Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Weg zum Thron

So bleibt es nicht

Zuerst war noch nicht alles in Ordnung. Die königlichen Gatten Henri und Marguerite zogen feierlich in ihre Hauptstadt Pau ein, was sich alsbald als ein Irrtum erwies. Margot litt bei den eifersüchtigen Hugenotten große Kränkungen wegen ihres papistischen Gottesdienstes. Sie beschloß ein für allemal, Pau nicht wieder zu betreten. Außerdem verliebte der König von Navarra sich dort in eines ihrer Mädchen, was sie peinlicher empfand, als wenn es nur die Ehrenfräulein ihrer Mutter waren. Alles wurde beigelegt dadurch, daß Henri wieder einmal seine gewohnte Schwäche, ein mit nichts zu erklärendes Fieber bekam. Die Kopfschmerzen setzten nicht aus, weder bei Tag noch bei Nacht, er mußte immerfort umgebettet werden, unablässig brauchte er Kühlung sowie auch Zuspruch.

Man ist tapfer, alle sind es. Viele ertragen, daß ihnen Beine abgeschnitten werden bei vollem Bewußtsein. Ein Offizier, dessen Fuß unbrauchbar geworden ist, wird ihn sich eigens vom Körper trennen lassen, damit er auf einem angeschnallten Stock dem König von Navarra wieder dienen kann. Das alles geht. Unerträglich ist nur das Wanken des geistigen Innern, das Versagen der natürlichen Sicherheit, die Angst, die Angst.

Das war in Eauze, derselben Stadt, wo Henri schnell entschlossen einer Lebensgefahr begegnet war und wo er als eine kühne Neuerung gewagt hatte, menschlich zu sein. Eben dort lag er siebzehn Tage und glaubte sich als Mensch geschlagen, verworfen, gestrichen, unfähig zur Vollendung der Arbeiten und Mühen, denen er sich sonst gewachsen hielt. Er hielt sich ihnen sonst gewachsen in dem Grade, daß er ein Übermaß von Vergnügen hinzufügte und erschöpfenden Leidenschaften nicht auswich. Dafür liegt die reiche Natur zuweilen da wie ein Geschlagener, hat sich aufgegeben, und eine andere Person muß statt ihrer an sie glauben, falls das noch möglich ist. Hier war es seine Margot, seine wirklich treue Frau, so viele Liebhaber sie noch nehmen sollte. Sie kam die ganze Zeit seiner Krankheit nicht aus den Kleidern, wachte bei ihm, sprach ihm zu und rief ihn aus den Ängsten zurück. Nachher als Genesener sagte er etwas, das von ihm noch nicht war gehört worden: »Es steht geschrieben dort oben.« Was? Das wußten er und die Frau: überaus deutlich war es ihnen seit den Nächten von Eauze.

Dieser inhaltsreiche Aufenthalt hatte die beiden zu den allerbesten Freunden gemacht. Zurück in Nérac, durfte die Königin von Navarra ihren Hof einrichten nach Belieben und sogar ihren Gebieter zum feinen Herrn erziehen - was er in seinem Leben mehrmals wurde, wenn es darauf ankam. Diesmal blieb er es neun Monate, damals trug er die teuersten Anzüge, alles aus Holland oder Spanien, alles Samt und Seide, Purpur und Gold. Seiner Königin kaufte er allein zehn Fächer, einer glitzerte mehr als der andere. Er versah sie mit Duftwässern, den reichsten Kleidern und sogar mit Handschuhen aus Blumen. Er hielt ihr Zwerge, schwarze Pagen und Vögel »von den Inseln«. Sie hatte im Park La Garenne ihre Kapelle, hörte die Messe; und dann war Empfang unter den wiegenden Wipfeln, es war Musik, es waren Verse, es war der Tanz und Frauendienst - alles von verklärter Einfachheit in der Luft des Parkes. Am Hof zu Nérac, einige Zeit unter wiegenden Wipfeln, wurde geistreich geschmachtet und töricht geträumt. Sehr hell war der Himmel, silbern sein Licht, und die Abende waren so mild.

Die Geister wurden geschmeidig, mochten die Waffen einmal rosten. Henri schrieb mit eigener Hand eine vollständige Übersetzung der Kommentare Cäsars über den Feldzug in Gallien wie auch über den Bürgerkrieg. Die Federn bezog er aus Holland, die Tinte aus Paris, und das Papier vergoldete ihm sein Kammerdiener. Er liebte die prachtvollen Einbände der Bücher; aber diese hatte er auch schon schmücken lassen, als er selbst noch im abgeschabten Wams ging. Für den Geist hielt er beständig auf Form und wurde in Briefen, Erlassen, ja in Gesängen, die er später sollte anstimmen lassen während seiner Schlachten - wurde ein um so besserer Schriftsteller, je größer er zu handeln lernte: das eine um des anderen willen, und weil klarer Ausdruck durch dieselbe Seele geschieht wie echte Tat.

Er gebärdete sich hier, fühlte sich wohl auch die wenigen Monate wie ein gemachter Mann, ein Erbe von gesichertem Besitz, und Frieden und Glück - was alles gar nicht wirklich da war, und das heitere Traumspiel endete gleich dort, wo der Park La Garenne in das Land verläuft. Wie beglückte es ihn trotz allem, daß er seine Margot eine Weile konnte herrschen lassen über einen Hof und über einen galanten König, der er selbst war, denn ihr zu Ehren roch er gut, und seine Zähne waren überzogen mit Gold. Auch bestellte er für sie aus dem Schloß von Pau die schönsten Zimmereinrichtungen, das Tafelgeschirr aus Silber. Sie selbst hatte während ihres Besuches alte Harfen dort aufgestöbert: andere Damen mochten ehemals ihr Herz durch sie erleichtert haben wie jetzt Marguerite von Valois, die noch niemals in ihrem rastlosen Leben das Gleichmaß gekannt hatte, und nur hier begegnete sie ihm.

Sie strich sich manchmal über die Stirn. Kein einziger Giftmord bis jetzt? Kein Erdolchter hinter einer Tür? Mich schlägt niemand, und sogar vor meinen Sinnen habe ich Ruhe. Ich muß weder meinen Bruder d'Alençon am Seil vom Fenster hinablassen noch selbst auf Abenteuer ausziehn. Demütigungen, Komödianterei, das Grauen um mich, in mir der quälende Drang - alles vorbei? Wirklich, hier bin ich. Ihre wunderbare Hand hatte über ihre Stirn gestrichen: die war schon wieder heiter, und die Königin dieses Hofes schritt zum Tanz mit artigen Edelleuten und Fräulein, die sich wohlverhielten. Sanfte Musik, die Flammen der Kerzen schwankten wenig in dem Hauch vom geöffneten Fenster; mild wie der Klang, das Licht, der Hauch, waren die Gesichter und die Herzen. Tanzen und Holdsein, die lange Nacht hinbringen in einer leichten Verliebtheit, die ganz unbestimmt ist. Margot könnte jedem den Mund reichen, sie küßt aber keinen, nur ihren Herrn.

So sind am Hof von Navarra alle, auch die Schwester des Königs, eine so strenge Protestantin. Obwohl durch einen ihrer Füße ein wenig gestört, bringt die junge Catherine dem jungen Rosny einen neuen Tanz bei, alle beneiden ihn um die Ehre. Sie übersieht sogar die Leidenschaft ihres Lebens für diese Weile, vergißt den Vetter in seinem Wald, entschlägt sich den Qualen des Gewissens und erlaubt dem leichtherzigen Turenne, ihr den Hof zu machen, als hätte es nichts zu sagen. Auch ihr Bruder Henri lebt und liebt, als bedeutete es nichts. So kann es nicht bleiben.

 

Der Erste

Von dem Anfall seines Leberleidens erholt, wurde Marschall Biron bösartiger als je; er glaubte den Gouverneur eingeschläfert. Nach besten Kräften verleumdete er ihn beim König von Frankreich. Die Kanzlei von Navarra und Philipp Mornay hatten alle Hände voll zu tun, wollten sie seinen Berichten begegnen. Voraussichtlich konnte der Streit nicht mehr lange auf schriftlichem Wege ausgetragen werden. Die Königin von Navarra sorgte für noch anderes Unbehagen. Eine Frau, die zum erstenmal im Leben glücklich ist, und ihr lieber Herr hat arge Feinde: wie kommt sie ihm zu Hilfe? Sie hinterbringt ihm, was sie erfährt; sie macht sich unentbehrlich.

Worte der Geringschätzung, die der König von Frankreich in der Stille seines Zimmers sollte gesprochen haben über seinen Schwager Navarra, Margot kannte sie; und war sie gerade ohne Nachrichten, erfand sie etwas. Sie haßte ihren königlichen Bruder, er hatte sie nur mißhandelt; darum sollte auch Henri gegen ihn aufgebracht sein. Wurde doch sie selbst verwundet von Kränkungen, die ihr Herr erfuhr. Der Herzog von Guise hatte sich über ihn lustig gemacht, sogar ihr geliebter Bruder Alençon war eingegangen auf den Spott, und dies bei der Dame Sauves, ihrer einstigen Freundin. Margot sah im Geist das gewitzte Lächeln der Frau, um so weniger wollte sie die gefallenen Worte mit eigenem Mund wiederholen: besonders nicht ihrem Herrn ins Gesicht.

Sie hatte aber unter ihren Fräulein ein sehr junges, fast ein Kind, ihr ganz ergeben: Françoise, aus dem Hause Montmorency-Fosseux. Man nannte sie Fosseuse. Henri sagte zu ihr: Töchterchen; und ihm zuliebe gab auch Margot der Kleinen den Namen Töchterchen - obwohl sie wußte, daß Henri ein nicht ausschließlich väterliches Gefühl nährte für Fosseuse. Das junge Fräulein erzählte ihrer verehrten Herrin alles, oder wenn nicht alles von ihren Anfechtungen, dann um so mehr von ihrem Widerstand. Dieses schüchterne Wesen schickte Margot ihm mit den ärgsten Botschaften: von kindlichen Lippen ausgesprochen, sollten sie ihn noch mehr reizen. Genug, in Schloß Louvre lachte man ihn aus, weil er noch immer nicht die Mitgift seiner Frau in Besitz genommen hatte: darunter mehrere Städte seiner eigenen Provinz Guyenne. Biron hielt sie vor ihm verschlossen.

»Mein lieber Herr«, sagte das schüchterne junge Kind, kniete vor Henri hin und erhob die Hände zum Bitten. »Holen Sie sich doch die Mitgift der Königin von Navarra! Bestrafen Sie gefälligst den bösen Marschall!«

Das hatte er auch vor, indessen hütete er sich, es den Frauen einzugestehen. Als sein Heer schon zusammengezogen war und bereitstand, verriet er sich noch immer durch kein Wort, verbrachte vielmehr die letzte Nacht bei seiner Königin im Schlafzimmer. Dann ritt er fort, mit der Rose zwischen den Zähnen - wie zu einem Ringelspiel oder heiteren Wettstreit. Ging sein Vorhaben schlecht aus, wenigstens mußte Margot nichts verantworten und blieb verschont. Alle seine Edelleute waren so guter Dinge wie er selbst, es war wieder Mai, verliebt war der ganze Haufe: nannten auch den Feldzug, in den sie aufbrachen, den Krieg der Verliebten. D'Aubigne und sogar der nüchterne Rosny meinten im Ernst, nur aus Ritterlichkeit gegen die Damen sollte die Stadt Cahors gestürmt werden. Henri eröffnete sich niemandem, der ihn nicht selbst erriet: das war einzig Mornay. Es kommt darauf an, ein und dasselbe zu wollen auf allen Wegen, im Schwanken der Menschen und Dinge treu zu bleiben dem inneren Gesetz: aber das ist nicht angemaßt; es kommt weither, es reicht weithin. Auf Jahrhunderte blickt Gott, wenn er diesen anblickt. Davon wird Henri unbeirrbar - und unerforschlich, da nichts einen Menschen ungewisser, geheimnisvoller erscheinen läßt als eine tiefe Festigkeit.

Es war sehr warm; in Sicht der Stadt, die es erstürmen sollte, trank das Heer zuerst noch aus einer Quelle im Schatten von Nußbäumen. Dann ging es an die Arbeit, die nicht leicht war. Auf drei Seiten wurde die Stadt Cahors vom Wasser des Flusses Lot geschützt, und auch die Besatzung verteidigte sie hauptsächlich dort; denn der vierte Zugang schreckte von selbst ab: so viele Hindernisse waren aufgehäuft schon unterwegs, noch bevor jemand durchdrang bis an das Stadttor. Dieses war aber insgeheim untersucht worden von zwei Offizieren des Königs von Navarra, die sich besonders auf das Sprengen verstanden. Kleine gußeiserne Mörser, mit Pulver gefüllt, wurden gegen ein Hindernis gelehnt und mit einer Lunte angezündet. Elf Uhr abends, unter einem dunklen Gewitterhimmel betrat das Heer ungesehen die feste Brücke, auf die niemand achtete: voran die beiden Hauptleute mit ihren Sprengkörpern. Damit räumten sie von der Brücke die Fallen und die Verschlüsse, ohne daß die in der Stadt das Krachen hörten, denn es donnerte grade. In einigem Abstand, wegen der fliegenden Trümmer, folgten fünfzig Arkebusiere, dann Roquelaure mit vierzig Edelleuten und sechzig Garden, und hinterher führte der König von Navarra die Hauptmacht, zweihundert Edelleute, zwölfhundert Schützen.

Wegen der Neuheit der Sache gelang die Sprengung des Tores nur halb. Die ersten krochen unten hindurch und erweiterten dann mit Axthieben die Öffnung, wovon die Bewohner der Stadt endlich erwachten und ihre Verteidiger herbeiriefen. Die ganze Stadt in Waffen, Sturmgeläut, und im Dunkeln sausen den Eingedrungenen um die Köpfe viele Wurfgeschosse wie Ziegel, Steine, Brandfackeln und Klötze Holz. Da hört man Waffen knistern, knattern und zerbrechen; »Schlag sie tot«, wird geschrien, aber von erstickten und keuchenden Hälsen. In der Enge halten die Gegner einander tödlich umschlungen. Nach einer Viertelstunde des Handgemenges hätten die Angreifer verloren, aber Turenne griff ein, er bringt weitere fünfzig Edelleute, dreihundert Schützen, mit ihrer Hilfe gelangt der König von Navarra bis mitten in die Stadt.

