Guy de Maupassant
Herr Parent
Guy de Maupassant

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An Bettes Rand

Im Kamin brannte das Feuer. Auf dem japanischen Tisch davor standen zwei Theetassen einander gegenüber, während die Theekanne neben der Zuckerschale und einer Rumflasche dampfte.

Graf Sallure warf seinen Hut, seine Handschuhe und seinen Pelz auf einen Stuhl, während die Gräfin, nachdem sie ihren Ballumhang abgelegt, vor dem Spiegel ein wenig ihre Haare ordnete. Sie lachte sich selbst an, wie sie mit ihren feinen Fingern, an denen eine Menge Ringe glänzte, die Löckchen an der Schläfe zurecht zupfte. Dann wandte sie sich zu ihrem Mann. Er sah sie seit einigen Sekunden an, zögernd, als ob ihn ein heimlicher Gedanke beschäftige.

Endlich sagte er:

– Hat man Dir heute abend genug den Hof gemacht?

Sie blickte ihm in die Augen und Triumph und Herausforderung blitzten daraus, als sie antwortete:

– Das hoffe ich!

Dann setzte sie sich wieder auf ihren Platz, er ihr gegenüber, und er gab zurück während er ein Theegebäck zerbrach:

– Hör mal, Du machst mich beinahe lächerlich!

Sie fragte:

– Eine Szene? Hast Du mir etwa was vorzuwerfen?

– Nein, liebe Freundin, ich meine nur, daß Herr Burel gegen Dich beinahe die Grenzen überschritten hat. Wenn ich ein Recht dazu gehabt hätte, wäre ich böse geworden.

– Lieber Freund, sei doch ehrlich, Du denkst eben heute nicht mehr, wie Du voriges Jahr dachtest, als ich erfahren hatte, daß Du eine Geliebte hättest, eine Geliebte, die Du wirklich liebtest! Damals hättest Du Dich nicht weiter darum gekümmert, ob man mir den Hof machte oder nicht. Ich habe Dir meinen Schmerz mitgeteilt, ich habe Dir, wie Du selbst heute abend, aber mit mehr Recht, gesagt: lieber Freund, Du kompromittierst Frau von Servy, Du machst mir Kummer und machst mich lächerlich. Was hast Du da geantwortet? Du hast mir zu verstehen gegeben, daß ich durchaus frei wäre, daß unter vernünftigen Leuten die Ehe weiter nichts sei wie eine Interessengemeinschaft, ein soziales Bindemittel aber kein moralisches! Ist das wahr? Du hast mir zu verstehen gegeben, daß Deine Geliebte unendlich viel hübscher wäre als ich, unendlich verführerischer, viel mehr Weib, ja Du hast gesagt: »mehr Weib.« Das alles hattest Du allerdings überzuckert mit allerlei schonenden Redensarten, als Mann von guter Erziehung in allerlei Komplimente eingehüllt, die Du mit einer Zartheit vorbrachtest, der ich alle Hochachtung erweise. Nichtsdestoweniger hatte ich verstanden.

Wir waren übereingekommen, daß wir von jetzt ab zwar zusammenleben wollten, aber durchaus getrennt. Wir hatten ein Kind. Das bildete allein das Bindeglied zwischen uns.

Du hast mich damals erraten lassen, daß Du nur den Schein gewahrt haben wolltest und daß ich, wenn es mir sonst Spaß mache, einen Liebhaber nehmen könnte, vorausgesetzt, daß kein Mensch etwas davon erführe. Du hast eine lange, vortreffliche Abhandlung über die Feinheit der Frau gehalten, über ihre Geschicklichkeit den Schein zu wahren.

Ich habe Dich verstanden, lieber Freund, ich habe Dich vollkommen verstanden: damals warst Du in Frau von Servy verliebt, und meine legitime Zärtlichkeit, meine gesetzliche Liebe störte Dich sehr. Ich nahm Dir ja allerdings einen Teil Deiner Kräfte. Seitdem haben wir getrennt gelebt, wir gehen zusammen in Gesellschaft, kommen zusammen nach Haus und dann zieht sich jedes in sein Zimmer zurück.

