns nicht einander im Weg sind. Auf diesen deutschen Giaur müssen wir allerdings zwei Männer rechnen.«

»Das thun wir,« sagte einer der Aladschy. »Ich und mein Bruder nehmen ihn auf uns.«

»Gut. So suchen wir nun die Kräftigsten von uns aus. Wir brauchen für Jeden eine Person. Nach den beiden Aladschy ist jedenfalls der Miridit am stärksten. Er mag also den auf sich nehmen, den sie Osco nennen.«

»Nein,« fiel Barud el Amasat ein. »Diesen Osco fordere ich für mich allein. Ich bin es, den er verfolgt; an mir will er sich rächen und dafür soll er unter meinen Fäusten ersticken.«

»An Dir will er sich rächen? Warum?«

»Weil ich vor einiger Zeit seine Tochter entführt und als Sklavin verkauft habe. An wen, das geht Euch nichts an.«

»Das ist freilich ein Spaß, den sich nicht jeder Vater gefallen läßt!«

»Er ist mir auch seit jener Zeit stets auf den Fersen gewesen.«

»Was ist er denn für ein Mensch? Er sieht aus wie ein Serbe.«

»Er ist ein Montenegriner. Früher waren wir sehr gute Freunde mit einander.«

»So hat er Dich beleidigt, und Du rächtest Dich dadurch, daß Du ihm seine Tochter stahlst?«

»Er hat mir nichts zu Leid gethan. Seine Tochter Senitza war eine große Schönheit. Ein Herr hatte sie gesehen und verlangte sie zum Weib; sie aber wies ihn ab. Da wendete er sich an mich und bot mir eine sehr hohe Summe. Nun, was hättet Ihr an meiner Stelle gethan?«

»Das Geld verdient,« lachte Murad Habulam.

»Ganz recht! Ich raubte sie, was mir sehr leicht wurde, weil sie mir als dem Freund ihres Vaters vertraute, und überlieferte sie dem Fremden. Dieser nahm sie mit sich nach Ägypten, wo sie ihm bald wieder entführt ward.«

»Von wem?«

»Das werdet Ihr nicht errathen. Von demjenigen, welcher eben Alles und wieder Alles verschuldet hat, nämlich von dem Schurken, der sich Kara Ben Nemsi nennt.«

»Von diesem Deutschen?«

»Ja.«

»Allah verdamme ihn!«

»Hoffentlich wird Dein Wunsch noch heute erfüllt. Diese Senitza liebte nämlich einen Anderen, den Sohn eines steinreichen Großhändlers in Stambul. Er heißt Isla und traf in Ägypten mit dem Deutschen zusammen. Dieser hat Senitza entdeckt und entführt und sie dem Isla übergeben, welcher mit ihr nach Stambul reiste und sie zum Weib nahm. Ich möchte nur wissen, wie der Deutsche sie hat ausspüren können!«

»Eben infolge seines bösen Blickes,« meinte Habulam. »Er sieht und entdeckt Alles. Hat sich denn derjenige, welchem Du Senitza verkauftest und dem sie wieder entführt wurde, nicht gerächt?«

»Er wollte es, kam aber nicht dazu; denn der Teufel beschützt den Deutschen. Ja, diesem selbst oder einem seiner Begleiter gelang es sogar später, meinen Freund zu ermorden. Und nun sind sie mit Osco hinter mir her. Der alte Montenegriner hat natürlich keinen heißeren Wunsch, als sich an mir zu rächen.«

»Das soll ihm vergehen!«

»Das meine ich auch, und darum nehme ich den Alten auf mich. Der Miridit mag sich jenen heraussuchen, den sie Omar nennen.«

Der Miridit hatte bisher – die Arme über die Brust gekreuzt haltend – bewegungslos und wortlos an seinem Platz gestanden. Jetzt aber machte er zuerst eine abwehrende Handbewegung und sagte dann ruhig:

»Mich geht dieser Omar heute gar nichts an.«

»Nicht?« fragte Habulam erstaunt. »So hast Du Dir wohl einen Anderen ausersehen? Vielleicht den, welchen sie Hadschi Halef nennen? Ich habe Dich für muthiger gehalten, als Du Dich jetzt zeigst.«

Das Auge des Miriditen blitzte zornig, doch fragte er in ruhigem Ton:

»So meinst Du also, daß es mir an Muth gebricht?«

»Ja. Du suchst Dir den Kleinsten unter den Feinden aus!«

»Wer hat das gesagt? Etwa ich?«

»Nun, es ist doch sehr zu vermuthen.«

»Du hast gar nichts zu vermuthen. Vielleicht wirst Du sagen, daß ich gar keinen Muth besitze, wenn ich Euch jetzt erkläre, daß ich keinen Einzigen von diesen Leuten auf mich nehmen werde.«

Diese Erklärung des Miriditen befremdete Alle höchlichst.

»Willst Du etwa sagen, daß Du Dich überhaupt nicht gegen unsere Feinde betheiligen willst?« fragte Habulam hastig.

»Ja, dies habe ich gemeint.«

»Das wäre eine Treulosigkeit gegen uns, und darum hoffe ich, daß Du nur scherzest.«

»Ich habe vollständig im Ernst gesprochen.«

Es entstand eine Pause, während welcher Aller Blicke forschend auf sein starres Angesicht gerichtet waren. Dann hob Barud el Amasat an:

»Wenn Du das wirklich so meinst, so wäre es besser, wir hätten Dich gar nicht kennen gelernt. Wer nicht mit uns ist, der ist wider uns. Wir müßten Dich, wenn Du bei Deinem Vorhaben bliebest, als unsern Feind betrachten.«

Der Miridit antwortete, indem er mit dem Kopf schüttelte:

»Ich bin nicht Euer Feind. Ich werde Euch in Eurem Vorhaben nicht stören, aber Euch auch nicht beistehen.«