Weiter ging es nicht. Ein großes Gebäude, und darin alle Verteidiger, hielten das Heer in gemessener Entfernung. Darüber wurde es Tag, auch das Heer befestigte sich jetzt in Häusern. Die Soldaten durften nicht plündern, der König von Navarra drohte, sie dafür zu erschießen, und wirklich wurden mehrere erschossen. In der Nacht darauf hatten sie noch immer nichts Rechtes gegessen, und schlafen mußten sie im Stehen; neben ihnen auf den Auslagen der Läden ruhten ihre Waffen und Rüstungen. Ein neuer Morgen, und neue harte Arbeit erwartete die Soldaten: Häuser zu durchbrechen, bis zehn Schritt von der Festung. Weiter ging es auch diesmal nicht, und schon wurde wieder Nacht.

Der dritte Tag aber sollte der gefährlichste sein, die Verteidiger bekamen Zuzug, der Trupp mußte draußen abgefangen und vernichtet werden. Noch ein Tag, um die Erstürmung der Festung vorzubereiten, und am fünften, als sie endlich mit Knall und Rauch gefallen war, mußten in der Stadt vierzehn Barrikaden einzeln genommen werden.

Dies ist die Erstürmung von Cahors, eine überaus harte Arbeit. Sie war ohne Sinn und Nutzen erschwert worden durch die zähen Einwohner, nur aus Parteihaß, damit der König von Navarra nicht größer werden sollte. Gerade darum trug seine Tat ihm viel mehr Ruhm ein, als sie eigentlich wert war. Besiegt war nicht die Besatzung einer Stadt, sondern Marschall Biron samt allen anderen Feinden - und dies trotz Rückschlägen, die nicht ausblieben. Als Henri den Marschall selbst angriff, war er zu schwach, mußte flüchten bis Nérac, wurde beschossen, entwich mit seinem Pferd über die schöne Treppe seines Schlosses und entkam mitten durch die Truppen, die ihn fangen wollten.

Er hatte aufgerissene, blutende Füße. In Nérac mußte Margot die Bettücher wechseln, nachdem er nur eine Viertelstunde mit ihr darin gelegen hatte: in einem solchen Zustand war sein Leib. Sein Geist verspürt keine Beschwerden, er ist leicht und schnell wie je. Daher führt Henri sein Heer, oder sollen das nur noch Banden heißen, aus seinen eigenen Ländern gegen Norden - wo die Protestanten seinen neuen Ruhm begrüßen und ihn selbst erwarten, um aufzustehen. Davon erfährt der Hof in Paris, und schleunigst beruft er Biron ab.

Das wäre gelungen. Sofort bot auch d'Alençon, jetzt d'Anjou, sich dem erfolgreichen Schwager an; eilte nach Süden, schloß Frieden und Freundschaft mit ihm. Unversöhnlich blieb Condé, einst der gute Vetter. Aber es ist schwer erträglich, im Leben unaufhaltsam der zweite zu werden, obwohl man doch das Seine durchaus getan hat - gekämpft so gut wie der andere, und sogar in voller Übereinstimmung mit der Partei, die ihrerseits berechtigtes Mißtrauen hegt wegen des Glaubenseifers des anderen. Es ist wirklich eine große Kunst, den Neid nicht einmal zu kennen: dafür muß einer vieles verstehen, besonders die Lehre von der Gnadenwahl muß er durchaus erfaßt haben. Auch der Stolz auf das eigene Schicksal, nach Art der alten, kann helfen. Von Mornay wäre beides wohl zu erwarten; er hat die Tugend, ihm wird auch Erkenntnis.

Condé ist ein armer Mann - guter Wille, anständige erste Regungen, die nicht durchgehalten werden. Sein Haß gegen Henri beginnt im Grunde schon bei einer längst vergangenen Schlacht, Jarnac, wo sein eigener Vater geopfert worden ist: der junge Navarra wird gerade dadurch erster Prinz von Geblüt. Als Gefangener mit ihm zusammen im Louvre, hat er mit ihm dasselbe gelitten, nur mittelmäßiger. Ist geflüchtet, zeigt aber in allem weniger Sinn für das Volkstümliche und Erlaubte, für das, was sein soll. Läßt sich mit fremden Fürsten ein, während Vetter Navarra sich befestigen kann und auszudehnen versteht auf seinem Heimatboden, zugegeben, unter dem Beistand vieler Papisten.

Um so mehr versteifte sich der Vetter auf die Reinheit des Parteigeistes, und sein Freund war, wer diesen besaß oder vorschützte. Seinen Johann Kasimir von Bayern hielt er höher als Henri von Navarra; der deutsche Zwergfürst haßte die Laster. Das Lotterleben am Hof von Navarra war ihm so sehr zuwider, daß er bei der bloßen Erwähnung auf den Boden spie; aber der Prinz von Condé erlaubte es ihm. Auch zu einer Verschwörung gegen seinen Vetter gab er sich her. Sie schickten ihm jemand, damit Henri seine Truppen dem Erzbischof von Köln zu Hilfe führte. Dieser war Protestant geworden, die beste Gelegenheit ergab sich, gegen Haus Österreich einen Schlag zu verüben.

Nun war Haus Österreich der Feind, aber ein Feind für später, der größte, der zuletzt kommt. Jetzt nach Deutschland ziehen, hieße das Gewonnene aufgeben, den begonnenen Emporstieg unterbrechen und wer weiß, ob nicht das Königreich verlieren. Etwas anderes wollten sie auch gar nicht, wenn sie Henri vor die Pflicht stellten, wegen der Religion das Land zu verlassen. Er durfte es nicht tun, wie sie wußten. Gleichwohl konnten sie ihn deswegen verhaßt machen bei den Protestanten, die ihm nicht alle trauten; und mit der Nachricht, daß er dennoch aufbräche, erzeugten sie Befürchtungen beim Hof von Frankreich und einen düsteren Entschluß im Geist Philipps von Spanien.

Don Philipp sitzt und spinnt Pläne für sein Weltreich. Was hat das zu tun mit der Sache einiger aufsässiger Ketzer, einem lächerlichen Kasimir, verrückten Erzbischof und neidischen Vetter. Don Philipp über den Bergen errät gleichwohl: ihm und seinem Weltreich wächst ein Feind heran - oh, noch ist er klein. Kämpft sich mit schwerer Mühe durch unbedeutende Hindernisse - aber zu messen ist nicht der Fußbreit Landes, den er sich nimmt, sondern der Ruf und Name, den er sich macht. Man kann nicht zusehen, bis Fama die Trompete ansetzt und zu fliegen beginnt. In Frankreich soll zukünftig nur einer herrschen, Philipp. Haus Valois wird aussterben, und schon vorher wird die Liga des eitlen Guise das Königreich auseinandersprengen vermöge der goldenen Pistolen, die auf den Maultieren schaukeln das Gebirge hinab. Navarra stört, Navarra muß hinweg. Das ist der Schluß im Geiste Philipps und kann bei dem neidischen Vetter auch kein anderer sein.

Henri weiß. Hinter sich hat er den Louvre, er kennt die Hölle. Von Montaigne hat er gelernt, daß Gutsein das Volkstümlichste ist. Mornay lehrt ihn, welche Macht die Tugend hat. Seine Natur bleibt heiter und maßvoll über ihren eigenen Abgründen. Aber er weiß: eine Gattung Mensch will dies nicht, und grade ihr soll er begegnen überall, bis ans Ende. Es sind keine Protestanten, Katholiken, Spanier oder Franzosen. Es ist eine Gattung Mensch: die will die düstere Gewalt, die Erdenschwere, und Ausschweifungen liebt sie im Grauen und in der unreinen Verzückung. Das werden seine ewigen Gegenspieler sein, er aber ist ein für alle Male der Abgesandte der Vernunft und des Menschenglückes. Jetzt versucht er, eine Provinz nach dem gesunden Sinn zu ordnen, später ein Königreich, endlich aber den Weltteil: durch einen Friedensbund der Fürsten und Länder zur Brechung von Haus Habsburg. Dann wird es Zeit sein für die Gattung Mensch, die das Leben haßt - nach dreißigjährigem Mißlingen ihrer Mordpläne wird es für sie Zeit sein, richtig zu zielen mit dem Dolch. Sieben oder siebzig Stöße und Schüsse waren im Laufe der Jahrzehnte fehlgegangen, Henri kam allen zuvor, wie hier dem ersten.

Der König von Navarra erwartete damals Verstärkungen. Dem Offizier, der sie ihm herführte, bestellte er Quartier in einem Ort, genannt Gontaud. Jeder konnte ihn sagen hören, daß er des nächsten Tages dorthin reiten würde. Er war aber gewarnt worden, ein Mörder wäre in der Truppe: gerade darum sprach er von seinem Vorsatz laut und scheinbar unbedacht. Die Sonne ging auf, den König von Navarra begleiteten drei seiner Edelleute, d'Harambure, Frontenac, d'Aubigné. Auf halbem Weg kam ihnen entgegen ein einzelner Reiter, den sie erkannten als einen Edelmann aus der Gegend von Bordeaux. Während die drei Begleiter das Pferd des Fremden zwischen die ihren einzwängten, befiel den König von Navarra eine kitzelnde Angst - unheimlicher als in jedem offenen Gefecht, wo ein kühner Vorsatz über die Furcht siegt. Lieber wäre der König von Navarra geflüchtet, er fragte aber recht fröhlich, ob es ein gutes Pferd wäre, und auf die Antwort: ja, ritt er heran und betastete es, verlangte es auch zu kaufen. Gavarret, so hieß der Mann, erbleichte und wußte nicht, was er denken sollte, wohl oder übel stieg er ab. Der König von Navarra saß auf und sah sogleich nach den Pistolen: eine fand er mit gespanntem Hahn.

»Gavarret«, sagte er, »ich weiß, daß du mich töten willst. Jetzt kann ich dich selbst töten, wenn ich will.« Dabei schoß er in die Luft.

»Sire!« antwortete der Mörder. »Ihre Großmut ist bekannt, Sie werden mir mein Pferd nicht fortnehmen, es ist sechshundert Taler. wert.«

Das war dem König von Navarra schon berichtet, und auch, daß der Mörder es geschenkt bekommen hatte, damit er ihn tötete. Er wendete daher das Pferd und ritt im Galopp nach dem Ort Gontaud, wo er es abgab. Seinem Offizier befahl er, diesen Gesellen auf gelegene Art loszuwerden, wie es auch geschah. Der Mann kehrte dann zu der römischen Religion zurück. Als er für ein gutes Pferd den König von Navarra töten wollte, gehörte er zur reformierten - war aber nicht dies noch das. Sondern er war von einer Gattung Mensch: die haßt nun einmal Henri, er fühlt es schon hier und wird Rache allmählich ganz unnütz finden. Die Mörder wachsen immer nach.

Dieser war nur der erste.

 

Fama

Der zweite ließ nicht warten, und er war ein Spanier: man mußte sich nicht den Kopf zerbrechen, woher er kam. Er schielte, hatte klaffende Nüstern und eine rundum geschwollene Stirn - kein schöner Mann. Dieser Loro, wie er sich nannte, wollte eine spanische Grenzfestung an den König von Navarra verraten, oder gab es vor, um bis in seine Leibesnähe zu gelangen, was aber fehlschlug. Dieselben Edelleute, die den König von Navarra vor Gavarret geschützt hatten, stellten den Spanier in einen offenen Gang: der umgibt das Schloß vor Nérac. Dort stemmte jeder eines seiner Beine gegen die Mauer, und über diese lebenden Schranken hinweg sollte Loro zu dem König sprechen. Da er nichts vorzubringen hatte, außer betrügerischem Geschwätz, und auch am nächsten Tage nichts, wurde er erschossen. Es ist nicht leicht, fertig zu werden mit einem, den das Schicksal aufhebt, und es zeigt sogar schon flüchtig sein Gesicht. Die beiden Mordversuche verrieten, mehr als alles andere, daß Henri anfing, eine Macht zu werden.

Er beschränkte sich und blieb auf seinem eigenen Boden, den aber durchackerte er mit den Hufen seines Pferdes, bis jede Scholle sein war und für ihn Frucht trug. Die Städte waren jede einzeln gewonnen und erschlossen, die Menschen erobert von Grund auf - nicht mit Gewalt; erstürmen soll man Mauern, nicht Menschen. Diese sind freundlichen Beispielen zugänglich, wenn man sie statt dessen auch hängen könnte. Dann erreicht sie der Ruf, vernünftig und menschlich zu sein, was übrigens die Absicht der Religion ist. Sie hängten sich anfangs lieber selbst auf, endlich aber begriffen viele ihr wirkliches Wohl, wenn auch nur für eine Weile und wenige Geschlechter.

Der neue Stellvertreter des Gouverneurs der Guyenne war nicht sein Feind, er hätte es sich gar nicht mehr erlauben können. Damville, Gouverneur der benachbarten Provinz Languedoc, war sein Freund. Unerschütterlich stand vor dem Ozean, auf dem Mittelpunkt der langen Küste die Festung La Rochelle. Von ihr schräg abwärts gegen Süden führte die Linie: unterhalb ihrer hatte der König von Navarra für sich eine Mehrheit; diese erhoffte von ihm das verschiedenste, aber es war eine große Zahl Hoffender.

Die Gewöhnlichsten nannten ihn einfach lou noust Henric, und meinten damit nachgerade viel: seine täglichen Mühen und Arbeiten unter ihren Augen seit langen Jahren; das Geld, das er aufwandte, die Waffen, die er führte - und seine Gestalt, den Reiter im Wams aus geripptem Samt, gebräunt die Wangen wie ihre eigenen, sanfter, fester Blick, und der kurze junge Bart. Wenn er vorbeikam, wurde ihr gefährdetes Leben sicherer; der Friede des Landes, der immer schwankt, stand diesmal fest im Gleichgewicht. Die anderen, Gelehrte oder auch nur Verständige, sprachen untereinander herum, was jetzt im mehr geistigen Sinn zu halten war vom König von Navarra. Sie fingen damals an zu sagen, sein Geist wäre lebhaft, sein Verhalten schlechthin unvergleichlich und sehr mutig die Art, wie er sich durchsetzte. Aus solchem Stoff sind die größten Fürsten erwachsen, versicherte jeder dem anderen und hatte sich wirklich davon überzeugt - wenn auch nicht ohne Dazutun der Kanzlei von Navarra.