Nun fängst Du seit ein oder zwei Monaten an, den Eifersüchtigen zu spielen. Was soll denn das heißen?

– Liebe Freundin, ich bin nicht eifersüchtig, aber ich fürchte, daß Du mich kompromittieren könntest, Du bist jung, lebhaft und abenteuerlustig . . . . .

– Weißt Du, wenn wir über Abenteuerlust reden, so haben wir uns wohl gegenseitig nichts vorzuwerfen.

– Bitte, spaße nicht, ich spreche als Freund mit Dir, als ernster Freund. Alles was Du da sagst, ist stark übertrieben.

– O bitte, durchaus nicht, Du hast mir Deine Beziehungen eingestanden und das bedeutete etwa dasselbe, als ob Du mir das Recht eingeräumt hättest, das Gleiche zu thun. Und ich – habe es nicht gethan.

– Erlaub' mal –

– Bitte, laß mich ausreden. Ich habe es nicht gethan, ich habe keinen Liebhaber, ich habe auch keinen gehabt bis jetzt; ich warte ab, ich suche, ich finde keinen. Ich muß jemanden haben, der sehr hübsch ist, hübscher als Du. Ich mache Dir damit ein Kompliment, aber es scheint gar nicht so, als ob Du das merktest.

– Liebes Kind, diese Späße sind wirklich nicht am Platz.

– Aber ich spaße durchaus nicht. Du hast mir vom achtzehnten Jahrhundert gesprochen und durchblicken lassen, daß Du Ansichten hättest, wie zur Zeit der Regentschaft. Ich habe das nicht vergessen und an dem Tage, wo es mir mal passen sollte, das nicht mehr zu sein, was ich noch bin, dann sollst Du Dich mal umsehen, dann werde ich Dir, ohne daß Du's ahnst, Hörner aufsetzen!

– Wie kannst Du nur so was sagen . . .

– So was? Ich erinnere Dich bloß daran, daß Du wie wahnsinnig gelacht hast, als Frau von Gers behauptet hat, Herr von Servy sehe aus wie einer, der seine Hörner sucht.

– Was im Munde der Frau von Gers komisch klingen mag, kann unpassend werden in Deinem.

– Durchaus nicht. Du findest nur das Wort ›Hörneraufsetzen‹ so riesig nett, wenn es sich um Herrn von Servy handelt, findest aber, daß es einen sehr unangenehmen Klang gewinnt, wenn es sich um Dich handelt! Alles kommt eben auf den Standpunkt an. Übrigens liegt mir an dem Worte gar nichts. Ich habe es nur gesagt um zu sehen, ob Du reif bist.

– Reif? Wozu?

– Nun, um Hörner zu tragen. Sobald sich ein Mann ärgert, wenn er dieses Wort hört, dann ist er schon reif. In zwei Monaten wirst Du der erste sein, der lacht, wenn man von einem ›Hörnerträger‹ redet. Wenn man's erst mal selbst ist, fühlt man's nicht mehr.

– Du bewegst Dich heute abend in lauter unpassenden Redensarten. Das kenne ich doch sonst nicht an Dir.

– Ah, siehst Du, ich habe mich eben geändert, nach der schlechten Seite, – Dein Fehler.

– Liebes Kind, nun sei ernst. Ich bitte Dich, ich flehe Dich an, die unpassende Annäherung dieses Herrn Burel nicht zu dulden wie heute abend.

– Siehst Du, Du bist eifersüchtig, ich hab's ja gesagt.

– Aber durchaus nicht; nur möchte ich nicht lächerlich werden, ich will nicht lächerlich sein, und wenn ich noch einmal sehe, daß ein Herr so intim mit Dir redet, werde ich ihn mir kaufen.

– Bist Du etwa verliebt in mich?

