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Zweiter Akt

Sitzungszimmer des Vierzigerausschusses des Konvents. Links ein übermäßig großer und breiter Tisch mit grüner Decke bis zum Boden und einer Glocke vor dem Stuhl des Vorsitzenden. Eine kleine Tür links beim Tisch, eine größere hinten rechts. Eine Glastür rechts auf den Garten der Tuilerien hinaus. Vorn rechts die Mündung einer Galerie, und davor eine Schranke, die im Bogen von der Glastür bis vor die Rampe führt. Die Wände kahl, nur Leuchter zwischen allen Türen. Die Lichter brennen hell, im Garten Laternenschein. Eine Uhr an der rückwärtigen Wand rückt von eins auf zwei.

 

Erste Szene

Auf Sesseln um den Tisch drei Gruppen: an der Breitseite gegen die Wand, in der Mitte der Vorsitzende Boissy-d'Anglas (bleich und schwarz mit hohlen Augen), zu seiner Rechten Bourrienne, zu seiner Linken Sieyès (alter Gelehrter). Ihnen gegenüber, von vorn nach hinten, Thureau, Dubois-Crancé (Militär) und Rühl (bärtiger Greis). Die dritte Gruppe nimmt die beiden Schmalseiten des Tisches ein, drüben Collot, vorn, von links nach rechts Tallien (schöner Mann, gelockt, auch die kurzen Bartkotelettes, fleischig, blutreich und stimmkräftig), und Barras (stattlich, vornehm, in Generalsuniform; hartes Gesicht, finsteres Lächeln, zuweilen gemeine, freche Töne, nicht in Übereinstimmung mit seiner Erscheinung).

Boissy klingelt: Der General Menou ist vor den aufständischen Sektionen zurückgewichen. Die Menge stürmt den Konvent, sogleich hat der regierende Ausschuß das Volk bei sich zu erwarten. Anstatt vierzig Mitglieder sind wir in dieser Gefahr nur neun. Wir gehen zur Tagesordnung über.

Bourrienne: Boissy ist groß.

Thureau: Er sagt nicht, daß es seine eigenen royalistischen Sektionen sind, die den Aufstand machen.

Bourrienne zu Boissy, zu Sieyès: Betrügen wir Sie! Laut: Beweist uns, daß wir schlechtere Republikaner sind als ihr!

Thureau: Ich verlange die Wahl eines Generals des Konvents.

Sieyès: Die Regierung ist von niemand ernstlich bedroht.

Dubois: Sieyès, so spricht ein Verräter.

Barras: Keine Übertreibungen! Das Volk ist nicht der Feind des Konvents.

Dubois zu Boissy, zu Bourrienne: Ihr seid es!

Bourrienne zu Tallien, zu Barras: Tallien, Barras, das sprechen eure Mörder.

Tallien zu Barras: Welche von beiden sind gefährlicher?

Barras Blick auf Thureau, Dubois, Rühl: Die Ehrlicheren.

Sieyès: Beraten wir das Gesetz über die Kinderzahl!

Bourrienne: Auch Sieyès ist groß.

Rühl: Wohl wahr, das Land ist entvölkert.

Sieyès: Rühl, wer hat es entvölkert?

Boissy vergißt sich, zu Rühl, Dubois, Thureau: Ihr!

Dubois: Wir haben euch guillotiniert; aber ihr uns weniger? Boissy? Sieyès?

Thureau: Und du, Bourrienne?

Bourrienne: Ich liebe euch, ich beteuere es.

Tallien unvermittelte Wut: Ich nicht. Ich bin Tallien. Auf diesen Tisch hier warf ich euren Robespierre, die Kinnlade zerschossen, verkrümmt wie ein Wurm.

Dubois: Auf Befehl deiner Frau.

Rühl: Wer wird heute so daliegen?

Tallien: So sterbe jeder Tyrann!

Barras: Ich würde verzeihen, wenn ich nicht Brutus wäre.

Thureau: Barras, das haben wir alle zu oft gesagt.

Collot: Warum es noch immer Menschen gibt, die nicht zufrieden sein wollen. Weder ein König noch die Guillotine hindern uns mehr, gute Geschäfte zu machen.

Tallien: Ich bin zufrieden. In dieser Zeit kann man sich endlich wälzen wie in einem Hurenbett.

Barras zu Thureau: Ich wollte, Thureau, es wäre anders.

Thureau: Dann sei mit uns!

Barras: Ich habe Schulden.

Thureau: Das Laster, armer Barras, bringt dich so sicher um, wie uns die Tugend.

Collot: Zur Tagesordnung! ... Zu spät.

 

Zweite Szene

Die Vorigen. – Junot. Frauen. Madame Thureau. Dann Bonaparte. – Dann Madame Tallien. Madame de Beauharnais. Muscat. Ein kleiner Neger. – Dann Männer.

Junot von hinten: Die Weiber kommen!

Barras: Ich lasse dich erschießen. Wo ist die Wache?

Junot: Sie gehorcht nicht.

Thureau: Wir erwarten das Volk. Unsere Tür steht ihm offen.

Barras schüttelt Thureau die Hand: Bürger Thureau, du bist ein Römer. Zu Boissy, zu Bourrienne: Heute fangen wir ihn.

Bourrienne: Sie lassen sich fangen.

Frauen reißen Junot fort, dringen ein: So sollen wir Hungers sterben mit unseren Kindern? Es gibt zu viele Menschen, wir sollen sterben.

Andere Frauen: Es ist eine Verschwörung gegen das Volk.

Dubois gegen Collot, gegen Tallien: Wucherer!

Boissy gegen Dubois, Thureau, Rühl: Es sind die Jakobiner! Sie wollen die Schreckensherrschaft wiederaufrichten.