»Heute früh sprachst Du anders.«

»Seit dieser Zeit hat sich meine Ansicht geändert.«

»So betrachtest Du diese Leute nicht mehr als unsere gemeinsamen Feinde?«

»O ja; denn sie haben meinen Bruder getödtet. Aber es ist zwischen ihnen und mir ein Mütareke abgeschlossen worden.«

»Ein Mütareke! Bist Du toll! Wie stimmt das mit den Worten zusammen, welche Du uns vorhin bei Deiner Ankunft sagtest?«

»Ich glaube nicht, daß ein Widerspruch vorhanden ist.«

»Ein sehr großer sogar. Du trenntest Dich am Morgen in der festen Absicht von uns, die Fremden oder wenigstens diesen Kara Ben Nemsi zu tödten. Wir waren daher enttäuscht, als Du vorhin kamst, um uns zu melden, daß es Dir nicht gelungen sei, Deinen Plan auszuführen. Jetzt nun theilst Du uns sogar mit, Du habest mit ihnen einen Waffenstillstand abgeschlossen. Wir mußten glauben, daß sie Dir entgangen seien; nach Deiner jetzigen Rede aber hast Du sogar mit ihnen gesprochen!«

»Das that ich allerdings.«

»Und hast wirklich einen Barysch scharti abgeschlossen?«

»Nur einen einstweiligen.«

Je ruhiger der Miridit antwortete, desto aufgeregter ward Barud el Amasat. Dieser erhob sich von seinem Sitz, trat auf jenen zu und sagte in strengem Ton:

»Das war Dir nicht erlaubt!«

»Warum nicht? Wer sollte Etwas dagegen haben können?«

»Wir, natürlich wir! Du bist unser Verbündeter und hast kein Recht und auch keine Erlaubniß, ohne unsere Zustimmung so Etwas zu thun. Dein Vertrag ist bihude bosch, da er ohne und gegen uns abgeschlossen wurde. Das laß Dir hiemit gesagt sein!«

Die Brauen des Miriditen zogen sich zusammen. Sein Blick funkelte, doch beherrschte er sich noch und antwortete so ruhig wie zuvor:

»So hältst Du Dich wohl für denjenigen, der mir Etwas zu sagen hat?«

»Jawohl. Wir sind Verbündete, und Keiner von uns darf Etwas thun, was gegen den Willen der Andern ist. Darum muß ich Dir sagen, daß Du sehr unüberlegt und leichtsinnig gehandelt hast!«

»Bin scheïtanlar – tausend Teufel!« rief der Miridit jetzt zornig. »Das wagst Du mir zu bieten, Du, den ich gar nicht kenne, von dem ich nicht einmal weiß, wer er ist, woher er kommt und an welchem Ort er den Eingang zur Hölle finden wird? Sage mir noch eine einzige solche Beleidigung, so führt Dich meine Kugel nach der Tiefe, in welcher der Baba bozulmanun wohnt. Ich bin ein Miridit, ein Sohn des berühmtesten und tapfersten Stammes der Arnauten, und lasse mich nicht von Dir beleidigen. Indem Du mir mit solchen Worten gegenüber trittst, hast Du Dich an den Rand des Grabes gestellt. Ein kleiner Griff von mir, und Du stürzest hinab!«

»Oho! Auch ich bin bewaffnet!« antwortete Barud el Amasat, indem er die Hand an den Griff seiner Pistole legte.

»Halt!« rief da der alte Mübarek. »Sollen Freunde sich in Uneinigkeit verzehren? Barud el Amasat, es ist ganz gut, daß Du um unsere Sache eiferst; aber Du darfst es nicht in Worten thun, welche beleidigen. Setze Dich wieder nieder! Der Miridit wird mir aufrichtig sagen, in welcher Weise er mit diesen Menschen einen Waffenstillstand abgeschlossen hat.«

Barud setzte sich mißmuthig nieder, und der Miridit erklärte:

»Ich habe dem Deutschen meinen Czakan gegeben.«

»Allah! Das ist ein heiliger Brauch, bei welchem die Vereinbarung niemals rückgängig gemacht werden kann. Auf wie lange Zeit hat er die Waffe erhalten?«

»Auf so lange, bis er sie mir freiwillig zurückgibt.«

»Das ist ja so gut wie für ewige Zeit!«

»Wenn es ihm so beliebt, kann ich nichts dagegen haben.«

»Ich will Dich nicht tadeln, denn ich kenne Deine Gründe noch nicht. Mit einem Mann, gegen welchen man eine Blutrache hat, schließt man nicht ohne eine sehr triftige Veranlassung einen solchen Frieden. Du mußt also diesem Deutschen, den Allah verdammen möge, sehr viel zu verdanken haben.«

»Ich habe ihm Alles zu verdanken, nämlich mein Leben. Es lag in seiner Hand, und doch hat er es mir nicht genommen.«

»Erzähle uns, wie das sich zugetragen hat!«

Der Miridit lieferte einen Bericht seines verunglückten Überfalles und erzählte die Sache so wahrheitstreu, daß mein Verhalten in das günstigste Licht gestellt wurde. Er schloß mit der Bemerkung:

»Ihr seht also, daß ich nicht leichtsinnig gehandelt habe. ›Kerem silahdan daha kuwwetli dir‹. Ich habe dieses Sprichwort bisher für unwahr gehalten; jetzt aber bin ich ganz derselben Meinung. Mein Bruder war selbst Schuld an seinem Tod. Wenn ich ihn trotzdem zu rächen beabsichtigte, so stand ich als Bluträcher dem Deutschen so feindlich gegenüber, daß er, um sein Leben zu retten, mir unbedingt das meinige nehmen mußte. Er hat dies nicht gethan. Ich war vollständig in seine Hand gegeben, und trotzdem krümmte er nicht ein Haar meines Hauptes. ›Kan kani itschün‹, so lautet das Gesetz der Rache; aber der Kuran gebietet: ›Adschyma adschymaji itschün‹. Wem habe ich zu gehorchen, dem Kuran des Propheten oder der Satzung sündiger Menschen? Steht nicht in den heiligen Büchern zu lesen: ›Schükri nimet göge doghru götür‹? Der Deutsche hat mir die größte Wohlthat erwiesen, welche es geben kann. Wollte ich ihm dafür nach dem Leben trachten, so würde ich Allah's Zorn für immer auf mich laden. Darum habe ich ihm meinen Czakan gegeben. Wenn in Folge dessen meine Hand nicht gegen ihn ist, so braucht Ihr doch nicht zu denken, daß ich nun feindselig gegen Euch handeln werde. Thut, was Ihr wollt! Ich hindere Euch nicht daran; aber verlangt nicht von mir, daß ich mich an der Ermordung meines Wohlthäters betheiligen soll.«