Mornay leitete sie, und er behauptete in Berichten, die er umgehen ließ, über die Stellung seines Fürsten, daß alle guten Franzosen anfingen, den Blick auf ihn zu richten. Viele taten es erst darum wirklich: sogar die Fremden; denn Mornay schickte seine Werbeschrift nach England. Daraus ersahen Elisabeth und ihr Hof allerdings Günstiges genug über Henri von Navarra. Wenig blieb zu hoffen, wenn man Mornay hörte, von dem gegenwärtigen König von Frankreich, noch auch von seinem Bruder, der sich nach wie vor um die Königin bewarb und soeben bei ihr zu Gast war. Mornay fuhr sogar selbst hin, er übertraf persönlich die Tätigkeit seiner Partei und verhinderte die englische Heirat des Mannes mit den zwei Nasen: dies aber nur durch eine richtige Kennzeichnung des Irrwischs. Die Diplomatie soll Verwirrungen nicht aufkommen lassen. Wenn sie gut ist, bleibt sie bei der Wahrheit.

Eine andere Meinung wurde bekannt: zuerst in der Gegend ihres Ursprungs, dann weiterhin ging sie von Mund zu Mund. Der neue Bürgermeister von Bordeaux sollte sie zu einem anderen Humanisten geäußert haben. »Deutlich tritt in Erscheinung, daß alle diese Religionskriege nichts weiter sind als Unternehmungen zur Zerreißung Frankreichs.«

Vorbei die Zeiten, als Herr Michel de Montaigne sich hierüber in größter Heimlichkeit verständigte mit Henri von Navarra. Jetzt bekannte er es laut, und nicht nur in der Bibliothek seines kleinen Schlosses oder im Rathaus der Stadt Bordeaux, die ihn zu ihrem Oberhaupt erwählt hatte unter tätigem Beistand des Gouverneurs. Er hätte es auch geschrieben. Aus dem Turmzimmer seines kleinen Schlosses war ein Buch hervorgegangen, alle anderen Humanisten des ganzen Königreiches lasen es, sie ließen sich von ihm bestärken in der Mäßigung und im Zweifel. Beide waren ihnen angemessen, und wären dennoch durchaus verderblich gewesen, gesetzt, die Humanisten hätten nur denken gelernt, nicht aber auch reiten und zuschlagen. So stand es nicht. Sogar Montaigne war Soldat gewesen, trotz seinen ungeschickten Händen hatte er dies notwendige Handwerk getrieben - notwendig, weil es sonst allein den Hirnlosen überlassen bliebe. Das muß man wissen: wer denkt, soll handeln, und nur er. Dagegen gibt es das sittlich Ungeheure außerhalb der Grenzen der Vernunft. Das ist die Sache der Unwissenden, die gewalttätig werden durch ihre ausschweifende Dummheit. Ihre Versuchung und Gelegenheit ist die Gewalt. Seht den Zustand des Königreiches! Es verwahrlost, es wird ein Morast aus Blut und Lüge, und kein gerades, gesundes Geschlecht könnte auf einem solchen Boden noch heranwachsen, wenn nicht wir Humanisten auch ritten und zuschlügen. Des werden wir Sorge tragen. Verlaßt euch, daß wir reiten und zuschlagen! Zu unseren Häupten, auf den niedrigsten der Wolken, fahren mit uns über das Land hin sowohl Jesus von Nazareth als auch mehrere Gottheiten Griechenlands.

Herr Michel de Montaigne, seines Wertes bewußt, übersandte durch Kurier dem König von Navarra sein Buch - in Leder, und eingeprägt mit Gold das eigene Wappen des Edelmannes, wenn auch nur rückwärts. Vorn prangte das Wappen von Navarra; und eine solche Anordnung war sinnvoll, sie hieß: Fama hat uns einen Augenblick lang gleichgemacht. Sire, ich lasse Ihnen den Vortritt.

Die stolze Sendung sagte noch mehr. Dies Buch ist gedruckt worden in Bordeaux, von wo die Schiffe durch Sturm und Stille bis zu den fernen Inseln reisen. Es kann sein, daß dies Buch schließlich noch weiter als sie und durch die Jahrhunderte bis in die Unvergänglichkeit reist. Gewiß ist, Sire, daß ihm voraneilen wird Ihr Name. Eins wünsch ich mir so ehrlich wie das andere, da ich Ihr Gefährte bin, und nicht anders als Sie, das Recht, das mit mir geboren wurde, als einzelner Mann behaupte durch Kampf und Verdienst. Sire, Sie und ich sind, wie nicht leicht jemand, angewiesen auf Fama. Den Ruhm darf nicht leichtnehmen, wer dauerhafte Werke schreiben will oder den Geschmack der Menschen zu treffen gedenkt durch Taten.

Ein Satz aus dem Buch stand darin handschriftlich besonders vermerkt.

»Alle Tagen außerhalb der gewöhnlichen Grenzen unterliegen den schlimmsten Deutungen, denn unser Geschmack sträubt sich gegen das Verstiegene, und auch dem Niedrigen widerstehn wir durch unseren Geschmack.«

 

Abschied von Margot

Ihre kummervollste Zeit brach an, und doch versäumte Margot nichts, um das Unheil aufzuhalten, als sie es kommen sah. Lange bemerkte sie es nicht: sie hatte sich in Nérac an das Glück gewöhnt und rechnete mit keinem Wechsel mehr. Sie wollte zuerst nicht glauben, als Rebours ihr hinterbrachte, daß es tatsächlich geschehen wäre zwischen Henri und Fosseuse. Diese war doch »Töchterchen« für Margot wie für Henri, ein schüchternes kleines Wesen, die Ergebenheit selbst. Rebours im Gegenteil verzehrte sich vor Neid auf jede andere, die von Henri bemerkt wurde; denn sie selbst, Rebours, hatte ihm zu Anfang gefallen, aber da sie erkrankte, ging für sie der günstige Augenblick vorbei.

Jetzt rächte sie sich und entwendete die Rechnungen des Apothekers Lalanne, um sie ihrer Herrin zu zeigen. Da stand verzeichnet: »Für den König, als er sich bei den Mädchen der Königin im Zimmer aufhielt, zwei Schachteln Marzipan. Nach dem Ball, Gläser Zuckerwasser und Schachteln Marzipan für die Mädchen der Königin.« Das ging noch alle an, das folgende betraf nur Fosseuse. »Für Fräulein Fosseuse ein Pfund Zuckerwerk, vierzig Groschen. Für dieselbe: Bonbons und Rosenkonfekt, Eingemachtes, Fruchtsäfte, Marzipan« - allein für Fosseuse. - »Sie wird sich den Magen verderben«, sagte Margot im Ton der Besorgnis; die neidische Rebours sollte nicht behaupten können, sie hätte Eifersucht bemerkt bei der Königin. Rebours indessen hatte das Schlimmste noch aufbewahrt. Die letzte Rechnung lautet: »Für den König, in das Zimmer des Fräulein Fosseuse gebracht, ein und dreiviertel Pfund Marzipan mit vier Unzen Fruchtsaft, zwei Taler drei Pfund.«

Aus diesen genauen Angaben des Apothekers ersah die arme Margot, was tatsächlich geschehen war. Ihr geübtes Gesicht verriet ihren Schrecken nicht der neidischen Rebours, und mit der schuldigen Fosseuse verfuhr sie um so vertraulicher, erbat auch, wie bisher, ihre guten Dienste beim König. »Fosseuse, mein Töchterchen, ruf mir meinen geliebten Herrn! Sag ihm, ich wüßte ihm Neues zu melden über meinen königlichen Bruder von Frankreich. Du möchtest es wohl wissen. Mein Bruder hat einen bösen Traum gehabt, meine Mutter hat ihn mir beschrieben. Ihm hat von reißenden Tieren geträumt, Löwen und Tiger fraßen ihn auf, und in Schweiß gebadet ist er erwacht. Da hat er befohlen, daß alle Bestien seines Zwingers erschlagen würden. Geh, berichte es unserem Herrn, und daß ich noch viel mehr weiß.«

Absichtlich sagte Margot: unserem Herrn - Fosseuse sollte glauben, daß sie nichts ahnte, nichts bitter empfand und ihr den erlaubten Platz des Töchterchens gut und gern gönnte. Fosseuse aber kehrte von diesem Weg nicht zurück, blieb vielmehr mit Henri; und da sie ihm den Auftrag nicht ausrichtete, ging er zu Margot an dem Tage nicht. Das war das Geständnis des Mädchens, und von jetzt an wich sie der Königin aus, wurde verstockt, dreist und nahm den König gegen sie ein. Margot dagegen, im Gedanken an die glücklichen Jahre, die nicht aufhören sollten, hütete sich, etwas Unwiderrufliches zu tun. Sie hoffte, daß ihr lieber Herr auch Fosseuse einmal satt bekäme wie jede andere. Inzwischen unterhielt und spannte sie ihn mit ihren Nachrichten aus dem Louvre. Er bezog selbst welche durch seinen Rosny, der am Hof von Frankreich zwei Brüder hatte. Die Gatten kamen zusammen, um zu vergleichen und auszutauschen: das war jetzt noch ihre sicherste Gemeinschaft.

»Der König von Frankreich erhebt immer neue Steuern für seine Lieblinge«, begann der eine. Der andere versicherte: »Beim Volk heißt er nur noch der Tyrann.« Darauf beide durcheinander: »Es kann nicht mehr lange gut gehen. Der Liebling, der jetzt Joyeuse heißt, hat eine Schwester der Königin und ein Herzogtum bekommen; das verzeiht der Adel dem König nicht. Das Volk wieder vergißt nie, daß ein Mensch dieser Art und Herkunft bei seiner Hochzeit, die alle bezahlen mit ihren Steuern, gekleidet sein konnte wie der König selbst. In Frankreich war ein so großer Aufwand noch nicht gesehen worden. Siebzehn Festmähler, alles von den Steuern; Maskeraden, Turniere, und auf der Seine fuhren vergoldete Schiffe mit nackten Heiden - kein Anblick für das Volk, das wir so wenig als möglich erinnern sollten an seine Lasten.«

»Sondern wir müssen sie ihm abnehmen«, sagte Henri. »Es kostet nicht viel, Wein aus dem Faß zu zapfen: weniger, als Blut aus den Menschen.«

Die verwöhnte Prinzessin von Valois, einst berühmt und besungen wegen ihres nahezu vermessenen Auftretens bei Prozessionen, senkte bescheiden die Stirn. Ihr ganzer Ehrgeiz war, die ländliche Fürstin zu bleiben wie bisher. Für ihren lieben Herrn wollte sie mehr, war seit langem einig mit ihm über seine Berufung - nur hätte sie diese gern hinausgeschoben. Ihr königlicher Bruder, den sie nicht liebte, konnte einen Erben bekommen: dann starb ihr Haus nicht aus. Oft fühlte Margot mit ihrem Bruder, nicht mit Henri; daher begriff sie, warum er seinen Lieblingen, die nichts weiter waren als schädliche kleine Abenteurer, dennoch Wohltaten zuwendete wie seinen eigenen Kindern. Er wollte sie dafür halten und sie dazu machen, damit er nicht unter den reißenden Tieren seines Traumes ganz allein wäre. Margot verstand ihn zuzeiten: das war, sooft sie allein saß und sann. Jetzt hat er auch den Bruder dieses Joyeuse zum Herzog erhoben und ihm die zweite Schwester der Königin gegeben. Er bezahlt nicht einmal mehr seine Soldaten; er sagt: »Wenn erst alle meine Kinder verheiratet sind, werde ich vernünftig.« Margot sann: ›Seine Kinder!‹ Lange seufzte sie, versank in den Kerzenschein und bemerkte nicht, daß die Blätter ihres Buches sich wendeten vom Lufthauch.

Eines Tages war sie durch Nachrichten sehr erregt, auf der Stelle verlangte sie nach Henri, aber er war ausgeritten. Statt seiner erschien Fosseuse, die schlecht aussah, bleich, das Gesicht in die Länge gezogen und übellaunig. ›Bald wird es zwischen ihm und ihr vorbei sein‹, dachte Margot flüchtig; aber überwältigend war ihr Drang, sich mitzuteilen, wär es dem Mädchen, das an seiner Brust gelegen hatte wie sie. »Fosseuse!« rief die arme Margot und umarmte sie vor Bewegung - keine Gelehrte mehr, keine Prinzessin mehr, eine hilfesuchende Frau.

»Fosseuse, es ist komisch, wenn es auch furchtbar ist: sie wollen meinen Bruder, den König von Frankreich, ins Kloster sperren, weil seine Ehe unfruchtbar bleibt. Er kleidet sich aber von selbst schon wie ein Mönch, hat seine Schleifen und Federn wieder einmal abgelegt, seine Lieblinge fortgeschickt, und mit der Königin ist er gewallfahrtet, damit sie fruchtbar wird und ihm den Dauphin gibt. Er hatte nachher die Füße voller Blasen, die Königin aber bleibt unfruchtbar. Ist das nicht zum Lachen: Ja gewiß, es ist lächerlich, etwas so Einfaches nicht fertigzubringen, wie es das Gebären ist. Man bietet ein Schauspiel dem ganzen Hof, der den Leib der Königin spöttisch abschätzt. Den König aber sehen sie gähnen von seinen vergeblichen Anstrengungen, um Vater zu werden, und alle gähnen mit ihm. Ein lustiger Hof, ha, ha!«

Während ihres schwachen Versuches zu lachen, glitten ihre Hände an Fosseuse herab: so entdeckte Margot durch ein zufälliges Tasten, was sie noch früher erkannt hätte, wenn sie es hätte wissen wollen. »Die andere, Fremde, soll ein Kind bekommen von Henri. Ich nicht, ich habe etwas so Einfaches wie das Gebären nicht fertiggebracht. Anstatt den König und die Königin, verhöhne ich mein eigenes Geschick.« Sie fingerte an dem fremden Leib, bis das Mädchen böse wurde. »Was fällt Ihnen ein, Madame«, keifte Fosseuse. »Das sag ich dem König, daß Sie sich an mir vergreifen.«

»Töchterchen, sei gut, wie könnt ich seinem Kinde weh tun!«

»Madame, auch noch Beleidigungen!«

Die ehemals Sanftmütige erstickte vor Zorn, ihr Hals lief blau an. »Wenn er nicht ausgeritten wäre, sollt er mir gleich bezeugen, daß ich fälschlich verdächtigt werde. Madame, alle will ich Lügen strafen. Madame, Sie mögen mich nicht und wollen mich stürzen«, schrie Fosseuse, da sie wieder bei Atem war. Margot sprach um so leiser.