Madame Thureau unter den Frauen, weist auf Boissy: Siehst du das bleiche Gesicht dort? Auf Bourrienne: Und jene Verrätermiene?

Lärm.

Thureau: Bürgerinnen! Hört mich an!

Langsame Beruhigung.

Bonaparte, Junot erscheinen hinter der Schranke, sprechen eilig.

Bonaparte: Sieh sie dir an. Sie kriechen vor dem Pöbel, der sie verhöhnt.

Junot: Eine einzige Kanone, und wir haben sie.

Bonaparte: Die Wache ist uns sicher?

Junot: Keine Sorge! Sie gehorcht nicht früher, als bis Sie den Befehl übernehmen, General.

Bonaparte: Höre Junot. Du weißt nicht, daß ich hier bin.

Junot: Weiß nicht.

Bonaparte: In ihrer Angst werden sie mich zu Hilfe rufen. Im richtigen Augenblick erkennen wir uns. Begriffen?

Junot: Begriffen, General.

Bonaparte, Junot ab.

Thureau: Bürgerinnen, ihr sollt Brot haben, und kein Blut darf mehr fließen.

Frauen: Einen König! Aber Brot!

Collot bemächtigt sich der Glocke des Vorsitzenden: Zur Tagesordnung! Das Gesetz über die Kinderzahl!

Frauen: Kinder? Damit ihr sie abschlachtet?

Rühl: Die Familien sind zahlreich, deren Kinder –

Tallien schreit: – auf den Ertrag der spanischen Papiere hoffen. Wann endlich werden diese Papiere dem Handel freigegeben werden? Die Freiheit vor allem!

Barras: Tallien, lebe wohl! Ich überlaß dich deinem Schicksal. Von ihm fort.

Thureau: Wahrhaftig, ihr geht weit.

Bewegung unter den Gruppen. Madame Tallien, auffallend hergerichtet, Madame de Beauharnais, 33 Jahre, die Kleidung herausfordernder als das anmutige Benehmen, Muscat, mit einem Knüppel, ein kleiner Neger, mit einem großen Fächer, erscheinen an der Schranke.

Muscat: Hier geht es heiß her. Glücklicherweise, meine Damen, haben Sie gegen die Frechheiten des Pöbels – meine Muskeln.

Tallien: Freiheit! Freigabe der spanischen Papiere!

Madame Tallien: Tallien ist geschickt.

Madame de Beauharnais: Die Liebe zu dir macht ihn geschickt.

Madame Tallien: Oder die Liebe zu dir. Werden wir in der allgemeinen Verwirrung unser Geschäft machen mit den spanischen Papieren?

Madame de Beauharnais: Kaufst du mir dann einen Schal ab für zehntausend Pfund?

Madame Tallien: Nein, Josefine, aber ich weiß eine Käuferin für die Ware, die du vermittelst.

Madame de Beauharnais: Ich bin in Verlegenheit.

Madame Tallien: Trotz Barras? Trotz Tallien?

Madame de Beauharnais: Und du nicht auch? Trotz Tallien? Trotz Barras?

Muscat: Aber meine Damen!

Tallien: Die Abstimmung über meinen Antrag! Tritt zu Madame Tallien. Ich tue es für dich, meine Gottheit, du wirst reich werden. Erwarte mich heute!

Sieyès zu Collot: Vor lauter Schamlosigkeit ist er groß.

Collot: Ich bin nicht kleiner. Laut: Ich unterstütze den Antrag.

Muscat: Sie siegen auch diesmal, göttliche Tallien.

Barras tritt zu Madame de Beauharnais: Tallien bricht sich den Hals. Sanfter Engel, erwarte mich heute!

Dubois: Diese Gattung Menschen wird noch auf der Guillotine ein Geschäft machen.

Rühl: Mit der Guillotine selbst machen sie Geschäfte.

Tallien tritt an die Stelle Barras'. Zu Madame de Beauharnais: Für dich wage ich den Kopf, göttliche Beauharnais. Du wirst reich werden. Erwarte mich!

Barras an die Stelle Talliens: Für seinen Verlust, schöne Tallien, entschädige ich dich. Erwarte mich!

Dubois: Verhaftet Tallien! Verhaftet Collot! Sie sind beim Diebstahl ertappt.

Frauen: Verhaftet sie!

Männer dringen ein: Wen?

Tallien dem Volke entgegen: Bürger! Ihr kennt mich, ich bin einer von euch. Ich verehre euch. Mag jemand euch mehr verehren, wenn er kann! Ich bin in einer Küche zur Welt gekommen, ich kenne nur Hunger, kein Hunger, Hunger.

Madame Tallien: Was sage ich? Ein Bauch.

Rühl: Über euren Schandtaten darf nicht noch einmal die Sonne aufgehen.

Dubois: Sterbt!

Boissy zu Thureau, Dubois, Rühl: Bürger, werdet ihr es dulden, daß die Versammlung abgeschlachtet wird?

Thureau: Still, Dubois! Still Rühl! Ich will kein Blut.

Rühl: Wir wollen kein Blut? Dann sind wir verloren.

Thureau: Tallien ist mißleitet von seiner Frau.

Madame Thureau: Seht die Aristokratinnen! Zu Tallien, zu Collot: Feige Plebejer! Was tut ihr? Heute umarmen sie euch. Morgen werden sie euch erdrosseln.

Frauen: Welche ist es? Die Blasse! Für dich sollen unsere Kinder verhungern?

Madame Tallien: Nein, ich!

Madame de Beauharnais: Himmel! Die Sinne schwinden mir.

Der kleine Neger fächelt sie.

Madame Tallien: Ich bin die Tallien. Für mich brachten sie euren Robespierre um.

