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Margaretha von Valois

Margaretha von Valois

Margaretha von Valois
Königin von Frankreich und Navarra

Von Brantôme

Wenn ich das Elend erwäge und die Unfälle jener schönen Königin von Schottland, von der ich oben schon gesprochen habe, nämlich der Maria Stuart, von der das vorhergehende Kapitel der Brantômeschen »Vie des dames illustres, françoises et étrangères« handelt. und anderer Fürstinnen und Damen, die ich hier nicht anführen will, um nicht die Abenteuer in Schatten zu stellen, welche die Königin von Navarra, von der ich jetzt rede, trafen, als sie noch nicht Königin von Frankreich war, so kann ich nichts anderes glauben, als daß Fortuna, die unumschränkte Göttin des Glücks und Unglücks, eine ganz erbitterte Feindin aller menschlichen Schönheit sei. Denn war je eine Dame in der Welt eine vollkommene Schönheit, so ist es die Königin von Navarra, die aber wurde so schlecht vom Schicksal behandelt, daß man von der Fortuna sagte, das geschähe aus Neid; weil nämlich die Natur diese Fürstin so schön geschaffen habe, habe sie dieselbe vorsätzlich verfolgt.

Sei's wie es sei, ihre Schönheit bleibt so erhaben, daß die Anfälle der gedachten Fortuna ihr nichts anhaben konnten. Überdies leistete sie ihr auch bis zu diesem Augenblick stets mutigen Widerstand, vermöge der edlen Beherztheit, die sie von so vielen braven und tapferen Königen, ihrem Vater, Großvater, den Urgroßvätern und übrigen Ahnen ererbt hatte.

Um also auf die Schönheit dieser seltenen Fürstin zu kommen, so glaube ich, daß alle, welche sind und sein werden und je gewesen sind, an ihr gemessen häßlich scheinen müssen und gar nicht Schönheiten genannt werden können. Denn die Strahlen der ihrigen verbrennen jeder andern in der Welt die Flügel; so sehr, daß sie es nicht wagen noch vermögen, sich bis zu ihr emporzuschwingen und um die ihrige zu flattern.

Sollte jemand so schwergläubig sein, daß er aus schwachem Glauben nicht an Wunder Gottes und der Natur glaubte, so komme er und sehe sie! Ihr schönes, so herrlich gebildetes Angesicht muß ihm der stärkste Beweis sein; und man möchte sagen, die Mutter Natur, die vollkommenste Bildnerin, habe ihren seltensten Stoff und den feinsten Geist zusammengenommen, um sie zu bilden. Denn mag sie nun Sanftheit oder Ernst im Antlitz zeigen, sie ist jederzeit sicher, eine ganze Welt damit in Flammen zu setzen, so herrlich sind ihre Formen, so vortrefflich gezogen ihre Züge, so durchdringend und doch so angenehm ihre Augen, daß nicht das mindeste zu wünschen übrig bleibt. Noch mehr: dies schöne Gesicht steht auf einem Körper von dem schönsten, stolzesten und üppigsten Wuchs, den man je sehen konnte, mit einer solchen Haltung und so ernster Majestät, daß man sie allemal eher für eine himmlische Gottheit als für eine irdische Fürstin halten wird: deshalb mag man auch die Meinung jener annehmen, daß nie eine Göttin schöner gewesen sein kann. Um ihre Schönheiten, ihre Verdienste und Tugenden zu verkünden, müßte Gott also die Welt verlängern und den Himmel höher emporziehen, indem der Raum der Welt und des Luftkreises viel zu enge ist für den hohen Schwung ihrer Vollkommenheit und ihres Ruhms. Überdies, wenn die Erhabenheit des Himmels nur ein Zoll weniger breit wäre, – es gäbe nicht den mindesten Zweifel, daß die ihrige ihr ganz gleich käme.

So sind also die Schönheiten des Gesichts und Körpers dieser schönen Fürstin, wie ich sie jetzt als ein getreuer Maler nach dem Leben und eigener Betrachtung darstellen kann. Ich rede nämlich hier von jenen, die man äußerlich sehen kann: denn die, welche geheimer sind und unter weißem Linnen, reichem Putz und Schmuck verborgen stecken, lassen sich nicht beschreiben und nicht beurteilen, man kann nichts anderes tun als auch sie für sehr schön und vorzüglich halten; dies indessen ist doch nichts als bloßer Glaube und Mutmaßung, da ihr Anblick ja leider versagt ist. Und sehr hart ist es in der Tat, daß man ein so schönes Bild eines göttlichen Meisters nur halb in seiner Vollkommenheit soll sehen dürfen; allein die Sittsamkeit und löbliche Schamhaftigkeit dieser Fürstin – Eigenschaften, die sich weit eher bei großen Fürstinnen und Damen als bei dem niedern Pöbel zeigen – verstatten es nicht anders.

Um einige Beispiele anzuführen, die beweisen, wie sehr die Schönheit dieser Königin bewundert und hoch gehalten wurde: ich erinnere mich noch, daß, als die polnischen Abgesandten nach Frankreich kamen, um unserm König Heinrich seine Wahl zum polnischen Thron zu verkünden und ihm ihre Huldigung darzubringen, sie, nachdem sie dem König Karl und der Königin Mutter wie auch ihrem Könige die Aufwartung gemacht hatten, auch noch an verschiedenen Tagen besonders dem Bruder des Königs und dem König und der Königin von Navarra aufwarteten, wobei ihnen diese letztere so schön und so prächtig und reich geschmückt und gekleidet mit so großer Majestät und Grazie erschien, daß sie alle beim Anblick einer solchen Schönheit ganz verloren waren. Unter andern war einer dabei, Le Lasqui, einer der Vornehmsten von der Gesandtschaft, der, wie ich hörte, als er hinwegging, ganz entzückt über eine solche Schönheit sagte: »Nein, nach dem Anblick einer solchen Schönheit mag ich nun gar nichts weiter sehen! Gern wollte ich es nun machen, wie manche türkische Pilgrime, die nach Mekka zum Grab ihres Propheten Mahomet kommen, und so froh und entzückt sind, eine so schöne und prächtige Moschee gesehen zu haben, daß sie nun gar nichts weiter sehen wollen, sondern sich mit glühenden metallenen Platten die Augen ganz subtil ausbrennen lassen, erklärend, sie könnten nun nichts Schöneres in ihrem Leben mehr sehen, und wollten darum also lieber gar nichts mehr sehen.«

So sprach dieser Pole auch von der bewunderungswürdigen Schönheit dieser Fürstin: und in der Tat, wie die Polaken von solcher Bewunderung hingerissen wurden, so gings noch vielen andern. Ich berufe mich hier auf Dom Juan von Österreich, welcher, wie ich oben von ihm angeführt habe, bei einer geheimen Reise durch Frankreich nach Paris kam und hörte, daß denselben Abend glänzender Ball im Louvre sei; er wohnte ihm verkleidet bei, und dies mehr aus Verlangen, die Königin von Navarra dort zu sehen, als aus irgend einem andern Grund. Er hatte auch Gelegenheit, ihr ganz bequem zuzusehen, als sie tanzte, geführt von dem König, ihrem Bruder, wie das gewöhnlich der Fall war; er betrachtete sie mit aller Aufmerksamkeit, bewunderte sie und erhob sie dann über alle Schönheiten Spaniens und Italiens, (wie fruchtbar diese beiden Länder auch in der Hinsicht sind) und sagte dabei diese spanischen Worte: »Aunque tal hermosura de reyna sea mas divina que humana, es mas para perder y damnar los hombres que salvarlos.« (Obschon die Schönheit dieser Königin mehr göttlich als menschlich ist, so ist sie doch eher danach angetan, die Männer zu Grunde zu richten und in die Hölle statt in den Himmel zu bringen.)

Kurz darauf sah er sie, als sie gerade nach Liège ins Bad reiste, und sie hatten in Namour eine Begegnung, durch die also der heißeste Wunsch des Dom Juan, eines so schönen Anblicks zu genießen, erfüllt wurde. Er trat ihr dort in großartig stolzer spanischer Pracht entgegen und empfing sie, als wenn sie die Königin Elisabeth, ihre Schwester, zur Zeit da sie noch lebte und seine und Spaniens Königin war, gewesen wäre. So sehr er nun schon von der Schönheit ihres Leibes befriedigt und entzückt war, jetzt geschah ihm das Gleiche durch die Schönheit ihrer Seele, die ich noch später schildern zu dürfen hoffe.

Dom Juan war indessen nicht der einzige, der sie rühmte und sich in Lobpreisungen über sie gefiel; alle die großen und braven spanischen Offiziere bis zu den berühmten Soldaten jener alten Regimenter taten so, indem sie überall auf ihre soldatische Art sagten: »Que la conquistad de tal hermosura valia mas que la d'un reyno y que bien aventurados serian los soldados, que por servirla podrian morir sobre su bandera.« (»Daß also die Eroberung einer solchen Schönheit mehr wert sei als die eines ganzen Königreichs, und die Krieger glücklich zu preisen, die, ihr dienend, unter ihrem Panier fallen dürften«.)

Wenn Leute dieser Art, von solch großer Geburt und Erziehung diese Fürstin so reizend fanden, darf man sich also nicht wundern, daß selbst Türken, die als Gesandte an unsern Hof kamen, wie sehr sie auch Barbaren waren, sich ganz in ihr Anschauen verloren und sagten: Die Pracht ihres Großherrn, wenn er zur Moschee gehe oder mit seinem Heer ausziehe, sei lange nicht so schön anzusehen als die Schönheit dieser Königin.

Kurz, ich weiß noch von einer Menge anderer Fremden, die nach Frankreich und an den Hof einzig in der Absicht kamen, diese berühmte Schönheit zu sehen, deren Ruhm, so sagten sie, sich über ganz Europa verbreitet habe.

Ich sah einst einen galanten neapolitanischen Kavalier, der nach Paris und an den Hof gekommen war, und der, weil er diese Königin, die damals just ins Bad gereist war, nicht zu sehen bekommen konnte, seine Abreise noch zwei Monate länger aufschob, bloß um sie zu erwarten; und als er sie gesehen hatte, sagte er die Worte: »Ehemals stand die Prinzessin von Salerno bei uns in Neapel ihrer Schönheit wegen in einem solchen Ruf, daß ein Fremder, der dahin kam, und bei seiner Zurückkunft nicht sagen konnte, er habe sie gesehen, sich der Antwort aussetzte: er sei also zu Neapel gewesen und habe doch Neapel nicht gesehen. Das wäre auch mein Teil gewesen, wenn ich zurückgereist wäre, ohne diese schöne Fürstin gesehen zu haben, und man mich gefragt hätte, ob ich Frankreich und den französischen Hof gesehen habe, – ich hätte, was ich auch alles sonst sah, dennoch wohl zu sagen gehabt: Nichts! – da ich diese Königin nicht gesehen hätte, die ich mit gutem Recht die Zierde und den Stolz dieses Hofes nennen muß. Aber jetzt, da ich sie so gut gesehen und betrachtet habe, jetzt kann ich sagen, ich habe alle Schönheit der Welt gesehen, und versichern, daß unsere Prinzessin von Salerno, an ihr gemessen, rein nichts sei. Und jetzt reise ich wohl zufrieden weg, weil mir zu Teil worden ist, eines so schönen Anblicks zu genießen. Ihr Franzosen dürfet also selbst hieraus schließen, wie sehr Ihr glücklich seid, da Ihr dies schöne Gesicht täglich in Muße sehen und Euch diesem göttlichen Feuer nähern könnt, das von weitem schon jede kalte Brust weit mehr zu erhitzen und in Flammen zu setzen vermag, als allen unseren schönen Damen sonst selbst in der Nähe verstattet ist.« So sprach eines Tages dieser artige neapolitanische Kavalier zu mir.

Ein vortrefflicher französischer Edelmann, dessen Namen ich anführen könnte, und der einst eben diese schöne Königin in ihrem schönsten Glanz und ihrer hohen Majestät im Tanzsaal erblickte, sagte dann zu mir, als wir miteinander davon sprachen, folgendes: »Ach wenn Sieur des Essard, der sich in seinen Büchern von Amadis so sehr angestrengt und bemüht hat, der Welt seine schöne Nicquée in ihrer Herrlichkeit darzustellen und vollkommen zu beschreiben, zu seiner Zeit diese herrliche Königin gesehen hätte, er hätte nicht so viele schöne und prächtige Worte zu borgen gebraucht, um sie zu schildern, er hätte nur sagen dürfen: sie gliche der Königin von Navarra, der Einzigsten der Welt; und so hätte er seine Nicquée ohne großen Wortaufwand weit besser geschildert, als jetzt mit all seiner Weitläufigkeit.«

Der Herr von Ronsard hatte daher vollkommen recht, jene vortreffliche Elegie zu verfassen, die sich in seinen Werken findet, und die zu Ehren dieser schönen Fürstin von Frankreich, als sie noch unvermählt war, gedichtet ist; dort läßt er die Göttin Venus ihren Sohn fragen, ob er auf allen seinen Wanderungen über die Erde und besonders unter den Damen am französischen Hof etwa eine Schönheit bemerkt habe, welche die ihrige übertreffe? »Ja, Mama,« antwortete der kleine Amor, »ich habe eine gesehen, in welche sich alle Seligkeit des Himmels gleich bei ihrer Geburt ergossen hatte.« Venus wurde ganz rot, wollte ihm nicht glauben, und schickte erst eine ihrer Charitinnen auf Erden hinab, um sie in Augenschein zu nehmen und ihr dann wieder zu sagen, wie sich das verhalte. Da findet sich dann in dieser Elegie eine sehr schöne und sehr prächtige Beschreibung der Schönheiten dieser vollkommenen Fürstin unter dem Namen und der Gestalt der schönen Huldin Passithea.