– Das könnte man schon in weniger hübsche Frauen sein, als Du eine bist.

– Siehst Du, wie Du bist. Aber weißt Du, ich bin nicht mehr verliebt in Dich.

 

Der Graf hat sich erhoben, geht um den kleinen Tisch herum und als er an seiner Frau vorüberkommt, küßt er sie schnell auf den Nacken. Sie richtet sich jäh auf und blickt ihm in die Augen:

– Ich verbitte mir solche Späße zwischen uns. Wir leben getrennt. Das ist nun vorbei!

– Ärgere Dich doch nicht. Ich finde Dich zu süß seit einiger Zeit.

– Da habe ich also gewonnen! Du findest mich also auch reif!

– Ich finde Dich reizend, Du hast Arme, einen Teint, Schultern –

– die Herrn Burel gefallen.

– Du bist wirklich unerhört. Aber ich kenne wahrhaftig keine aufregendere Frau als Dich.

– Du hast eben gefastet.

– Was?

– Ich sage: Du hast gefastet.

– Was heißt das?

– Nun, wenn man gefastet hat, hat man Hunger, und hat man Hunger, so entschließt man sich Dinge zu essen, die man sonst nicht mag. Ich bin die Speise, die Du bisher nicht gemocht hast und die Du heute abend mal gerne essen möchtest.

– Aber, Margarete, wer hat Dir nur solche Redensarten beigebracht?

– Du. Weißt Du, seitdem Du mit Frau von Servy auseinander bist, hast Du, soviel ich weiß, vier Verhältnisse gehabt, welche vom Theater und andere. Wie soll ich also Deine Anwandlung von heute abend anders erklären als durch augenblickliches Fasten.

– Gut, ich will ganz offen und ehrlich sein, ohne weitere Umschweife: ich habe mich wieder in Dich verliebt und zwar wirklich sehr stark. Das ist es.

– Sieh mal an, da möchtest Du also wieder mit mir anbändeln?

– Jawohl.

– Heute abend?

– O Margarete!

– Gut. Jetzt bist Du auch noch entrüstet, lieber Freund! Aber wir wollen uns doch mal verständigen. Wir sind einander doch nichts mehr. Ich bin allerdings Deine Frau, aber Deine Frau, die frei ist. Ich wollte mich nach einer anderen Seite hin verpflichten und Du möchtest gern das Vorkaufsrecht haben. Gut ich will Dir's geben, aber nur zum selben Preise.

– Ich verstehe nicht.

– Ich werde Dir's gleich erklären. Bin ich ebenso hübsch wie Deine Frauenzimmer, sag mal ganz offen?

– Tausendmal hübscher.

– Hübscher als die Hübscheste?

– Nicht zu vergleichen.

– Gut, was hat Dich ungefähr die Hübscheste in drei Monaten gekostet.

– Ich verstehe nicht, was Du meinst.

– Ich meine, wieviel hat Dich das reizendste Deiner Verhältnisse in drei Monaten gekostet an Geld, Schmuck, Soupers, Diners, Theater und so weiter, genug, im Ganzen?

– Das weiß ich doch nicht.

– Du mußt's doch wissen, Du kannst doch so etwa eine Summe angeben! Vielleicht fünftausend Franken monatlich? Kann das etwa stimmen?

– Ja etwa.

– Gut, lieber Freund. Gieb mir sofort fünftausend Franken und dann gehöre ich Dir von heute abend ab auf einen Monat.

– Du bist wohl verrückt.

– Wenn Du nicht willst, gute Nacht.

 

Die Gräfin geht hinaus und tritt in ihr Schlafzimmer. Das Bett ist aufgedeckt; ein unbestimmter Duft zieht durch den Raum. Der Graf erscheint an der Thür:

– Es riecht sehr schön hier.

– Wirklich? Und doch ist noch alles beim alten. Ich gebrauche immer noch peau d'Espagne.

– Nein, so was! Es riecht wundervoll.

– Das kann schon sein. Aber bitte, willst Du Dich entfernen. Ich will zu Bett gehen.