Frauen: Sie beschimpft den Unbestechlichen!

Madame Thureau: Wie sie dort steht, die Dirne, wird sie am Pranger stehen, noch in der Geschichte.

Muscat: Hinter mich, meine Damen! Schwingt seinen Knüppel. Weiber pack! Ihr stoßt auf einen Mann.

Frauen: Das, ein Mann? Ziehen ihn über die Schranke. Ins Wasser!

Andere Frauen: Im Garten sind Brunnen. Badet ihn! Kreischend ab mit Muscat.

Madame Tallien, Madame de Beauharnais, der kleine Neger fliehend rechts vorn ab.

 

Dritte Szene

Die Vorigen. – Dann zwei junge Herren mit Muscat. Dann Bonaparte mit Soldaten.

Männer packen Madame Thureau an: Auch du bist eine Aristokratin!

Thureau: Meine Frau!

Boissy: Nehmt auch ihn mit!

Frauen: Sie ist unsere Freundin!

Ein Betrunkener mit der Faust im Nacken Thureaus: Sieh dich um nach deiner Frau, wenn du kannst!

Thureau: Höre, Frau, bevor es hier zum Äußersten kommt, geh, nimm so viele Tapfere mit als du findest, und schaffe die Kanonen in die Stadt! Der Konvent hat keinen Verteidiger. Wer die Kanonen herbeischafft, rettet ihn. Geh!

Madame Thureau: Leb wohl, – solltest du mich nicht wiedersehen.

Der Betrunkene zu Thureau: Sieh dich um, wenn du kannst!

Ein Mann zu Madame Thureau: Du wirst mich doch mitnehmen?

Madame Thureau: Komm mit zu den Männern von deiner Sektion! Mit dem Mann rechts ab.

Sieyès: Gesetz vom Germinal! Wer Hand an einen Volksvertreter legt, soll sterben.

Tallien vom Volk bedrängt, fuchtelt mit einem Dolch gegen seine Brust: Tallien bleibt frei! An mich legt niemand Hand als nur ich selbst!

Barras: Da seht den wahren Freund der Freiheit! Zu Bourrienne: Sein alter Witz. Mit ihm stürzte er Robespierre.

Männer: Er ist tapfer. Lassen ab von Tallien.

Dubois befreit Thureau: Das sieht kein Soldat an.

Rühl: Und kein Mitglied des Konvents, dessen Heere am Rhein und in Italien stehen.

Thureau: Laß, Dubois! Es ist ein Anschlag von Barras, von Boissy. Gib ihnen keine Gelegenheit, uns niedermachen zu lassen!

Bourrienne zu Boissy: Es gelingt, sie werden sterben.

Collot angegriffen: Tax Hilfe! Flieht durch die Tür links.

Barras: Wem gilt dies? Sie machen keinen Unterschied. Und die Wache? Ruft: Wache!

Bourrienne ironisch: Die Regierung war nie sicherer.

Barras: Ah! Bourrienne, das ist wider die Abrede.

Tallien: Die Reste Robespierres, tut sie ab; aber nicht uns, die wir ihn beseitigt haben, nicht Barras, nicht Tallien!

Muscat, zwei Herren wie er mit Knüppeln von rechts.

Muscat: Da sind wir. Wir haben Knüppel; uns wirft man nicht in den Brunnen.

Bourrienne zu Boissy: Grade rechtzeitig.

Barras zu Bourrienne: Ich durchschaue euch endlich. Also Kampf!

Boissy zu Muscat und seinen Genossen: Achtung, Bürger, vor dem leitenden Ausschuß des Konvents. Leiser: Mut, meine Herren!

Muscat: Wir überbringen die Forderungen der aufständigen Sektionen von Paris.

Rühl, Dubois: Forderungen!

Thureau: Die Feinde der Republik wollen fordern?

Muscat: Hier die hungernden Bürger unterstützen unsere Forderungen.

Barras zu Tallien: Die Reaktion bedient sich des Pöbels. Die Republik ist verloren. Schreit: Einen General zum Schutze des Konvents! Dubois, hast du keinen General?

Dubois: Bist du selbst keiner mehr?

Muscat: Die Truppen sollen zurückgezogen, die Wahlen für ungültig erklärt werden.

Männer: Und Brot!

Frauen: Einen König! Aber Brot!

Tallien: Wollt ihr die Freiheit verlieren, Bürger? Wozu dann noch Brot essen? Das sage ich, Tallien, der aus einer Küche stammt.

Muscat: Eure Antwort, Bürger Kommissäre!

Boissy: Unsere Antwort, Bürger, ist –

Rühl: Ein General!

Bonaparte von hinten, mit Soldaten: Platz für die Mitglieder der Regierung!

Madame Tallien, Madame de Beauharnais erscheinen wieder an der Schranke.

Madame Tallien: Was tut denn der da?

Madame de Beauharnais: Es wird ein großer General sein.

Madame Tallien: Der kleine Bonaparte? Nicht einmal Hosen würde er anhaben, hätte er nicht durch meine Vermittlung von der Behörde den Stoff bekommen.

Bourrienne zu Muscat: Widersteht diesem General nur zum Schein! Er gehört zu den Unseren. Wir werden durch Verrat siegen.

Muscat: Aus Achtung vor der Regierung der Republik weichen wir.

Bonaparte wirft einen Mann beiseite: Ich lasse schießen!

Der Mann: Wir machen schon selbst Platz.

Das Volk zieht ab.

Muscat, die zwei Herren rechts ab.

Barras zu Tallien: Es war nicht gefährlich. Zu Bonaparte: Du machst viel Lärm, General.

Madame Tallien lacht laut.

Lachen.