»Uns muß nicht jeder hören. Töchterchen, vertrau mir doch. Ich meine es mit dir wie eine Mutter. Wir beide können zusammen fortgehn, ich will dir selbst beistehn und Hilfe leisten.«

»Madame, Sie wollen mich töten lassen. Was Sie sich einbilden, ist nicht wahr.«

»Hör mich nur an. Wir nehmen als Vorwand unserer Reise die Pest, denn wirklich ist sie aufgetreten in einem Hause nah von hier, das dem König gehört.«

»Der König!« kreischte die Wütende, da sie Hufschläge hörte, stürzte aus dem Zimmer, stolperte und wäre zu Fall gekommen. Margot hielt sie aufrecht um seines Kindes willen. Kurz darauf aber trat er selbst bei ihr ein und zeigte sich erbittert gegen die arme Margot. Ihr glaubte er nicht, wie genau sie ihm alles erklären mochte. Er glaubte der albernen kleinen Lügnerin. Daran erkannte Margot zum erstenmal deutlich, daß ihr Glück zu Ende war. Sie verlor ihr Selbstvertrauen, das stolz gewesen war die Zeit über am Hof von Navarra. Mit der gesicherten Zukunft gab sie alsbald auch ihre Haltung auf und ließ ihre Natur ausschweifen wie nur jemals in Schloß Louvre.

Ihr geliebter Bruder d'Anjou, früher d'Alençon, traf etwas später zu Verhandlungen ein, und mit ihm sein schöner Oberstallmeister. Kaum erblickt, überwältigte dieser Edelmann die arme Margot und wurde der Herr ihrer Gedanken. Gegen ihren Bruder verstellte sie sich nicht. Als Mann und häßlich wie er, wäre sie ungefähr das gleiche geworden, ein Irrwisch, und hätte ihr Leben ganz vergeudet, anstatt nur Teile davon. »Champvallon ist der schönste Mann seit dem Altertum!« beteuerte Margot.

»Schneid ihm den Kopf ab«, schlug ihr Bruder vor. »Balsamier ihn, setz ihm Edelsteine ein und führ ihn mit dir über Stock und Stein: das ist das Sicherste, wie du aus Erfahrung weißt, liebe Schwester.«

»Er ist die einzige Sonne meiner Seele! Mein schönes Herz, mein alles, mein Narziß!«

»Jedes Wort bestell ich ihm«, versprach ihr Bruder, und tat es gern. »Deinem Hahnrei Navarra wird es eine Lehre sein. Er hat mich der Engländerin verleidet, und sie brachte mir doch jeden Morgen selbst die Schokolade. Nannte mich ihr Italienerchen und wollte immer fühlen, ob ich keinen geheimen Höcker hätte. Ha ha!« Das Lachen hatte er wie seine wohlgebildete Schwester - weich wie der Strich auf dunklen Geigen. Leider wurde der schöne Ton unheimlich, da er aus dem kleinen Körper kam.

»Mir ist, als würde ich eine gewisse Königin, die ihren Hof höchst satt hat, bald in Paris wiedersehen«, sagte er später zum Abschied und fuhr dahin mitsamt der unvergleichlichen Antike, die ihm als Oberstallmeister diente. Margot aber reiste in ein Bad, nur ihre Mädchen und Edelleute begleiteten sie, nicht Henri. Er brachte Fosseuse in ein anderes Bad. Vorher hatte er sich dringend bemüht, damit beide Frauen dasselbe aufsuchten. Er hoffte, die Liebe zu ihm würde sie versöhnen - welchen Irrtum beide ihm übelnahmen, obwohl es der gewöhnlichste Irrtum ist. Henri beging ihn eigentlich wegen seines mitfühlenden Herzens, da er die arme Margot viel weinen sah. Nun weinte sie gewiß, weil Fosseuse ein Kind bekommen sollte und sie nicht, weinte über sich, die ihr Glück verloren hatte durch ihre Unfruchtbarkeit - beweinte ihre Unrast, der sie wieder verfallen war, und die neu hereingebrochenen Abenteuer. Aber auch dem Abenteuer, der schönen Antike, schickte sie Tränen nach; und es entschädigte sie, daß wenigstens diese Trauer ihr eigenes Werk und keine Demütigung durch andere war.

»Wenn du wüßtest!« dachte sie in ihrem gequälten Herzen, weil Henri sie drängte, mit ihm und Fosseuse in dasselbe Bad zu kommen. »Ich hasse dich und liebe nur meinen Narziß!« So war es nicht; Margot haßte Henri hier noch durchaus nicht; durch Bemühungen aber, die man zuerst selbst nicht ernst meint, kann es schließlich wahr werden. Da Henri wählen mußte, entschied er sich für seine Geliebte anstatt für seine beste Freundin und führte sie oberhalb von Pau in das Gebirge, Eaux-Chaudes heißt der Ort. Er war einsam und schwer zugänglich. Vor der Ankunft bei den Bädern mußte man durch eine der gefährlichsten Stellen der Pyrenäen, »das Loch« genannt, und dies mit einer Frau in den Umständen wie Fosseuse.

Hier kam denn auch die neidische Rebours dahinter: solange hatte sie noch an ein Magenleiden geglaubt, infolge zu vieler Süßigkeiten. Sie behielt ihre Kenntnis für sich allein und benutzte sie nur, um die verhaßte Geliebte zu ängstigen, sooft sie allein waren. Die arme Margot konnte sich nichts Besseres wünschen. Grade darum hatte sie Rebours den Reisenden mitgegeben; ihr Geist weidete sich wenigstens an dieser einzigen Rache, wenn sie badete, allein und verlassen in Bagneres. Das Städtchen liegt an flacheren Abhängen, im Land Bigorre, nicht in dem hugenottischen Béarn, das zu betreten Margot verschworen hatte, seitdem sie in Pau beleidigt worden war wegen der Messe.

Die arme Margot, sie verließ ihr Gefolge, irrte durch Wälder, und da sie zu ihrem Schutz einen Dolch bei sich trug, ritzte sie Worte in die Felsen. Zuerst war es der Name ihrer verlorengegangenen Antike, ihres Narziß, ja, seine körperlichen Vorzüge fügte sie im Umriß hinzu. Dabei weinte sie alle Tränen ihres Leibes, bis sie selbst nicht mehr sah, was sie tat. Als sie ihre Augen getrocknet hatte, las sie die zuletzt geschriebenen Buchstaben, und diese ergaben: Henri. Die arme Margot wurde wütend, sie setzte dahinter ein Kreuz. Dann weinte sie um so heftiger.

In Eaux-Chaudes inzwischen war alles eifrig beim Genuß der Natur und ihrer wunderbaren Kräfte. Eine Frau besonders, die sich in die heißen Quelle legt, ist sicher, glücklich niederzukommen. Andererseits ist dieses Wasser wirksam für die Heilung aller Verwundungen und gegen die Schmerzen, die verursacht sind durch häufiges Nächtigen im Freien auf kaltem Erdboden sowie durch alle übrigen Mühen des Krieges. Beide, Fosseuse und Henri, benutzten das Bad viele Stunden lang. Lauben aus Blättern faßten es ein, und diese waren eigens angefertigt für den Aufenthalt und den Arbeitern bezahlt mit sechs Pfund. Unter jeder Laube badete ein kranker Offizier oder sonst ein Gast, dem Henri alle seine Kosten vergütete, damit in der Welt die Rede wäre von den Quellen der Pyrenäen. Dichter wie Du Bartas verfaßten Verse auf sie und empfingen gleichfalls den Lohn. Den Weg herauf mitsamt seinen Gefahren machten daher viele Leute: der König von Navarra war immer umringt. Seine Schwester, die während seiner Abwesenheit in Pau das Land verwaltete, schickte ihm Berichterstatter auf Maultieren. Auch schwankten die steilen Pfade hinan Maultiere mit Schläuchen voll Wein. Tätigkeit und geselliger Eifer belebten das Hochgebirge.

Margot, dort unten, bewohnte eine bequeme Stadt, Bagneres, mit gutgehaltenen Thermen: schon die Damen und Herren des Altertums haben dort gebadet und den Sprudel getrunken. Die besten Häuser waren alle belegt mit der Begleitung der Königin von Navarra; um sie her schwirrte man, duftete, und redete ihr zu Ehren gut. Sie aber bedachte unablässig, was alles ihr geliebter Herr dort oben aufwendete an Mühen, Aufmerksamkeiten und Geduld - für Fosseuse, die seinen Sohn im Schoß trug. Die unfruchtbare Margot war alleingelassen. Sieh selbst zu, ob dieses Gewässer auch dich endlich fruchtbar macht. Solange bleibt dein geliebter und gehaßter Herr bei der anderen, die das Kind schon im Schoß trägt!

Trank sie den heißen Quell und legte sich hinein, dann war es ihr, als tränke sie das Nichts, läge in der steinernen Zelle wie eine Entschlafene. Schnell mußten laute, frohe Reden angestimmt werden durch die offenen Türen der Badestuben, längs des geweißten Ganges. Sie wollte Verse und ihre eigene klangreiche Stimme hören. Was sie überdies anhörte und täglich verschlang, inbrünstiger als das Heilwasser, war die heilige Messe, war der Zuspruch durch den Priester und das Gebet um das Kind. ›Es wird sein: ich fühl es, es ist verheißen. Ich werd in meinem Schoß seinen Sohn tragen: dann verstößt er mich nicht und nimmt nicht Fosseuse. Ich muß ihn nicht hassen. Er soll König von Frankreich sein, ich seine Königin, der Dauphin wird geboren aus meinem Schoß. Das Glück ist erreicht, eingetreten ist die Ruhe. Nicht vergeblich war unsere große Liebe, die Blutschuld, wir beide soviel umgetrieben. Ruhe, Ruhe, und das Glück!‹

Als die arme Margot zurück nach Nérac fuhr, glaubte sie fest, sie wäre vorbereitet. Nun zog ihr geliebter Herr eines Morgens den Vorhang von ihrem Bett; angstvoll und verlegen bat er um ihren Beistand für Fosseuse. Sie möge ihm verzeihen, daß er bis jetzt verheimlicht hatte, was geschehen war. Darauf sagte sie: Soviel ihr von ihm auch immer käme - und konnte nicht weitersprechen. Ging aber in das Zimmer der Wehmutter, nachdem sie alle fortgeschickt hatte, denn bis zuletzt hatte Fosseuse die anderen getäuscht - und dort half Margot, die hier die Demut erreicht hat, ein Mädchen zur Welt zu bringen. Es war kein Sohn, die Gefahr war überstanden, Fosseuse sollte sie nie verdrängen. Henri ließ sogar zu, daß Margot die Abgedankte mit an den Hof von Frankreich nahm, als sie dorthin aufbrach. Das war ein bequemer Abschluß für Henri und erleichterte ihn.

Für Margot war es mehr. Sie reiste, zuerst um ihrer Würde willen; denn wäre sie nicht die Schwester des Königs von Frankreich, die sich herabgelassen hatte zu Henri, bevor sie für ihn sogar die Demut erlernte - ist sie doch immer eine Frau. Zwar bleibt sie unfruchtbar, hofft auf den Sohn nicht mehr, und auch nicht mehr auf Ruhe. Sie entfernt sich im Grunde, damit der Kampf zwischen ihr und ihrem geliebten Herrn nicht ausbricht, während sie noch beisammen sind, und nicht der Haß, solange sie noch Bett an Bett liegen. Nichts anderes bewegte sie anfangs; aber natürlich wurde Margot benutzt für die gewohnten Pläne, den König von Navarra an den Hof von Frankreich zu ziehen - als ob die Gefahren dieses Hofes ihr weniger bekannt gewesen wären als ihm. Indessen leugnete sie alle und beschrieb in ihren Briefen seine Feinde als ganz heruntergekommen, Guise gealtert, sein Bruder Mayenne entsetzlich fett. Warum tat die arme Margot es?

Sie schrieb: »Wären Sie hier, Ihnen würden alle sich anbieten. In acht Tagen bekämen Sie mehr Freunde, als Ihr Leben lang dort unten.« Und das schrieb sie, weil sie es wünschte, stolz wie sie war auf ihren Herrn. Es konnte sogar die Wahrheit sein, oder die eine Seite der Wahrheit. Die andere dagegen blieb, daß ihr Herr den Guise verhaßt und bei ihrem königlichen Bruder nicht beliebt war. Da die Bartholomäusnacht von Karl dem Neunten nicht aufgehalten worden war, was konnte wohl sein Nachfolger verhindern. Schwach war dieser so ungleich, verstört, gehetzt und alleingelassen war kein König gewesen. Die Herren von Lothringen sahen in Wirklichkeit anders aus, als Margot sie beschrieb. Die Stadt war voll ihrer Reiterei: sie ernannten, hoben Steuern ein und befahlen, nicht aber der König. Hätte Henri sich hinbegeben in die Mörderhöhle, die er kannte, der König von Frankreich begrüßte ihn vielleicht dennoch als seinen Retter, aber die Guise? Navarra, der einzige, der ihren Plänen noch im Wege war, wie sie dem König von Spanien ausdrücklich meldeten, was hätten sie getan mit Navarra? Man tötet nicht mehr eigenhändig, wenn schon gleich der Thron erreicht ist. Das war zur Zeit des Admirals Coligny. Jetzt veranstalteten Guise und seine Liga, sooft sie wollten, eine Volksbewegung: darin wäre, wie zufällig, Navarra umgekommen.

In Nérac bestand hierüber kein Zweifel; der Geheime Rat erwog es, Mornay setzte es auf. Las nun Henri die Briefe der armen Margot, dann hielt er sie für Verräterei, er konnte gar nicht anders - und sie waren einesteils wohl auch das. Abgesehen davon sprachen ihre ehrlichen Herzenswünsche für die Größe ihres Herrn. Da es aber mit ihr dahin kommen soll, verwirrt und entwertet Margot selbst ihr Verdienst, und Henri erkennt es nicht mehr.

Ihre doppelsinnigen Einladungen beantwortete er mit einer offenen Kränkung. Er verlangte, daß sie Fosseuse nicht fortschickte, sondern immer um sich behielt: damit beendete er absichtlich den gütlichen Verkehr. Übrigens dachte er damals schon nicht mehr an Fosseuse. Er war inzwischen von einer neuen Frau beglückt und hingerissen worden. Keine leichte Zärtlichkeit spielte sich diesmal ab und noch weniger eine Leidenschaft, dunkel wie Schicksal oder wie Blut. Als Henri diese Dame aus Bordeaux näher kennenlernte, gefiel ihm ihr selbstgewählter Name Corisande, der sie zu einem erlesenen Geschöpf wie aus romantischen Dichtungen machte. Ihn überraschte ihr phantastischer Aufzug, ein kleiner Narr, ein langer Mohr, Papageien, Affen und anderes mehr, womit umgeben sie zur Messe ging. Die Gräfin von Gramont war klug, sie war wohlredend und besonders war sie reich. Anstatt anderer Schönheiten hatte sie eine sehr weiße Haut. Da sie eine Freundin seiner Schwester war von Kindheit auf, hatte Henri sie auch früher schon gesehen. Jetzt auf einmal große Liebe, oder was er dafür hielt.