Niemand kann dieses Gedicht lesen ohne Wohlgefallen. Allein, – wie mir einst eine vortreffliche und sehr einsichtsvolle Dame sagte, der Herr von Ronsard hätte hier doch ein kleines Versehen begangen und viel zu kurz abgebrochen. Er hätte nämlich die Passithea wieder nach dem Himmel zurückkehren lassen sollen, sich da ihres Auftrags entledigen und der Venus sagen, ihr Sohn habe noch lange nicht so viel gesagt, als er hätte sagen sollen; und dann müßte Venus traurig werden und vor Eifersucht fast vergehen und sich bei Jupiter über das Unrecht beschweren, das er ihr zugefügt habe, da er auf Erden eine Schöne gebildet habe, welche die himmlischen Schönheiten beschäme, besonders die ihre, die sie vor allen andern für die rarste halte, und aus Verdruß darüber müßte sie sich in Trauer kleiden und für eine Weile allen Freuden und Lustbarkeiten entsagen: denn nichts kränkt eine schöne Dame mehr, als wenn man ihr sagt, daß es eine andere gibt, die ebenso schön sei oder gar sie übertreffe.

Man bemerke hierbei, daß, wenn unsere Königin schon schön an sich und von Natur war, sie sich dabei auch noch sehr gut und so geschmackvoll und reich zu kleiden wußte, am Leibe sowohl als am Kopf, daß nichts mehr ihre Vollkommenheit noch in ein helleres Licht hätte setzen können.

Man rühmt der Königin Isabella von Bayern, der Gemahlin König Karls VI., nach, daß sie prächtige und stattliche Moden nach Frankreich gebracht habe, um die Damen prächtig und stattlich auszustaffieren. Sieht man auf den alten Tapisserien der königlichen Schlösser jener Zeit die Damen so abgemalt, wie sie sich damals trugen, so schienen dies nichts als Possen, Albernheiten und Protzereien gegen die schönen und süperben Toiletten, Façons und Zierden, die unsere Königin für den Kopfschmuck sowohl als die Bekleidung des Leibes erfand; was sich denn auch alle Damen am Hof und im Reiche so gut zu nutze machten, daß sie nachher nach ihrer Mode herausgeputzt, weit eher großen Damen glichen als zuvor, wo sie eher gemeinen Mädchen gleich sahen; und dadurch sind sie weit reizender und begehrenswerter geworden, und dies haben sie alles unserer Königin Margaretha zu danken.

Ich erinnere mich auch: – denn ich war mit dabei – wie es war, als die Königin Mutter ihre Tochter dem König von Navarra, ihrem Gemahl, zuführte und sich auf der Durchreise in Coignac einige Zeit aufhielt. Da warteten verschiedene vornehme, schöne und vortreffliche Damen des Landes ihnen auf und waren alle entzückt über die Schönheit dieser Königin von Navarra und konnten gar kein Ende finden sie vor der Königin Mutter zu rühmen, welche darüber ganz schwindlig vor Freude wurde. Sie bat daher eines Tages ihre Tochter, sich aufs herrlichste zu kleiden und ihren prächtigsten, schönsten Schmuck anzulegen, den sie sonst bei Hof zu den höchsten Festlichkeiten und Gelagen trage, um diesen wackeren Damen ein Vergnügen dadurch zu machen.

Sie tat es denn auch, um einer so guten Mutter zu gehorchen, und erschien sehr prunkvoll gekleidet, in einer Robe von Silberstoff und einem Colombin à la Boulonnoise, mit hängenden Ärmeln, reicher Coiffure, weißem, aber nicht zu großen und nicht zu kleinen Schleier und dabei mit einer Majestät und so gutem Anstande, daß man sie eher für eine himmlische Göttin als für eine irdische Königin angesehen hätte. Waren die Damen zuvor von ihrem Anblick schon entzückt gewesen, so waren sie's nun noch hundertmal mehr.

Die Königin sagte daher zu ihr: »Sie sehen sehr gut aus, meine Tochter!«

Sie gab zur Antwort: »Madame, ich fange bei Zeiten an, meine Roben zu tragen und zu brauchen, so wie ich sie jetzt nach den neuesten Façons mit von Hof gebracht habe: denn wenn ich dahin zurückgehe, werde ich nichts als Scheeren und Stoffe mitnehmen, um mich dann nach der laufenden Mode zu kleiden.«

Die Königin gab ihr hierauf zur Antwort: »Warum sagen Sie dies, meine Tochter? Sie sind doch jene, welche die schönsten Kleidermoden erfindet und aufbringt, und wohin Sie auch kommen mögen, der Hof wird sie von Ihnen annehmen, nicht Sie vom Hof.«

In der Tat fand man auch bei ihrer Zurückkunft nichts bei ihr, das nicht noch besser gewesen wäre als bei Hof; so gut wußte ihr feiner Geist alle diese artigen Dinge zu erfinden.

Wie aber sich diese schöne Königin auch anziehen mochte, ob auf französisch mit ihrem »Chaperon« oder in einem simpeln »Escoffion«, ob mit ihrem großen Schleier oder einer Mütze, man war doch nie imstande zu sagen, was ihr am besten stehe, oder welche Art sich zu tragen, sie schöner, bewunderungswürdiger und liebenswürdiger erscheinen lasse; so sehr verstand sie es, alle diese verschiedenen Façons ihrer Persönlichkeit anzupassen, indem sie immer irgend eine neue, nicht gewöhnliche und unnachahmliche Kleinigkeit, die sie selbst herausgefunden hatte, hinzufügte. Und wenn andere Damen es auch versuchen wollten, ihr Modell ganz genau zu kopieren, sie konnten ihm doch nicht ganz beikommen, was ich hundertmal habe anmerken hören.

Ich – und andere mit mir – habe sie oft in einer Robe aus weißem Satin mit einer Menge Goldflittern und etwas Incarnat untermischt gesehen, dazu einen Schleier von braunem Flor oder Gaze à la romaine, der nur nachlässig über den Kopf geworfen schien; und ich weiß von keinem schöneren Anblick. Was man auch von den Göttinnen der Vorzeit sagen mag oder von den Kaiserinnen, wie wir solche auf alten Medaillen prächtig genug geschmückt erblicken, sie scheinen gegen sie doch bloß Kammerkätzchen.

Ich habe oft unter uns Hofleuten darüber disputieren hören, welches Kleid ihr wohl am besten stehe, sie am schönsten mache. Jeder hatte schließlich darüber seine Meinung. Ich selbst – und auch mancher andere teilte meine Meinung – fand, daß jener Putz sie am besten kleidete, den sie einst anhatte, als eines Tages die Königin Mutter den polnischen Gesandten ein Fest in den Tuilerien gab. Da war sie nämlich in eine Robe von spanischem Incarnatsammt gekleidet, die reich mit Fransen besetzt war, und hatte eine Kappe aus dem nämlichem Sammet auf dem Kopfe, die so herrlich mit Federn und Edelsteinen besetzt war, daß nichts darüber ging. Sie sah darin wunderschön aus, was ihr auch gesagt wurde, so daß sie nachher oft die gleiche Toilette trug, sich auch so abmalen ließ, weshalb denn auch unter allen Bildnissen, die sie zeigen, dies die andern alle übertrifft. Leute mit gutem Blick können dies denn auch noch heute sehen und mit den andern, deren sehr viele und schöne vorhanden sind, vergleichen. Als sie so geschmückt in den Tuilerien erschien, sagte ich zu Herrn von Ronsard, welcher mit mir war: »Sagen Sie einmal die Wahrheit, Herr von Ronsard, kommt Ihnen diese schöne Königin in dieser Kleidung nicht vor wie die schöne Aurora wenn sie vor Tag erscheint, mit diesem schön-weißen Gesicht, in dem das rote Incarnat leuchtet, sowie denn auch Antlitz und Kleidung bei ihr überhaupt sehr viel von dieser auffallenden Ähnlichkeit und Übereinstimmung haben?« Der Herr von Ronsard stimmte mir zu; und diesen Vergleich, den er treffend fand, nahm er zum Anlaß eines sehr schönen Sonnetts, das er mir schenkte; und das ich wünschte, noch heute zu besitzen, um es hier einrücken zu können.

Ebenso sah ich unsere hohe Königin auf dem ersten Reichstag zu Blois am Tage, als der König, ihr Bruder, seine Rede hielt. Sie hatte eine Robe von schwarzem Grund mit orangefarbenen Streifen mit einer Menge Fransen an und ihren großen majestätisch wallenden Schleier; und als sie sich an ihren Platz gesetzt hatte, war sie so schön und reizvoll anzusehen, daß ich von mehr als dreihundert Personen in der Versammlung sagen hörte, ihre Aufmerksamkeit sei stärker durch den Anblick einer so himmlischen Schönheit gefesselt und entzückt worden als durch das Anhören des würdigen und anmutsvollen Vortrages ihres königlichen Bruders; trotzdem auch seine Rede vorzüglich und aufs beste gesprochen war.

Ich sah sie auch oft bloß in ihren natürlichen Haaren, ohne daß sie irgend etwas Erkünsteltes von Perücken hinzugetan hätte; und wenn die Haare auch, wie die ihres Vaters, des Königs Heinrich, ganz schwarz waren, so wußte sie doch nach dem Vorbild ihrer Schwester, der Königin von Spanien, welche ebenfalls ihr eigenes Haar einfach, schwarz und zwar auf spanische Sitte trug, sie so gut zu kräuseln, zu toupieren und zurecht zu machen, daß ihr dies gleich gut oder gar noch besser stand als irgend ein anderer Kopfputz. So großen Wert hat eben eine schöne natürliche Anlage, welche jede Künstelei, wie sie auch sein mag, weit übertrifft. Indessen gefiel sie sich doch nicht ganz recht darin und trug die Coiffure nur selten so, sondern hatte meistens recht zierlich zugerichtete Perücken.

Ich wills nur sagen: ich würde nie fertig werden, wenn ich den Putz und die Kleidungsarten alle beschreiben wollte, worin sie vorzüglich schön war: denn sie wechselte damit sehr häufig, und alle standen ihr gut und schön, so daß Natur und Kunst mit einander neidisch wetteiferten, wer sie am schönsten erscheinen lassen könne.

Dies ist noch nicht alles: denn all ihre schönen Kleidungen und Schmuck wagten sich nie daran, ihren schönen Hals und ihren reizenden Busen zu bedecken, aus Furcht, den Augen der Welt, die sich an einem so entzückenden Gegenstand weideten, ein Unrecht zu tun. Denn gewiß ist nie ein so schöner, weißer, üppiger, voller Busen gesehen worden als der ihrige und sie zeigte ihn so bloß, er lag so unverhüllt da, daß die meisten Kavaliere am Hof darüber sich zu Tode verschmachteten; ja sogar Damen habe ich gesehen, die ihr so vertraut waren, daß sie sich die Freiheit ihres Umgangs zu Nutze machten und ihn mit feurigem Entzücken küßten.

Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit, daß ein wackerer, neu an den Hof gekommener Kavalier, der sie nie vorher erblickt hatte, als er sie dann zum erstenmal sah, mir sagte: »Ich wundere mich nicht, daß Ihr Herren so gern bei Hofe seid: denn, wenn Ihr täglich sonst kein Vergnügen hättet, als diese schöne Fürstin zu sehen, so wäre das doch schon so gut, als wenn Ihr in einem irdischen Paradiese wäret.« Die alten römischen Kaiser gaben dem Volke, um es sich gewogen und ihm eine Lust zu machen, Spiele und Kämpfe in ihren Theatern, um aber das französische Volk zu gewinnen und ihm Vergnügen zu verschaffen, dürfte man ihm nur öfters diese Königin Margaretha vorstellen und zeigen, damit es sich an dem Anblick eines so himmlischen Gesichts weiden und ergötzen könne, das sie zudem nicht wie alle die anderen Damen unseres Hofes hinter einer Larve versteckte, – denn meist ging sie mit bloßem Gesicht.