Er hatte sehr ernst und mit großem Nachdruck gesprochen. Seine Worte erreichten so ziemlich die beabsichtigte Wirkung. Die Andern blickten einander eine Weile stumm an. Sie konnten ihm nicht Unrecht geben, und doch war ihnen die Schonung, welche er gegen uns üben wollte, höchst unangenehm.

»Scheïtan bu Nemtscheji derile satchile jut – der Teufel verschlinge diesen Deutschen mit Haut und Haar!« rief endlich der alte Mübarek. »Es ist, als ob diesem Menschen Alles gelingen und zum Guten ausschlagen müsse. Ich hatte ganz gewiß auf Dich gerechnet. Ich will auch zugeben, daß Du einen kleinen Grund gehabt hast, Dich von Deinem guten Herzen fortreißen zu lassen; aber Du darfst nicht zu weit gehen. Wenn er Dir das Leben geschenkt hat, so begreife ich, daß Du Dich jetzt scheust, ihm das seinige zu nehmen; aber warum willst Du da auch die Andern schonen? Ihnen hast Du nichts zu verdanken. Ihn haben die Aladschy übernommen; Du sollst Dich über den Omar hermachen, und ich sehe keinen Grund, warum Du das nicht thun willst.«

»Ich habe Grund genug. Was der Deutsche thut, das thut er nicht allein, sondern in Übereinstimmung mit seinen Begleitern. Meine Dankbarkeit gilt nicht ihm allein, sondern auch den Andern. Und selbst wenn ich nur ihm verpflichtet wäre, dürfte ich mich nicht an einem seiner Begleiter vergreifen, da ich ihm dadurch Schmerz bereiten würde. Ich bin gekommen, Euch zu sagen, daß Ihr in dieser Angelegenheit von mir absehen sollt. Ich habe mir vorgenommen, mich nicht zu betheiligen, und werde auf alle Fälle diesem Vorsatz treu bleiben.«

»Bedenke die Folgen!«

»Ich habe nichts zu bedenken.«

»O doch! Ist es Dir so gleichgültig, unsere Freundschaft zu verlieren?«

»Soll das etwa eine Drohung sein? Dann wäre es besser, Du hättest sie nicht ausgesprochen. Ich habe dem Deutschen meinen Czakan, also mein Yrza mebni wad gegeben und werde dasselbe halten. Wer mich da hindern will, der hat es mit mir zu thun. Wollt Ihr Eure Freundschaft in Feindschaft umwandeln, so thut das in Allah's Namen, aber glaubt nicht, daß ich mich vor Euch fürchte. Ich will und werde mich vollständig theilnahmslos verhalten, aber nur so lange, als Ihr mich in Ruhe laßt. Das ist Alles, was ich Euch zu sagen habe. Ich bin fertig und kann nun gehen.«

Er wendete sich dem Ausgang zu.

»Halt!« rief Habulam. »Sei verständig und bleibe!«

»Ich bin verständig, aber mein Bleiben hätte keinen Zweck.«

»In diesem Wetter kannst Du doch nicht fort!«

»Was mache ich mir aus dem Regen!«

»Aber Du kannst doch nicht während dieses heftigen Gewitters nach Sbiganzy reiten!«

Er warf einen forschenden Blick in das Gesicht des Miriditen. Dieser verstand denselben und antwortete:

»Habe keine Sorge! Ich werde nicht hinterlistig gegen Euch handeln. Wenn Du befürchtest, daß ich da bleibe und heimlich mit diesen fremden Leuten rede, um sie zu warnen, so irrst Du Dich. Ich gehe hinaus unter die Bäume zu meinem Pferd, steige auf und reite fort. Ich habe Euch gesagt, daß ich nicht gegen Euch sein werde, und werde mein Wort nicht brechen.«

Er bückte sich, um die Bündel, welche die Thüre bildeten, zu entfernen. Die Andern sahen ein, daß er sich nicht zurückhalten lasse; darum sagte der alte Mübarek:

»Wenn Du wirklich gehen willst, so schwöre uns vorher bei dem Bart des Propheten, daß Du Dich der Fremden nicht annehmen wirst!«

Der Miridit antwortete unter einer zornigen Bewegung:

»Dieses Verlangen ist eine Beleidigung. Ich habe Euch mein Wort gegeben, und Ihr müßt an dasselbe glauben. Bist Du etwa nicht gewohnt, das Deinige zu halten? Dennoch will ich den Schwur ablegen, weil ich nicht in Unfrieden von Euch scheiden möchte. Bist Du nun zufrieden?«

»Ja; aber bedenke wohl, welcher Strafe Du verfallen würdest, wenn es Dir einfiele, uns zu täuschen! Wir lassen nicht mit uns scherzen!«

Das war in einem Ton gesprochen, welcher den Stolz des Miriditen herausforderte. Dieser trat von dem Eingang weg, hart an den Alten heran, und sagte:

»Wagst Du es, mir das zu sagen, Du, dessen ganzes Wesen und Handeln eine einzige große Lüge ist? Wer bist Du? Der alte Mübarek, der Heilige! Ist das nicht eine Lüge? Du warst auch Busra, der Krüppel. War das nicht auch Täuschung? Wo bist Du her, und wie lautet Dein wirklicher Name? Niemand weiß es, Niemand kann es sagen. Du bist gekommen wie eine Krankheit in das Land, wie eine Taan, vor welcher Allah alle seine Gläubigen beschützen möge. Du hast Dich in das verfallene Gemäuer der Ruine festgesetzt, wie ein Sukutan, wie ein Bengi, welcher den ganzen Umkreis vergiftet hat. Ich selbst bin nur ein sündhafter Mensch, aber mit Dir mag ich mich nicht vergleichen, und noch viel weniger dulde ich es, von Dir beleidigt zu werden. Wenn Du meinst, eine Macht zu besitzen, vor welcher man sich fürchten muß, so überlasse ich es schwachen Menschen, diese Furcht zu hegen. Es kostet Jedem von uns nur ein Wort, so bist Du verloren. Ich werde dieses Wort nie aussprechen, außer Du zwingst mich dazu. Ehe ich in dieser Weise an Dir zum Verräther werde, bediene ich mich lieber eines andern Wortes, eines Wortes, welches man nicht hört, sondern sieht und fühlt. Und wenn Du wissen willst, welches dieses Wort ist, so blicke her; ich hab es in der Hand!«

Er zog sein Messer aus dem Gürtel und schwang es über dem Mübarek.

»Allah! Willst Du mich erstechen?« rief dieser erschrocken.

»Heute nicht und auch fernerhin nicht, wenn Du mich nicht dazu zwingst. Vergiß das nicht! Und nun gute Nacht!«

Er steckte das Messer wieder zu sich, entfernte die Bündel und kroch hinaus. Auf einen Wink Habulam's folgte ihm Humun, der Diener, vorsichtig nach. Als dieser nach kurzer Zeit wiederkehrte, meldete er, daß der Miridit sich wirklich entfernt habe.

»Dem hat Allah den Verstand genommen!« murrte Barud el Amasat. »Auf ihn ist nun nicht mehr zu rechnen.«

»Nein, nun nicht mehr,« stimmte der Mübarek bei. »Aber er hat mir nicht umsonst gedroht. Ich werde dafür sorgen, daß er uns nicht zu schaden vermag.«

»Willst Du ihn tödten?« fragte Manach el Barscha.

»Was ich thun werde, das weiß ich noch nicht. Aber wir haben wieder deutlich ein Beispiel, wie nothwendig es ist, diesen Deutschen mit seinen Genossen aus der Welt zu schaffen. Jetzt fragt es sich, wer von den Andern den Omar tödten soll.«

»Ich nehme ihn auf mich,« sagte Humun, der Diener.

»Gut! So bleibt nur noch der kleine Hadschi übrig. Leider kann ich nicht dabei helfen, weil ich verwundet bin.«

»So gebt ihn in meine Hand,« meinte Manach el Barscha. »Es soll mir eine Wonne sein, ihm das Lebenslicht auszulöschen. Er ist klein und scheinbar schwach; aber man darf ihn nicht unterschätzen. Dieser Zwerg hat den Muth eines Panthers und ist gewandt wie ein Atmadscha. Auch haben wir gehört, daß er bedeutende Körperkraft besitzt. Ihr dürft es mir also nicht etwa als einen Mangel an Muth auslegen, wenn ich mir ihn erwähle. Und was die Zeit betrifft, in welcher wir den Streich ausführen, so schlage ich vor, uns nicht für eine bestimmte Stunde zu entscheiden. Wir werden von Zeit zu Zeit lauschen. Sobald wir bemerken, daß sie sich niedergelegt haben, gehen wir an das Werk.«

»Das ist auch meine Meinung,« erklärte Habulam. »Ich habe die Vorbereitungen zu treffen und werde mich also nun entfernen. Humun geht natürlich mit mir; ich werde ihn aber von Zeit zu Zeit senden, um nachzufragen, ob wir beginnen können.«

Er stand von seinem Sitz auf.

»Warte noch einen Augenblick!« bat der Mübarek. »Ich möchte Dich noch um einiges Nebensächliche fragen.«

Das gab mir Veranlassung, mich zurückzuziehen. Nach der Entfernung des Wirthes wäre es mir vielleicht nicht leicht möglich geworden, die Feime zu verlassen. Es war anzunehmen, daß die Andern sich schweigsam verhalten würden, und in diesem Fall mußten sie mich im Stroh rascheln hören. Jetzt aber ertönten die Stimmen der Sprechenden so laut, daß Niemand das Geräusch meines langsamen und vorsichtigen Rückkriechens vernehmen konnte. Es gelang. Wie aber nun nach dem Thurm kommen? Es war zwar nicht weit, aber ich hatte nichts, worauf ich mich stützen konnte. Da wurde die Thüre geöffnet, und Osco steckte den Kopf heraus, was er alle zwei bis drei Minuten gethan hatte. Er bemerkte mich, kam herbei geeilt, nahm mich huckepack auf seinen Rücken und trug mich in den Thurm. Dort ließ er mich auf den Teppich nieder, da wo ich zuvor gesessen hatte, so daß ich die Thüre vor mir hatte. Ich ließ dieselbe soweit öffnen, daß man von draußen einen Blick hineinwerfen konnte.

»Warum das?« fragte Omar. »Es regnet ja herein.«

»Nicht viel. Das Wetter kommt von der andern Seite. Der Wirth soll hereinblicken können, um zu sehen, daß wir Alle beisammen sind. Janik aber mag sich so stellen, daß er nicht gesehen werden kann.«

Der Diener nahm den betreffenden Platz hinter der Thüre ein, und nun erzählte ich, was ich gesehen und gehört hatte. Dabei hütete ich mich aber, aus meinen Mienen errathen zu lassen, daß unsere Unterhaltung eine so wichtige Angelegenheit betraf. Wenn Habulam und Humun jetzt hereinblickten und mich sprechen sahen, mußten sie denken, daß wir uns über einen höchst harmlosen Gegenstand unterhielten.