Zweifellos hat vom ersten Tage an die Dame ihn mehr geliebt als er sie. Sie hat ihn sogar vorher unbekannt erträumt, und ihr ganzer Aufzug war bestimmt, ihm aufzufallen. Er geisterte durch ihre Nächte, seitdem Fama seinen Namen ausrief, und sie hatte sich vorgesetzt, seine Muse zu sein. Die Muse eines großen Fürsten und Soldaten wird ihm Regimenter aufstellen mit ihrem Geld, nach Schlachten und Siegen wird sie ihm ihre weißen Arme öffnen. Besonders wird sie ihn schreiben lassen, Briefe und kein Ende; bei ihr wird er der unvergleichliche Schriftsteller sein. Das wird dauern die ganzen Jahre, bis der Ehrgeizige sich ausgestürmt hat. Dann wird es aufhören auch darum, weil das Antlitz der Muse nicht mehr blendend, sondern rot gefleckt ist. Diese wird, wie jede andere, enttäuscht und bitter sein, uneingedenk der erfüllten Aufgabe, die selbst erwählt war wie der Name Corisande.

All und jedes liegt verschieden bei Margot. Er schreibt ihr keine schönen und meisterhaften Briefe. Sie ist da, wenn ihr Körper da ist. Unverlierbar ist sie nicht, das ist keine; sie aber hat seine Jugend durch und durch geformt, mit Zauber und mit Fluch: beides geht ans Leben, anders als bei edlen Musen. Sie wird keine Regimenter aufstellen für ihren einzig geliebten Herrn, wird eher gegen ihn die Truppen schicken. Denn sie ist die unfruchtbare letzte und soll ihn vergeblich aufzuhalten suchen auf seinem Weg zum Thron. Sogar mit der Liga des Guise und des Teufels selbst wird sie sich zuletzt noch verbünden gegen ihr eigenes Haus, nur aus Haß gegen ihren geliebten Herrn. Als ihr Bruder Irrwisch tot ist, wird sie verstört umherfahren statt seiner, wie man sich benimmt beim Einsturz des Hauses; und gehetzt von dem Haß ihres Bruders König verschwindet sie schließlich als eine Frau allein - könnte nicht einmal mehr schaden, so allein, und verschwindet. Margot!

Noch ist sie im Louvre und will Henri dorthin locken mit den Beschreibungen der Feste. Natürlich weiß sie, daß er eine neue Freundin hat: darüber schweigt sie, aber sie rächt sich. Leider heiratet der unvergleichliche Narziß, sie ersetzt ihn bald und reichlich. Ihr königlicher Bruder wirft ihr, auf offenem Hofball, alle Namen ihrer Liebhaber ins Gesicht. Nächsten Tages muß sie fort, entehrt, verlassen, ja, noch auf ihrer Rückreise nach Süden wird sie plötzlich aufgehalten von Offizieren des Königs und durchsucht wie eine Diebin. Wer aber reitet ihr entgegen und nimmt sie mit sich in sein Schloß, zeigt sich mit ihr am Fenster? Wer ist gut für Margot, umarmt sie wortlos, damit sie weiß: einer leidet mit ihr, schämt sich auch mit ihr?

Am Abend saß sie neben Henri, der sich zum Schein unterhalten ließ von seinen Edelleuten: nur, damit er nicht viel sprechen mußte, besonders nicht zu Margot. Ihr wäre die Stimme erstickt, man sah sie wortlos weinen. Das waren Freudentränen, weil er gut war. Hinein mischten sich Tränen der Erbitterung über ihre eigene Ohnmacht. ›Er liebt, und diesmal ernstlich! Ich bin allen im Wege, seiner Geliebten mit dem lächerlichen Namen, die mich noch vergiften wird, und darum ihm selbst. Was hilft gut sein. Ich bin schon nicht mehr da.‹

Gerade in diesem Augenblick suchte er unter dem Tisch ihre Hand und drückte sie. Zuerst erschrickt sie. Befangen in ihren Ängsten, denkt sie schon: »Abschied von Margot!« Dann erschrickt sie nochmals, aber vor Freude, weil es soweit nicht ist, und das Schlimmste ist noch aufgeschoben. Das Blut strömt ihr zum Herzen; schnell, heimlich beugt sie sich über seine Hand und küßt sie. Nachher hält sie sich im Gegenteil sehr gerade, weint nicht mehr, blickt niemand an - hat begonnen, sich im voraus zu entfernen von hier, fühlt es, will sich selbst zurückrufen, findet keine Wiederkehr. Margot! Nie mehr? Wende dich her, wenn du kannst! Du kannst nicht? Mußt verblassen, mußt entschwinden? Margot!

 

Das Begräbnis

Der letzte König aus dem Hause Valois liebte zu tanzen, und dies für sich allein auf kindische Art, aber immer mit dem verdunkelten Gesicht, das er nicht ändern konnte. Plötzlich fiel ihm ein, den sorgfältig ins reine geschriebenen Akt beiseite zu legen und seinen Pelzrock auszuziehen. Weißseidenes Wams und schmale Hüften, eine verspätete Knabengestalt, so bewegte er sich hin und her vor einem Spiegel, den seine Diener eigens hinstellten. Eine entfernte Musik spielte zu dem Zweck, und der König im stillen Zimmer machte gewählte Schritte, erging sich in Haltungen und Figuren, deren Anmut maßlos war. Unter gesenkten Lidern sah er in dem hellen Glas sich selbst nach wie einen Fremden. Das war nicht er. Leider fühlte er sich nicht als heiteren Tänzer, nicht vom Himmel begnadet, leicht und ohne Erinnerungen. Ihm folgten sie auf Schritt und Tritt: nur die ersehnte Gestalt im Spiegel hatte keine - hatte auch keinen Kopf, denn der Rahmen schnitt ihn ab. Sein Kopf, von schwärzlichen Geistern umschwebt, sann dem Ende nach.

Sein Bruder Franz war hoffnungslos erkrankt; das Blut trat aus ihm, wie einst aus seinem anderen Bruder Karl. In Flandern hatte er den Rest seiner Kräfte unnütz wie alle früheren vertan, lag jetzt und starb. Der König war kinderlos, und hoffte auf keinen Dauphin mehr, denn nichts hatte geholfen, weder die Bäder der Königin noch die große Wallfahrt mit Füßen voll Blasen, noch ein inständiger Bittgang des ganzen Hofes durch die Kirche Notre-Dame. Alles war getan; Angst, Ruhelosigkeit und die Qualen des Ungewissen hätten halbwegs zurückbleiben sollen hinter einem, der allein auf das Ende zugeht. Indessen mit der beschlossenen Unfruchtbarkeit und dem höheren Urteil, auszusterben, findet man sich nicht auf einmal und endgültig ab - nicht Valois kann es. Zweihundert Jahre der Herrschaft seines Geschlechtes sind herum, er soll sie abschließen. Nur zeitweilig scheint ihm das Opfer schon gebracht; unbeirrt und unbetrogen hält er den Sinn auf das Ende gerichtet und übt sich im täglichen Schauder des Endes, bis auch der vielleicht abgenutzt sein wird, und der Tod keinen Schrecken mehr hat. Der Tod wäre zuletzt nicht furchtbarer für den Inbegriff ganzer Zeitalter und eines aussterbenden Königshauses als für einen einzelnen Menschen in seiner Schwäche.

Um dies womöglich zu erreichen, tanzte der König allein, oder fing stundenlang einen kleinen Ball in einem Schälchen auf, oder schlang sich ein blaues Band um den Hals, daran hing ein Korb mit jungen Hunden. Die krochen und winselten: sie lebten, besorgten es für ihn, er brauchte sich nicht zu rühren. Als der Tod seines letzten Bruders ihm gemeldet wurde, stand er selbst ganz wie ein Toter; erwachte auch nicht, antwortete nicht. Die Eingedrungenen verstummten darüber, sie waren versucht, ihn mit dem Finger anzustoßen.

Der Hof erwartete von ihm, daß er jetzt wieder einmal den Mönch spielen würde, im Chor singen mit den anderen Brüdern, bei goldenen Leuchtern und Räucherfässern, die er selbst entwarf aus Sehnsucht, etwas zu erzeugen. Nein, er veranstaltete Trauerfeierlichkeiten, schön wie eine Hochzeit. Das Volk mußte an ihnen teilnehmen, bezahlte sie übrigens so gut und so teuer wie die Hochzeiten der königlichen Lieblinge. Die ganze Geistlichkeit war aufgeboten für das Trauergeleit, darunter dieselben Priester, die von der Kanzel predigten gegen den König. Auf sie folgte der Sarg, getragen von Edelleuten des Toten, und hinter ihm der König - von seinem Haus, das in Särgen lag, nur noch er. Man wunderte sich: der Valois handelte, als wollte er besonders zur Schau stellen, wie allein er war, jetzt und immer. Schwarz verhangene Straßen, und in dem Zuge ging er allein, ohne seine unfruchtbare Königin, mit Abstand von allen anderen, lauter Fremden. Vor ihm der Sarg seines letzten Bruders war eingehüllt in Fahnentuch aus Feldzügen, die der Verstorbene geführt hatte mit zweifelhaften Ehren, und manche gegen seinen königlichen Bruder. Dieser hatte ihm den Tod gewünscht, und nun der Wunsch eingetroffen war, ging er im Zug allein, zwischen dem Sarg und den Fremden.

Den Vortritt unter seinem Gefolge hatten die Günstlinge Joyeuse und Epernon, er hatte sie ausgestattet mit Herzogtümern und ihnen die beiden Schwestern der Königin gegeben. Dann kamen schon gleich seine Feinde, die ihn gegen seinen Willen zu beerben dachten, die Guise.

Sie traten größer auf als sogar der König, ihr eigenes Gefolge prangte zahlreicher, viel edler die Pferde, die man an den Zügeln mitführte. Sie selbst waren Gestalten von hervorstechender Machtfülle. Der Herzog von Guise hatte inzwischen harte Züge bekommen. Er strahlte nicht mehr hell wie einst über Volk und ehrbare Leute hin, der Traumheld ihrer Frauen. Das hatte er nicht länger nötig: so wenig das Verführen wie das Beschenken. Jetzt wurde befohlen. Weder Bürger noch Bauer wurden um ihre Stimme ersucht, sondern wer der Liga nicht beitrat und dem Führer blinden Gehorsam schwor, war verloren. Tu Arbeitsdienst und leist ihm deine Wehrpflicht! Zahl ihm Abgaben, sei tagelang auf den Beinen trotz deinen Krampfadern, bei allen Kundgebungen der Partei, sooft er ihre Massen aufruft! Wo nicht, verlierst du Arbeit und Absatz, du bist geächtet, nur dem Spion und Verräter, der dich ausliefert, lohnst du die Mühe. Wer nachher deine Leiche findet, macht einen Bogen.

Ein mörderischer Geheimbund, schwillt an unaufhaltsam, er legt sich über den Staat und saugt ihn in sich auf, während die Gesetzlichkeit nachgerade kraftlos aussieht wie dieser König unter seinem Baldachin bei dem Begräbnis seines letzten Bruders. Heute beredet der halbe Trauerzug - Geistlichkeit, Armee und Hof, die ehrbaren Leute und das Volk, alle bereden heute seine Nachfolge, nicht anders, als begrüben sie ihn selbst. Morgen werden seine eigenen Lieblinge zu den Guise überlaufen, die Liga wird ihn lebend von der Erde vertreiben, ihn fortdrängen auf einen letzten Fleck, bis jemand ihn tötet. Er weiß im Grunde viel voraus - zwingt sich, aufrecht zu schreiten unter seinem Dach aus gewirktem Gold, und hört, was nicht für ihn bestimmt ist: wie sie untereinander seine Provinzen verteilen, ihre Ansprüche anmelden auf die Ämter, Finanzen und die Kriegsmacht. Er hört es nicht wirklich, der Abstand zwischen ihm und allen wäre zu weit: er fühlt. Sein Inneres zittert von Ahnungen, die Geräuschen gleichen. Er schließt die Augen und meint bei Nacht durch einen gefahrvollen Wald zu irren. Wer verteidigt ihn? Da schrickt er auf - ein Getümmel. Auf den Stufen dieser Kirche schreit ein Haufe: »Valois, verrecke!« - was ihm nicht neu ist. Dergleichen wird bestellt und bezahlt, er weiß von wem. Einschreiten der Wache, die Schreier flüchten, Gedränge, der Zug kommt ins Wanken. Der Baldachin sinkt, er knickt langsam ein über dem König, der sich bückt, der ein Knie beugt, dann beide, endlich aber legt er sogar die Stirn auf die Steine.

Als er aufgerichtet und wieder ganz bei Sinnen ist, haben die Guise ihn zu seinem Schutz umringt. Sie verdecken ihn dem Volk, das nur sie erblickt und ihnen zuruft. Der Kardinal von Lothringen zeigt ohne Scham ein großartiges Verbrechergesicht. Der zweite, Mayenne, stellt mehr Leibesumfang zu Schau, als tückische Menschen haben können: das ist erprobt und bekannt. Der Herzog - »Großer Mann!« spricht sein besoldeter Chor. »Heil!« brüllt sein mörderischer Geheimbund, den er total und eins mit dem Land will. Dies ganze Volk ein mörderischer Geheimbund, das denkt er zu erreichen, nur wenig steht hinderlich davor, wie er meint. Der Herzog - »Großer Mann! Heil!« - macht keinen Gütigen mehr, sondern den Strengen. Seine Maske ist gewulstet vor harten Muskeln, die Entschlossenheit verkünden. Er wird zwar das Königreich unter zwölf seiner obersten Schurken aufteilen nach der Verdrängung des Königs in den letzten Winkel, und alle Unterschurken sollen stehlen und töten dürfen. Vorausgesetzt bleibt ihre eigene stramme Unterwerfung, sonst werden sie selbst die viere von sich strecken und starr sein anstatt stramm. Das ist beschlossen, seht die Muskelbündel um den Mund des Führers. Töten und getötet werden, eine Bartholomäusnacht ohne Ende soll das Reich des Führers sein, heil!