So sah ich sie einst beim Palmfest zu Blois, als sie noch Madame und Schwester des Königs war, – wiewohl damals schon über ihre Vermählung verhandelt wurde –, in der Prozession erscheinen, so schön, daß man in der Welt nichts Schöneres sehen konnte. Denn außer der Schönheit ihres Gesichts und ihrer schönen schlanken Gestalt, war sie auch noch sehr prächtig und reich geschmückt und gekleidet. Ihr schönes weißes Gesicht, das dem schönsten heitersten Himmel glich, war auf dem Kopf mit einer solchen Menge großer Perlen und reicher Steine, besonders glitzernden Diamanten, die als Gestirne angebracht waren, geziert, daß man hätte sagen mögen: die natürliche Pracht des Gesichtes und die künstliche der Edelsteine wetteifern mit einem schön gestirnten Himmel um den Preis der Schönheit. Ihr schöner, herrlich gewachsener Leib war in den schönsten und reichsten Goldstoff gekleidet, der je in Frankreich gesehen worden ist. Es war ein Geschenk, das der Großherr dem Herrn von Grand-Champ bei seiner Abreise vom Gesandtschaftsposten zu Konstantinopel gemacht hatte, wie er ja überhaupt vornehme fremde Gesandte zu beschenken pflegte. Es war ein Stück von fünfzehn Ellen, und Grand-Champ selbst sagte mir, die Elle habe hundert Taler gekostet, denn es war ein Meisterstück. Als er nun nach Frankreich zurückkam, wußte er nicht, wie er diesen reichen Stoff am würdigsten verwenden könnte, um ihm durch die Person, die ihn tragen solle, zu neuem Glanz und rechter Wirkung zu verhelfen; so verschenkte er ihn weiter an Madame, die Schwester des Königs, welche sich eine Robe daraus machen ließ, die sie an diesem Tage zum erstenmal trug, und die ihr aufs beste zu Gesicht und Erscheinung paßte, denn Größe und Größe reichen einander die Hand. Sie trug dies Kleid den ganzen Tag, ohnerachtet es außerordentlich schwer war und drückte: allein ihr schöner, reicher und starker Wuchs kam ihr hierbei sehr zu statten, daß sie dies Gewicht zu tragen vermochte, denn wäre sie eine kleine Zwergin von Prinzessin oder so ein Dämchen eine Elle hoch gewesen, wie ich ihrer wohl sonst gesehen habe, so wäre sie unter der Last zerdrückt worden, oder hätte wenigstens die Robe ausziehen und sich eine andere anziehen müssen.

Das ist aber noch nicht alles: als sie bei der Prozession an ihrem Range angemessener Stelle ging, hatte sie das Gesicht ganz bloß, um das Volk an einem so hohen Feste nicht dieses Glanzes zu berauben; und sie sah nun noch herrlicher aus, da sie in der Hand einen Palmenzweig trug, (wie unsere Königinnen jederzeit pflegen) und sie tat dies mit königlicher Majestät halb hoheitsvoll, halb sanft und auf eine ganz eigene und gar nicht gewöhnliche Art; so daß, wer sie noch nie gesehen noch gekannt hätte, gesagt haben würde: Siehe da, eine Fürstin, die sich immer und in jedem Stück vor allen andern auszeichnet!«

Wir alle am Hofe sagten da einstimmig und ohne Hehl, diese schöne Fürstin trage die Palme mit Recht, sie dürfe es wahrhaftig, da sie über alle andern in der Welt durch Schönheit, Anstand und jederlei Vollkommenheit die Palme davontrage. Ich kann dabei auch wohl darauf schwören, daß es bei dieser Prozession mit unserer Andacht gar schlecht bestellt war. Denn wir vergaßen darauf, da wir nur diese göttliche Fürstin betrachteten und anstaunten und uns durch ihren Anblick eher hinreißen ließen als durch den Gottesdienst; dennoch glaubten wir uns hierin nicht einer Sünde schuldig zu machen, denn wer eine Gottheit auf Erden betrachtet und bewundert, der kann die Gottheit im Himmel nicht dadurch beleidigen, da diese jene ja so schön erschaffen hat.

Als die Königin Mutter sie vom Hof wegnahm, um sie ihrem Gemahl nach der Gascogne zu bringen, sah ich gleichsam den ganzen Hof in Trauer ihrer Abreise wegen, als wenn alle ein großer Unfall betroffen hätte. Die einen sagten: »Der Hof ist Witwer, denn er hat seine Schönheit verloren!« die andern sagten: »Der Hof ist sehr verdunkelt, er hat seine Sonne eingebüßt.« Andere: »Es ist rabenschwarze Nacht am Hof, weil kein Licht mehr leuchtet.« Noch andere: »Das fehlte uns noch, daß Gascogne uns noch unsere Schönheit weggascognieren und rauben mußte, die doch bestimmt ist, Frankreich und den Hof und den Louvre, Fontainebleau, Saint-Germain und andere Schlösser unserer Könige zu verschönern, statt daß sie jetzt nach Pau und Nerac soll, in Orte, die himmelweit von jenen unterschieden sind.« Wieder andere sagten: »Nun ists aus, der Hof und Frankreich haben die schönste Blume aus ihrem Kranz verloren.« Kurz, man hörte allerwärts nichts als solche und andere ähnliche Ausrufe über diese Abreise, halb dem Verdruß und Unwillen, halb der Traurigkeit entspringend; trotzdem doch die Königin Luise von Lothringen, eine sehr schöne, geistreiche und tugendhafte Fürstin, noch da geblieben war, von der ich bei einer anderen Gelegenheit, wie sichs gebührt, reden zu dürfen hoffe. Allein da der Hof sich schon lange Zeit an einen so schönen Anblick gewöhnt hatte, so konnte er nicht anders als diesen Verlust bedauern und solche Reden führen; und es gab etliche, die sich vermaßen den Herrn von Duras aus Ärger darüber umbringen zu wollen, da er sie geholt hatte im Namen des Königs von Navarra, seines Herrn, wie ich wohl weiß.

Als man dann vor einigen Jahren bei Hof Nachricht erhielt, sie sei vor kaum acht Tagen in der Auvergne gestorben, da sagte jemand hierüber: »Das kann nicht sein, denn in diesen Tagen war der Himmel viel zu schön und heiter, wäre sie gestorben, so würden wir wegen der großen Sympathie zwischen diesen zwei Sonnen eine Sonnenfinsternis und nichts als Dunkel und Wolken gehabt haben.«

Nun mag meines Erachtens genug von ihrer körperlichen Schönheit gesagt sein, wiewohl der Stoff so reich ist, daß er eine ganze Decade verdiente; indessen hoffe ich bei einer andern Gelegenheit noch einmal darauf zu kommen. Jetzt aber muß ich doch auch etwas von ihrer schönen Seele sagen, die so schön in einem so schönen Leibe wohnte. So schön diese auch schon von ihrer Geburt an war, so schön wußte sie, sie zu bewahren und zu erhalten. Denn sie ist eine große Freundin der Wissenschaften und der Lektüre, sowohl früher in ihrer frühen Jugend als in ihrer Reife.

Man kann von ihr rühmen, daß sie die Fürstin, ja überhaupt die Dame ist, welche von allen in der Welt am besten und beredtesten spricht und beim Reden die schönste und angenehmste Art hat. Als die polnischen Gesandten, wie ich oben schon erwähnt habe, ihr aufwarteten, hielt der vornehmste unter ihnen, der Bischof von Krakau, im Namen aller und als Wortführer der Gesandtschaft eine Anrede an sie und zwar in lateinischer Sprache, denn er war ein gelehrter Mann und als Prälat also am rechten Platze. Die Königin aber antwortete so treffend und fließend, ohne sich eines Dolmetschers oder einer Hilfe zu bedienen, da sie die Rede vollkommen verstanden hatte, daß alle darüber sehr in Bewunderung gerieten und sie einstimmig eine zweite Minerva oder Göttin der Beredsamkeit nannten.

Als die Königin Mutter sie dem König ihrem Gemahl zuführte – wie ich auch schon erzählt habe –, hielt sie einen feierlichen Einzug in Bordeaux, was ihr als Tochter und Schwester des Königs und Gemahlin des Königs von Navarra, des ersten Prinzen von Geblüt und Gouverneurs der Provinz, mit Recht zukam. Ihre Mutter wollte es so; denn sie liebte sie unendlich und schätzte sie sehr. Ihr Einzug war schön, nicht sowohl wegen der dabei herrschenden Pracht und des Aufwands, als vielmehr weil man die schönste, vollkommenste Königin der Welt im Triumph einziehen sah, auf einem schönen weißen, sehr herrlich aufgezäumten Zelter, wobei sie selbst ein orangefarbenes Kleid mit Fransen trug, so prächtig wie nichts anderes auf der Welt, daß das Volk gar nicht satt werden konnte, sie zu sehen, anzustaunen, zu bewundern und bis in den Himmel zu erheben.

Vor ihrem Einzug kamen ihr die Stände der Stadt entgegen, um ihr ihre Ehrfurcht zu bezeigen und ihr alles anzubieten, was in ihren Kräften stünde, und sie ins Karthäuser-Kloster einzuladen, wie das so herkömmlich ist. Der Herr von Bordeaux redete im Namen der Geistlichkeit; der Herr Marschall von Biron als Maire und in der Kleidung des Maires im Namen der Stadt; als Lieutenant-General hielt er seine Anrede nachher noch besonders; und der Herr von Largebaston, erster Präsident, sprach im Namen des Hofes.

Sie antwortete ihnen allen nacheinander (ich sah es, da ich auf ihren Befehl mich bei ihr auf ihrer Tribüne aufhielt,) so beredt, so einsichtsvoll und so geschwind, mit solcher Anmut und Majestät und in jeder einzelnen Rede mit so viel Abwechslung, ohne, ungeachtet der Gegenstand jedesmal derselbe blieb, die gleichen Worte zu wiederholen – was bemerkenswert ist –, daß gedachter Herr Präsident, als er am Abend darauf in das Zimmer der Königin kam, zu mir und andern sagte: Er habe in seinem ganzen Leben überhaupt noch nie jemand besser reden hören (und er verstand sich doch auf derlei Kram), er habe zwar oft die Ehre gehabt, die Königinnen Margaretha und Johanna, ihre Vorgängerinnen bei eben solchen Gelegenheiten, wie die heutige, reden zu hören; allein wenn die zu ihrer Zeit auch zwei der beredtesten Damen Frankreichs gewesen wären, die »Gold im Munde gehabt hätten« – so drückte er sich aus – so hätten sie doch an die Beredsamkeit der jetzigen Königin Margaretha nicht herangereicht, seien bloße Novizen, Anfängerinnen gegen sie gewesen, und sie sei die rechte Tochter ihrer Mutter. Ich erzählte der Königin Mutter nachher, was mir gedachter Präsident gesagt hatte; es freute sie ungemein, und sie sagte zu mir: er habe recht, solches zu glauben und zu sagen; denn wenn sie auch ihre Tochter sei, so könne sie doch der Wahrheit nach sagen, daß sie die vollkommenste Prinzessin von der Welt sei und ihre Sprache immer ganz vortrefflich in ihrer Gewalt habe. Ein Gleiches hörte ich von einer Menge Gesandter und großer Herren des Auslands; wenn sie mit ihr gesprochen hatten, verließen sie sie ganz verwirrt über ihre schöne Redegabe.

Ich hörte oft so schöne, nachdrückliche und sinnreiche Reden von ihr, daß, wenn ich sie klar und richtig hier zu Papier bringen könnte, alle Welt darüber erstaunen und entzückt sein sollte; es wäre aber mir so wie jedem andern schlechterdings unmöglich, sie wiederzugeben, so ganz unnachahmlich sind sie.

Ist sie aber erhaben, voll ernster Majestät und beredt in ihren wichtigen und ernsthaften Reden, so kann sie auch wieder leicht und reizend in witzigen Scherz- und Stichelreden einem begegnen, lieb plaudern, einen hübsch begrüßen und anmutig verabschieden, so daß ihre Gesellschaft angenehmer als irgendeine in der ganzen Welt ist: denn wenn sie gleich jemand stichelt und schraubt, so trifft sie doch so ins Schwarze und tuts auf eine so feine Art, daß man unmöglich verdrießlich darüber werden kann, sondern selbst noch eine Freude daran haben muß.

Ferner, wenn sie gut zu reden weiß, so weiß sie auch mindestens ebensogut zu schreiben. Die schönen Briefe, die man von ihr hat, beweisen dies hinlänglich, denn obs ernsthafte, obs vertrauliche sind, es sind die schönsten und bestgeschriebenen, so daß alle großen Schriftsteller der Vorwelt sowohl als unseres Zeitalters sich verkriechen müssen, wenn die ihrigen erschienen, gegen die jene bloßes Geleier sind. Niemand kann sie lesen ohne sich über den armen Cicero mit seinen vertraulichen Briefen lustig zu machen, und wer eine Sammlung davon und von ihren Reden veranstalten könnte, der gäbe Schule und Unterweisung für jedermann. Man darf darüber auch nicht weiter befremdet sein, denn sie ist schon von Natur von fähigem schnellen Geist, starker Auffassung und tiefem gründlichem Verstande. Kurz, sie ist eine wahre Königin in allen Stücken und verdiente wohl ein großes Königreich, ja Kaisertum zu regieren. Ich will hierbei folgende Abschweifung mir erlauben, da sie doch zu unserer Sache gehört.