Mein Bericht dauerte so lange, daß ich nach seiner Beendigung annehmen konnte, Murad Habulam sei nun in das Schloß zurückgekehrt. Darum ließ ich die Thüre wieder zumachen.

Von meinen Zuhörern war Halef am grimmigsten gestimmt.

»Herr,« sagte er, »ich möchte die Schurken in dem Schober aufsuchen und Jedem eine Kugel durch den Kopf jagen. Dann hätten wir vor ihnen Ruhe und könnten unsern Weg in Frieden fortsetzen.«

»Willst Du ein Mörder sein?«

»Ein Mörder? Wo denkst Du hin! Diese Halunken sind Raubthiere, und wie ich einen stinkenden Schakal oder eine Hyäne erschlage, ohne mir Vorwürfe darüber zu machen, so kann ich auch diese Schurken unschädlich machen, ohne daß es mein Gewissen beschwert.«

»Wir sind nicht ihre Richter!«

»Oho! Sie trachten uns nach dem Leben. Wir befinden uns ihnen gegenüber im Zustand der Nothwehr.«

»Das ist freilich wahr; aber wir können doch ihre Anschläge zu Nichte machen, ohne sie zu tödten.«

»So werden wir sie nicht los, und sie werden uns noch weiter verfolgen.«

»Wenn wir so gut aufpassen wie bisher, können sie uns nichts anhaben.«

»Wollen wir uns denn immer und immer mit dem Gedanken an diese Schurken plagen? Haben wir einen Genuß von unserer Reise? Kann unser Ritt uns zur Bereicherung unserer Kenntnisse dienen? Wir reiten durch dieses Land wie Ameisen, welche über den Weg laufen und im nächsten Augenblicke gewärtig sein müssen, zertreten zu werden. Ich danke für ein solches Vergnügen! Also schießen wir diese Schakale in Menschengestalt nieder, wo und wann wir können!«

»Ich weiß recht wohl,« erwiederte ich, »in welcher Lage wir uns befinden. Bringen wir sie vor einen Richter, so werden wir heimlich ausgelacht. Nehmen wir selbst das Recht der Vergeltung in die Hand, so handeln wir gegen die Gebote meines Glaubens und gegen die Satzungen der Menschlichkeit. Wir müssen also Beides unterlassen und lieber versuchen, uns dieser Feinde zu erwehren, ohne an ihnen ein Verbrechen zu begehen.«

»Es ist aber gar kein Verbrechen!«

»In meinen Augen doch. Wenn ich mich eines Feindes in anderer Weise zu erwehren vermag, so ist es strafbar, ihn zu tödten. Mit List erreicht man oft so viel, wie mit Gewalt.«

»Wie willst Du das anfangen?«

»Ich lasse sie auf den Thurm steigen und sorge dafür, daß sie nicht wieder herab können.«

»Dieser Gedanke ist freilich gar nicht übel. Aber wenn sie hinaufsteigen können, so wird es ihnen nicht unmöglich sein, auf demselben Wege wieder herab zu kommen.«

»Auch wenn wir ihnen, sobald sie oben sind, die Leiter wegnehmen?«

»Hm! Dann kommen sie die Treppe herunter.«

»Wenn sie das thäten, würden sie verrathen, daß sie Arges gegen uns geplant haben. Und übrigens können wir ihnen diesen Weg ja verschließen. Wir brauchen nur einen Hammer und große Nägel, um den Deckel am Fußboden festzunageln.«

Janik erbot sich, das Gewünschte herbeizuschaffen, nebst einer großen eisernen Klammer.

»Das ist gut,« fuhr ich fort. »Diese Klammer wird unsern Zweck am sichersten erfüllen. Wir befestigen den Deckel über der obersten Treppe, so daß er nicht von außen emporgezogen werden kann. Dann können die Leute nicht zur Treppe herab, und da wir ihnen die Leiter wegnehmen, so müssen sie in dem Regenwetter oben stehen bleiben, bis der Tag anbricht. Das wird ihre Unternehmungslust wohl ein wenig abkühlen.«

»Sihdi,« meinte Halef, »Dein Plan versöhnt mich mit Deiner sonstigen Gutmüthigkeit. Es ist doch ein recht hübscher Gedanke, diese Halunken da oben zu wissen, wo sie während der ganzen Nacht stehen müssen. Setzen können sie sich ja nicht, da es von allen Seiten hereinregnen kann; es schwimmt also sicherlich viel Wasser auf dem Boden. Dieser oberste Kat ist grad so gebaut wie eine Laterne, in welcher sich kein Glas befindet. Er hat nur zur Aussicht gedient, und der Regen findet also ungehinderten Eingang. Da nun die Thüre, welche heraus auf den Söller geführt hat, zugemauert worden ist und auch der Deckel luftdicht schließt, so kann das Regenwasser vielleicht gar nicht ablaufen.«

»O doch,« fiel Janik ein. »Es ist ein kleines Loch vorhanden, welches durch die Mauer führt.«

»Können wir das nicht verstopfen?«

»Sehr leicht. Es ist genug Üstipü vorhanden.«

»Prächtig! So wird es fest verstopft. Ah, diese Mörder sollen oben im Wasser stehen und sich die Gicht, den Rheumatismus, die Zipperlein und alle zehntausend Arten von Erkältungen holen. Ich wollte, sie müßten bis unter die Arme im Wasser stehen und – –«

Er sprang auf und schritt schnell hin und her. Er hatte einen Gedanken. Dann blieb er vor dem Diener stehen, legte demselben die Hand auf die Achsel und sagte:

»Janik, Du bester und treuester der Freunde! Ich habe Dich lieb, aber ich würde Dich noch hundertmal mehr lieben, wenn Du hättest, was ich brauche.«

»Nun, was bedarfst Du denn?« fragte der Angeredete.