Da sie ihn eng umgaben und der Abstand ihm genommen war, entfiel dem vergessenen König sein ganzes Wissen, soviel er sonst spürte und nahen hörte. Er nahm einen der Jungen des Guise, der Herzog hatte Söhne, nicht unfruchtbar, nicht unfruchtbar - nahm ihn und zog ihn an sich, wie einen eigenen. So wohnte er der kirchlichen Handlung bei, und auch den Weg zurück in sein Schloß machte er inmitten seiner Mörder und der Mörder seines Landes - die ihn wenigstens diesmal noch schützten. Der Zug vermehrte sich um ihre Edelleute und Söldner, auf allen Plätzen stießen sie zu ihm. Was der Zug nachgerade vor Augen führte, war nicht mehr die Trauer um einen Valois, war schon die anbrechende Macht der Guise. Der letzte Valois hielt den Arm um eins ihrer Kinder, er ging im Takt der Trommel, die ihre Truppen schlugen - für sie, nicht für ihn. Sein war einzig, unter dem weiten, harten Himmel dieses Reiches, ein schrilles, armes Totenglöcklein: das schwang ferner und ferner.

 

Die Muse

Die Liga in ihrem Eifer für die römische Kirche, für Guise, mehr oder weniger wissentlich aber nur für die Auflösung des Königreiches und für Spanien - die heilige Liga hatte noch eine, wenn auch unbedeutende Sorge. Es war der König von Navarra, der sie zwar im Ernst nicht aufhalten konnte. Wenn eine so herrliche Bewegung durch ein erwachtes Volk geht, muß sie fraglos ans Ziel führen. Schlechthin alles spricht für sie, namentlich die Ehre der Nation, die eine anerkannte Schande, hier ist es die Ketzerei, nun einmal nicht länger tragen will. In solchen Fällen ergibt sich auch, daß die »Schande« wenig Geld, die »Ehre« dagegen viel hat. Ebenso steht es infolgedessen mit den Soldaten. Sie sind fast alle auf Seiten der »Ehre«; anders kennt man es gar nicht.

Man darf nichts versäumen, und der König von Navarra machte mehr von sich reden, als gut war. Die Liga beschloß, es sollte aufhören. Sie ließ den König von Navarra beobachten und erhielt Nachricht, daß er sich unausgesetzt zu der Gräfin Diana Gramont begab, in eines der Schlösser dieser reichen Dame. Die lagen aber in der Guyenne; der König von Navarra war dort leichter zu fangen. Die Liga verteilte Reiterei allerorten, wo er hätte vorbeikommen können. Leider zeigte er sich niemals gerade dort, denn er wußte, daß er sollte geschnappt werden, und vermied die Schnapphähne. Er wurde mit Nachrichten noch besser versehen als die Liga, und zwar von der Gräfin Gramont selbst. Durch die Umstände, weil ihr Freund es schwer hatte, sie zu besuchen, entstand bei ihr der Mittelpunkt seines Kundschafterdienstes. Wenn sie ihm abraten mußte zu kommen, dann schrieb er - und bekam seinen stärkern Stil zu derselben Zeit, da er aufbrach nach seinem größeren Ziel. Eines Tages, da sie in Bordeaux war, schrieb er an seine Muse.

»Meine Seele!« schrieb er. »Der Diener, den sie statt meiner fingen bei der Mühle, war gestern wieder bei mir. Sie haben ihn gefragt, ob er nicht Briefe bei sich hätte, und er sagte ihnen: ›Ja, einen.‹ Den gab er ihnen, und sie öffneten ihn und reichten ihn zurück. Es war ein Brief von Ihnen, mein Herz.«

Hierbei lachte der Stilist in sich hinein. Er bedachte, wie gut es sein kann Liebesbriefe zu schreiben, darin schlägt der Puls der Natur. Sie schämen sich wohl gar ihres groben Verdachtes, während sie dem Diener das Papier zurückgeben und ihn entlassen. Infolgedessen entgeht ihnen noch immer, daß meine Seele mir für ihr Geld Gascogner Soldaten ausrüstet: bis jetzt zwölftausend aber das ist nicht alles. Sie schuldet mir das Doppelte, und von ihr erreich ich's. Die Frau ist ehrgeizig. Sie liebt einen König ohne Geld, ohne Land und ohne Soldaten. Sie ist die erste Geliebte, die mich nichts kostet, sondern draufzahlt. Es soll sie nicht reuen. Hierbei wallte sein Blut, im Augenblick vergaß er die Soldaten, das Geld, schnell schrieb er noch: »Morgen mittag wird aufgebrochen - ich auch, und will Ihre Hände verzehren mit Küssen. Guten Tag, Du mein höchster Besitz. Behalte lieb Deinen Kleinen!«

So war es. Ihr Kleiner schrieb der Beschützerin und Muse. Nur ihre Hände nannte er, sonst nichts von ihrem Körper, während ihm das Blut wallte. Sie hatte ihn Achtung gelehrt und eine früher unbekannte Veredelung des Ausdrucks von Gefühlen - die im übrigen sich gleich blieben. Nächsten Mittag ritt er nach Bordeaux wie vorgesehn: gespannt, was sie sagen würde zu dem lächerlichen Gefecht, das er grade geliefert hatte gegen einige Leute des Königs von Frankreich. Zwei Tote sind der Verlust, die Beute besteht in fünf Pferden sie wird schelten, weil das seiner unwürdig ist. Dennoch geht es auch dabei um das Leben, nie um weniger. Behalte lieb deinen Kleinen!

Da reißt er am Zügel. Blauer Wald hinter weiten Wiesen, der Fluß Garonn umspült sie. Vor dem Rand des Gehölzes erscheint eine Reiterin. Sitzt quer auf dem geräumigen Pferderücken, ihr weißes Kleid hängt tief herab, die Sonne macht es glitzern. Sie neigt sich in der Hüfte vor, sie senkt ein wenig die Stirn um Henri zu erkennen. Die Bewegung ist ohne Schwere, die Erscheinung überirdisch, vom Himmel hernieder steigt sie mit Versprechungen vom Ruhm und Größe. »Eine Fee!« ruft er, gleitet vom Sattel und läßt sich auf das Knie. Sie winkt ihm aber mit ihrer Hand, das Licht macht die Steine blitzen. Alsbald eilt er; schon deutet sie ein Ausbreiten der Arme an. Ganz wenig knickt sie ein zu seinem Empfang, wendet selig das Gesicht nach oben. Er verzehrt ihre Hand mit Küssen, sie drückte auf seinen Scheitel ihre Lippen.

Die Szene war ihrer würdig, und beide schwelgten darin - Henri hauptsächlich aus frommem Entgegenkommen für die Frau und ihren Namen Corisande. Dieser verpflichtete zur Darstellung der gehobenen Gefühle. Am Ufer des Flusses unter Pappeln ließen sie sich nieder. Er war nicht ohne Sorge wegen der beiden Pferde, die aber ruhig weideten. »Meine große Freundin« schwärmte er. Sie sagte bittend und dennoch huldvoll: »Sire!« Ihre weiten Augen voll eines ungläubigen Glückes gingen über die stille Landschaft hin, die Bäume, die nur wisperten, das murmelnde Gewässer. »Sie und ich allein. Wir wissen nichts vom Krieg, die Schrecken der Pest sind uns nie zu Ohren gekommen. Das muß wohl in der Welt sein, hierher dringt es nicht. Die verräterischen Anschläge suchen uns vergebens, so fern von allen Menschen.«

Er rückte ein wenig die Schulter - nach dem Busch, hinter dem er seine Begleiter gelassen hatte. Die ihren warteten in dem Wäldchen, er unterschied mehrere. Alle sollten hervorkommen, wenn hier das Idyll zu Ende genossen war. Henri wurde beredt, er beschrieb der Geliebten die Insel, wo sie leben wollten. Kürzlich hatte er sie entdeckt. Ein Kanal umschlang das liebliche Eiland von Gärten, durch die man auf Kähnen glitt, und Vögel sangen von allen Arten. »Hier, meine Seele, nimm ihre Federn. Fische hätte ich dir noch lieber mitgebracht. Schauerlich, was es dort Fische gibt, und geschenkt, ein großer Karpfen drei Groschen, fünf für einen Hecht.« Unwillkürlich geriet er aus den Gefühlen in die Tatsachen. Daher sagte auch sie, daß er ihr eine ausgezeichnete Pastete geschickt habe. Was die zahmen Eber betraf, waren sie aufbewahrt im Park ihres Schlosses Hagetmau, und sie konnte sich nichts Hübscheres denken als ein reißendes Tier mit so vielen Stacheln. »Sire, Sie treffen unfehlbar den Geschmack Ihrer Dienerin. Ich werde Ihnen danken müssen bis an mein Lebensende.« Das sagte die Dame einerseits wohl mit Ironie, und diese war mütterlich. Wie denn auch. Ihm gleichaltrig, in Wahrheit reifer als er, sah die Zweiunddreißigjährige überlegen zu, wie seine Hände sich an ihrem Körper verirrten. Als wäre sie es nicht selbst, blieben die Flächen ihres Gesichtes völlig weiß, die Augen gelassen zärtlich. Sie wußte, was sie wollte und glaubte ihn zu lenken. In diesem Augenblick schonte sie seine königliche Eigenliebe, daher erwähnte sie seine Geschenke und ihre Dankbarkeit, wenn auch mit spöttischer Nachsicht. Dann erst ging sie zu ihren eigenen Wohltaten über: die waren viel größer und versetzten ihn in ihre Schuld - für immer, wie sie hoffte.

Die Dame klatschte in die Hände, aus dem Gehölz hervor sprengten zwei Reiter: fremde Offiziere. Erst als sie absaßen, erkannte Henri, daß sie an ihren Schärpen seine Farben trugen. Sie schwenkten ihre Federhüte über den Boden hin und baten die Gräfin Gramont um die Erlaubnis, ihr neues Regiment dem König von Navarra vorzuführen. Sie winkte gewährend. Nochmals die Hüte über den Boden und ab im Galopp: kaum hatte Henri sich gefaßt. Niemand war begabt, ihn zu überraschen und in ein Reich der Wunder zu versetzen, wie Corisande.

»Sire! Ich bin selbstsüchtig«, sagte sie, um jeden Dank abzuschneiden. »Ich will Sie groß sehen.«

Er sagte: »Vielleicht verlieren Sie an mir Ihr Geld. Nicht einmal als König von Frankreich hätte ich genug, um Ihnen gebührend zu lohnen, was Sie jetzt tun.«

Die Begeisterung für seine »große Freundin« ergriff ihn. In seine Augen schossen die Tränen; er mochte wollen oder nicht, er mußte huldigen. Die Frauen sind der Maßstab: ob sie ihn begeistern oder er sie mißachtet. Sie sind das Leben selbst und wechseln mit ihm an Wert. Gräfin Diana erreichte heute den allerhöchsten, und sie begriff es. Verdienstvoll war es, daß sie ihn nicht aussprechen lassen wollte, was er nachher bereuen mußte, und sehr klug, daß sie ihn aufhielt.

»Sprechen Sie nicht, Sire! Wenn Sie einst in die Hauptstadt Ihres Königreiches einziehen, werden Sie zu einem Balkon hinaufblicken. Das ist alles und ist genug.«

»Sie sollen mit mir einziehen, Madame.«

»Wie wäre das möglich?« fragte sie in angstvoller Erwartung - und leider ist die Klugheit vergessen, wenn das Herz klopft.

»Denn Sie werden meine Königin sein.« Hierbei erhob er sich feierlich und blickte umher wie nach Zeugen, so viele in der Nähe wären. Wirklich traten aus dem Busch seine Leute, ihre aber zeigten sich drüben. Nun geschah es, daß er sich plötzlich verdüsterte, mit dem Fuß aufstampfte und eine schneidende Stimme annahm, um zu sagen: »Wer verriet mich wohl, damit meine Feinde mich finden, haben aber nur den Diener geschnappt? Ich weiß es. Die selige Königin von Navarra!«

So sehr haßte er Margot, daß er sie tot sagte. Sie hatte ihn verlassen, befestigte sich in der Stadt Agen und arbeitete für seinen Untergang. Er wünscht den ihren. Die Frau ihm gegenüber erschrak: ein Element stand vor ihr auf. Was bin ich daneben? Eine Fremde. Was soll von mir bleiben? Seine Briefe lauter Worte, und die richtet er an sich selbst. Nur wer allein ist, spricht zu einer Muse. Diesen Atemzug lang war es ihr bewußt. Sie nahm voraus die unendlichen Bitternisse vieler Jahre, immer betrogen, niemals geheiratet, schließlich schämt er sich auch noch, da ihre Figur nachläßt und ihre Haut nicht mehr fleckenlos ist. Der Atemzug war getan, da wußte sie nichts mehr. Statt dessen Trommelwirbel, und das Regiment zog auf.

Im Eilschritt, leicht und munter, streifte es das Gehölz zu beiden Seiten, auf der weiten Wiese vereinigte es sich und schloß die Reihen. Die beiden Offiziere meldeten der Gräfin Gramont, daß ihr Regiment zur Stelle wäre. Sie, zum Zeichen einer Aufforderung, senkte vor dem König von Navarra ein wenig das Knie, wobei sie ihr langes Kleid raffte. Er nahm ihre Fingerspitzen, erhob sie und führte die Dame bis vor die Front der Truppe. Hier verneigte sie sich wieder und diesmal tief; dann rief sie tragend und schwingend über zweitausend Köpfe hinweg: »Ihr gehört dem König von Navarra.«

Der König von Navarra küßte der Gräfin Gramont die Hand. Er befahl dem Fahnenträger vorzutreten und bat sie, die Fahne zu weihen. Das tat sie und legte das schwere bestickte Tuch gegen ihr schönes Gesicht. Hierauf schritt der König von Navarra allein die Front ab, faßte diesen und jenen Soldaten vorn beim Wams, weil er ihn kannte, und plötzlich umarmte er einen, denn der hatte ihm schon gedient. Jeder hätte hören wollen, was er dem einzelnen sagte, zuletzt aber kam seine Ansprache an alle.