Als ihre Vermählung mit dem König von Navarra zu Blois endlich bestimmt war, gab es viele Schwierigkeiten und zwar von Seiten der Königin Johanna, die plötzlich ganz andern Sinnes war als früher einmal, da sie an meine Mutter, ihre dame d'honneur, die damals krank und nicht bei ihr war, geschrieben hatte. Ich habe diesen Brief von ihrer eigenen Hand im Archiv unseres Hauses gesehen, darin sagt sie: »Meine große Freundin! Um Ihnen Freude zu machen und zur Wiederherstellung Ihrer Gesundheit durch die guten Nachrichten, welche der König, mein Gemahl, mir meldet, beizutragen, schreibe ich Ihnen, daß er so kühn war, von dem König und Madame deren jüngste Tochter für meinen Sohn zu erbitten, und Seine Majestät haben ihm sie versprochen, worüber ich Ihnen meine Freude nicht verbergen kann …« Es ließe sich viel über die ganze Sache reden. Zur Zeit, da diese Sache in Ordnung kam, gab es bei Hof eine Dame, die ich nicht nennen will, und die betrug sich so albern, als sie nur irgend konnte. Abends beim Auskleiden fragte nämlich die Königin Mutter ihre Damen, ob sie ihre Tochter gesehen hätten, und welche Freude sie über das Zustandekommen der Vermählung gezeigt habe. Unsere einfältige Dame nun, die noch nie bei Hofe gewesen war, war am ersten mit der Antwort bei der Hand und sagte: »Wie, gnädigste Frau, muß sie nicht froh sein über eine solche Vermählung, da sie dadurch zu einer Krone kommt und vielleicht gar noch Königin von Frankreich werden kann, wenn diese Krone nämlich dem Manne, dem sie versprochen, zufallen sollte, was mit der Zeit wohl geschehen mag?« Als die Königin dieses törichte Geschwätz hörte, gab sie zur Antwort: »Meine liebe Freundin, Ihr seid recht dumm! Ich wollte lieber, daß Ihr einen hunderttausendfachen Tod stürbet, als daß Eure dumme Prophezeihung zur Wahrheit und Wirklichkeit werde; denn ich wünsche dem König und meinen andern Kindern langes Leben und alles Wohlergehen.« Darauf sagte eine andere große Dame, die auf einem sehr guten Fuß mit ihr stand und dabei war: »Immerhin, Majestät, wenn, was Gott verhüte, dies Unglück sich wirklich ereignen sollte, wäre es Ihnen nicht lieb, Ihre Tochter als Königin von Frankreich zu sehen, da die Krone ihr doch vermöge der Gerechtsame ihres Gemahls mit vollem Recht zufiele?«

»Wie sehr ich diese Tochter auch liebe, so denke ich doch, wenn dies sich ereignete, würden wir Frankreich von vielem Übel und Unglück und Trübsal zerrüttet sehen. Und ich wollte lieber hundertmal sterben (wie sie es auch wirklich tat), als es in diesem Zustand erblicken! Ich glaube nämlich, man würde dem König von Navarra aus vielen Gründen, die ich nicht sagen mag, nicht so unbedingt gehorchen wollen wie meinen Kindern.«

Man sieht, es gab also zwei Prophezeiungen und beide gingen in Erfüllung, eine von einer einfältigen Dame, die andere von einer sehr klugen Fürstin und beide innerhalb weniger Jahre. Eine Weissagung ist jedoch zurzeit zu nichte gemacht durch die Gnade welche Gott Ihm Dem zurzeit herrschenden König. schenkte durch die Stärke seines guten Schwerts und die Kraft seines mutigen Herzens, die Ihn zu einem so großen, siegreichen, gefürchteten und unumschränkten König gemacht haben, wie er es nach so vielen Zwischenfällen und Strapazen gegenwärtig ist. Gott erhalte Ihm durch seine heilige Gnade dieses große Glück, so wie es auch für uns Untertanen nötig ist.

»Wenn nun durch Aufhebung des salischen Gesetzes«, setzte die Königin damals noch hinzu, »das Reich vermöge ihrer unbestreitbaren Gerechtsame meiner Tochter zufiele, sowie auch andere Reiche von der Lanze auf die Kunkel Die Herrschaft geht auf die weibliche Linie über. Kunkel so viel wie Spinnrocken. fallen, so ist gewiß meine Tochter ebensogut fähig zu regieren oder noch besser als viele Männer und Könige, von denen ich weiß und die schon regiert haben; und ich glaube auch, daß ihre Herrschaft ruhmvoll ihrem Großvater, sowie dem König, meinem Vater Ehre machen würde, denn sie besitzt einen großen Geist und große Anlagen hierzu.«

Bei dieser Gelegenheit sagte sie noch, dieses salische Gesetz sei eine sehr üble Einrichtung, und sie habe den Herrn Kardinal von Lothringen ehemals, als er mit den andern Abgeordneten in der Abtei Cercan den Frieden zwischen den beiden Königen schließen half, sagen hören: als ein Punkt des salischen Gesetzes, die Erbfolge der weiblichen Linie auf den französischen Thron betreffend, berührt wurde, hätte der Kardinal von Granvelle, früher auch von Arras genannt, ihn heftig angefahren und ihm gesagt: es seien wahre Albernheiten und Betrügereien in diesem unseren salischen Gesetz, und er habe ihm den Staar darüber gestochen; bloß alte Träumer und Geschichtenschwatzer hätten es so aufgeschrieben, ohne zu wissen, warum, und es den Leuten so weisgemacht; es sei in Frankreich nie gegeben, nie wirklich Gesetz gewesen, sondern nur eine Art Gewohnheitsrecht, das bei den Franzosen von Geschlecht zu Geschlecht vererbt und so eingeführt worden sei, und da es zudem gegen alle Billigkeit gehe, könne man es recht gut abschaffen.

So sprach darüber die Königin Mutter. Und geht man der Sache auf den Grund, so war es nach der Meinung der meisten Pharamond, der es aus seinem Lande mitbrachte und einführte: wir sollten es also besser nicht halten, da er ein Heide gewesen war; unter uns rechtgläubigen Christen die Gesetze eines Heiden so streng zu befolgen, heißt Gott gröblich beleidigen. Es ist allerdings wahr, daß der größte Teil unserer Gesetze von heidnischen Kaisern herstammt; aber soweit sie heilig, gerecht und billig sind, was bei vielen ist, mögen wir uns ihnen unterordnen; dieses salische Gesetz von Pharamond aber ist unbillig und widerspricht dem göttlichen Gesetz Gottes; im Alten Testament (fünfundzwanzigstes Kapitel des vierten Buches Mosis) steht nämlich geschrieben: »Die männlichen Kinder sollen zuerst nachfolgen und dann nachher, wenn solche fehlen, die Töchter.« Dieses heilige Gesetz läßt also die Töchter nach den Söhnen zur Erbfolge zu.

Überdies, nähme man dieses salische Gesetz genau dem Buchstaben nach, so wäre es nicht schlimm; das meinen wenigstens manche große Persönlichkeiten, die ich habe sagen hören: »So lange männliche Erben da sind, erben und regieren die Töchter nicht.« Folglich sollten sie erben und auf den Thron gelangen können, wenn keine männlichen Erben da sind. Und dann, ist es Rechtens, daß in Spanien, Navarra, England, Schottland, Ungarn, Neapel und Sizilien die Töchter regieren, warum sollte es da nicht ebensogut in Frankreich angehen? Denn was recht ist, ist überall und aller Orten recht, und am Ort liegt es nicht, ob ein Gesetz auch recht und billig ist.

Alle die Lehen, die wir in Frankreich haben, Herzogtümer, Grafschaften, Baronien und andere königliche Herrschaften, die nach ihren Gerechtsamen und Freiheiten gleichsam (und zwar recht wesentlich) von königlicher Art sind, fallen an Weiber und Töchter; so haben wir als Beispiele Bourbon, Vendôme, Montpensier, Nevers, Rhetel, d'Eu, Flandern, Bourgogne, Artois, Zelande, Bretagne, oder Mathilde, welche Herzogin von der Normandie war, und Eleonora, Herzogin von Guyenne, welche den König Heinrich den Zweiten, den König von England, bereicherten; Beatrix, Gräfin von Provence, die diese Provinz ihrem Gemahl, dem König Ludwig, zubrachte; die einzige Tochter Raymonds, die Gräfin von Toulouse, durch die es Alfons, der Bruder Ludwig des Heiligen als Mitgift bekam, und noch ganz kürzlich Anna, die Herzogin der Bretagne, und andere; warum sollte dann das Königreich Frankreich nicht eben so die Töchter Frankreichs auf seinen Thron berufen?

Herrschte die schöne Galathee, als Herkules sich nach Eroberung Spaniens mit ihr vermählte, nicht auch in Gallien? Stammen nicht gerade aus dieser Verbindung unsere braven, tapfern und heldenmütigen Gallier, deren Ruhm ehemals so weit erscholl?

Und warum sollten die Töchter der Herzoge in diesem Reich fähiger sein, ein Herzogtum oder eine Grafschaft gerecht zu beherrschen, was nahe an königliches Tun und Ansehen grenzt, als die Töchter der Könige zur Regierung des Königreichs? Und warum sollten französische Prinzessinnen nicht ebensogut imstande sein zu befehlen und zu herrschen, wie die Töchter in andern, so in den schon genannten Königreichen und großen Herrschaften?

Wie albern dieses salische Gesetz ist, beweist zudem, daß die Menge von Chronikenschreibern, Schriftstellern und Schwätzern, die darüber geschrieben haben, nicht einmal über die Abstammung des Wortes unter sich einig werden können. Einige, wie Postel, halten dafür, daß es Namen und Ursprung von den Galliern habe und »salisch« statt »gallisch« genannt worden sei, wegen der großen Ähnlichkeit der Buchstaben G und S in der alten Schreibart; allein er ist ein wirrer Kopf in solcher Behauptung wie auch in vielen andern Stücken, was mir eine hohe Person versichert hat. Jean Ceval, Bischof von Avranches, ein großer Altertumsforscher des französischen Galliens, wollte es von dem Wort Salle herleiten, weil dies Gesetz bloß für königliche Säle und Paläste gegeben sei. Claudius Seisel war so ungeschickt zu meinen, es komme von dem lateinischen Wort Sal her, als ein Gesetz »voll Salzes«, das heißt, voll Weisheit, das Salz sei als Metapher zu nehmen. Einem Doktor der Rechte, namens Ferrarius Montanus, beliebte es, die Behauptung aufzustellen, Pharamond habe ehedem Saliq geheißen. Andere wieder leiten es von Salogast ab, einem der vornehmsten Räte Pharamonds. Andere, die tiefer dringen möchten, sagen, der Name des Gesetzes komme daher, daß so viele Artikel darin mit den Wörtern anfangen »si aliquis«, »si aliqua.« Noch andere leiten es von den salischen Franken ab, wie im Marcellin zu lesen ist. Kurz, es gibt da genug Rebusse und verwirrte Meinungen, man darf sich also nicht wundern, daß der Herr Bischof von Arras dem Herrn Kardinal von Lothringen darüber zu Leibe ging. Wie ja überhaupt die Leute seiner Nation in ihren Späßen und Bänkeln Philipp von Valois den gefundnen König nannten in der Meinung, dieses Gesetz sei eine ganz neue Erfindung und er selbst kraft eines neuen, zuvor in Frankreich noch nie anerkannten Rechts König geworden. Hierbei beruft man sich darauf, daß König Karl V., als die Grafschaft Flandern an die weibliche Linie gekommen war, weder wirklich noch auch der Form nach einen Anspruch darauf erhob, sondern im Gegenteil seinem Bruder Philipp Burgund als Apanage gab, um die Heirat mit der Gräfin von Flandern zu ermöglichen, die er für sich nicht behalten wollte, weil sie ihm nicht schön genug war, wenn sie auch reicher war als die von Bourbon. Dies ist freilich ein starker Beweis dafür, daß dieser Artikel des salischen Gesetzes nicht immer im ganzen wie im einzelnen befolgt worden ist, und darum darf man nicht zweifeln, daß die Töchter, wenn sie zur Krone gelangten, besonders wenn sie schön, wacker und tugendhaft sind wie die, von der ich spreche, das Herz ihrer Untertanen durch ihre Schönheit und ihre Reize weit stärker an sich fesseln würden, als alle Stärke der Männer dies könnte.

Der Herr du Tillet schreibt, daß die Königin Clotilde die christliche Religion in Frankreich eingeführt hat, und von dieser Zeit an ist keine zu finden, die vom rechten Glauben abgefallen wäre, was den Königinnen sehr zur Ehre gereicht; den Königen seit Chlodwig kann nicht das Gleiche nachgerühmt werden; denn Chilperich I. war von der arianischen Ketzerei angesteckt, und es gelang, wie Gregorius von Tours meldet, nur zwei Prälaten der gallicanischen Kirche ihn davon loszureißen. Und dann, wurde denn Katharina, die Tochter Karls VI., nicht von ihrem Vater und dessen Staatsrat als Königin von Frankreich eingeholt?

Du Tillet sagt noch dazu, die Prinzessinnen des königlichen Hauses seien so sehr verehrt worden, daß man ihnen, trotzdem sie mit Fürsten vermählt gewesen seien, deren Rang geringer gewesen sei als der königliche, dennoch erlaubt habe, den königlichen Titel zu führen und sie ihren eigenen Namen hinzufügend, »Königinnen« genannt habe. Eine Ehre, die ihnen Zeit ihres Lebens blieb zum Zeichen, daß sie Töchter des Königs von Frankreich seien. Diese alte Gewohnheit gab stillschweigend zu erkennen, daß die königlichen Töchter so gut Königinnen sein könnten wie die Söhne Könige. Man findet auch die Anmerkung, daß zur Zeit Ludwigs des Heiligen, als ein Pair-Gericht gehalten wurde, die Gräfin von Flandern unter den Anwesenden genannt wird und ihren Platz unter den Pairs einnahm.

Man höre weiterhin, was Herr du Tillet von dem salischen Gesetz sagt: es sei bloß für die Untertanen geschrieben worden, wenn keine Söhne da wären, so erbten die Töchter das alte Gut. Sollte also nach dem Recht die Krone vergeben werden, so müßten die königlichen Prinzessinnen, wenn keine Prinzen da sind, sie bekommen; trotzdem sind sie durch die Sitte und ein Sondergesetz des französischen königlichen Hauses immer davon ausgeschlossen, und das hat seinen wahren Grund im Stolz der Franzosen, die es nicht leiden wollen, von Weibern beherrscht zu werden. Anderswo sagt er: man müsse sich sehr wundern über die Unkenntnis, die es fertig bringe, solche Gewohnheit so lang dem salischen Gesetz zuzuschreiben, während es in Wahrheit dagegen ist. Als König Karl V. über die Vermählung seiner Tochter Marie mit Wilhelm, Grafen von Hennegau, im Jahre 1374 unterhandelte, ließ er sich ausdrücklich von diesem Grafen einen Verzicht auf Krone und Dauphiné geben; dies ist übrigens ein wesentlicher Punkt, von dem viele Streitigkeiten ihren Ausgang genommen haben.

