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Dritter Akt

Säulenhalle. Die Tapete blauer Himmel, darin weiße Götterbilder. Hohe Fenster rechts. Tür links nach dem Vorzimmer. Hinten führen die Säulen in einen inneren Saal. Hinter den Säulen links der Ausgang. Mittagslicht.

 

Erste Szene

Haushofmeister, Lakaien. – Dann Bonaparte.

Haushofmeister zu den Lakaien: Die Armleuchter hierher, dorthin, vor die Fenster besonders. Man muß uns von draußen sehen können, wozu sonst die ganze Herrlichkeit. Wie es hier noch angenehm nach Tünche riecht! Die Herrschaft übrigens auch.

Draußen rührt die Wache das Spiel.

Bonaparte Uniform mit Goldstickerei, glänzende Stiefel, stürmisch von links: Meine Gäste? Madame de Beauharnais?

Haushofmeister: Madame Tallien ist da, Herr Kommandant. Mit Herrn Barras, schon seit einer Stunde. Sie haben sich Essen auftragen lassen.

Bonaparte: Madame de Beauharnais?

Haushofmeister: Noch nicht, Herr Kommandant.

Bonaparte: Von Paris.

Haushofmeister tiefe Verbeugung: Herr Kommandant von Paris.

Lakaien stehen stramm in einer Reihe.

Bonaparte: Sie sind brauchbar. Hat Herr Barras das beste Tafelsilber? Jene große Stücke tragt hinein, das wird Eindruck machen.

Haushofmeister winkt den Lakaien: Ich selbst übernehme den Dienst, Herr Kommandant von Paris. Mit den Lakaien nach hinten ab.

Bonaparte will den Haushofmeister zurückrufen, besinnt sich, läßt es. Allein geblieben: Der Farbengeruch hier macht mich ernstlich krank. Man sagt das besser nicht. Horcht; stürmt nach hinten. Josefine? du, Junot.

 

Zweite Szene

Bonaparte. Junot. – Dann Muscat. Dann Haushofmeister. Madame de Beauharnais.

Junot: General, wichtige Neuigkeiten.

Bonaparte: Ist ihr Wagen in Sicht?

Junot: Barras hat die Leibwache der Direktoren das Haus umstellen lassen. Ich weiß es von der Tallien.

Bonaparte: Sofort umzingelt eine Halbbrigade die Leibgarde.

Junot: Ist geschehen.

Bonaparte: Ach so. – Das sind freundschaftliche Mahnungen, die einer an den andern richtet. Was macht mein Freund sonst?

Junot: Herr Barras mit der Tallien?

Bonaparte: Über Italien, was sagt er!

Junot: Sie rät ihm zu. Aber er ärgert sich, weil die Wache vor Ihnen das Spiel gerührt hat.

Bonaparte: Er, der durch mich an die Spitze der Republik gelangt ist.

Junot: Und sie, eine –. Aber ich gefalle ihr.

Bonaparte: Ich werde Oberbefehlshaber in Italien werden, oder es gibt keine Republik mehr.

Junot am Fenster: Der Wagen Ihrer Dame fährt vor.

Bonaparte: Sie ist da! Stürmt nach links, fällt dem eintretenden Muscat in die Arme.

Muscat: Achtung! Meine Spitzen!

Bonaparte nimmt sofort Haltung ein: Was wollen Sie?

Muscat lacht, will Bonaparte auf die Schulter klopfen: Gratuliere, kleiner Schäker, der Streich ist Ihnen gelungen.

Bonaparte: Wer sind Sie?

Muscat: Er kennt seine Freunde nicht mehr. Er nimmt sich selbst so ernst, wie er uns genommen hat, als er unseren sogenannten Aufstand besiegte. Hu, was für ein fürchterlicher Sieger! Der wahre Schreckensmann. Robespierre, neu aufgelebt. Hat die Republik gerettet, es ist zum Wälzen.

Bonaparte sieht drohend dem Gelächter zu.

Muscat: Kein Mensch kann so lange ernst bleiben wie er.

Bonaparte: Soll ich es Sie lehren?

Muscat: Hat unserer guten Regierung so lange angst gemacht, bis sie ihn zum König von Paris ernannte. Und welch ein Stratege! Nicht einmal die Fenster, Herr, hatten Sie besetzt, aus denen geschossen ward. Ah! den Parisern werden Sie es nicht sobald abgewöhnen, zu lachen.

Junot: Sie wollen sagen, daß Sie den General lächerlich finden?

Muscat: Ich bin immer der Meinung von Paris.

Junot: Sie werden mir Genugtuung geben.

Muscat: Ihnen?