»Ich bedarf eines Gegenstandes, welcher hier bei Euch jedenfalls nicht vorhanden ist. Denn nicht wahr, bei Euch gibt es keine Tulumba

»Eine große nicht, dafür aber eine Bostan fyschkyrmajü, welche auf zwei Rädern läuft.«

»Mensch! Mann! Freund! Bruder! Was für ein prächtiger Kerl bist Du! Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß Ihr eine Spritze habt!«

»Der Herr hat sie im vorigen Jahre aus Uskub kommen lassen, weil ihm immer die Feime angezündet wurde. Sie steht stets zum Gebrauch bereit im Garten.«

»Wie viel Wasser faßt sie denn?«

»Etwas mehr als was in eine große Kurna geht.«

»Das ist gut; aber was nützt mir die herrliche Bostan fyschkyrmajü, wenn die Hauptsache dazu nicht vorhanden ist.«

»Was meinst Du denn?«

»Einen Kyrba, einen möglichst langen Kyrba. Aber ein solcher ist wohl nicht da?«

Der kleine Hadschi war ganz begeistert. Er sprach seine Fragen so angelegentlich aus, als ob es sich um das höchste Glück der Erde handle.

»O, einen Kyrba haben wir, nicht etwa zur Aufbewahrung des Wassers während der Reise, sondern einen Akar su getirdschi, wie er beim Löschen eines Feuers gebraucht wird. Nur fragt es sich, wie lang er sein soll.«

»So lang, daß er bis auf die Zinne des Thurmes reicht.«

»So lang ist er, wohl sogar noch ein wenig länger.«

»Mann, ich muß Dich umarmen! Komm an mein Herz; Du bist die Freude meines Daseins, die Wonne meines Lebens und das Glück meiner Tage! Also eine Spritze ist vorhanden und auch ein Schlauch. Das ist zum Entzücken! Einen Schlauch, so lang, wie ich ihn brauche! Wer hätte geglaubt, diesen Gegenstand hier in Kilissely zu finden!«

»Dies ist leicht begreiflich. Ohne diesen Schlauch würde die Spritze uns nicht viel helfen, da wir das Wasser weit zu schleppen hätten.«

»Meinst Du von dem Fischteich da draußen herein?«

»Nein; das wäre zu weit. Wir haben gleich hinter dem Thurm, ganz an der Mauer desselben, ein großes Su deliki, welches stets gefüllt ist. Dahin kommt die Spritze zu stehen, und den Schlauch führt man natürlich dorthin, wo es brennt.«

»Ein Su deliki, aus welchem man die Spritze füllen kann! Ist es tief? Ist es groß? Ist viel Wasser in demselben vorhanden?«

»Ich weiß nicht, wozu Du das Wasser haben willst; aber ich glaube, daß es Dir zu Deinem Vorhaben nicht daran mangeln wird.«

»Glaubst Du? Das ist wirklich herrlich! Deine Worte sind wie die Tropfen des Thaues, welcher auf die verschmachtende Flur fällt. Deine Rede ist mehr als hundert Piaster werth, und wenn ich einst ein Bin kire bin Sahibi geworden bin, sollst Du sogar tausend erhalten. Du weißt also nicht, wozu ich das Wasser brauche?«

»Nein.«

»Du ahnst es auch nicht?«

»Nein.«

»So schütze Allah Dein Gehirn, welches einer ausgetrockneten Cisterne gleicht. Merke auf! Mein Sihdi wird sofort errathen haben, was ich beabsichtige. Nicht wahr, Herr?«

Da diese Frage an mich gerichtet war, so nickte ich mit dem Kopf.

»Und was sagst Du dazu?«

Seine Augen leuchteten vor innerer Lust. Der Gedanke erfüllte ihn mit Entzücken, unsern Feinden einen Streich spielen zu können. Darum war er auch ziemlich enttäuscht, als ich ihm ernsten Tones antwortete:

»Es ist ein Tschodschukluk, weiter nichts.«

»Sihdi, das darfst Du nicht sagen. Die Schurken besteigen den Thurm, um uns zu tödten. Du willst dafür sorgen, daß sie nicht herabkönnen und während der ganzen Nacht oben bleiben müssen. Nun gut, so will ich das Meinige hinzufügen, daß sie sich nicht etwa übermäßig wohl da oben fühlen sollen. Wir pumpen ihnen das ganze Thurmgemach voll Wasser. Dieses Gemach ist zwar rundum offen; aber die Wand ist dennoch so hoch, daß sie einem Mann bis an die Brust reicht, und so hoch sollen sie im Wasser stehen. Oder fühlst Du Mitleid mit ihnen? Rührt es Dich, daß diese Mörder sich vielleicht erkälten und einen kleinen Disch aghrysty bekommen können?«

»Nein, das nicht. Es ist ihnen zu gönnen, daß sie die Nacht so unbequem wie möglich zubringen, aber ich möchte Dein Vorhaben doch nicht billigen.«

»Aber Strafe muß doch sein!«

»Ganz recht. Doch kannst Du dadurch Dich und uns in Schaden bringen.«

»Nein, Sihdi. Wir treffen unsere Vorbereitungen so, daß kein Mensch Etwas davon bemerken soll. Was sagt denn Ihr dazu, Osco, Omar?«

Die beiden Genannten waren mit ihm einverstanden. Alle Drei stürmten nun so lange mit Bitten auf mich ein, bis ich wohl oder übel Ja sagte.

Janik ging nun und kehrte nach einer Weile mit dem radförmig aufgewundenen Schlauch nebst einer Leine zurück. Die Andern stiegen mit ihm in den Thurm hinauf, und bald hörte ich auch trotz des gegen die Läden prasselnden Regens laute Hammerschläge. Janik hatte den Hammer und die Klammer in der Tasche stecken gehabt, und nun, nachdem sie den Schlauch angebunden hatten, schlugen sie den Treppendeckel so fest, daß Niemand aus dem oberen Raume des Thurmes herab gelangen konnte.