Bonaparte: Ich war voll Eifer für die Regierung der Republik. Ich ziehe mich bescheiden zurück. Er bleibt.

Madame de Beauharnais: Himmel! Diese Augen!

Bourrienne: Der General Bonaparte hat uns gerettet!

Tallien zu Barras: Du läßt ihn gehen? Sie könnten wieder anfangen.

Barras: Der bleibt.

Collot aus der Tür links: Ist es wahr, wir sind gerettet? Durch wen denn? Ah! der kleine Bonaparte.

Barras: Du kennst ihn?

Collot: Er leiht sich manchmal Geld von mir, für ein Mittagessen.

Barras: So sieht er aus.

Tallien: Scheint ungefährlich?

Barras: Nur hartnäckig.

Bourrienne verstohlen mit Bonaparte nach rechts: Ein letztes Wort: wir sind einig? Sie gehen mit den Truppen zu uns über. Der König macht Sie zum Connetable.

Bonaparte antwortet nicht.

Collot drängt Bourrienne fort. Zu Bonaparte: Machen Sie endlich, daß Sie fortkommen! Es geht sonst nicht vorwärts.

Bonaparte eilig ab.

Madame Tallien: Wer betrügt hier, und für wen?

 

Vierte Szene

Die Vorigen, ohne Volk, ohne Muscat und die zwei Herren, ohne Bonaparte. – Dann Bonaparte.

Die Mitglieder des Ausschusses ordnen ihren Anzug, nehmen ihre Plätze ein und geben sich Haltung.

Barras: Die Freiheit der Regierung ist wiederhergestellt.

Tallien: Uff.

Boissy klingelt: Wir gehen zur Tagesordnung über.

Bourrienne: Boissy ist groß.

Madame Tallien: Schon nehmen sie sich wieder ernst – genau wie bei uns, nachdem sie sich vergessen haben.

Madame de Beauharnais: Wem glich der magere General mit den furchtbaren Augen?

Thureau: Auf der Tagesordnung steht die Einigkeit der Republik. Vereiteln wir das Komplott ihrer Feinde!

Dubois zu Thureau: Unglücklicher! Du hast es nicht gewollt.

Tallien: Wir sind einig in dem Gedanken der Freiheit, wie ihr Priester, Sieyès, es in dem der Ewigkeit seid. Unser Marat wandelt nach seinem Tode unter uns, wie euer Jesus.

Madame Tallien: Er predigt. Er ist doch stark.

Madame de Beauharnais: Er hat meinen Gatten gerächt an dem Tyrannen Robespierre. Himmel! Da ist er.

Madame Tallien: Wer?

Bonaparte von rechts vorn.

Madame de Beauharnais: Der Tyrann.

Madame Tallien: Du phantasierst. Robespierre puderte sich.

Madame de Beauharnais: So mager war er. So blickte er. Mir wird schlecht. Fort!

Madame Tallien: General Bonaparte, man hat über Sie gelacht.

Bonaparte knirschend: Man wird noch stöhnen.

Madame Tallien: Komödiant, ich mag Sie.

Bonaparte: Ich bin der Sklave Ihrer Schönheit und Größe.

Madame Tallien: Sie kennen nicht meine Freundin Beauharnais? Sie liebt die Helden. Josefine, er liest aus der Hand. Gib sie ihm!

Bonaparte: Bürgerin, in Ihrer Hand sehe ich –

Barras: Thureau hat für uns alle gesprochen. Zum Schutze der einigen Republik wählen wir einen General.

Boissy: Auf der Tagesordnung steht die Wahl eines Generals gegen den Aufruhr der Sektionen.

Dubois: Deiner Sektionen!

Boissy zu Bourrienne: Ist dieser Bonaparte uns wirklich sicher?

Bourrienne: So wahr ich in Freiheit den Morgen sehen soll. Laut: Es gibt nur einen einzigen General.

Tallien: Wen denn?

Barras: Als ob es so leicht wäre, ihn zu finden.

Thureau: Er steht vor der Tür.

Bourrienne: Ganz recht, vor der Tür!

Thureau: Nicht deiner, Bourrienne! Der meine kommt nicht ungebeten. Er drängt sich nicht auf, er wartet.

Tallien: Wer ist es?

Dubois: Du kannst fragen? Wer ist der größte General der Republik?

Rühl: Hoche.

Schweigen.

Bonaparte: Er soll es nicht bleiben, wenn Gott mir hilft.

Madame Tallien: Wie wäre es, wenn der General, den man sucht, nicht Hoche, sondern Bonaparte hieße?

Thureau: Ein Hoche ist herbeigeeilt von der siegreichen Rheinarmee. Er hat der Republik zehn Schlachten gewonnen. Er steht vor der Tür – und muß warten!

Barras: Thureau, willst du es wissen? Hoche würde zu groß werden.

Bourrienne: Ich lobe mir den kleinen Bonaparte, der uns heute schon einmal gerettet hat.

Madame Tallien: Sagte ich es nicht? Sie sind nicht aufrichtig mit mir. General, das könnte sich rächen.

Bonaparte: Ihre Gnade, göttliche Tallien, hat erst aufmerksam gemacht auf meine Wenigkeit. Sie sollen es nie bereuen.

Barras: Der Konvent, siegreich überall, muß nicht gerettet werden.

Tallien: Tallien trotzt mit der eigenen Brust den Gefahren.

Bourrienne: Rühl! Er hat uns Achtung verschafft.

Rühl: Der junge Mensch hat Eifer. Ich traue ihm nicht. Der ehemalige König hat ihn vor der Zeit zum Hauptmann befördert.

Barras erstaunt: Und ich ihn vor der Zeit zum Brigadegeneral.