Junot zieht an einer Säule den Glockenzug.

Haushofmeister von hinten.

Madame de Beauharnais von links hinten.

Junot auf den Haushofmeister: Das ist Ihr Zeuge. Auf Bonaparte: Das ist meiner.

Haushofmeister drückt Muscat einen Degen in die Hand.

Muscat: Ich bin in einer Mördergrube.

Junot: Los.

Muscat verwundet: Das ist nicht mehr zum Lachen.

Bonaparte: Sehen Sie? Nun verbindet ihn! Es war nicht schlimm gemeint. Es hatte den Zweck, Herr Muscat, Sie in der gehörigen Art mit mir zu befreunden.

Muscat: Zu gütig.

Bonaparte: Ich brauche Freunde, vor allem in der Presse, – wo Sie bekannt sind. Sorgen Sie doch dafür, daß Hoche nicht mehr erwähnt wird, und besonders nicht Massena. Mich kennen Sie nun, und das nächstemal sollen Sie sehen, daß ich Sie schätze. Auf Wiedersehen.

Junot, Haushofmeister führen Muscat links ab.

 

Dritte Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais. – Dann Madame Tallien.

Madame de Beauharnais: Immer trifft man Sie bei heroischen Handlungen.

Bonaparte auf Madame de Beauharnais zu: Lacht Paris?

Madame de Beauharnais: Es kennt Sie noch nicht.

Bonaparte: Sehe ich aus wie ein Jakobiner?

Madame de Beauharnais: Schließlich haben Sie die Republik gerettet.

Bonaparte: Ich bin zu weit gegangen. Die anständigen Leute werden mir mißtrauen.

Madame de Beauharnais: Herr de Bourrienne sitzt nun einmal im Gefängnis.

Bonaparte öffnet einen Brief: Er hat mir geschrieben, was will er? Ah! das ist gut zu wissen. Sie werden mich ernst nehmen müssen.

Madame de Beauharnais: Wen werden Sie wieder zur Ader lassen?

Bonaparte: Gehen wir jetzt essen, Herr Barras wartet.

Madame de Beauharnais: Ich esse selten.

Bonaparte: Wenig essen schadet nie.

Madame de Beauharnais: Sie sprechen leidenschaftlich.

Bonaparte: Sie wollen noch spotten? Ich habe Sie begehrt den ganzen Tag. Wo waren Sie?

Madame de Beauharnais: Meine Freundin Tallien wollte mich ablenken von Ihrem Verkehr, der mich angreift.

Bonaparte: Mit welchen Männern hat Ihre Tallien Sie wieder zusammengeführt?

Madame de Beauharnais: Sagen Sie nur nichts gegen meine Freundin!

Bonaparte: Sie muß fort aus Ihrer Nähe.

Madame de Beauharnais: Wen habe ich dann noch?

Bonaparte: Sie können fragen? Sie reizen mich immer nur. Erhören Sie mich endlich!

Madame de Beauharnais: Vergessen Sie denn, daß Sie zu einer anständigen Frau sprechen?

Bonaparte: Sie stören mich. Ich habe für das Wichtigste den Kopf nicht mehr.

Madame de Beauharnais: Naiver Bauer! Wenn Sie ihn zurück haben wollen, gibt es ein Mittel.

Bonaparte: Und ich hatte bis jetzt eine Frau, die nur für mich lebte.

Madame Tallien von hinten: Ist er zu verliebt? Braucht mich meine kleine Josefine?

Bonaparte: Meine Frau wird Sie, Madame Tallien, nicht mehr brauchen.

Madame Tallien: Ihre Frau?

Madame de Beauharnais: Seine Frau!

Bonaparte: Denn meine Frau wird von mir eine streng ehrbare Umgebung bekommen.

Madame de Beauharnais: Ich habe ihm nichts gesagt.

Madame Tallien: Unartiger Bube! Denken Sie nicht mehr an die Hose, die ich Ihnen gekauft habe?

Bonaparte: Sie ist bezahlt. Ich hätte Sie, Madame Tallien, verantwortlich machen können für die Diebstähle Ihres Gatten. Für Sie hat er gestohlen.

Madame Tallien Lorgnon: Der Kleine möchte furchtbar sein.

Bonaparte: Habe ich es nicht gezeigt?

Madame Tallien: So sehr, daß man noch lacht.

Bonaparte: Wer lacht, kommt an die Mauer!

Madame Tallien: Die schönen Frauen? Sie arbeiten doch nur für uns, General Bonaparte, wenn Sie die Gleichheit beseitigen. Von Ihnen wird drei Monate lang die Rede sein. Nach hinten ab.

Bonaparte zittert vor Wut.