Als sie zurückkehrten, meinte Halef im Tone größter Befriedigung:

»Das haben wir gut gemacht, Sihdi. Du selbst hättest es nicht besser machen können.«

»Nun, wie habt Ihr denn den Schlauch befestigt?«

»So, daß er außen am Thurme herabhängt und dann unten an die Spritze geschraubt werden kann.«

»Und wenn sie die Leiter anlegen, sehen sie ihn.«

»Janik sagt, daß sie die Leiter jedenfalls an der entgegengesetzten Seite anlegen werden, wo ihnen keine Bäume hinderlich sind. Das Mundstück des Schlauches führt nach dem Gemach, aber so, daß das Wasser innen an der Wand herabläuft, ohne Geräusch zu machen. Sie müßten in der Dunkelheit sehr suchen, um es zu finden. Auch in den anderen Stuben sind die Läden alle verriegelt, und ich wünsche nur, daß die Badegäste bald kommen.«

»Das wird noch längere Zeit währen, da Habulam davon sprach, daß er uns ein gutes Abendessen senden werde.«

»Soll ich gehen, um es zu holen?« fragte Janik.

»Ja, thue das. Je eher wir essen, desto weniger lang brauchen wir zu warten. Aber stelle Dich so, als ob Du wirklich von der Eierspeise gegessen hättest und Schmerzen fühltest. Sieh auch zu, daß Du mit Anka zu reden kommst! Vielleicht hat sie Dir Etwas mitzutheilen.«

Er ging, und wir warteten still, da wir nichts Wesentliches mehr zu besprechen hatten, auf seine Rückkehr. Halef kauerte auf seiner Decke, rieb sich von Zeit zu Zeit mit leisem Lachen die Hände und stieß dabei unverständliche Rufe aus. Seine Gedanken waren ausschließlich mit der Einwässerung unserer Feinde beschäftigt.

Als Janik zurückkehrte, war er nicht allein. Er brachte unser Nachtmahl, und da er nicht Alles zu tragen vermocht hatte, war er von Humun begleitet worden. Dieser trat aber nicht mit ein; er blieb draußen stehen, bis Janik ihm seine Last abgenommen hatte, und entfernte sich dann in höchster Eile.

Das Essen war ausgezeichnet. Wir hatten eine tüchtige Schüssel Balyk tschorbajü, wie sie in Prag oder in Wien nicht besser auf den Tisch gebracht wird. Da es keine Löffel gab, erhielten wir Tassen, mit welchen wir die Suppe schöpften und zum Mund führten. Dann kam ein riesiger Iblig dolduri, mit einem Teige von Mehl, Feigen und zerstoßenen Nüssen gefüllt. Nachher ein Oghlak kebabi, der gar nicht so übel war, obgleich man oft einem unbegründeten Vorurtheil gegen Ziegenfleisch begegnet. Dazu gab es fetten Pillaw mit Rosinen und weich gedämpften Mandelkernen. Den Nachtisch bildeten Früchte und Zuckerwaaren, welche wir nicht berührten. Auch von dem Übrigen blieb weit über die Hälfte übrig. Wir hätten nichts angerührt; aber Anka ließ uns sagen, daß wir ohne Sorge essen könnten, da sie die Speisen ganz allein zubereitet habe und während der betreffenden Zeit kein Mensch zu ihr in die Küche gekommen sei.

»Aber Dein Herr ist in seiner Wohnung?« fragte ich Janik.

»Ja. Er sitzt und raucht und starrt vor sich hin. Er ließ mich kommen und fragte mich, was mir fehle. Ich machte nämlich ein entsetzliches Gesicht. Ich antwortete ihm, daß ich eine Aiwa gegessen hätte, welche wohl unreif gewesen sein müsse und mir ein großes Leibweh verursache.«

»Das war sehr klug von Dir. Jetzt ist er vielleicht der Meinung, daß Du von seiner Giftmischerei gar nichts ahnest, und wird es darum nicht für nöthig halten, sich vor Dir zu verstellen.«

»Das ist richtig. Verstellt hat er sich freilich nicht. Er zeigte mir ganz offen die Wuth, welche er gegen Euch hegt, und wollte Alles wissen, was Ihr thut und sagt. Ich erzählte ihm, daß Du Schmerzen im Fuße habest und nicht gehen könntest. Eure Ermüdung sei so groß, daß Ihr baldigst zur Ruhe zu gehen wünschtet. Darauf gebot er mir, Euch gleich nach dem Essen das Lager zu bereiten. Dann solle ich sofort schlafen gehen. Je eher Ihr Euch niederlegt, desto zeitiger würdet Ihr aufstehen, meinte er, und dann müsse ich ausgeschlafen haben, um zu Eurer Bedienung da zu sein.«

»Sehr klug von ihm! Wo schläfst Du gewöhnlich?«

»Mit Humun und den anderen Dienstleuten.«

»Das ist unangenehm! Da kannst Du Dich nicht unbemerkt entfernen, und wir brauchen Dich doch.«

»O, was das betrifft, Effendi, so darfst Du ohne Sorge sein. Keiner will von heute an mehr mit mir schlafen, und Humun hat mir auf Befehl des Herrn ein Lager unter dem Dach angewiesen. Aber wenn Du es wünschest, so thue ich, als ob ich schlafen gehen wolle, werde aber in den Thurm hieher kommen. Ihr habt dann verriegelt, und ich klopfe an.«

»Aber nicht wie gewöhnlich. Das könnte zufälliger Weise auch ein Anderer thun. Klopfe an den Laden hier, welcher nach hinten führt, und zwar erst einmal, dann zwei und nachher drei Male. So wissen wir, daß Du es bist, und werden öffnen. Theile dieses Zeichen Deiner Anka mit. Man weiß nicht, was während Deiner Abwesenheit bei Habulam passiren kann. Sie mag aufpassen und uns nöthigen Falles Botschaft bringen.«

Janik schaffte nun das Speisegeschirr fort und brachte uns dann noch einige Decken für das Lager. Nach seiner abermaligen Entfernung löschten wir das Licht aus. Die Läden und auch die Thüre waren zwar verriegelt, aber sie hatten so viel Spalten, daß man von außen sehr leicht sehen konnte, daß wir kein Licht mehr hatten.