Thureau: Trotzdem kannte ich ihn in Italien als den Freund deiner Feinde.

Tallien: Der kann mehr als du, Tallien.

Barras: Dubois?

Dubois: Zugegeben, er ist ein Soldat. Ich sah ihn vor Toulon.

Barras: Sieyès? Du hast dir Zeit gelassen, ihn dir anzusehen.

Sieyès: Ein bescheidener Mann. Ein Mann, der weiß, was er will.

Barras: Aber wissen wir es? Zu Tallien: Die ehrlichen Leute lehnen ihn ab. Ein gutes Zeichen für diesen Bonaparte. Laut: Ich sehe ihn zu oft. Er belagert die Ämter, und wo etwas vorgeht, ist er da, ehe irgendwer davon ahnt.

Collot zu Barras: Er ist unser Mann.

Barras: Ah! Dank deinem Mittagessen?

Collot: Dank seinem Ehrgeiz – und was der kostet.

Barras: Dann ist er gefährlich.

Collot: Du hast bei mir verdient. Dein Geld liegt bereit.

Barras: Verstanden.

Madame Tallien: General, es wird ernst.

Bonaparte zu Madame de Beauharnais: In Ihrer Hand, Bürgerin, las ich, daß wir uns wiedersehen werden.

Madame de Beauharnais: Sonst nichts?

Bonaparte: Noch etwas, – das ich nicht sagen darf.

Madame de Beauharnais: Himmel! Was wäre es?

Bonaparte: Erschrecken Sie nicht! Hier ist jemand, den Ihr Schicksal nicht schreckt. Sie sehen sich an.

Barras: Er ist undurchsichtig; aber würde es lohnen, hindurchzusehen?

Collot: Was hättet ihr zu fürchten von einem armen Korsen?

Tallien: Mit einem Gesicht, zu traurig, um volkstümlich zu werden.

Barras: Er könnte sogar schwindsüchtig sein. Sieyès?

Sieyès: Man kann ihn anhören.

Bourrienne: Man muß ihn anhören.

Barras ruft nach der Tür hin: Der General Bonaparte!

Bonaparte springt über die Schranke: Da bin ich.

 

Fünfte Szene

Die Vorigen.

Barras: Sie kennen die Lage, General.

Bonaparte: Ich kenne meine Pflicht. Ich bin der Mann der Regierung.

Tallien: Das klingt gut.

Dubois: Es läßt sich hören.

Bonaparte: Ich werde der General der ehrbaren Leute sein.

Thureau: So nennen sich die, die gute Geschäfte machen.

Bonaparte: Ich will dem Eigentum seine Sicherheit gewährleisten.

Collot: Der Staat ist gesichert, in dem man gute Geschäfte macht.

Boissy: Die öffentliche Sicherheit verlangt nach dem Befehl eines einzigen.

Bonaparte: Ich erbitte gehorsam die Vollmachten der Regierung.

Bourrienne: Da habt ihr euren Retter!

Boissy: Das ist kein Royalist.

Rühl: Das ist kein Republikaner.

Barras, Tallien: Man kann es versuchen.

Bourrienne zu Boissy: Vertraue ihm!

Beratung. Bonaparte bei Collot.

Madame Tallien: Mit Collot geht der Schlaukopf. Hat er mich für sein Werkzeug gehalten? Er ist meines, er wird es merken.

Madame de Beauharnais: Der General Bonaparte wird weit kommen.

Madame Tallien: Mit dir, sanfte Josefine. Ich gebe ihn dir.

Madame de Beauharnais: Du scherzest.

Madame Tallien: Du magst nicht? Er wird reich werden.

Madame de Beauharnais: Ach! ich glaube nicht mehr an das Glück. Meine Männer verarmen oder lassen sich guillotinieren.

Madame Tallien: Versuch es mit diesem! Du wirst nicht mehr mit Schals hausieren müssen.

Bonaparte zu Collot: Sie zögern. Ich wende unser großes Mittel an.

Collot: Nur zu!

Bonaparte: Hat es keine Gefahr mehr?

Collot: Hoche ist abgetan.

Bonaparte: Ich sehe wohl, Bürger Kommissäre, euer Zögern hat denselben Grund, der auch mein Gewissen beschwert. Ach! wer bin ich! Das Schicksal einer Versammlung, die die größten Männer der Welt umfaßt, sollte von mir abhängen, – und ein Hoche ist bereit, euch zu retten! Ich beschwöre euch, wählt den Helden Hoche!

Rühl: Falsche Seele!

Thureau zu Rühl: Maßvoller Geist. Kann sein, er rettet die Republik.

Rühl: Die Republik Barras'! Die Republik Talliens!

Thureau: Soll noch immer Blut fließen? Versöhnung! Einigkeit! Oder nicht mehr leben!

Rühl: Mir ahnt, wir werden nicht mehr leben.

Bonaparte hält Thureau die Hand hin: Versöhnung, Bürger Thureau!

Thureau gibt die Hand, erstarrt. Zu Rühl: Ich habe in die Augen meines letzten und größten Feindes gesehen.

Sieyès zu Bonaparte: Sie hören sie, General; sie reden, indes sie handeln müßten. Körperschaften taugen nicht, um Armeen zu leiten, denn sie kennen nicht den Wert von Zeit und Gelegenheit.

Bonaparte: Und um den Staat zu leiten?

Sieyès: Sie fragen verfänglich.

Bonaparte: Herr Sieyès, ich frage den, dessen Stimme den Ausschlag dafür gab, daß der König sterbe.