Madame de Beauharnais: Mein Geliebter! Sie haben mich von meinem bösen Geist befreit. Verzeihen Sie auch mir, ich war nicht bescheiden genug.

Bonaparte schnuppert: Es war nur dieser widerwärtige – Besinnt sich: Es waren schwerste Entscheidungen, was mich erregte. Sagen Sie mir, Josefine, beten Sie?

Madame de Beauharnais: Ob ich –. Ja gewiß. Sie zweifeln doch nicht, ich bete.

Bonaparte: Eine Frau, die nicht glaubt, könnte ich nicht heiraten. Über Menschen ohne Religion wird niemand der Herr.

Madame de Beauharnais: Sie tun etwas, das niemand voraussieht. Diese Heirat wird die Welt Ihnen vielleicht nachtragen.

Bonaparte: Ich tue, was ich will.

Madame de Beauharnais: Sie sind ein Mann.

Bonaparte küßt sie zart: Sie sind der Inbegriff der Frau, so sanft, so rein.

Madame de Beauharnais: Wie viel Edelmut in Ihnen! Meinem Sohn gaben Sie den Degen seines Vaters zurück.

Bonaparte: Zu denken, wenn Sie mir den Jungen nicht geschickt hätten, ich war so beschäftigt, wir würden uns vergessen haben.

Madame de Beauharnais: Erst heute weiß ich, daß mein Herz gesprochen hat.

Bonaparte: Es ist eine Tatsache, daß ich glücklich bin. Ich glaube an Ihre Tugend. Haben Sie etwa Schulden?

Madame de Beauharnais: Was denken Sie von mir?

Bonaparte: Das Leben ist schwer.

Madame de Beauharnais: Ich habe es ertragen gelernt.

Bonaparte: Meine Liebe führt dich in den Glanz.

Madame de Beauharnais: Für Sie, den Kriegsmann, ist Liebe doch nur ein Zeitvertreib. Ich aber wartete immer auf dich, einzig Geliebter.

Umarmung. – Geräusch hinter der Tür links.

Bonaparte tritt zurück.

Madame de Beauharnais flieht nach vorn.

 

Vierte Szene

Die Vorigen. – Tallien. Dann Junot.

Tallien von links, ohne Bonaparte zu sehen: Göttliche Beauharnais! Da sind wir. Bist du die Herrin des Schlachtfeldes? Laß dich dafür küssen! Küßt sie.

Madame de Beauharnais: Vorsicht!

Bonaparte: Was fällt Ihnen ein!

Madame de Beauharnais: Seine Manieren waren immer schlecht.

Bonaparte: Gegen Sie?

Madame de Beauharnais: Ihr Argwohn kränkt mich tief. Wendet sich ab.

Tallien: Bonaparte, Sie haben ernstere Rechte, ich trete zurück.

Bonaparte: Er wäre unterrichtet? Erklären Sie mir dies alles, Madame de Beauharnais.

Madame de Beauharnais: Sie selbst würden mich verachten, stände ich Ihnen jetzt noch Rede.

Tallien: Ich begrüße Ihre Heirat, Bürger Bonaparte, mit einer Dame, die wir alle kennen. Sie bietet uns für Ihre republikanische Gesinnung Bürgschaften, die wir noch nicht hatten.

Bonaparte: Sie werden sie ungeahnt bekommen.

Tallien drohend: Ich sage, was ich weiß. Sie waren der beste Freund im Hause des Verräters Bourrienne.

Bonaparte: Ich tat meine Pflicht und verhaftete ihn.

Tallien: Aber Thureau? Der ehrliche Thureau fiel durch Sie.

Bonaparte: Euch war er unbequem – mein Freund, mein wahrer Freund, den ich nie vergessen werde.

Tallien: Ich wußte bis jetzt nicht, wie sehr ich ihn liebte. Die Republik ist um sein Leben betrogen worden, wir haben sie zu rächen. General Bonaparte, Sie werden der Vollstrecker der Revolution sein.

Bonaparte: Und Sie ihr Geist?

Tallien: Ich fordere die Wiedereinsetzung des Revolutionstribunals. Keine Gnade den ertappten Verrätern. Boissy, Sieyès, in schwarz verhangenem Saal, beim Fackelschein, sollen sie abgeurteilt werden.

Bonaparte: Herr Tallien! Im Namen der Freiheit kann man ihre Feinde sterben lassen. Hält den Brief hin. Aber man erpreßt nicht Lösegeld von ihnen.

Tallien behält die Fassung: Das ist ein Ränkespiel ohnegleichen. Aber damit stürzt ihr noch keinen Tallien.

Bonaparte: Wir werden es sogleich sehen.