Sicher ist das eine: Wenn die Weiber so gut die Waffen führen könnten wie die Männer, so würden sie wohl die ihnen günstige Auffassung durchsetzen. Aber zum Ersatz haben sie ihre Schönheit, die man nur nicht so anerkennt, wie man sollte. Denn es ist doch bei Gott besser, von schönen, artigen und trefflichen Damen kommandiert zu werden, als von mürrischen, eitlen, häßlichen und eklen Männern, wie es deren ehemals in unserem Frankreich wohl gegeben hat.

Ich möchte gern wissen, ob unser Vaterland sich unter unendlich vielen albernen, hochmütigen, tyrannischen, einfältigen, nichtswürdigen, unwissenden und närrischen Königen, die regiert haben, besser befunden hat? Wobei ich jedoch beileibe unsere tapferen Könige, wie die Pharamond, Chlodio, Chlodwig, Pipin, Martell, Karl, Ludwig, Philipp, Johann, Franz und Heinrich nicht meine, denn diese waren heldenhaft und großherzig, und das Volk, das unter ihnen lebte, war glücklich, sie aber erzeugten eine Menge Prinzessinnen, die vortrefflich, einsichtsvoll und würdig zu regieren waren. Ich berufe mich hierbei darauf, wie gut es allen unter der Regentschaft der königlichen Mütter ergangen ist.

Wie ausgezeichnet verwaltete Fredegunde die Geschäfte des Reiches während der Minderjährigkeit ihres Sohnes, des Königs Chlotar! So weise und geschickt tat sie es, daß er Monarch von Gallien und einem großen Teil von Deutschland wurde!

Ein Gleiches tat Mathilde, die Gemahlin Dagoberts, für ihren Sohn, den König Clodwig II.; und lange hernach Blanche, die Mutter Ludwigs des Heiligen. Sie schaltete so weise, daß gleichwie ehemals die römischen Kaiser sich zum Andenken der glücklichen Zeiten Roms unter dem großen Kaiser Augustus, Augustus nennen ließen, ebenso alle Königinnen-Mütter nach dem Hinscheiden ihrer königlichen Gemahle reines blanches heißen wollten, zum ehrenvollen Gedächtnis der Regierung dieser Fürstin. Der von mir erwähnte Herr von Tillet ist allerdings hierin anderer Meinung, ich habe aber dies von einem großen Senator mir so sagen lassen.

Um noch etwas weiter zu gehen: Isabella von Bayern erhielt die Regentschaft für ihren Gemahl Karl VI. auf Anraten und Gutheißen des Staatsrates, als der König geisteskrank wurde; ebenso Madame von Bourbon während der Minderjährigkeit ihres kleinen Bruders, des Königs Karl VIII.; Madame Louise von Savoyen für König Franz I. und die Königin Mutter für ihren Sohn, den König Karl IX.

Wenn nun fremde Damen wie diese, (Madame von Bourbon ausgenommen, die aus dem französischen Hause war), so fähig waren, Frankreich gut zu regieren, warum sollten es unsere eigenen nicht ebenso sein und nicht ebenso mit gleichem Eifer und gleicher Hingabe herrschen, da sie es doch in ihrem Vaterland täten, wo sie die erste Milch gesogen haben und wo alles sie näher angeht?

Ich möchte wohl wissen, worin unsere letzten drei Könige unsere letzten drei königlichen Prinzessinnen, Elisabeth, Claudia und Margaretha so sehr übertroffen haben, daß sie, wenn sie zur Regierung gekommen wären, nicht eben so gut hätten auf dem Thron sitzen können wie ihre Brüder, wobei ich übrigens deren Geschick und Herrschertugenden nicht in Zweifel ziehen will, da beides bei ihnen allerdings in hervorragender Art da war.

Ich habe verschiedene große und einsichtsvolle und weitsehende Personen versichern hören, daß das Ungeschick, das wir zu erdulden hatten, zu erdulden haben und noch erdulden werden, uns in diesem Falle vielleicht nicht betroffen hätte, und sie gaben auch gute Gründe dafür an, deren Erörterung mich aber hier zu weit führen würde.

Allein siehe da, trotz dem allem sagt der dumme gemeine große Haufe: Man muß das salische Gesetz befolgen. Elender Einfaltspinsel, weiß Er denn nicht, daß die alten Deutschen, von deren Samen wir stammen, die Übung hatten, die Weiber zu Staatsgeschäften zuzuziehen ebenso wie die Männer, was wir aus Tacitus lernen können. Da sie damals die Weiber würdig befanden, auf die Regierung Einfluß zu nehmen und zu herrschen, so erhellt zur Genüge daraus, daß dieses salische Gesetz erst später verfälscht worden sein muß. Es ist eben auch nichts als ein Gewohnheitsrecht, und da die armen Mädchen zu schwach waren, ihr Recht mit der Degenspitze zu erweisen und zu behaupten, wie dies einstens Sitte war, so wurden sie von den Männern eben ausgeschlossen und verdrängt. Ach, daß unsere braven und tapferen Paladins nicht mehr am Leben sind, ein Roland, ein Renaud, ein Ogier, ein Olivier, ein Deudon, ein Graffon, ein Yvon und noch so und so viele andere tapfere Ritter, die sichs zum Beruf und zum Ruhme machten, den Damen in ihrem Mißgeschick und ihren Drangsalen an Ehre, Gut und Blut beizuspringen; ach daß diese noch lebten, um die Gerechtsame unserer Königin Margaretha zu verfechten; ihr Schicksal ist es ja, nicht einen Zoll breit Land von dem Reich zu besitzen, von dem sie so edel abstammt und das vielleicht nach göttlichem und menschlichem Recht ihr sogar gebührt, ja nicht einmal ihre Grafschaft Auvergne, die ihr als der einzig noch überlebenden Erbin ihrer königlichen Mutter zukommt, darf sie genießen, einsam muß sie im Schlosse Usson in den Einöden, Felsen und Gebirgen von Auvergne leben; das aber ist ein Aufenthalt, der doch zu sehr gegen eine große Stadt wie Paris absticht, wo sie jetzt thronen und zu Gericht sitzen sollte, nach dem ihr selbst angeborenen Recht sowohl, als auf Grund berechtigter Ansprüche des Königs, ihres Gemahls. Das Unglück ist aber, daß man weder das eine noch das andere anerkennen will. Wären beide Gatten recht einig zusammen, in Leib und Seele wie in Freundschaft, so wie sie es ehedem waren, dann ginge vielleicht alles besser für alle, und sie würden gefürchtet, geehrt und als das anerkannt werden, was sie sind! (Gott hat es, seit ich dies schrieb, gefügt, daß sie sich wieder mit einander versöhnt haben, was ein sehr großes Glück ist).

Ich hörte einmal den Herrn von Pibrac sagen, die Verbindung mit dem Hause Navarra bringe überhaupt das Unglück, daß eheliche Uneinigkeiten erstehen, wie ehemals zwischen Ludwig, dem Zänker, König von Frankreich und Navarra und seiner Gemahlin Margaretha von Burgund, Tochter des Herzogs Robert III. Oder zwischen Philipp dem Langen, König von Frankreich und Navarra und Johanna, Tochter des Herzogs Othelin von Burgund, die unschuldig war und ihre Unschuld auch vor aller Augen bewies.

Ebenso ging es mit Karl dem Schönen, König von Frankreich und Navarra, und Blanca, seiner ersten Gemahlin, ebenfalls einer Tochter des Grafen Othelin von Burgund. Und in allerletzter Zeit mit dem König Heinrich von Albret und Margaretha von Valois, der, wie ich aus guter Quelle weiß, sie sehr übel behandelte und es noch schlimmer gemacht haben würde, wenn ihr Bruder, König Franz nicht gewesen wäre, der ihm darüber ordentlich seine Meinung sagte und ihn heftig bedrohte, wenn er seine Schwester nicht besser in Ehren hielte und nicht mehr Rücksicht auf ihren erhabenen Rang nähme.

Der letztverstorbene König, Anton von Navarra, lebte ebenfalls in sehr schlechter Ehe mit seiner Gemahlin, der Königin Johanna.

Ebenso ist nun auch unsere Königin Margaretha ein wenig veruneinigt mit ihrem Gemahl und lebt nicht mit ihm; Gott wird sie aber trotz dieser jammervollen Zeit einst wieder vereinigen und zusammenführen!

Ich habe eine Fürstin versichern hören, daß sie ihm bei dem Massaker in der St. Bartholomäusnacht das Leben gerettet hat, denn er war ohne Zweifel mit unter den Geächteten und stand auf der Blutliste, dem »roten Papier«, wie man zu sagen pflegt. Man meinte nämlich, man müsse die Wurzeln ausrotten, wie den König von Navarra, den Prinzen von Condé, den Admiral und andere Großen. Die Königin von Navarra warf sich aber vor ihrem Bruder, dem König Karl, auf die Knie und bat um das Leben ihres Herrn und Gemahls. Und wenn sie auch seine Schwester, die er liebte, war, so hielt es doch schwer, bis ihr der König gewährte. Ob dies ganz so gewesen ist, muß ich indessen dahin gestellt sein lassen, denn ich weiß es nur vom Hörensagen.

Dies Blutbad ging ihr überhaupt sehr zu Herzen; sie rettete dabei jedoch mehreren das Leben, unter andern sogar auch einem gascognischen Kavalier, (ich denke, er hieß Lerac), der verwundet, wie er war, sich unter das Bett warf, worin sie lag, und von dem sie die Mörder, die ihn bis dahin verfolgten, verjagte; denn sie war nie grausam, sondern voll Güte, wie alle französischen Königstöchter.

Der Zwist zwischen ihr und ihrem Gemahl soll seinen Grund mehr in der Religionsverschiedenheit als in irgend etwas anderem haben; denn jeder Teil liebt und behauptet die seine. Als nun die Königin nach Pau, der Hauptstadt in Bearn, gereist war und Messe daselbst lesen ließ, gab es dort einen Sekretär des Königs, ihres Gemahls, namens Le Pin, der ehemals bei dem Herrn Admiral in Diensten gewesen war, und der ärgerte sich über dies Messelesen so, daß er deswegen einige Leute aus der Stadt, die ihr beigewohnt hatten, einsperren ließ.

Darüber war die Königin sehr ungehalten, und als sie ihn deswegen zur Rede stellte, antwortete er ihr von oben herab in unanständigem Ton, wie er ihm gar nicht zukam, sogar in Gegenwart des Königs, der es ihm heftig verwies und ihn aus seinem Dienst jagte. Denn als ein edler und vornehmer Herr weiß er wohl zu lieben und zu achten was er soll, wie seine schönen und edlen Handlungen jederzeit erwiesen haben.

Dieser du Pin aber berief sich auf das Edikt, das dorten gilt und Messelesen und Messehören bei Lebensstrafe verbietet. Da die Königin sich, der Himmel weiß wie, dadurch verletzt fühlte, schwur sie hoch und teuer, nie wieder einen Fuß in dies Land setzen zu wollen, verlangte freie Religionsübung, reiste ab und hielt von der Zeit an diesen Schwur getreu.

Ich habe mir sagen lassen, daß nichts ihr so sehr je zu Herzen ging als diese Unbill, daß man ihr die freie Übung ihrer Religion rauben wollte; um dies ganz nach Herzenslust tun zu können, bat sie ihre gute Mutter, die Königin, zu ihr zu kommen und eilte alsdann mit ihr nach Frankreich zu ihrem Bruder, dem König, den sie hoch ehrte und sehr liebte.

Als sie an dessen Hof kam, wurde sie jedoch nicht so von ihm empfangen und aufgenommen als er wohl gesollt hätte. Sie fand, daß eine große Veränderung in seinem Wesen zu ihr seit ihrer Abreise vorgegangen war und daß manche Personen, von denen sie es nie gedacht und geglaubt hätte, unterdessen zu hohen Stellungen und Rang gekommen waren; dies verdroß sie nun gar gewaltig und sie brachte es nicht übers Herz jetzt, um deren Gunst zu betteln und ihnen zu hofieren wie andere, die aber nicht so hoch standen wie sie, es wohl taten; sie verachtete sogar solche Menschen und solches Tun tief, wie ich selbst mit angesehen habe. So groß war ihr Mut. Ach nur allzu groß war er und war Ursache all ihres späteren Unglücks! Denn hätte sie sich nur ein wenig Gewalt antun wollen und nachgeben, so hätte sie nicht so viel Mißgeschick betroffen.

Ich muß bei dieser Gelegenheit folgendes erzählen. Als ihr Bruder, der König, nach Polen reiste und später, als er dort war, erfuhr sie, daß der Herr von Gua, der beim König, ihrem Bruder in ganz besonderer Gunst stand, recht üble Reden über sie geführt hatte, die gar wohl zwischen dem Bruder und der Schwester Feindschaft oder Bitterkeit stiften konnten. Einige Zeit darauf kam gedachter Herr von Gua aus Polen zurück an den Hof und ging, da er Briefe von dem König an seine Schwester hatte, selbst hin, um sie ihr auf ihr Zimmer zu bringen und ihr die Hände zu küssen. Das habe ich selbst mitangesehen.