Sieyès: Der König mußte sterben. Viele, viele mußten sterben. Ich bin am Leben geblieben, denn ich war ein Philosoph. Das Kennzeichen des geistigen Menschen ist es, sich in die jeweils herrschenden Zustände zu schicken und sie, wenn nicht gar zu verteidigen, so doch für sich selbst unschädlich zu machen. So haben wir den blutigsten Schrecken überstanden. So nehmen wir auch dieser Zeit der Diebe den Stachel. Wir glaubten an das Volk, als das Volk den Augenblick seiner großen Begeisterung hatte. Und da schließlich doch alles wieder auf die Macht eines einzigen wird hinauswollen, sind wir gefaßt auf den Herrn.

Bonaparte: Sie sprechen wie ein Weiser.

Sieyès: Handeln Sie wie ein Mann!

Bonaparte: Sie werden sehen.

 

Sechste Szene

Die Vorigen. Junot. Soldaten.

Bonaparte zur Tür hinten, reißt sie auf: Soldaten! Wache des nationalen Konvents! Eure große Stunde hat geschlagen. Ihr seid berufen, die Republik zu retten.

Soldaten: Hoch die Republik!

Bonaparte: Rufet: Hoch die Regierung!

Soldaten schweigen.

Bonaparte: Wer führt euch?

Junot: Der Sergeant Junot.

Bonaparte: Wie? Sehe ich recht? Du, Junot? Welch ein Wiederfinden! Wir beide sind nicht dicker geworden seit Toulon. Noch immer Sergeant? Und ich – du siehst. Ah! Kamerad, als neben uns beiden die englische Granate in den Sand schlug, daß er uns anspritzte! Ich schrieb einen Befehl, du sagtest: Sie schicken uns Streusand. Umarmt Junot.

Soldaten lachen.

Bonaparte: Wenn ein tapferer Mann wie du übergangen wurde, wird es Zeit, daß jemand dich zum Leutnant ernennt. Ich ernenne dich.

Soldaten: Bravo, General!

Barras: Jetzt weiß ich wieder, warum ich ihn vor der Zeit zum General machte. Jemand sagte mir: Befördere den jungen Mann, sonst befördert er sich selbst.

Junot: Hoch der General Bonaparte! Er soll uns gegen die Aufständischen führen.

Soldaten: Hoch unser General!

Bonaparte: Die Truppen haben mich gewählt. Der Konvent wird ihre Wahl bestätigen.

Junot: Sonst wehe ihm!

Soldaten: Wir marschieren mit dem General Bonaparte.

Bonaparte: Ihr marschiert mit der Regierung.

Barras: General Bonaparte, die Regierung ernennt dich. Unter meinem Oberbefehl übernimmst du die Leitung der Operationen in Paris.

Bonaparte: Ich gehorche, General.

Madame Tallien: Ein Meisterstück!

Rühl: Der Oberbefehl ist angemaßt. Du bist nicht ernannt worden, Barras, und noch weniger der dreiste Bursche dort.

Boissy: Hütet euch!

Bourrienne: Dich meinen sie, General.

Dubois: Ein General der Republik, Rühl!

Rühl: Dies schmeckt nach Verrat.

Bonaparte: Ich achte deine weißen Haare, Bürger Rühl.

Dubois: Thureau, auch du schmeckst Verrat?

Thureau schweigt.

Bourrienne: Ihr habt nicht mehr für lange!

Dubois: Thureau!

Thureau: Geschehe es denn!

 

Siebente Szene

Die Vorigen. Zwei Abgeordnete des Konvents. Vier Frauen. Cornelia Duplay.

Erster Abgeordneter: Was tut ihr? Wir sind verloren.

Zweiter Abgeordneter: Der Pöbel ist eingedrungen, er verhöhnt den Konvent.

Erster Abgeordneter: Halbstündlich solltet ihr dem Konvent eure Meldungen schicken, was tut ihr?

Zweiter Abgeordneter: Die republikanischen Sektionen erflehen von uns Hilfe. Hier seht, wen sie uns schickten!

Eine Frau: Seht Cornelia, die Braut des Unbestechlichen!

Die zweite Frau: Den ihr ermordet habt!

Thureau: Robespierre! Du kehrst wieder.

Barras weicht.

Tallien weicht schleunig.

Dritte Frau: Sie ist so weiß, weil er tot ist.

Vierte Frau: Sie spricht nicht mehr, weil er verstummt ist.

Cornelia Duplay in Schwarz, sehr bleich zwischen den Frauen hervor, allein nach vorn.

Erste Frau: Der Tisch! Sie sieht den Tisch an.

Zweite Frau: Auf dem er lag.

Dritte Frau: Ermordet.

Vierte Frau: Von euch.

Thureau: Maximilian, ich verrate dich nicht. Zu Bonaparte: General, du bist uns verdächtig. Gib das Kommando ab!

Rühl, Dubois: Gib das Kommando ab!

Bonaparte: Nur die Regierung kann mich von ihm entbinden.

Thureau: Soldaten der Republik, verhaftet den General Bonaparte!

Bonaparte wartet. Zu Thureau: Du hast verloren, Thureau. Zu Barras: Einen schnellen Entschluß, Barras! Morgen sind Sie der wahre Herr der Republik.

Barras: Er soll sterben? Gleich jetzt? Ohne Urteil noch Gericht?

Bonaparte: Wenn Sie nicht untergehen wollen statt seiner.

Barras: Aber gleiches Recht. Ein anderer glaubt sich Ihrer sicher.

Bonaparte: Meiner ist niemand sicher.

Thureau: Sergeant, gehorche!

Barras küßt Thureau: Thureau, ich liebe dich.

Thureau: Folgt mir, Soldaten! Stürmend: In die Freiheit!

Bonaparte erhebt den Degen.

Soldaten fällen die Bajonette.

Thureau läuft in die Bajonette.

Starres Entsetzen.