Wohl erst gegen zwei Stunden kehrte Janik zurück. Er gab das verabredete Zeichen, und wir ließen ihn ein.

»Ich komme so spät,« flüsterte er uns zu, »weil mir der Gedanke kam, Habulam zu belauschen. Die Leute mußten alle schlafen gehen; dann schlich er sich mit Humun zu der Feime. Beide sind soeben hineingekrochen.«

»So wissen wir also, woran wir sind. Man wird meinen, daß wir schlafen, und wir können nun die Besteigung des Thurmes baldigst erwarten.«

»Das müssen wir sehen,« sagte Halef und er stieg, von den Übrigen gefolgt, rasch die Treppe hinauf.

Es regnete noch immer, ja, es draschte so laut hernieder, daß man die Schritte der draußen Gehenden gar nicht hören konnte.

Ich saß nun allein im unteren Gemach und wartete. Nach einiger Zeit kamen die vier Männer zu mir herab, und Halef meldete:

»Sihdi, sie sind oben. Soeben steigt der Letzte empor; es waren sieben Personen.«

»Neun waren in der Feime. Der Miridit ist fort. Der Mübarek wird zurückgeblieben sein, weil er verwundet ist.«

»So stimmt es. Nun werden wir sofort die Leiter entfernen und die Gartenspritze holen.«

»Nehmt Decken über, sonst werdet Ihr naß bis auf die Haut.«

Sie thaten das in aller Eile und schoben dann den Riegel von der Thüre zurück, um hinaus zu gehen. Ich richtete mich an der Wand empor und öffnete den nach hinten gehenden Laden. Es war dunkel draußen; aber trotz der Finsterniß und des dicken Regens bemerkte ich doch bald die vier Männer, welche sich da ganz in der Nähe des Ladens zu schaffen machten. Dann vernahm ich das taktmäßige Kreischen des Hebels der Spritze. Sie hatten den Schlauch angeschraubt und pumpten aus allen Kräften Wasser nach oben. Das Wasserloch befand sich vor meinem Fenster. Von Zeit zu Zeit ließ sich Halef's leise kommandirende Stimme hören. Der kleine Hadschi befand sich trotz des Regengusses ganz in seinem Element.

Oben aber blieb Alles still. Daß das Pumpen von Erfolg war, ließ sich denken. Wahrscheinlich konnten sich die Schurken da oben nicht erklären, woher das Wasser kam, aber sie hüteten sich wohl, ihre Gegenwart zu verrathen. Jedenfalls gaben sie sich große Mühe, den Deckel über der Treppe zu öffnen. Habulam hatte ja gesagt, daß er sich zu diesem Zwecke mit einem Bohrer versehen wolle. Möglich war es immerhin, daß sie die Klammer auswuchteten. In diesem Falle kamen sie herab, und ich machte mich bereit, sie mit dem Revolver zu empfangen. Aber so scharf ich nach der Treppe lauschte, es ließ sich nichts hören. Halef hatte also den Deckel gut befestigt.

So verging eine ziemlich lange Zeit, wohl über eine Stunde. Dann kehrten die Vier zu mir zurück.

»Wir sind fertig, Sihdi!« meldete der Hadschi mit größter Befriedigung. »Wir haben gepumpt aus Leibeskräften. Jetzt aber sind wir pudelnaß. Erlaubst Du uns, die Lampe anzubrennen?«

»Ja; es ist besser, wir haben Licht.«

Er zündete die Lampe an und goß Öl zu. Dann stiegen sie nach oben, bis in den Raum, über welchem unsere Gegner im Wasser standen. Dort öffneten sie einen Laden, und dann hörte ich Halef's Stimme:

»Allah sallam wer, tschelebilerim – Allah grüße Euch, meine Herren! Wollt Ihr bei dieser drückenden Tageshitze ein wenig frische Luft schnappen? Wie gefällt Euch die reizende Aussicht da oben? Unser Effendi läßt Euch fragen, ob er Euch sein Dürbün heraufschicken soll, damit Ihr den Regen besser erkennen könnt.«

Ich lauschte, hörte aber keine Antwort. Die Verspotteten schienen sich ganz still zu verhalten.

»Warum badet Ihr denn eigentlich des Nachts so hoch da oben?« fuhr Halef fort. »Ist es hierzulande so Sitte? Es sollte mich sehr schmerzen, wenn das Wasser nicht die gehörige Wärme hätte. Aber man soll Niemand im Bad belauschen; darum werden wir uns höflich zurückziehen. Hoffentlich seid Ihr bis Tagesanbruch fertig; dann werde ich, Euer unterthänigster Diener, mir erlauben, mich nach Eurem hohen Befinden zu erkundigen.«

Er kam mit den Andern herab und lachte mir zu:

»Sihdi, sie sind prächtig in die Falle gegangen, und Keiner wagt es, ein Wort zu sprechen. Es war mir, als ob ich ihre Zähne klappern hörte. Jetzt könnten wir nun eigentlich gemüthlich schlafen, denn stören kann uns Niemand.«

»Ja, schlaft ruhig,« sagte Janik. »Ihr seid vom Reiten ermüdet, ich aber bin noch munter. Ich werde wachen und Euch sofort wecken, wenn es nöthig ist. Aber wir haben nichts zu befürchten. Die Männer können nicht herab. Höchstens wäre es möglich, daß das Wasser durch die Decke dränge und zu uns herabkäme. Aber auch das wäre ganz außer Gefahr.«


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