Als sie ihn eintreten sah, geriet sie in heftigen Zorn; und als er sich ihr näherte, um ihr seinen Brief zu übergeben, da sagte sie mit zornrotem Gesicht zu ihm: »Es ist Ihr Glück, de Gua, daß Sie mit diesem Brief von meinem Bruder vor mir erscheinen, der Ihnen als Schutz dient, denn ihn liebe ich so sehr, daß alles, was von ihm kommt, bei mir frei und sicher ist. Sonst wollte ich Sie lehren, von einer Fürstin, wie ich es bin, einer Schwester Ihrer Könige, Ihrer Herren und Souverains solche Reden zu führen.«

Der Herr von Gua antwortete ihr sehr demütig: »Ich würde es auch nie gewagt haben, gnädigste Frau, Ihnen je unter die Augen zu treten, da ich weiß, daß Sie mir ungnädig sind, wenn ich nicht gewissermaßen einen Schutzbrief von dem Könige, meinem Herrn, hätte, der Sie liebt und den auch Sie sehr lieben; ich gebe mich darum der gewissen Hoffnung hin, daß Sie, gnädigste Frau, aus Liebe zu ihm, und da Sie ohnehin gnädig und großmütig sind, mich anhören werden.«

Er brachte hierauf seine Entschuldigungen vor, führte seine Verteidigungsgründe an, wie er denn überhaupt sehr gut zu sprechen wußte. Dabei leugnete er rundweg, daß er von der Schwester seiner Könige je anders als mit der äußersten Ehrerbietung gesprochen habe. Sie aber schickte ihn fort, heftig beteurend, daß er stets eine bittere Feindin an ihr haben werde, und dies Versprechen hielt sie ihm auch bis an seinen Tod.

Nach einiger Zeit schrieb der König an Frau von Dampierre und bat sich von ihr als größten Liebesdienst aus, daß sie die Königin bewege, dem Herrn von Gua um seinetwillen zu vergeben und ihn wieder zu Gnaden anzunehmen. Die Frau von Dampierre unterzog sich diesem Geschäft nur höchst ungern, da sie das Naturell der Königin sehr gut kannte. Weil indessen der König sie liebte und großes Vertrauen in sie setzte, so wollte sie auf gut Glück wenigstens einen Versuch wagen. In dieser Absicht kam sie denn eines Tages zu der Königin auf ihr Zimmer, und da sie sie bei ziemlich guter Laune antraf, brachte sie ihr Anliegen aufs Tapet. Sie stellte ihr vor, sie solle, um die Gewogenheit, Gunst und Freundschaft ihres königlichen Bruders, welcher bereits König von Frankreich war, zu bewahren, dem Herrn von Gua verzeihen, ihm alles Vergangene erlassen und ihn wieder zu Gnaden annehmen; der König liebe ihn sehr und sei ihm mehr gewogen, als irgend einem seiner andern Diener, und so könnte sie denn, wenn sie ihm ihre Freundschaft schenke, viel angenehme Dienste und Gefälligkeiten von ihm erhalten, da er das Herz des Königs, seines Herrn, so sicher in der Hand habe und lenke; es sei doch besser, daß sie ihn auf ihre Seite bringe und sich seiner bediene, als daß sie ihn zur Verzweiflung treibe und ihn gegen sie erbittere, was ihr dann sehr schaden könnte; sie hätte zu ihrer Zeit unter der Regierung des Königs Franz I. die Prinzessinnen Magdalena und Margaretha, von denen die erste nachher Königin von Schottland, die andere Herzogin von Savoyen wurde, beide ihre Tanten, gesehen, wie sie, so hohen und stolzen Herzens sie auch waren, sich dennoch so weit herabließen, dem Herrn von Sourdis geradezu den Hof zu machen, der doch weiter nichts als Garderobemeister des Königs ihres Vaters war und seine Gunst zu suchen, bloß um durch seine Vermittlung die Gnade und Gewogenheit ihres königlichen Vaters zu erlangen; nach dem Beispiel dieser ihrer Tanten sollte sie es eben so mit dem Herrn von Gua machen.

Nachdem die Königin ihr aufmerksam zugehört hatte, antwortete sie der Frau von Dampierre ziemlich frostig, jedoch, wie das ihre Art, ein wenig lächelnd: »Frau von Dampierre, was Sie mir da sagen, möchte allenfalls wohl für Sie gut sein, die Sie Gunst, Gefälligkeiten und Wohltaten bedürfen; und wäre ich Sie, so würden solche Reden, wie Sie mir da sagen, sehr gut angebracht und passend sein, und ich würde sie gern annehmen und befolgen; allein bei mir, einer Königstochter und Schwester französischer Monarchen und der Gemahlin eines Königs ist das anders. Mit solchen erhabenen und schönen Eigenschaften, kann ich nicht in Ehren um Gunst, Gnade und Wohltaten des Königs, meines Bruders, betteln; ich denke, er ist so gut gesinnt und kennt seine Pflicht so genau, daß er sie mir auch ohne die Gewogenheit de Guas nie versagen wird, sonst würde er seine Ehre und königliche Würde arg beflecken. Sollte er aber auch so sehr entartet sein, daß er sich so weit vergessen könnte, mich anders zu halten als ihm zukommt, so will ich aus Stolz und Ehrgefühl lieber seine Gewogenheit darüber, daß ich de Gua und dessen Gunst nicht suchen wollte, entbehren, als daß man mir vorwerfe oder von mir argwöhnen könnte, sie durch dieses Mittel und seine Verwendung erlangt zu haben. Mir scheint, um sie zu verdienen, hinlänglich, daß ich das bin, was ich bin; und wenn er sich wert fühlt, König zu heißen und von mir und seinem Volk geliebt zu werden, so fühle ich mich, als seine Schwester, wert Königin zu sein und nicht nur von ihm, sondern von aller Welt geliebt zu werden. Und wenn schließlich meine Tanten, wie Sie mir sagen, sich so tief erniedrigten, so – konnten sie's tun, wenn sie's wollten und so gelaunt waren; ihr Beispiel kann jedoch kein Gesetz für mich sein, noch mich zur Nachahmung bringen, ich will mich nach keinem andern als meinem eigenen Modell formen.«

Dann sagte sie nichts weiter, und Frau von Dampierre mußte gehen; immerhin trug ihr die Königin es nicht weiter nach, denn sie liebte sie sehr.

Ein andermal, als der Herzog von Espernon nach dem Tode Monsieurs nach der Gascogne ging – eine Reise, für die es, wie man sagte, allerlei Gründe gab, – besuchte er den König von Navarra zu Pamyers, und beide erwiesen einander große Höflichkeiten und Liebkosungen. Ich gebrauche diese Worte, denn damals war der Herr von Espernon halb König von Frankreich wegen der ausschweifenden Gunst, die ihm der König, sein Herr, erwies. Nachdem die also sehr zärtlich mit einander gewesen waren und Feste gefeiert hatten, bat ihn der König von Navarra, ihn auf dem Rückweg von Toulouse zu besuchen, was er ihm auch versprach. Der König von Navarra machte sich hierauf auf den Weg, um alles zu einer guten Bewirtung für ihn vorzubereiten. Aber die Königin, die damals dort war und aus vielen ernsten Gründen den Herzog von Espernon bis auf den Tod haßte, sagte zu dem König ihrem Gemahl: Sie wolle unterdessen wegreisen, um das Vergnügen nicht zu stören noch zu hindern, da sie schlechterdings den Anblick des Herrn von Espernon nicht ertragen könne, ohne daß ihr giftiger Zorn sich Luft schaffe und zum Ausbruch käme, was dem König, ihrem Gemahl, Ungelegenheiten und Verdrießlichkeiten verursachen könnte. Und da sie darauf beharrte, wegzureisen, bat es sich der König als die größte Gefälligkeit von ihr aus, zu bleiben, gedachten Herrn von Espernon empfangen zu helfen und ihm zu lieb allen ihren Groll gegen ihn beiseite zu setzen, da sehr viel für sie beide und für ihre Hoheit davon abhinge.

»Nun gut, mein Gemahl,« sagte die Königin zu ihm, »da Sie geruhen, mirs zu befehlen, so will ich bleiben und ihn gut empfangen, aus schuldigem Respekt und Gehorsam gegen Sie.« Und dann sagte sie zu einigen von ihren Damen: »Aber ich stehe Euch dafür, daß ich bei seiner Ankunft und die ganze Zeit seines Aufenthalts über ein Kleid anziehen werde, das ich sonst nie wieder anziehe: Heuchelei und Verstellung. Denn ich will mein Gesicht so gut verlarven, daß er nichts als alles Liebe und Gute und Sanfte darin lesen soll; gleichen Zwang werde ich auch meinem Mund auferlegen und also äußerlich so scheinen, daß man auch mein Inneres für gut halten soll, dafür kann ich aber nicht gut sagen, das steht auch keineswegs in meiner Gewalt; mein Herz gehorcht nur sich, so voll Freimütigkeit ist es, es vermag nicht das Gift irgend einer Heuchelei zu verbergen, noch sich im mindesten zu erniedrigen, nur Gott und der Himmel könnte es erweichen und zärtlich machen, wenn er es umschüfe oder umschmelzte.«

Um also den König, ihren Gemahl, – den sie, so wie er seinerseits ebenfalls wieder sie, gar sehr ehrte, – zufrieden zu stellen, verstellte sie sich so sehr, daß sie den Herzog von Espernon bei seinem Besuch auf ihrem Zimmer eben so empfing, wie der König sie gebeten und sie es ihm versprochen hatte, so gut, daß alle im ganzen Zimmer, das voll von einer Menge Menschen war, die sich drängten um diese Zusammenkunft zu sehen, ganz erstaunt darüber waren, sowie auch der König und der Herr von Espernon ihrerseits sehr zufrieden; allein die hellsehendsten, und die das Naturell der Königin kannten, vermuteten wohl, daß etwas dahinter stecke; auch sagte sie selbst, sie habe bei dieser Komödie ungern eine Rolle übernehmen müssen. Ich habe dies alles aus sehr guter Quelle.

Dies sind zwei Anekdoten, die gut zeigen, wie hoch der Mut dieser Königin ging, ich habe auch die Königin, ihre Mutter, selbst darüber sagen hören, sie gleiche hierin sehr dem König, ihrem Vater, so wie denn überhaupt keins ihrer Kinder ihm mehr gleiche als sie, sowohl an Manieren, Launen, Bildung und Gesichtszügen, als an Herz und Großmut; ebenso habe sie den König Heinrich unter der Regierung seines Vaters, des Königs Franz, gesehen, wie er nicht um sein ganzes Reich dem Kardinal von Tournon oder dem Admiral von Annebaut, den »Favoris« des Königs, hofiert noch geschmeichelt haben würde. Ja, er würde oft von Kaiser Karl Frieden oder Waffenstillstand erhalten haben, wenn er darum hätte bitten wollen, allein sein Sinn vermochte nicht, sich unter dergleichen zu beugen.

So war der Vater und so geriet auch die Tochter. Aber ihr hat dies alles sehr zum Nachteil gereicht. Ich erinnere hiebei an eine schwere Menge Widerwärtigkeiten und Unanständigkeiten, die ihr deswegen am Hof widerfuhren, und die ich nicht anführen mag, denn sie sind zu ekelhaft. Es ging ja so weit, daß sie wahrhaftig mit großem Schimpf fortgeschickt wurde, wiewohl sie dessen, was man ihr zur Last legte, nicht schuldig war, wie sich erwies und mir wohl bekannt ist. Und als der König, ihr Gemahl, sich davon überzeugt hatte, verlangte er dann auch von dem König Genugtuung dafür, worüber wieder zwischen den beiden Brüdern beinahe heimlicher Haß und Groll entstand.

Der Krieg der Ligue brach hierauf aus, und da die Königin von Navarra sich von gewissen Leuten nichts Gutes versah, weil sie sehr eifrig katholisch war, so begab sie sich nach Agen, das ihr, nebst der zugehörigen Landschaft, von ihren königlichen Brüdern als Apanage und Geschenk auf Lebenszeit gegeben worden war. Weil es nun um die katholische Religion ging, und alles darauf ankam, diese zu behaupten und die andere auszurotten, so wollte sie ihrerseits auch alles hierzu tun, was in ihren Kräften stand und gegen die reformierte Religion nach Möglichkeit Krieg führen. Hierin wurde sie aber von der Frau von Duras, die sie ganz beherrschte und unter ihrem Namen große Bedrückungen und Erpressungen ausübte, sehr übel bedient.

Das Volk in der Stadt wurde darüber erbittert, und sann unter der Hand auf Mittel, sich zu befreien, sowohl ihre Frau als ihre Besatzung zu verjagen. Der Marschall von Matignon bediente sich dieser Unzufriedenheit, um einen Überfall auf die Stadt zu machen und auszuführen, was ihm der König, als ihm der Plan dazu vorgelegt wurde, mit großer Herzensfreude befahl, um seiner Schwester, die er nicht liebte, mehr und mehr Mißvergnügen zu verursachen.