Bonaparte: Werft ihn auf den Tisch!

Thureau von Soldaten auf den Tisch geworfen, stirbt.

Tallien, Boissy, Collot entfliehen vom Tisch, zur Tür links.

Die Frauen flüchtend ab.

Cornelia Duplay allein zu dem Toten, küßt ihn langsam auf den Mund. Geisterhaft rechts ab.

Madame Tallien: Feiglinge! Ihr lauft davon und seid doch doppelt sicher. Dort liegt er noch einmal!

Dubois: Denkst du, Rühl, daß es so weit ist?

Rühl: Ich denke, daß wir gehen sollen.

Barras: Geht nicht! Wohin geht ihr?

Rühl: Wir haben nur noch den einen Weg.

Dubois: Dir, armer Barras, steht er nicht offen.

Rühl, Dubois Arm in Arm rechts ab.

Madame de Beauharnais ruhig: Wie wird dies weitergehen?

Bourrienne: Jetzt, General Bonaparte, unser Pakt!

Bonaparte: Aus dem Weg!

Bourrienne: Wie? Du hast geschworen. Dank mir befiehlst du hier.

Bonaparte: Wer bist du?

Bourrienne: Heuchle nicht länger! Es lohnt nicht mehr. Zu den Soldaten: Auf, zu den Verteidigern der Freiheit und des Königs! Nieder die Republik!

Soldaten schweigen.

Bourrienne: Euer General führt euch hin, mein Freund, mein Bruder.

Bonaparte: Junot! Fesseln!

Soldaten fesseln Bourrienne. Er wehrt sich, sie schlagen ihn nieder.

Bourrienne: Freund! Bruder!

Bonaparte: Knebeln!

Junot knebelt Bourrienne.

Barras vor dem daliegenden Bourrienne: Ist es so leicht, zu betrügen, wie du glaubtest, harmlose Seele? Dachtest den Verräter zu spielen, anständiger Mensch! Dem öffentlichen Leben warst du weniger bestimmt als den Freuden der Familie. Du hörst meinen Nachruf wohl nicht mehr? Werft ihn zu der Leiche!

Soldaten werfen Bourrienne auf den Tisch.

Bonaparte wendet sich fort.

Boissy fliehend links ab.

Barras zu Tallien, zu Collot: Nur näher, ein gutes Gewissen hat nichts zu fürchten. Jetzt muß er unser Mann sein. Wo irgend ehrliche Leute das Wort haben, würde er aufgehängt werden.

Tallien vor dem Tisch: Die ehrlichen Leute machten unter sich so große Unterschiede. Da liegen sie friedlich beisammen. Drohend: Mehrere fehlen noch. Links ab.

Sieyès auf seinem Platz, allein am Tisch: Der General Bonaparte hat keinen Unterschied gemacht; das ist das Merkmal eines Staatsmannes. Links ab.

Collot: Aber er mußte entdeckt werden. Mit Tallien links ab.

 

Achte Szene

Bonaparte. Barras. Junot. Soldaten. Dann Madame Tallien, Madame de Beauharnais, Madame Thureau.

Bonaparte: Grenadiere, wo habt ihr eure Artillerie? Ihr habt kein Recht zu leben mehr, oder ihr schlagt euch durch zu den Kanonen.

Madame Thureau zwischen den Soldaten hindurch: Sie sind da. Wir haben sie noch hindurchgebracht, das Volk und ich.

Barras verdeckt mit dem Rücken die Leiche Thureaus: Bürgerin, du hast mehr für die Republik getan als – wir hier.

Madame Thureau: Was tatet – ihr hier? Sieht Blut am Boden. Ihr habt getötet! Wo ist Thureau?! Stößt Barras fort: Thureau, mein Mann! Wimmernd: Wir wußten es voraus. Ich hatte ihm geschworen, stark zu sein. Es ist doch schwer. Aufgerafft: Wer tat es? Ach! hier ist nur einer, der aus Klugheit töten kann. Der da! Einen Dolch geschwungen, auf Bonaparte zu.

Bonaparte schließt die Augen, sinkt rückwärts in die Arme der Soldaten.

Junot entwaffnet Madame Thureau: Hinaus mit ihr, bevor der General erwacht! Führt sie rechts ab.

Madame de Beauharnais: Himmel! Die Sinne schwinden mir.

Madame Tallien: Am Ende doch? Selbst die Tallien hat genug. Barras, Vorsicht mit einem, der so leicht tötet und so rechtzeitig in Ohnmacht fällt.

Barras: Das sagst du spät.

Bonaparte kommt zu sich: Wo ist sie?

Junot zurückkehrend: Im Garten lagen die Leichen der beiden Kommissäre.

Barras: Rühl! Dubois!

Junot: Noch hielten sie in den Händen die Dolche. Die Bürgerin Thureau war schneller als ich.

Bonaparte: Sie ist tot. Beginnt abwesenden Blickes umherzuirren.

Madame Tallien: Wir gehen.

Madame de Beauharnais folgt ihr, wendet sich, bleibt.

Barras: Erteile deine Befehle, General Bonaparte.

Bonaparte hört nicht.

Barras sieht ihm nach; schnell zur Tür, befiehlt gedämpft: Ihr stoßt zu eurem Regiment. Die Regimenter sollen ihre Stellungen halten, bis ich Befehle schicke. Schließt die Tür.

Junot schreit noch in der Tür: Marsch!

Bonaparte: Was war das?

Barras: Sie fühlen sich wohler, General? Ich habe die nötigen Befehle erteilt. Sie können sich ausruhen. Erwarten Sie meine Rückkehr! Zur Tür links. Kehrt um: Ihr Weg ist nicht mehr zu verfehlen, Herr von Bonaparte. Er wird durch Leichen bezeichnet.