Tallien: General Bonaparte, Sie waren uns schon verdächtig, wir haben unsere Vorsichtsmaßregeln getroffen. Schnell zur Tür links.

Junot stellt sich Tallien entgegen.

Bonaparte: Und ich die meinen.

Tallien: Was heißt das? Gibst du den Weg frei?

Junot: Sie sind verhaftet, Herr Tallien.

Tallien: Von dir, kleiner Bonaparte? Ich bin mit Robespierre fertig geworden, ein General macht mir nicht bange.

Bonaparte: Warten Sie es in jenem Zimmer ab!

Tallien Wutausbruch: Ich bin ein Erzvater der Revolution. An mich rührt niemand. Noch aus meinem Kerker zerschmettere ich dich.

Bonaparte zu Junot: Zwei Grenadiere sollen bei dem Verhafteten bleiben und ihn daran hindern, daß er Zeichen aus dem Fenster gibt.

Tallien beruhigt: Sie verstehen Ihr Geschäft.

Bonaparte: Ich kann Ihnen das gleiche nicht zugeben.

Tallien: Haben Sie es sich jemals gewünscht, ein reiner Mensch zu sein? Die Freiheit wäre so schön, aber wer in die Küche hineinriecht, wo sie gemacht wird, – schlägt sich auf die Brust – der ist verloren. An Junot vorbei. – Kehrt in der Tür um. Was nicht hindert, daß ich Hunger habe. Schließlich hatten Sie mich eingeladen.

Bonaparte: Drinnen finden Sie ein gutes Essen. Ich hoffe sogar, Ihnen eine Frau nachschicken zu können.

Tallien: Welche?

Bonaparte: Ihre.

Tallien: Armer junger Mann! Lachend ab.

Junot hinter Tallien ab.

 

Fünfte Szene

Die Vorigen. – Dann Barras. Madame Tallien. Dann Junot.

Bonaparte: Was hieß das?

Madame de Beauharnais: Es hieß, daß Sie die Frauen nicht kennen. Eben darum zweifelten Sie vorhin an mir.

Bonaparte: Ich soll Ihnen glauben, gegen den Augenschein?

Madame de Beauharnais: Wenn der Augenschein Tallien heißt?

Bonaparte: Ein Prahlhans, den ich verachte. Ich bin zu stolz, Josefine, um Ihnen zu mißtrauen. Über ihrer Hand: Verzeihen Sie mir!

Madame de Beauharnais: Sehen Sie.

Bonaparte: Ich bin erst am Anfang meines heutigen Tagewerkes. Die anständigen Leute sollen zufrieden sein. Nach hinten, ruft der Wache zu: Laßt jeden herein, hinaus niemand!

Barras von hinten, leicht angetrunken: Bonaparte, ich gehe. Sie lassen mich zu lange warten. Glauben Sie, eine Lebedame ist immer unterhaltend?

Madame Tallien Blickt auf Madame de Beauharnais: Für den General Bonaparte, bis jetzt noch immer.

Barras: Die Tallien, die Beauharnais, immer dasselbe.

Bonaparte: Die Beauharnais?

Barras greift vergebens nach Madame de Beauharnais: Guten Tag, mein Liebchen.

Madame de Beauharnais flieht: Feigling! Sie sind verschworen mit der Tallien.

Bonaparte: Auch der?

Madame de Beauharnais: General, verteidigen Sie mich!

Bonaparte unterdrückte Wut: Eine Dame, Herr Barras, bittet Sie um Genugtuung für Ihren Scherz. Blick auf Madame de Beauharnais: Denn es war nur ein Scherz.

Barras: Ihre Dame, Bonaparte? Gern gewährt. Nehmen Sie mir auch die Tallien ab? Fängt Madame de Beauharnais, führt sie und Madame Tallien vor Bonaparte hin: Zwei vollkommene Gottheiten. Sehr teuer; – aber ich würde mich Ihnen erkenntlich zeigen.

Bonaparte: Es sind um zwei zuviel.

Madame de Beauharnais: Ich sterbe an der Schande.

Bonaparte nahe an Madame de Beauharnais: Es ist der Schande noch zu wenig.

Madame de Beauharnais flieht nach hinten. Kehrt zurück, um zu horchen.

Madame Tallien: Was bieten Sie ihm, Herr Barras?

Bonaparte: Geben Sie mir den Oberbefehl in Italien!

Barras ernüchtert: Scherzen wir noch?

Bonaparte: Niemand sorgt ernster als ich für die Regierung. Ich weiß an jedem Morgen, wo jeder Jakobiner geschlafen hat.

Barras: Das ist wertvoll.