Die Unternehmung, welche beim erstenmal fehlgeschlagen war, wurde aufs zweitemal durch den gedachten Herrn Marschall und die Inwohner so geschickt ausgeführt, daß die Stadt mit solcher Schnelligkeit, und solchem Alarm genommen und besetzt wurde, daß unserer unglücklichen Königin nichts übrig blieb, als sich hinter einem Kavalier aufs Pferd zu setzen (wie die Frau von Durat hinter einen andern) und mit solcher Hast zu fliehen, daß sie am ersten Tag in einem Ritt zwölf starke Meilen machten und am andern Tag wieder eben so viel, bis sie endlich die stärkste Festung Frankreichs, Carlat, erreichten. Als sie hier in Sicherheit zu sein glaubte, wurde auch dieser Platz durch die geheimen Schliche des Königs, ihres Bruders, der ein so feiner und schlauer König war als je einer, von den Bewohnern des Landes und des Orts verkauft. Und sie, die Argwohn geschöpft und den Platz verlassen hatte, fiel auf ihrer Flucht dem Marquis von Canillac, Gouverneur der Auvergne, in die Hände, der sie gefangen nahm und auf das Schloß Usson brachte, das ebenfalls ein sehr fester, ja unbezwingbarer Platz ist, den der feine und schlaue Fuchs, König Ludwig XI. zum Teil so angelegt hatte, um seine Gefangenen dort zu verwahren, weil er sie da hundertmal sicherer hielt, als zu Loches, im Bois de Vincennes oder in Lusignan. So saß also diese arme Fürstin hier gefangen, und wurde nicht wie eine königliche französische Prinzessin und nicht wie es einer so großen Fürstin zukäme, behandelt! Allein wenn ihr Leib auch gefangen war, so war es doch ihre tapfere Seele nicht, der Mut verließ sie nicht, was ihr sehr gut zu statten kam, daß sie sich von der Betrübnis nicht ganz niederdrücken ließ.

Wie viel Gewalt aber hat ein starkes Herz, unterstützt von großer Schönheit! So wurde der, dessen Gefangene sie war, nach kurzer Frist selbst ihr Gefangener, wie tapfer und stark er auch war. Armer Mann, was dachte er nur? Bildete er sich ein, die in seinem Gefängnis eingesperrt und unfrei halten zu können, die mit ihren Augen und ihrem schönen Gesicht die ganze Welt wie einen Galeerensklaven in Fesseln schlagen kann?

So wurde denn auch dieser Marquis von ihrer Schönheit entzückt und gefesselt; allein sie, die nicht an süße Freuden der Liebe dachte, sondern ihre Ehre und Freiheit wieder zu gewinnen strebte, spielte ihr Spiel mit solcher Schlauheit, daß sie die Stärkere wurde, sich des Platzes bemächtigte und den Marquis von dort verjagte, der sehr erstaunt war, sich so überrumpelt und überlistet zu sehen. Sie hat den Platz nun schon seit sechs bis sieben Jahren inne, wenn auch nicht sonderlich zufrieden und vergnügt, da sie sich der Grafschaft Auvergne beraubt sehen mußte, die ihr der Großprior von Frankreich vorenthielt; den hatte nämlich der König von der Königin Mutter in ihrem Testament zum Erben einsetzen lassen, wie sehr es sie auch verdroß, daß sie ihrer guten Tochter nicht wenigstens etwas von ihrem Eigentum hinterlassen konnte. So weit also ging der Haß, den der König, ihr Bruder, auf sie geworfen hatte.

Ach, wie anders war es nun als ehemals, wo ich sah, daß sie einander inbrünstig liebten und nur ein Leib, eine Seele und ein Wille waren. Ach wie schön sah sichs ehemals an, wenn sie miteinander sprachen, denn mochte es über einen ernsthaften oder scherzhaften Gegenstand sein, – man konnte nichts Schöneres sehen noch hören, so gut hatten sie die Sprache in ihrer Gewalt. Ja, es sind nicht mehr die Zeiten, wo man sie noch mit einander im großen Tanzsaal mit Lust und in himmlischer Harmonie tanzen sah! Der König führte sie gewöhnlich zum großen Ball. Zeigte eines von beiden schöne Majestät beim Tanze, so ließ das andere sie nicht missen. Ich sah sie oft genug zusammen die spanische Pavanne tanzen, einen Tanz, bei dem Grazie und Majestät sich liebenswürdig miteinander paaren. Alle Augen im Saal konnten sich dabei nicht satt sehen, noch des Entzückens bei diesem angenehmen Anblick ein Ende finden; denn die Passagen wurden so gut ausgeführt, die Tritte so kunstvoll abgemessen und die Cadenzen so richtig eingehalten, daß man nicht wußte, was man mehr bewundern sollte, das kunstreiche Tanzen oder die majestätische Ruhe, wenn sie stehen blieben, worin bald eine angenehme Munterkeit, bald ein schöner und ernster Stolz zum Ausdruck kamen. Denn wer sie diesen Tanz tanzen sah, mußte allemal gestehen, daß er ihn noch nie habe so schön tanzen sehen als von diesen königlichen Geschwistern, nie so voll Grazie, nie so voll Majestät. Was mich betrifft, so bin ich ebenfalls ganz dieser Meinung, trotzdem ich ihn auch noch von den Königinnen von Spanien und Schottland sehr gut habe tanzen sehen.

Ebenso sah ich sie den italienischen Tanz Pazzemeno sehr schön tanzen, worin sie bald mit ernster Haltung und Miene und mit feierlichem Schritt marschierten, bald nur dahin schleiften, bald so schöne, artige und ausdrucksvolle Passagen machten, daß weder ein Prinz noch irgend ein anderer es ihnen beiden darin gleich zu tun vermochte, so wie auch keine andere Dame, denn man mußte dazu eine recht majestätische Art haben. Unsere Königin fand aber auch großes Vergnügen daran, dergleichen ernste Tänze zu tanzen, weil sie in ihnen ihre schöne Grazie, ihren herrlichen Anstand und ihre ausdrucksvolle Majestät ungleich vorteilhafter ins Licht setzen konnte, als in anderen Tänzen, wie z. B. in den Branslen, Volten und Couranten. Wenn sie diese auch gleichfalls sehr gut tanzte, mochte sie sie dennoch nicht sehr, weil sie eben ihrer Majestät nicht angemessen waren, wohl aber den gewöhnlichen Reizen anderer Damen. Aus eben dem Grunde sah ich sie ebenfalls öfters den Fackeltanz gerne tanzen. Ich erinnere mich hierbei, daß sie einst zu Lyon bei der Zurückkunft des Königs von Polen auf der Hochzeit eines ihrer Fräuleins – de Besnes – diesen Tanz ebenfalls tanzte, wobei viele Fremde aus Savoyen und Piemont und anderen Gegenden zugegen waren, die sagten, sie hätten nie etwas so schönes gesehen als diese Königin, noch einen so schönen, ernsten Tanz, wie dieser in der Tat auch ist. Bei dieser Gelegenheit sagte jemand, diese Königin hätte es nicht nötig gehabt, eine Fackel zu tragen, wie die andern Damen, denn die, welche aus ihren schönen Augen flammte und nicht erlösche – wie die andern – wäre schon hinreichend und besäße eine ganz andere Kraft als bloß den Männern beim Tanze zu leuchten, indem sie alle im ganzen Saal in lichterlohe Flammen setzen könne, ohne jemals zu erlöschen, wie die andere, die sie in der Hand habe, und sie vermöge zur Nachtzeit die Finsternis zu erhellen und am Tage selbst die Sonne zu überstrahlen.

So muß man sagen, daß das Schicksal sich uns anderen hierin ebenso feindlich bewiesen hat, als gegen sie, da uns diese schöne Sonne nicht mehr ihre Strahlen schicken kann und sich hinter jenen Fels – und Bergspitzen von Auvergne verborgen hat. Hätte sie sich doch nur wenigstens an irgend einem schönen Seehafen gelagert, daß bei ihren Strahlen die vorüberfahrenden Seeleute sich vor Schiffbruch bewahren könnten, und sie ihnen so gewissermaßen als Leuchtturm diene, – dann würde ihr Aufenthalt doch wenigstens schöner, nützlicher und ehrenvoller sein, für sie sowohl als für das allgemeine Beste, als jetzt.

O du Volk von Provence, du solltest sie um die Gnade anflehen, an deinen schönen Seehäfen und an deinen schönen Seeküsten sich niederzulassen, die sie durch ihre Gegenwart noch berühmter, bevölkerter und reicher machen würde, als sie jetzt schon sind; denn aus allen Teilen der Welt würden alsdann Wallfahrten, Galeeren, Fahrzeuge und Schiffe dort landen, um das Wunder der Welt zu sehen, so wie ehemals nach Rhodus wegen seines schönen, berühmten Pharus! Stattdessen ist sie jetzt in die engen Schranken ihrer auvergnischen Gebirge eingeschlossen, die nicht leicht zugänglich sind, unser aller Augen verborgen und unbekannt; nur in der Erinnerung lebt ihr schönes Bild noch.

Ah, du schöne, uralte Stadt Marseille, wie glücklich wärest du, wenn deinen Hafen die Flamme und der Leuchtturm ihrer schönen Augen zierte! Eigentlich gehörte übrigens die Grafschaft Provence sowieso ihr, sowie noch mehrere andere Provinzen, ja ganz Frankreich. Verwünscht sei der unglückliche Eigensinn, den man in diesem Königreich hat, daß man sie nicht mit dem König, ihrem Gemahl, gleich ehrt, hochhält und aufnimmt wie sich geziemen würde.

(Ich schrieb dies mitten in der größten Hitze der Kriege der Ligue). Wäre sie eine schlimme oder boshafte, geizige oder tyrannische Königin oder Fürstin, wie es deren ehemals in Frankreich die Menge gegeben hat und vielleicht noch geben wird, so wollte ich kein Wort darum verlieren; in Wahrheit aber ist sie lauter Güte und Freigebigkeit, nichts, nichts ist ihr eigen, sie gibt aller Welt und behält wenig für sich, aus lauter christlicher Liebe, Milde und Wohltätigkeit gegen die Armen. Die Größten beschämte sie mit ihrer Freigebigkeit, wie ich denn selbst gesehen habe, daß sie zum Jahrestag dem ganzen Hof Präsente machte, über welche die Könige, ihre Brüder, erstaunten, die es ihr nicht gleich taten. Sie gab der Königin Louise von Lothringen einst zum neuen Jahre einen Fächer aus Perlmutter, mit Steinen und großen Perlen besetzt, so schön und reich, daß man ihn für ein wahres Meisterstück hielt und auf mehr als zwölfhundert Taler schätzte. Jene erwiderte ihr Geschenk mit langen Schmucknadeln, die der Spanier Puntas nennt, woran einige Perlen und Steine sich fanden, deren Wert vielleicht hundert Ecus sein mochten, und so bezahlte sie also die Königin Margaretha ziemlich ungleich für ihr Neujahrsgeschenk.

Kurz, diese Königin ist in allem königlich und freigebig und ehr- und prachtliebend. Und die Kaiserinnen der Vorzeit mögen es mir zugut halten: ihre von Suetonius, Plinius und andern uns beschriebene Pracht kann sich mit ihrer nicht messen, sowohl wenn sie am Hof und in Städten war, als wenn sie sich unterwegs und auf dem Lande befand, wobei sie prächtige, schönvergoldete und mit schönen Devisen bemalte Sänften, Kutschen, Karossen und Reitpferde mit reichem Zeuge hatte.

Wer sie in solchem prächtigen Aufzuge gesehen hat, wie ich, der kann davon reden. Und jetzt muß sie dies alles entbehren, da sie seit sieben Jahren nicht aus diesem rauhen und unlustigen Schloß fortgekommen ist; sie aber läßt sichs doch in aller Geduld gefallen, da sie in einem vorzüglichen Grad die nach der Meinung mehrerer Philosophen sehr große Tugend besitzt, über ihre Neigungen zu gebieten.

Um noch einmal auf ihre Güte zu kommen, so ist solche so groß, so edel und so großmütig, daß ich glaube, sie hat ihr sehr geschadet. Denn ob sie auch gute Ursache und die Mittel hatte, sich zu rächen und ihren Feinden zu schaden, hielt sie sich dennoch öfters zurück. Wenn sie aber den Rachegedanken hätte Raum geben oder sich auch nur anderer, die auf jeden ihrer Winke bereit waren, bedienen hätte wollen, würde sie wohl durch das Beispiel jener, die ihre Rache hätten empfinden müssen, bewirkt haben, daß die andern auch vorsichtiger und bescheidener geworden wären; sie aber stellte jederzeit die Rache Gott anheim. Das gleiche sagte ihr auch einmal der Herr von Gua, als sie ihm drohte: »Madame, Sie sind so gut und so großmütig, daß ich noch nie davon gehört habe, daß Sie jemand beleidigt hätten. Ich hoffe, daß Sie nicht bei mir, Ihrem alleruntertänigsten Diener, den Anfang machen werden.« Und trotzdem er ihr sehr geschadet hatte, so rächte sie sich doch nicht und vergalt ihm nicht Gleiches mit Gleichem; allerdings sagte sie, als er ermordet wurde und man ihr, da sie just krank war, seinen Tod meldete: »Es tut mir sehr leid, daß ich nicht wohl genug bin, um diesen Tod recht vergnügt zu feiern.« Sie hatte aber auch die gute Eigenschaft, wenn man sich demütigte und ihre Verzeihung und Gnade suchte, alles zu vergeben und zu verzeihen und dadurch die Großmut des Löwen nachzuahmen, der dem, der sich demütigt, nie etwas zuleide tut.