Bonaparte: Marquis, ich gehe ihn mit Gott.

Barras links ab.

 

Neunte Szene

Madame Tallien. Madame de Beauharnais. Bonaparte. (Auf dem Tisch: Bourrienne, Thureau.)

Madame Tallien: Ah! meine blasse Blonde kann sich nicht trennen von dem Idyll.

Madame de Beauharnais: Ich bin ermüdet. Endlich ist es hier ruhig geworden.

Madame Tallien: Ich sehe es: der General ist allein. Die beiden stillen Zuschauer stören nicht. Welch günstige Gelegenheit für ein Schäferstündchen!

Madame de Beauharnais: Du verleumdest mich.

Madame Tallien: Du hintergehst mich. Sanfte Josefine, was bekomme ich, wenn ich jetzt verschwinde? Ich bekomme den Schal.

Madame de Beauharnais: Er ist zu teuer. Und was gibt es denn hier zu holen?

Madame Tallien: Ich lasse dir auch noch das Negerchen da; es macht immer Eindruck.

Madame de Beauharnais: Meinetwegen.

Madame Tallien: Glaube nicht, du könntest mich schon entbehren. Ab.

Madame de Beauharnais winkt dem Neger, ihr einen Spiegel zu halten, richtet ihr Gesicht her, solange Bonaparte abgewendet steht.

Bonaparte vor dem Tisch: Mit Gott! Aber wohin? Und wozu? Ich habe es vergessen. Ah! Barras will mich täuschen, mich beiseite schieben, ich merke es wohl. Gleichviel, warum tat ich es. Freunde, noch heute in meinen Armen! Ich will fliehen, ich bin dies nicht. Mein Weg ist nicht dieser. Ich wollte Besseres. Erblickt Madame de Beauharnais. Sie noch hier? Sie die einzige, die dies erträgt?

Madame de Beauharnais: Sollte ich mich fürchten? Ich habe diese Jahre so schrecklich zittern müssen, daß endlich selbst der Tod nicht mehr schrecklicher schien als die Furcht. Mein Mann, der General Beauharnais, starb in der Art, wie letzthin alle starben. Man wird gleichgültig. Nicht aber gegen Helden.

Bonaparte: Wollen Sie mich verhöhnen? Sie sollen mich nicht für schwach halten.

Madame de Beauharnais: Man hat mir gesagt, Sie seien hier der Stärkste.

Bonaparte: Sie werden beraten von der Tallien? Eine kluge Frau!

Madame de Beauharnais: Oh! Meine Freundin Tallien warnt mich vor Ihnen, General Bonaparte. Sie würden mich von ihr trennen wollen, die mich doch schützt. Sie würden ihr zahllose Liebhaber nachsagen, und daß sie mich für Geld verkuppeln möchte.

Bonaparte: Ich spreche von keiner andern. Sie sind keusch, das glaube ich. Sie sind schön, das sehe ich.

Madame de Beauharnais: Gib nun du mir deine Hand, Bürger Bonaparte.

Bonaparte: Warum Bürger?

Madame de Beauharnais: Sie retten die Republik. In Ihrer Hand steht das Gegenteil.

Bonaparte: In Ihrer auch.

Madame de Beauharnais: Die Negerin sagte mir: mehr als Königin.

Bonaparte: Sie werden mehr sein als eine Königin. Ich las es selbst – und frage noch, wozu ich hier bin! Wollen Sie, daß ich der sei, der es wahr macht?!

Madame de Beauharnais: Das wäre eine Liebeserklärung?

Bonaparte: Es ist eine Entscheidung.

 

Zehnte Szene

Die Vorigen. Madame de Bourrienne.

Madame de Bourrienne: Ein Unglück? Ich ward gerufen, weil ein Unglück – Auf den Tisch zu: Oh! Das soll nicht wahr sein, Öffne die Augen!

Bourrienne öffnet die Augen.

Madame de Bourrienne: Was ist mit dir geschehen? Du hast gekämpft? Du hast verloren? Wer ist dein Feind? Du kannst nicht sprechen, ich befreie dich. Entfernt den Knebel. Nun sprich! Folgt seinen Augen, erblickt Bonaparte. Du? Und dieses steinerne Gesicht? Dann warst du es, der ihn dorthin warf? Keiner als du? Seine Augen wollen es mich glauben machen. Sag, daß es nicht wahr ist! ... Kein Wort? Hassest du denn auch mich, seinetwegen? Ich bin nicht seine Frau, bin deine! Laß ihn daliegen! Laß ihn sterben! Was geht es mich an. Was du willst, daß ich tue, was du willst, daß ich sei, – Erbarmen!

Bourrienne: Auch mit dir nicht.

Madame de Bourrienne fährt schreiend herum. Bourrienne: Du hast betrogen, wie ich. Komm zu mir! Auch dein Platz ist bei der Leiche.

Madame de Bourrienne die Hände gegen Bourrienne, gegen Bonaparte: Was wollt ihr? Zu Bonaparte: Hast du mich nur geliebt, um besser ihn zu vernichten?

Bonaparte hebt beteuernd die Hand, will sprechen, sieht Madame de Beauharnais, schweigt.

Madame de Bourrienne erblickt Madame de Beauharnais, schreit auf: Das ist sie! Für die! Wankt gebrochen zu Bourrienne. Da bin ich. Wir sind beide betrogen um den Preis unseres Betruges. Arme Betrogene! Arme alte Leute! Die Faust gereckt gegen Bonaparte: Der kennt keine Treue, und ich muß ihn lieben. Dem zählt kein Mensch, und ich muß ihn lieben. Was weiß der von Liebe, und ich muß ihn lieben.

Vorhang.


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