Bonaparte: Ich weiß sogar, wo der zum Schreckensmann gewordene Tallien steckt.

Barras: Seine Freunde darf man nicht vernachlässigen.

Bonaparte: Ich will den Oberbefehl in Italien meinen Verdiensten verdanken und der Einsicht der Regierung. Sonst wäre es mir ein Leichtes, mich an die Jakobiner zu halten.

Barras: Sie wollen mir drohen?

Bonaparte: Die Jakobiner verlangen die Einkommensteuer. Sie sind die Feinde der anständigen Leute, die sich bereichern: Ihre Feinde, Herr Barras.

Gepolter hinter der Tür links.

Die Stimme Talliens: Holla! Mehr Wein! Wo bleiben die Damen? Bonaparte, ich verstehe Scherz, aber nicht zu lange.

Barras: Tallien!

Die Stimme Talliens: Barras? Gehst du noch frei umher? Man weiß das nie, bei unserem Gastgeber.

Madame Tallien zu Madame de Beauharnais: Hat er dich auch mit Tallien erwischt?

Bonaparte: Herr Tallien hat an dem Gefangenen Bourrienne einen Erpressungsversuch gemacht.

Die Stimme Talliens entfernter: Verdammt!

Barras: In Ihnen, General, sehe ich den ehrlichen Thureau wieder aufstehen. Mir hat er niemals etwas nachgewiesen.

Bonaparte: Meine Absichten sind zugleich die redlichsten und die ergiebigsten. Ich fuße darauf, daß Italien ein unausgebeutetes Bergwerk ist. Von seinen Kirchenschätzen und Kunstsammlungen können alle Heere der Republik leben. Geben Sie mir den Oberbefehl, ich verlange kein Geld, ich bringe Ihnen welches ein.

Madame Tallien zu Madame de Beauharnais: Er ist stärker, als ich glaubte.

Madame de Beauharnais: Mich liebt er.

Madame Tallien: So stark ist er noch nicht, daß er es wagen kann, dich zu heiraten.

Barras: Sie schlagen mir ein Geschäft vor.

Bonaparte: Ich hasse die diebischen Lieferanten.

Barras: Wenn schon gestohlen werden muß, warum sollen es die Lieferanten allein sein? Wollen Sie sich vielleicht an unserem Collot rächen? Wegen der Damen?

Madame Tallien zu Barras: Lachen Sie nicht! Er ist gefährlich.

Bonaparte bei Madame de Beauharnais: Ich werde siegen. Sie werden viel zu bereuen haben.

Madame de Beauharnais sanft: Ich bin das Unglück gewohnt. Sehen Sie, was ich für Sie tue. Herr Barras, ich bitte für meinen künftigen Gatten. Lassen Sie ihn siegen – oder auch mich mit ihm untergehen.

Bonaparte: Ich darf nicht rot werden.

Barras lacht: Ich habe dir nichts abzuschlagen, schöne Beauharnais. Er will dich heiraten? Für dich, eine solche Leidenschaft? Dann wäre er eine überwundene Gefahr.

Madame Tallien: Hüten Sie sich vor der Falle! Er denkt nicht an die Heirat.

Madame de Beauharnais: Verräterin!

Barras: Politische Generale bringen Unglück. Noch lacht Paris über Ihre Siege. Wollen Sie ernst genommen werden, General Bonaparte, dann zwingen Sie mich!

Madame Tallien: Ihren Arm, kleiner Bonaparte. Oder nehme ich den Arm Ihres hübschen Junot?

Bonaparte: Ich schwöre Ihnen, nicht Sie werden zuletzt lachen.

Junot von links, flüstert Bonaparte ins Ohr.

Bonaparte: Ein dringlicher Besuch.

Madame Tallien: Wir werden nicht stören. Zu Madame de Beauharnais: Eine Rivalin. Nach hinten ab.

Barras nach hinten ab.

Madame de Beauharnais zögert abzugehen.

Bonaparte: Ob ich dich zwingen werde, Schurke! Ich konnte haben, was ich wollte, wenn ich mit ihm stahl, wenn ich seine Dirne nahm. Erblickt Madame de Beauharnais. Ich nehme sie. Nicht fortlaufen! Der Anblick der Unschuld sei Ihre Strafe.

Madame de Beauharnais erblickt Madame de Bourrienne, kehrt zurück.

 

Sechste Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais. Madame de Bourrienne. Dann Junot.

Madame de Bourrienne von hinten links; verfallen, die Haare weiß geworden, naht langsam, sieht sich um nach Madame de Beauharnais.

Bonaparte: Ich höre Sie – nur Sie, Emilie. Kommen Sie, damit ich zu Ihnen zurückkehre? Ich denke daran, ich sage es Ihnen vor jener Dame.