»Ich und ihr«, verkündete er, »jetzt sind wir blitzblank und wie neu geboren, werden es aber nicht lange bleiben. Unser Stand will, daß wir ganz Blei und Pulver sind. Mit heiler Haut kommt davon, wer mir gut dient und nie von mir weicht, wär's um die Länge einer Hellebarde. Bin jedesmal fertig geworden mit den Faulpelzen drüben. Eng ist der rechte Weg zum Heil, uns aber führt Gott bei der Hand.«

Dies sprach der König von Navarra für seine zweitausend frischen Soldaten, die ihm jedes Wort glaubten. Sogleich fiel Trommelwirbel ein, die Fahne wurde geschwungen, und der König von Navarra stieg zu Pferd. Ihm blieb keine Zeit mehr, der Gräfin Gramont die Hand unter den Fuß zu halten, damit sie in ihren Sattel gelangte. Sie hatte sich von selbst hinaufgeschwungen, ihren Damen und Herren voran, sprengte sie von dannen.

Henri sah ihr nicht nach; er hatte sein Regiment.

 

Mit verhängten Zügeln

Kaum erreichte er mit seinem Regiment die Landstraße, da wälzte sich über ihr entferntes Ende ein gewaltiger Staub, was konnte er mitbringen, wenn nicht einen Feind. Auch war schon Hufschlag zu hören. Henri legte seine Truppe in den Graben und versteckte sie im Wald, bis sich herausstellte, wen er angreifen sollte. Währenddessen schnellen die ersten Reiter hervor aus den gelben Wolken; gleich werden sie hier sein. Drauf und dran! Henri selbst und seine Edelleute stellen ihre Tiere quer und greifen den Jagenden in die Zügel. Einer fällt vom Pferd bei dem Anprall, aber noch zwischen den Hufen ruft er herauf, entsetzt klingt es vor großer Dringlichkeit: »Der König von Frankreich!«

In diesem Augenblick enthüllt der Staub, was er verborgen hat, die sechsspännige Kutsche, die Vorreiter, Begleiter und das Gefolge - alles jagend mit verhängten Zügeln. Henri hat nicht mehr Zeit, die Straße zu räumen; auf einmal hält und wankt der Wagen. Die zurückgerissenen Tiere zittern, ihr Lenker flucht, die Reiter stehen in den Bügeln auf, einige schwingen die Waffe.

»Gut Freund, ihr Herren«, rief Henri. Er zeigte ihnen Graben und Wald. »Ich habe ein Regiment Soldaten mitgebracht, um den König zu schützen.«

»Der Teufelskerl, er hat uns erwartet!« Sie sahen betroffen einander an und machten ihm Platz. »Wir reiten in einem Zuge von Paris, niemand kann uns überholt haben, außer er wäre durch die Luft gekommen.«

Henri saß ab, ging vor das Fenster der Kutsche und entblößte den Kopf. Die Scheibe war blind vom Staub, wurde auch nicht geöffnet. Keiner der Diener, die umherstanden, ließ es sich einfallen, dem König von Navarra den Schlag aufzumachen. Weil aber ein Staunen eintrat, wurde es still ringsum. Henri hielt selbst den Atem an. Als einziger in dem vollkommenen Schweigen vernahm er, was hinter der blinden Scheibe geschah. Er hörte den Weinkrampf des Königs.

Sehr vieles schoß ihm dabei durch den Sinn, sehr vieles. Er verzog aber keine Miene, stieg zu Pferd und hob die Hand. Alles setzte sich in Bewegung, die Kutsche mit ihrem Sechsgespann, die Vorreiter, Begleiter, der Nachtrab - und auch das Regiment von Navarra im Eilschritt, leicht und munter. Es kam zu Fuß mit, denn der königliche Aufzug jagte nicht mehr. Er hatte nach Flucht ausgesehen - als wäre der König von Frankreich aus seiner Hauptstadt geflüchtet ohne Aufenthalt bis in seine entfernteste Provinz. Nicht anders hatte es sich zugetragen: Henri begriff es, so überrascht er war. ›Ist er zu mir gekommen? So weit wäre es schon, daß er sich rettet zu mir? Ich aber will machen, daß es dich nie gereuen soll, Henri Valois‹ - dachte Henri Navarra, denn er hatte auf diesem Weg ein hohes und gerührtes Herz.

Es war Abend, als sie die Stadt erreichten. Die Torwache erfuhr nicht, wer in der Kutsche saß, und Einwohner, die aus den Fenstern blickten, erkannten nur wenig im Dunkeln. Der Zug und Aufmarsch bewegte sich ohne Licht; wenn aber eine Laterne über der Straße hing, schickte der König von Navarra jemand vor, sie auszulöschen. Das Zeichen anzuhalten gab er beim Rathaus. Als er vom Pferd stieg, öffnete sich schon der Wagenschlag. Der König kam hervor: sogleich umarmte er seinen Vetter und Schwager wortlos, sagte auch nachher nichts. Er hatte sich, mehr als er selbst wußte, gesehnt, einen Menschen seines Stammes, wenn auch im einundzwanzigsten Grade, zwischen seinen Armen zu halten.

Hierbei störte den König, was um ihn her war, das Gebäude sowie die Truppe, die den Platz und die Straße bedeckte. Aus dem Hause wurde eine Lampe gebracht, daher bemerkte Henri im Gesicht des Königs das Erschrecken und hereinbrechende Mißtrauen. »Ich will zu dem Marschall de Matignon«, sagte der König. Er erinnerte sich wieder, daß er gegen den Gouverneur seinen Stellvertreter ausspielen mußte. Kein Abweichen von der Übung!

»Sire! Er ist nicht in Bordeaux, und die Besatzung seiner Festung läßt uns sicher nicht ohne Umstände ein. Dagegen bin ich im Rathaus wohlgelitten. Eure Majestät wird hier gut aufgenommen und sicher sein.«

Auf diese leichtfertigen Worte des Schwagers und Vetters verdüsterte der König sich noch mehr. Er witterte Absicht und Vorbedacht und hatte sogar Recht damit; denn auf dem Herwege war Henri auch durch sein hohes und gerührtes Herz nicht verhindert worden zu überlegen, wie und wo er den Valois am besten in seine Macht bekäme. Das war im Rathaus, dort regierte sein Freund Montaigne. Er folgte dem Blick des Königs und sagte: »Mein Regiment hat einzig im Sinn, wie es Eure Majestät schützt.«

Der König erwiderte hochmütig: »Ich habe selbst Regimenter.«

»Ihre Reiter, Sire, sind mit dem Marschall de Matignon über Berg und Tal um sich gegen die meinen zu schlagen.«

Der König zuckte zusammen. In diesem Augenblick stand es bei ihm fest daß er sich in eine Falle begeben hatte. Henri wurde vom Mitleid erfaßt bei dem Anblick; schnell neigte er sich zu dem Ohr des Königs und flüsterte dringlich: »Henri Valois, wozu bist du gekommen? Trau mir doch!«

Wirklich zeigte sich etwas Erleichterung auf dem armen Gesicht. »Laß deine Truppen abziehen!« verlangte der König ebenso leise. Sogleich befahl Henri dies; für seine Offiziere allein aber setzte er hinzu, das Regiment sollte innerhalb der Mauern bleiben, es sollte die Festung abschneiden und gegen Anschläge wachsam sein. Valois, wir sind einer vor dem anderen nicht sicher. Glücklicherweise konnte er ankündigen:

»Sire! der Bürgermeister mit mehreren Herren vom Rat!«

Vier Männer in Schwarz, sie knieten vor den König hin. Der mit der goldenen Kette begrüßte ihn in einem Lateinisch, dessen besondere Reinheit der König wohl erkannte, und hierauf französisch: das schien noch verdienstvoller, weil klassischer Ausdruck schwerfällt in der gewöhnlichen Sprache, besonders einem Mund aus dem Süden. Der König empfand Vergnügen, zeitweilig vergaß er beinahe die Gefahr. Er ließ die Männer aufstehen, und endlich betrat er das Rathaus. Einige sagten nachher, daß nur die Kunst des Herrn Michel de Montaigne ihn dazu vermocht habe.

 

Erbe der Krone

Zuerst führte der Bürgermeister den König in den größten Saal. Dieser hatte seit der überraschenden Ankunft der Majestät nicht schnell genug beleuchtet werden können. Die entfernten Schatten beunruhigten den König, er verlangte ein kleines helles Zimmer, daher öffneten sie ihm die Bibliothek des Bürgermeisters. Der König von Navarra befahl seinen Edelleuten, sich mit denen des Königs von Frankreich in die Bewachung zu teilen. Dieser wendete sich unter der Tür um und verlangte laut: »Hier vor der Tür nur meine!« Henri sagte in gleicher Stärke: »Meine besetzen den Ausgang!«

So gesichert überschritten die beiden diese Schwelle. Montaigne wollte zurückbleiben wie alle anderen; der König indessen hieß ihn mitkommen. Er setzte ein düsteres Lächeln auf, um zu sagen: »Herr de Montaigne, Sie sind ein Edelmann meiner Kammer. Hier ist es eng. Wenn Mörder eindringen, fallen wir in dem Getümmel alle drei. Wollen Sie mich noch rechtzeitig warnen vor einer Gefahr?«

Auch Montaigne verzog die Miene, vielleicht verlieh er ihr Ironie, gewiß Ergebenheit. Er versetzte: »Omnium rerum voluptas - Vergnügen machen alle Dinge gerade durch die Gefahr, die sie uns verleiden soll.«

»Sie haben viele Bücher«, erwiderte hierauf der König, sah die Wände hinan und seufzte. Er dachte an seine Schreibereien, den bequemen Pelzrock, die Mönchskutte, mit der er sich vortäuschte, er hätte abgeschlossen. Hier mußte gekämpft sein.

»Werden wir hier etwas Rechtes schaffen?« fragte er; es klang nicht hoffnungsvoll. Sein Vetter und Schwager antwortete ihm: »An mir soll es nicht fehlen«, wobei er anfing, das Knie zu beugen. Der König griff zu, zog ihn hinauf und sagte: »Lassen wir das Getue: die Zeremonien, mein ich. Sag, was du willst.«

»Sire! Ich bitte nichts als Ihre Befehle.«

»Ach was, fang an.«

Der König hatte mit den Augen die Wände abgesucht, ob eines der Büchergestelle in den Angeln bewegt werden konnte. Da er die geheime Tür, die er fürchtete, nicht fand, rückte er sich eigenhändig einen Sessel genau in die Mitte. Niemand wäre schnell genug herzugesprungen: er hatte manche Bewegungen eines Knaben.

»Sire, sollten nicht vielmehr Sie etwas von mir erwarten?« fragte Henri. »Ich werde alles gern besprechen mit meinen Freunden.«

»Das ist oft besprochen. Nur Sie haben sich zu entscheiden«, erklärte der König, auf einmal förmlich, feierlich sogar. Henri wußte längst, was gemeint war: sein Übertritt zur katholischen Kirche. Er ging diesmal darüber hin, vielmehr erhitzte er sich künstlich, um heftig zu klagen gegen seinen Stellvertreter in der Guyenne. Ihm zufolge war Marschall Matignon nicht besser als früher Biron. Henri zog sogar den König selbst hinein. »Sie, der an mir wie ein Vater handeln sollten, führen Krieg gegen mich wie ein Wolf.« Der König hielt ihm vor, daß er nicht gehorchte. Henri entgegnete: »Meinetwegen können Sie ruhig schlafen. Dank Ihren Verfolgungen aber komm ich seit achtzehn Monaten nicht in mein Bett.«

»Was haben Sie durch Ihre Diplomaten nach England berichten lassen?« fragte der König: da mußte Henri wegsehen. Auf ihn würfen alle guten Franzosen die Augen, so hatte sein Mornay allerdings geschrieben; denn unter der gegenwärtigen Regierung fühlten sie sich übel, und von dem Herzog d'Anjou erwarteten sie künftig nichts, er hat schon Proben abgelegt. Ja, und jetzt ist er tot und war der letzte Bruder des armen Königs.

»Ich bitte Eure Majestät um Verzeihung«, sagte Henri und begann nochmals das Knie zu senken. Da er aber nicht aufgehalten wurde, ließ er es von selbst. Der König glaubte streng bleiben zu dürfen nach dem erlangten Vorteil.

»Wollen Sie wirklich fortfahren, Ursache alles Elends zu sein, und das Königreich ins Verderben stürzen?«

»Hier, wo ich befehle, ist nichts verdorben«, erwiderte Henri einfach. Der König kam zurück auf die Hauptsache.

»Sie kennen meine Bedingung und Ihre Pflicht. Fürchten Sie meinen Zorn nicht?«

Der Übertritt, nur der Übertritt: Henri verstand den König aufs Wort. Sonst mochte es drunter und drüber gehen im Königreich, wenn der Erbe der Krone nur katholisch wurde.

»Sire!« sagte Henri fest. »Darin äußert sich nicht Ihr eigener Sinn. Sie sind weiser als Ihre Worte.«

»Es ist nicht auszuhalten«, klagte der König gereizt, »daß Sie einmal auf der Tischkante sitzen und gleich darauf am Ende des Zimmers ein Buch aus der Reihe ziehen. Ich hasse die Bewegung, sie stört die Linien.«

Henri antwortete mit einem Vers des Horaz: »Vitam que subdio - Kein Dach soll er haben als nur den Himmel, und soll in ewiger Unruhe leben!« Wobei er Herrn de Montaigne ansah, und der verneigte sich vor beiden Königen ohne Unterschied. Dann stand er wieder bei der Tür, wie eine Wache.

Der König von Frankreich begann von neuem. »Wegen eines solchen schönen Lebens Ihre ganze Hartnäckigkeit?«

»Sind Sie in Ihrem Schloß Louvre denn glücklicher?« fragte Henri dagegen. »Sire!« betonte er mit Nachdruck. »Ich will aussprechen, was Ihnen schon bewußt sein muß, daß ich ungeachtet vieles erlittenen Unrechtes Sie doch nicht hasse, denn Sie waren in den Händen anderer wie Wachs. Ich hasse die anderen, Sie aber sind mein Herr und Gebieter. Ihr Thron hat von jeher den berechtigten Erben getragen, kein Ungeweihter hat ihn eingenommen, und dies durch siebenhundertfünfzig Jahre, seit Karl dem Großen.«

Die Rede hielt Henri absichtlich, inzwischen sollte der König sich durchringen zu der Erklärung, um derentwillen er herbeigejagt war. Er will den Guise zum Trotz seinen Vetter Henri als Erben der Krone einsetzen. Was kann er anderes vorhaben nach dem Tod seines Bruders und seit dem furchtbaren Verlauf des Begräbnisses, wie der Reitende ihn mir gemeldet hat. ›Valois, ob ich katholisch bin oder türkisch, du mußt!‹ So dachte Vetter Henri, während er den König das Gesicht wechseln sah und darin verfolgte die künstliche Starrheit, das unfreiwillige Zucken, endlich aber den unaufhaltsamen Ausbruch. Entschieden wurde dieser in auffallender Weise durch die Erwähnung Karls des Großen. Der König, noch soeben grau, lief plötzlich violett an, wie Karl der Neunte in der Zeit seiner Breite und Lautheit. Er fuhr aus dem Sessel, stand und rang mit seiner Stimme. Endlich gehorchte sie ihm.