– Margarete.

– Bitte, geh'.

Er tritt ganz ein und setzt sich in einen Stuhl.

– Ah, das ist es also? Na meinetwegen, um so schlimmer für Dich.

Sie zieht langsam ihre Balltaille aus, sodaß ihre weißen, bloßen Schultern zum Vorschein kommen, dann hebt sie die Arme über den Kopf, um vor dem Spiegel das Haar aufzulösen, und unter dem Spitzensaume erscheint am Rande des schwarzseidenen Korsets ein rosa Punkt.

Der Graf steht schnell auf und geht auf sie zu.

– Laß mich in Frieden oder ich werde böse.

Er umarmt sie und sucht ihre Lippen.

Da beugt sie sich zurück und ergreift von ihrem Toilettentisch ein Glas mit parfümiertem Mundwasser, und gießt es über die Schulter ihrem Manne ins Gesicht.

Er richtet sich wütend auf, während das Wasser an ihm herabläuft und ruft:

– Das ist zu albern.

– Das ist möglich. Aber Du kennst meine Bedingung: fünftausend Franken.

– Das wäre ja Blödsinn!

– Warum denn?

– Warum? Soll denn ein Mann seine Frau auch noch bezahlen?

– Pfui, das ist häßlich!

– Schon möglich. Aber das wäre doch zu blödsinnig, seine Frau zu bezahlen, seine angetraute Frau!

– Es ist noch viel dümmer, wenn man eine Frau hat, Dirnen das Geld in den Rachen zu werfen.

– Das kann sein, aber ich werde mich nicht lächerlich machen.

Die Gräfin hat sich auf die Chaiselongue gesetzt. Sie zieht langsam die Strümpfe aus und wendet sie um wie eine Schlangenhaut. Aus der Hülle von malvenfarbener Seide erscheint ihr rosiges Bein und der kleine niedliche Fuß, den sie auf den Teppich setzt.

Der Graf nähert sich und sagt mit zärtlicher Stimme:

– Du hast ja eine zu verrückte Idee!

– Welche Idee?

– Fünftausend Franken zu verlangen.

– Das ist doch ganz natürlich. Wir sind doch einander fremd, nicht wahr? Du willst mich haben, na – heiraten kannst Du mich nicht, weil wir schon verheiratet sind, da kaufst Du mich! Und vielleicht noch ein bißchen billiger als eine andere.

Bitte überleg' Dir's nur! Und dieses Geld wird noch dazu im Hause, in Deiner Wirtschaft bleiben, statt daß es irgend ein schmutziges Frauenzimmer verthut.

Und giebt es denn für einen vernünftigen Menschen etwas Amüsanteres, etwas Originelleres als seine Frau zu bezahlen? In der außerehelichen Liebe mag man nur was teuer ist, sehr teuer. Du erhöhst den Wert Deiner legitimen Liebe, indem Du ihr einen ganz eigenen Beigeschmack giebst, und eine aufregende Nebenbedeutung, indem Du sie bewertest wie bezahlte Liebe.

Habe ich nicht recht?

Beinahe unbekleidet ist sie aufgestanden und tritt nun in ihr Toilettenzimmer.

– Nun aber bitte, mach, daß Du fortkommst oder ich klingle mein Mädchen.

Der Graf bleibt stehen, ganz betäppert, blickt sie unzufrieden an und wirft ihr denn plötzlich in jähem Entschluß seine Brieftasche zu:

– Da, Du alter Trotzkopf, da hast Du sechstausend. Aber weißt Du . . .

Die Gräfin hebt das Geld auf, zählt es sorgfältig und fragt langsam:

– Was?

– Gewöhne Dich nicht etwa daran.

Sie platzt heraus und meint, indem sie auf ihn zugeht:

– Jeden Monat fünftaufend oder Du kannst wieder zu Deinen Frauenzimmern gehen. Wenn Du zufrieden bist, verlange ich sogar Zulage!



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