Madame de Beauharnais höhnisch: Sie pudern sich wieder das Haar, Madame?

Madame de Bourrienne demütig: Herr Kommandant, ich bitte für Herrn de Bourrienne, der im Kerker schmachtet.

Bonaparte: Noch immer?

Madame de Bourrienne: Er ward umhergeschleppt von bewaffnetem Pöbel und dann hinabgestoßen zu den Verbrechern. Er ist verwundet und krank.

Bonaparte: Ich kann Ihren Mann nicht freilassen. Ich bemitleide Sie, möge die Religion Sie trösten. Die Staatsvernunft ist gegen Ihren Mann.

Madame de Bourrienne: Er war Ihr Freund.

Bonaparte betroffen: Ich darf nicht hinhören, wenn meine Erinnerungen sprechen.

Madame de Bourrienne: Ihnen entfällt viel, Sie gehen so schnell.

Bonaparte: Noch stütze ich mich auf seine Feinde. Sie verstehen meine Lage, Sie haben mich immer verstanden.

Madame de Bourrienne schwankt: Mich verläßt die Kraft.

Madame de Beauharnais: Komödiantin, ihr glaubt er.

Bonaparte setzt sie in einen Sessel: Ihre weißen Haare! Und ich tat nur meine Pflicht.

Madame de Bourrienne: Denn Ihre Pflicht ist es, Erfolg zu haben.

Bonaparte: Ihr härtestes Wort, Emilie.

Madame de Bourrienne: Ich durfte es nicht sprechen, ich hatte Ihnen im voraus verziehen. Ich darf nur bitten. Gleitet auf die Knie.

Madame de Beauharnais drückt aufweinend das Gesicht an die Lehne ihres Sessels.

Bonaparte hebt Madame de Bourrienne auf: Ich wage alles. Madame de Bourrienne, Ihr Gatte verläßt noch heute das Gefängnis. Schreibt ein Billett.

Madame de Beauharnais: Um Gottes willen! Sie richten sich zugrunde.

Bonaparte: Es wird mir Glück bringen. Gibt das Billett an Madame de Bourrienne. Ich war Ihr Schuldner. Habe ich bezahlt?

Madame de Bourrienne: Bezahlt? Was würde Madame de Beauharnais darauf antworten?

Bonaparte: Sie sagt ja.

Madame de Bourrienne: Ja. Hinten links ab.

Junot geleitet Madame de Bourrienne.

 

Siebente Szene

Bonaparte. Madame de Beauharnais.

Madame de Beauharnais: Ich sage nein. Sie können nicht bezahlen, weder die noch mich. In uns beiden demütigen Sie unser Geschlecht, Barbar!

Bonaparte: Sie haben mich betrogen!

Madame de Beauharnais: Diesmal verzeihe ich nicht wieder so leicht. Sie beschuldigen mich wahrer Greuel; alle Männer Ihrer Bekanntschaft sagen Sie mir nach; und dann zwingen Sie mich, Ihrem Stelldichein beizuwohnen mit Ihrer alten Geliebten.

Bonaparte: Die mehr wert ist als Sie.

Madame de Beauharnais: Sie haben sie genauso ungerecht gequält wie mich. Ich hasse Sie, ich will fort. Nach links.

Die Stimme der Wache: Niemand passiert.

Madame de Beauharnais: Ihre Gefangene, das bin ich lieber als Ihre Geliebte.

Bonaparte: Wer ist hier gefangen? Ihre Sanftmut hat mich entwaffnet. Ihr Zorn zwingt mich zur Übergabe. Faßt sie an.

Madame de Beauharnais: Lassen Sie mich! Nach hinten ab.

 

Achte Szene

Bonaparte. – Collot. Dann Barras.

Collot von links hinten.

Bonaparte: Der kommt zurecht. Ich erwarte Sie hier, Herr Collot, um Ihnen zu sagen, daß Barras ein Schurke ist.

Collot: Welche Neuigkeit!

Bonaparte: Er betrügt Sie.

Collot: Das würde mich doch wundern.

Bonaparte: Er gibt mir den Oberbefehl in Italien, damit ich das besetzte Land brandschatze. Er denkt mit mir zu verdienen, mehr als mit Ihnen.

Collot: Schwarzer Undank, das glückt dir nicht. Ich kann Barras unmöglich machen.

Bonaparte: Wer wird heute unmöglich. Wer schlechte Geschäfte macht, – und Barras macht gute.

Collot: Sie wissen nichts. Er ist an den skandalösen Schuhlieferungen beteiligt. Unsere Armeen gehen im Wasser.