Ich erinnere mich hiebei folgenden Vorfalls. Als beim Ausbruch des Kriegs der Marschall von Biron, damals Statthalter des Königs in Guyenne, auf seinem Zug – er tat es vielleicht absichtlich – an Nerac vorbeikam, wo damals der König und die Königin von Navarra sich aufhielten, ließ er von seinen Büchsenschützen einen Angriff darauf machen. Es kam zu einem Scharmützel, wobei der König von Navarra an der Spitze der Seinigen in eigener Person bloß im Kollett wie ein gemeiner Offizier ausfiel und sich so gut verteidigte, daß er, da seine Büchsenschützen besser waren, keinen Verlust dabei hatte.

Der Herr Marschall trieb hierbei die Bravade noch weiter und ließ einige Kanonenschüsse auf die Stadt tun, so daß die Königin, welche herbeigeeilt war und sich auf der Mauer aufhielt, um dem Scharmützel zuzusehen und einen Zeitvertreib davon zu haben, beinahe getroffen wurde: eine Kugel schlug ganz nahe bei ihr ein. Dies brachte sie sehr auf, sowohl weil der Herr Marschall so wenig Respekt für sie bezeigte, daß er kam, um ihr in ihrem eigenen Platz zu trotzen, als weil er von dem König Befehl hatte, dem Ort, wo die Königin von Navarra sich aufhalte, sich mit Kriegsoperationen nie auf fünf Meilen in der Runde zu nähern; da er dies hier nicht befolgte, so faßte sie einen solchen Groll und Haß gegen den Marschall, daß sie stark darauf bedacht war, es ihn empfinden zu lassen und sich dafür zu rächen. Anderthalb Jahre darauf kam sie an den Hof, wo der Marschall ebenfalls war, den der König aus Guyenne zu sich zurückberufen hatte, aus Furcht, es möchten sonst neue Unruhen entstehen: denn der König von Navarra hatte gedroht, loszubrechen, wenn er ihn nicht von da weg nähme. Die Königin von Navarra, noch erbittert auf den Marschall, begegnete ihm nicht mit Achtung, wie andere es taten, sondern verachtete ihn sehr und sprach überall schlecht von ihm und erzählte von dem Schimpf, den er ihr zugefügt hatte. Der Herr Marschall fürchtete endlich die Wut und den Haß der Tochter und Schwester der Könige, seiner Gebieter, und da er das Naturell unserer Fürstin kannte, so bemühte er sich um ihre Verzeihung und Gnade, entschuldigte sich sehr wegen des Vorgefallenen und demütigte sich. Mit ihrer gewöhnlichen Großmut nahm sie dies denn an, vergaß das Vergangene und nahm ihn wieder in Gnade und Freundschaft auf.

Ein Kavalier, der nachher nach Hof kam und die gute Behandlung bemerkte, die der Marschall von der Königin erhielt, wunderte sich sehr darüber, und da er die Ehre hatte, daß ihm die Königin bisweilen gerne zuhörte, so sagte er ihr: er wundere sich sehr über diese Veränderung und gute Behandlung, und er hätte es nach der zugefügten Beleidigung und Beschimpfung nie gedacht. Sie aber gab ihm zur Antwort: »Da der Marschall seinen Fehler erkannt, seine Entschuldigung deswegen gemacht und auf eine untertänige Art ihre Gnade gesucht habe, so habe sie ihm solche angedeihen lassen, was freilich nicht geschehen wäre, wenn er sein übermütiges Betragen fortgesetzt hätte.« So ist also diese gute Fürstin nicht leicht zur Rache geneigt und glich hierin nicht der Königin Anna, die sich an dem Marschall von Gié so heftig rächte, wie ich es an anderer Stelle erzählt habe.

Ich könnte eine Menge ähnlicher Beispiele ihrer Güte anführen, daß sie zu Verzeihung und Versöhnung geneigt war. Eines ihrer Hoffräuleins, welche zu Chenonceaux starb, hatte sich ihr Mißfallen in einem hohen Grade zugezogen, ohne daß sie sie darum mißhandelt hätte. Da sie nun sehr krank wurde, besuchte sie sie, sprach ihr, als sie den Geist aufgeben wollte, trostreich zu und sagte dann: »Dies arme Mädchen leidet viel, sie hat aber auch viel Böses getan. Gott verzeihe ihr, wie ich ihr verzeihe.« Dies war ihre ganze Rache und Verfolgung, und so war denn diese große Königin vermöge ihrer Großmut sehr gelind in ihrer Rache und war voller Güte.

Der große König Alphons von Neapel, ein feiner Kenner und Liebhaber der Damenschönheit, pflegte denn auch zu sagen: Schönheit sei ein Zeichen von Güte und von guten sanften Sitten, so wie schöne Blüte schöne Frucht verkünde; daher ist es denn keinem Zweifel unterworfen, daß wenn unsere Königin nicht mit so großer Schönheit, sondern häßlich gebildet gewesen wäre, sie als Folge der vielen starken Anlässe, die man ihr dazu gab, sehr bösartig geworden sein würde.

Die hochselige Königin Isabella von Castilien, eine einsichtsvolle, tugendhafte und christgläubige Fürstin, pflegte zu sagen: »Que el Fruto de la Clemencia en una Reyna de gran Beldad, y de Animo grande, y codiciosa de verdadera honra, fin duda es mas dulce que qualquiera Vengança, aunque fea emprendida con justo titulo.« Das heißt: »Die Frucht der Gnade einer sehr schönen, großmütigen und ehrliebenden Königin sei süßer als jede Rache, wenn sie auch noch so begründet und rechtmäßig sei.«

Unsere Königin beobachtete diese Regel heilig und getreu, um sich den Befehlen Gottes gemäß zu betragen, welchen sie jederzeit geliebt, gefürchtet und andächtig angebetet hat. Jetzt, da die Welt sie im Stich gelassen hat und sie verfolgt, hat sie ihre einzige Zuflucht zu Gott genommen und hält gewöhnlich alle Tage – und sehr andächtig – Gottesdienst, wie ich von denen gehört habe, die sie in ihren bedrängten Umständen gesehen haben; sie unterläßt nie, sich Messe lesen zu lassen, geht oft zum heiligen Abendmahl und liest fleißig in der heiligen Schrift, welche ihr Ruhe und Trost gewährt.

Sie ist eifrig bemüht, sich alle guten Bücher, die Religion oder auch weltliche Dinge betreffen, anzuschaffen, und hat sie einmal eines zu lesen angefangen, so läßt sie, es sei so groß und lang es wolle, nicht ab und hört nicht auf, bis sie es durchgelesen hat, worüber sie oft Essen und Schlaf versäumt. Sie selbst schreibt sowohl in Prosa als in Versen, und es läßt sich gar nicht anders erwarten, als daß ihre Aufsätze sehr schön, gelehrt und unterhaltend seien, denn sie besitzt ganz das Talent dazu, und würde man diese Schriften herausgeben, so würde die Welt sehr viel Nutzen und Vergnügen daraus schöpfen.

Sie macht oft sehr schöne Verse und Stanzen, die sie von kleinen musikalischen Kindern, die sie um sich hat, singen läßt und oft auch selbst singt; denn sie hat eine sehr schöne und angenehme Stimme, die sie mit der Laute, worin sie sehr tüchtig ist, begleitet. So vertreibt sie sich denn ihre Zeit und bringt ihre unglücklichen Tage hin, ohne jemand zu beleidigen, in einem ruhigen Leben, das sie als das beste Teil erwählt hat.

Mir hat sie die Ehre erzeigt, mir in ihrem Unglück oft zu schreiben, nachdem ich mir die Freiheit genommen hatte, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen; denn da sie Tochter und Schwester meiner Könige war, hielt ich das für meine Schuldigkeit und war froh und glücklich, wenn ich hörte, daß sie sich wohl befand. Im ersten Brief schreibt sie mir folgendes:

»Aus Ihrem Andenken an mich, das mir weniger neu als angenehm war, erkenne ich, daß Sie die Zuneigung, die Sie jederzeit gegen unser Haus bewiesen, noch selbst gegen den kleinen Rest, der aus dessen jämmerlichem Schiffbruch noch übrig ist, fortsetzen. Und wie auch unsere Lage sein mag, wir werden doch jederzeit uns geneigt fühlen, Ihnen zu dienen, denn ich schätze mich glücklich, daß das Schicksal nicht vermocht hat, meinen Namen aus dem Andenken meiner ältesten Freunde, wie Sie es sind, zu tilgen. Ich habe gehört, daß Sie, so wie ich, ebenfalls das ruhige Leben erwählt haben; glücklich, meines Erachtens, wer sich darin zu erhalten vermag, wie ich durch Gottes Gnade seit fünf Jahren von mir sagen kann, da ich mich in eine Arche des Heils geflüchtet habe, wo die Stürme jetziger Zeitläufte mir, Gott Lob! nicht schaden können. Bin ich hierbei noch einigermaßen imstande, meinen Freunden, besonders Ihnen, zu dienen, so werden Sie mich dazu jederzeit geneigt und vollkommen bereitwillig finden.«

Das war doch schön geschrieben, und hieraus wird man auch den Gemütszustand und die Entschlossenheit dieser schönen Fürstin erkennen. Dies ist eine Frucht davon, daß sie aus einem so edeln, ja dem größten Hause der Welt abstammt, woher sie von so viel braven und tapfern Königen, ihrem Vater, Großvater, Ahnen und Vorfahren diesen großen Mut geerbt hat. Wie hart ist es, daß sie, als das einzige Überbleibsel aus einem so großen Schiffbruch, wie sie sich nennt, dennoch von ihrem Volk nicht so anerkannt und verehrt wird, wie es ihr gebührte; daher glaube ich denn auch, daß die französische Nation durch ihre jetzigen Trübsale und Bedrängnisse, die sie in diesem Krieg der Ligue duldet, bloß dafür so hart zu büßen hat. – – – –

Dies letztere ist gegenwärtig weggefallen, denn durch die Tapferkeit, Weisheit und vortreffliche Anlage und die Taten unseres Königs ist Frankreich gegenwärtig in einer so blühenden, ruhigen und vortrefflichen Verfassung, als es noch nie war, was in der Tat das größte Wunder ist, das man jemals gesehen hat, daß es sich nämlich aus einem so tiefen Abgrund von Elend und Verderben wieder emporzuarbeiten vermochte. Hierin zeigt sich deutlich, daß Gott unsern König liebt, welcher auch in der Tat lauter Güte und Barmherzigkeit ist.

O wie sehr irrt jener, der heutzutage auf die Liebe des Volkes traut! Wie ganz anders erwiesen sich die Römer dankbar gegen die Nachkommenschaft des Cäsar Augustus, von dem sie so viele Wohltaten und Ehre empfangen hatten! Und das französische Volk, das seinen letzten Königen seit hundert Jahren, besonders Franz I. und Heinrich II., so viel zu verdanken hat, daß ohne sie Frankreich längst von seinen Feinden, die ihm auflauerten, besonders von dem gierigen und herrschsüchtigen Kaiser Karl, gänzlich zerrüttet sein würde, dies französische Volk, sage ich, erweist sich so undankbar gegen deren Tochter Margaretha, die einzige noch übrige Prinzessin des königlich französischen Hauses, daß leicht vorauszusehen ist, daß ein göttliches Strafgericht über sie ausbrechen muß; denn Gott ist nichts so verhaßt als der Undank, besonders gegen Könige und Königinnen, welche hienieden an Gottes Statt sind und sein Amt üben.

Und du, ungerechtes Schicksal, das du hierin deutlich zeigst, daß keine Person so sehr vom Himmel geliebt und von der Natur begünstigt ist, daß sie sich auch nur einen einzigen Tag deiner versichert halten könnte, dir macht es wenig Ehre, diejenige grausam zu beleidigen, die so ganz vollkommen ist an Schönheit, Sanftmut, Tugend, Großmut und Güte.

– – – Dies alles schrieb ich zur Zeit, als die Kriege der Ligue am stärksten wüteten. Dächte ich nicht noch bei einer andern Gelegenheit auf diese große Königin zu kommen, so würde ich die ihr hier gewidmete Abhandlung noch so weit als möglich verlängern. Denn bei einem so vortrefflichen Gegenstand hat man nicht zu befürchten, durch Weitläufigkeit Langeweile zu machen.

Indessen leben Sie, beste Fürstin, leben Sie dem Geschicke zum Trotz und Verdruß! Sie werden nie anders als unsterblich sein, auf Erden wie im Himmel, wo Ihre vortrefflichen Tugenden Sie über alle erheben werden. Hätte die öffentliche Stimme oder der allgemeine Ruf Ihr Lob und Ihre Verdienste bereits bis unter die Sterne erhoben, oder wäre mir die Gabe eines angenehmen Vortrags verliehen, so würde ich noch weiter fortfahren, denn war je auf Erden eine Person in himmlischer Gestalt, so sind Sie's!

Celle, qui nous devoit a bon Droit ordonner
Ses Loix, et ses Edits, et sur nous régner,
Qu'on verroit dessous elle un Regne de Plaisance,
Tel qu'il fut sous son frère, Astre heureux de la France!
Fortune l'en empêche. He! faut-il qu'un bon Droit
Injustement perdu par la Fortune soit!
Jamais rien de si beau Nature n'a pu faire,
Que cette grande, Prineesse unique de la France;
Et Fortune la veut totalement défaire!
Voilà comme le Mal avec le Bien balance.


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