Bonaparte: Aber sie gehen doch.

Collot: Schlachten können verlorengehen mit solchen Schuhen. Das ist mehr als eine Bestechungssache. Das ist Landesverrat.

Bonaparte: Wenn Sie es sagen. Aber den Beweis!

Collot hält ein Papier hin: Hier. Die einzige Unterschrift, die ich von ihm habe. Er ist vorsichtig; erst die runde Million hat ihn verwegen gemacht.

Bonaparte steckt das Papier ein: Gut.

Collot: Was haben Sie vor?

Bonaparte besieht Collot ringsum: Daß ich euch in Händen halte, euch Gauner, endlich mir ausgeliefert.

Collot: Es fragt sich, ob Sie Ihren Vorteil dabei finden. Die Schuhe würden auch für Sie noch eine Million abwerfen.

Bonaparte: Das Land erst von euch gesäubert, und eine ganze Menschheit atmet auf.

Collot: Worte! Wer hat einen hungrigen armen Teufel in diesen Saal gestellt? Das Geld.

Bonaparte: Das Geld! Es hindert den Geist solange am Heraufkommen, bis es ihn endlich ausnutzt.

Collot: General des Geldes!

Bonaparte: Ich habe mich selbst geschaffen und verdanke euch nichts.

Collot: Ich trage Ihnen nichts nach. Wir sprechen uns wieder. Nach hinten.

Barras von hinten: Collot, endlich. Unser Geschäft, wir gehen. Nach links.

Die Stimme der Wache: Niemand passiert.

Barras: Ist man hier verrückt geworden? Ein Mitglied des Direktoriums der Republik!

Bonaparte: Herr Collot erklärt Ihnen den Vorgang.

Collot: Komm zurück! Im Augenblick ist er der Stärkere. Nach hinten ab.

Barras mit Collot nach hinten ab.

 

Neunte Szene

Bonaparte. Talma.

Talma von links hinten: Der erste jugendliche Held des Nationaltheaters erweist Ihnen die Ehre, Herr Kommandant von Paris.

Bonaparte: Es ist wahr, wir sind etwas geworden inzwischen.

Talma: Ich habe sie hineingelegt.

Bonaparte: Ich etwa nicht?

Talma: Kaum war ich engagiert, habe ich den Inhaber des Cäsar einem eifersüchtigen Gatten ausgeliefert. Er ist so sehr verprügelt worden, daß er zu Bett liegt. Ich habe die Rolle.

Bonaparte: Höre, das ist eine ziemlich schmutzige Geschichte.

Talma: Die deine kann ich mir denken.

Bonaparte: Der Weg zur Macht ist besudelt, die Schuhe bleiben nicht sauber. Aber gehen wir Guten ihn nicht, die Schlechten rutschen sogar auf den Knien hin.

Talma: Ich bin im Recht, denn ich fühle mich allem überlegen, was seit Jahrhunderten da war.

Bonaparte: Und ich liebe dies Land wahrhaft. Nur Despotismus aus Liebe wäre erlaubt.

Talma: Er ist erlaubt.

Bonaparte: Aber ich bin nicht glücklich. Eine Frau betrügt mich.

Talma: Mich betrügt die Tallien – mit Barras.

Bonaparte: Immer ist es ein Barras, – zwei Barras – drei Barras.

Talma: Sie kam zu jeder Probe nur meinetwegen. In meiner Garderobe schwur sie mir, ich sei ihre erste echte Leidenschaft.

Bonaparte: Ich werde jung sterben und keinen Sohn haben. Nur Dirnen liebe ich.

Talma: Wir sind mehr wert als unsere Triebe.

Bonaparte: Wir sind mehr wert als unsere Taten.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Barras. Collot. Dann Madame Tallien, Madame de Beauharnais. Dann Junot. Dann Tallien. Dann Haushofmeister. Lakaien.

Barras von hinten: Aus Freundschaft, lieber Kommandant, und um der Republik neue innere Erschütterungen zu ersparen: – genug, Sie tun es nicht anders, also zum Teufel mit Ihnen nach Italien.

Bonaparte: Ihr Auftrag, Herr Barras, ist so ehrenvoll, daß er mich nicht überrascht.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais von hinten: Talma!

Talma zu ihnen: Wo ist die dritte Göttin? Eine Dritte würde mir armen Hirten vielleicht den Verstand zurückgeben, den ihrer zwei mir rauben.

Barras zu Bonaparte: Wie bedankt man sich?

Collot: Herr Barras meint: durch volles Vertrauen.

Bonaparte: Sie möchten die Unterschrift zurück haben, Herr Barras, die Sie und Herrn Collot des Diebstahls und des Verrates überführt. Ich behalte sie.

Barras will sich an Bonaparte vergreifen: Halunke!

Bonaparte weicht beiseite.

Junot von hinten links, an den Platz Bonapartes.

Barras sieht sich Junot gegenüber, streckt ihm die Hand hin: Sie haben Ihre Pflicht getan, Herr – Oberst. Streckt sie Bonaparte hin. So beginnen die dauerhaften Freundschaften.

Bonaparte: Es gibt Freunde, die der Freund mit harter Hand führen muß.

Barras: Sie wollen uns kurz halten?

Collot: Junger Mann! Das Geld für Ihre Siege zu beschaffen, wird mehr Genie kosten, als wenn Sie siegen.

Madame Tallien: Josefine! Du kokettierst mit Talma. Du wirst mich kennenlernen.

Talma: Ihre Leidenschaft, Theresia, verbrennt die schöne Beauharnais, und den, der Ihr Sklave ist.

Barras: Wir werden uns doch noch verständigen. Unser Freund Tallien verkennt das Gebot des Tages und verschwört sich gegen die Besitzenden. Geben Sie mir zurück, was Sie haben; ich opfere Ihnen Tallien.

Bonaparte: Ich will kein Opfer. Ich will Herrn Tallien geradeso in der Hand halten wie Sie. Junot, öffne dem Bürger Tallien.

Junot öffnet die Tür links vorn.

Erwartung.

Barras: Es eilt ihm nicht, von Ihnen befreit zu werden.

Collot: Ist hier ein Verbrechen geschehen?

Madame Tallien: Bei Gott, ich habe es ihm nicht gewünscht.

Tallien hervor: Ich habe geschlafen, wie ich sehe. Das Fest ist auf seiner Höhe. Der Hausherr hat wohl auch euch mit Überraschungen bedacht?

Barras: Wir sind im reinen, bis auf eine Kleinigkeit. Wir haben von Ihnen ein Faustpfand, Bonaparte: Ihren Freund Bourrienne.

Bonaparte: Er ist in Freiheit und, ich hoffe, schon weit.

Barras: Sehr bösartig.

Bonaparte: Wer hat das Glück, daß er den größten Vorteil nicht aus seinen schlechten, sondern aus seinen guten Handlungen zieht?

Talma huldigende Geste: Ein großer Mann.

Madame Tallien bei Talma: Das sprechen Sie für sich, Talma.

Madame de Beauharnais bei Bonaparte: Sie sind es nun, der mich besiegt.

Bonaparte knirscht: Du hast mit Talma geliebäugelt. Ach, was kann ich machen, ich liebe dich.

Barras zu Tallien: Du glaubst, ich werde das Glück der jungen Leute aus meiner Tasche bestreiten? Laut: Ein Gedanke! Unser Krieg in Italien verlangt mehr Kredit, als selbst du hast, Collot. Nimm dir die Tallien, und man glaubt dir alles.

Tallien: Collot, ich habe die Pflicht, dich zu warnen.

Collot: Ich bin nicht reich genug.

Barras: Schon heute abend bist du es für alle, sehen sie nur die Tallien in der Oper an deinem Arm. Ich vertraue sie dir an; aber du mußt einen Vertrag aufsetzen.

Collot schreibt.

Madame Tallien zu Bonaparte: Ich vertraue auf Ihr Glück, General. Machen Sie das meine!

Bonaparte: Ich – und die Tallien!

Barras zu Bonaparte mit einem Papier: Dies geht an Sie über.

Bonaparte zu Madame de Behauharnais: Schulden haben Sie auch! Sie lügen. Oh! Sie lügen mit so verheißungsvollen Augen. Italien! Vor meiner Seele werde ich, Geliebte, dein Bild tragen, und von den Alpen herab mit der Gewalt des Nordwindes fahre ich in das Land, es der Freiheit und seiner alten Größe zu öffnen!

Barras: Mehr als heute erreicht, können Sie sobald nicht wollen.

Bonaparte: Wer weiß! Steht ganz vorn und hinausgewendet, zuerst gebückt. Seine Miene, zuerst unheilvoll burlesk, spielt, indes er sich aufrichtet, gradweise bis ins Tragische. – Rührt den Glockenzug.

Haushofmeister, Lakaien stellen sich hinten auf zu beiden Seiten der geöffneten Flügeltür.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais, Junot, Talma in loser Reihe links.

Barras, Tallien, Collot rechts.

Bonaparte: Talma, komm! Die sind schon satt. Wir haben Hunger. Stürmisch durch die beiden Reihen nach hinten ab.

Vorhang.


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