»Die Schurken!« Er brachte nochmals und verständlicher hervor: »Der Schurke Guise! Jetzt behauptet er abzustammen von Karl dem Großen. Das fehlte noch, das war noch übrig. Das läßt er schreiben und verbreiten unter meinem Volk. Er soll der einzige echte Nachkomme sein, alle Kapetinger auf diesem Thron waren nur falsche Nachkommen. So viel ist nicht zu ertragen, Navarra! Ein Betrüger von jenseits der Grenze und ganz geringer Herkunft verglichen mit unserer, wagt es, nennt uns Bastarde, sich selbst aber den wahren Erben der Krone Frankreich!«

»Dahin ist es gekommen, weil Sie zu lange gefügig waren«, warf Henri ein und gebrauchte den Ton dessen, der jemand zur Besinnung ruft. Der König war von ihr allzuweit entfernt. Seine Zunge hastete wütend, er verschluckte Worte.

»Ich habe mich seinem Zugriff entzogen und bin gejagt mit verhängten Zügeln. Aber dort gelassen hab ich meine Marschälle Joyeuse und Epernon.« - ›Fünfundzwanzigjährige Marschälle‹, dachte Henri, ›und wie sind sie es geworden.‹

»Die werden tun, was sie für gut finden, um mich von dem Guise zu erretten. Wenn ich zurückkomme, vielleicht lebt er schon nicht mehr.«

Hier bemerkte der unglückliche Valois dennoch, daß er zuviel sagte - vor Vetter Navarra und im Beisein eines anderen, mit den zu klugen Augen: ein Verräter. Wo ist mein Dolch! Dieser Gedanke ist dem armen König vom Gesicht zu lesen: es wird so häßlich, so schwarz. Die Furcht mitsamt der Eile zu töten, nur damit einer fort ist - das Blut seiner Mutter, die lange Erziehung im Louvre, alles zusammen verwandelt das Gesicht des letzten Valois diesmal bis auf die niederste Stufe. Herr Michel de Montaigne, obwohl nicht ohne Bangen vor dem Dolch, bedauert den König tief, da nichts einen Mann so wehrlos macht wie das Aussetzen der Vernunft. Sonst nur ein bescheidener Edelmann der königlichen Kammer, hier tritt seine Überlegenheit ein, sogar gegen den König: denn er selbst verliert das Denken keinesfalls, auch nicht im Schlaf. Er erlaubte sich, einen Schritt vorzutreten und zu sprechen.

»Sire! Nie sollten wir die Hand gegen unsere Diener erheben, solange wir zornig sind. Das war ein Grundsatz Platons. Demzufolge sagte ein Lakedämonier namens Charillos zu einem Heloten, der frech wurde: ›Bei den Göttern, wenn ich jetzt nicht Wut hätte, ich brächte dich um.‹«

Herr Michel de Montaigne wußte genau, warum er grade dieses Beispiel anzog. Er erinnerte den König an den ungeheuren Abstand zwischen ihm und allen Menschen, ob ein einfacher Edelmann oder der Herzog von Guise. Held und Knecht: der eine kann den anderen nicht beleidigen, und dieser sich nicht rächen. Wenn das erwähnte Beispiel schmeichelhaft war, es verletzte doch die Wahrheit kaum und unterstützte die Mäßigung; darum wurde es gebracht. Übrigens hatte es mehr Erfolg, als der Humanist sich wünschte. Der König wendete den Rumpf zur Seite, gegen die hohe Lehne seines Sessels drückte er die Stirn, und seinen Schultern war anzusehen, daß er weinte. Seine Trauer war lautlos diesmal - war nicht nur Schmerz, sondern schon seine Auflösung, war Ergebung und Erleichterung. Daher geschah es, daß er den beiden, die ihn doch töten konnten, den Rücken wendete, um stumm seine Tränen zu vergießen. Er fürchtete niemand.

Als er zurückkehrte aus der Haltung der Einsamkeit, hatte er gerötete Augen und den Ausdruck eines begierigen Kindes. »Vetter Navarra, weißt du wohl? Es sind zehn Jahre, daß wir uns nicht mehr gesehen hatten.«

»Seit ich euch aus den Fingern gerutscht bin? Wahrhaftig zehn Jahre?« fragte Henri schnell, und hatte es zurück wie sein Vetter, das Gesicht der Unschuld.

»Zehn Jahre wie ein Tag«, sagte Vetter Valois. »Ich weiß nicht mehr, womit sie mir vergangen sind. Und dir?«

»Mit den Mühen des Lebens?« war die Antwort und stieg an in der Art des Zweifels. Henri schüttelte dabei den Kopf.

Vetter Valois griff nach seiner Hand, drückte sie dringlich, raunte ihm zu: »War alles nur Irrtum. Du verstehst doch? Irrtum, Verblendung, unglücklicher Zufall.« Denn so entschuldigt man ein verfehltes Leben, und dies ist der Augenblick des Erstaunens.

»Vetter Navarra! Hat es denn sein müssen? Denke nur das eine: ihr - ihr wäre die Bartholomäusnacht nicht eingefallen.«

Henri, auch mit Staunen, erinnerte sich: »Sie selbst hat gewußt, daß die Guise erst nach der Bartholomäusnacht könnten gefährlich werden. Sie werden das Königreich an Spanien verkaufen: so hat sie mir's vorhergesagt. Aber sie mußte gegen ihr besseres Wissen handeln.« Was erst die richtige Dummheit ist, setzte er im stillen hinzu. »Ich gestehe dir«, sagte er am Ohr des Vetters, »da ich sie außerordentlich gehaßt habe, und zwar für mein eigenes Unglück wie auch für die großen und unnützen Hindernisse, die sie aufzurichten pflegte gegen das Glück dieses Landes.«

»Was hatte sie aus mir gemacht!« raunte Vetter Valois. »Ich verachtete sie dafür sehr.«

Hier hielten sie beide an, weil sie gewahr wurden, daß sie von Madame Catherine wie von einer Toten sprachen. Indessen ging das Unheil, das diese falsche Lebende aufgerichtet hatte, mit eigenen Füßen weiter. Die Vettern stießen wieder auf die Tatsache, daß sie Gegner waren und in feindlicher Weise beraten wurden. Gleich nach ihrem einträchtigen Geflüster warfen sie es einander vor.

»Ich will nichts weiter als deinen Übertritt, Navarra, damit ich dich zum Erben der Krone erklären kann.«

»Ich meinerseits böte dir ein Bündnis an, wenn ich nur wüßte, daß du fest bleibst, Henri Valois.«

»Du aber, woher nimmst du deine große Festigkeit, Henri Navarra? Nicht aus deinem Glauben: woher dann, das will ich wissen.« So drängte Valois, aus großer Besorgnis, wie in aller Welt es zu machen wäre, daß man widerstand and einen geraden Weg ging.

»Sire!« begann Henri und änderte den Ton. »Ich will dafür eintreten, daß der geschuldete Gehorsam Ihnen erwiesen wird; will herfahren über alle, die sich gegen Sie verschwören, und was ich bin und habe, soll dienen, zu tun nach Ihrem Befehl. Nichts liegt mir so sehr am Herzen wie die Erhaltung der Krone. Nach Ihnen, Sire, steh ich ihr am nächsten.«

So spricht nur die Wahrheit. Als Henri sich auf das Knie ließ, wurde er weder aufgehalten noch tat er es zum bloßen Schein. Er kam empor, als der König sich erhob. Er fühlte voraus, daß jetzt das große Wort würde gesprochen werden: das mußte er stehend anhören. Der König sprach wie für eine Versammlung:

»Heut erkenne ich den König von Navarra an als meinen alleinigen, einzigen Erben.«

Hiermit zu Ende, griff er sich an das Herz und wich um einen Schritt, beinahe war es Taumeln. Er hatte zu seinem Nachfolger über dieses katholische Königreich einen Protestanten ernannt. Er hatte den Haß der Liga gegen seine Person herausgefordert bis zum Mord. Er hatte die tapferste Handlung seines Lebens getan.

Der König richtete dann das Wort an den Bürgermeister von Bordeaux, um ihm anzuempfehlen, er sollte das Gehörte wohl aufbewahren für den Fall, daß ihm selbst ein Unglück zustieße, bevor er seinen Entschluß wiederholen konnte zu seinem Hof und seinem Parlament.

Herr Michel de Montaigne sagte: »Ja. Ich verspreche es« - und führte diesmal keine Alten an. Er hatte sie ganz vergessen über allem, was diese Stunde mit dem König und seinem Erben ihn neu gelehrt hatte. Vielmehr war ihm sein schon besessenes Wissen bestätigt worden auf eine Weise, daß es neu wurde.

 

Eine Versuchung

In Paris, einige Tage später, saß der König vor seinem Feuer, sah hinein und schien nicht zu hören, was die Herren redeten. Seine Lieblinge Joyeuse und Epernon waren nicht zugegen. Anstatt den Guise zu töten, hatten sie sich mit ihm verständigt, solange der König umherreiste. Zugegen war der dicke Mayenne, genannt Herzog Du Maine, der Bruder des Herzogs von Guise. Schon seit dem Morgen rang der König um die Kraft, vor einem Lothringen laut auszusprechen, was er in Bordeaux beschlossen und verkündet hatte. Die letzte Frist war vorbei; nur noch eine Stunde, und ihre eigenen Boten konnten den Guise die Nachricht bringen. Die Edelleute im Zimmer nannten den Namen des königlichen Bruders, sie beschrieben seine Krankheit und die sonderbare Art zu sterben, die jetzt schon das drittemal bemerkt worden war, an diesem wie auch an seinen beiden vorangegangenen Brüdern. Die Herren verhielten sich so, obwohl sie vermuten konnten, daß dem König selbst das gleiche Ende bevorstände. Aber für die einen war er schon nicht mehr da, trotz sichtbarer Gegenwart. Die anderen führten absichtlich dies Gespräch, wegen ihres Bedürfnisses, dem Herzog Du Maine den Hof zu machen. Auf einmal wendete der König den Kopf aus dem Feuerschein. Er wagte eine seiner knabenhaften Bewegungen, was aus Furcht geschah, und mit einer Leichtigkeit, die ihn entschuldigen sollte, sagt er: »Ihr beschäftigt euch mit den Toten.«

Er musterte alle, nur den Dicken vermied er, so vordringlich sein Bauch war. »Ich denke an die Lebenden. Heute erkenne ich den König von Navarra an als meinen alleinigen, einzigen Erben. Er ist ein gut veranlagter Fürst, den ich von Natur -« Alles in demselben Atemzug, und hörte auch gar nicht auf: damit der eine gefährliche Satz, der von dem Erben, womöglich abgeschwächt oder sogar überhört würde. So kam es durchaus nicht. Es wurde gemurrt. Ein seidenglänzender Bauch schob sich gegen den König. Dieser schwatzte um so beiläufiger. »Von Natur hab ich ihn immer gern gehabt, weiß auch, daß er mich mag. Er ist leicht eingeschnappt. Witze reißt er gern, im Grunde aber taugt er etwas. Ich habe mich vergewissert, daß wir von verwandtem Temperament sind und miteinander auskommen werden.«

»Er ist ein Protestant«, äußerte Mayenne mit hoher Stimme.

»Ich wünsche mich in mein Arbeitszimmer zu begeben«, sagte der König und erhob sich. Sie machten ihm Platz. Die Tür, durch die er hinausging, blieb offen, man sah fortwährend seinen Rücken, da wurde Mayenne ganz laut. »Einen Hugenotten als Erben, das soll dir schlecht bekommen, Valois. Hat einer nichts mehr zu verlieren und will noch Kronen verschenken!«

Der König hörte alles, indes er durch das nächste Zimmer langsam wandelte um nicht sichtbar zu flüchten. Grade darum schlossen sie die Tür nicht. Mancher beugten sich hinaus, damit sie vor den anderen erführen, was er etwa Gefährliches tat. Die Vorsichtigsten liefen ihm nach. Mayenne tobte: »Der Papst muß ran!«

»Wir lassen den Valois exkommunizieren!« pfiff er in der Fistel. Im Gegensatz hierzu pfiff er: »Eine Tonsur schneiden wir ihm und sperren ihn ins Kloster.«

Sie verneigten sich vor dem Dicken tiefer als sonst und nannten ihn »Herrn des Glaubens«, welchen Titel der Dicke sich beigelegt hatte, um beim Volk und den ehrbaren Leuten etwas vorauszuhaben vor seinem Bruder Guise. Die Herren von Lothringen hielten allerdings zusammen, solange sie noch nicht gesiegt hatten. Nachher hoffte jeder, den anderen um die Früchte zu bringen. Mayenne beriet sich nicht mit seinem Bruder, der übrigens nicht in der Stadt war, sondern mit der Herzogin von Montpensier, ihrer Schwester, und alsbald schickte die Liga das Volk auf die Straße. Dort wurde es von Rednern bearbeitet, las Plakate, schrieb selbst seine aufgeregten Eindrücke an die Wände der Häuser. Der Valois hat verspielt, ganz gleich, was er tut. Läßt er sich von Navarra nicht helfen, ist er verloren. Nimmt er die Hilfe an, erst recht: denn wir sagen, daß er selbst ein Hugenott ist. Mönch soll er werden, war von jeher nichts weiter. Das schrieben sie an die Wände und schrien es einander in den Mund hinein.

Alles ging vor sich, solange der Herzog von Guise auf der Jagd war. Er hatte absichtlich die Stadt verlassen. Während seines Rückweges erfuhr er das erste, konnte aber so schnell nicht reiten, um zu verhindern, daß seine Schwester vom Balkon ihres Palastes herab Ansprachen hielt und die Studenten aufreizte. Als er ankam, hatte sie den einen ihrer leidenschaftlichen Auftritte hinter sich und war mitten in dem nächsten, dieser mit dem König.

Die Herzogin von Montpensier in ihrer Sänfte, mit ihren langen starken Gliedmaßen, kam in den Louvre gefahren, als bräche ihr Reich schon an. Die Wachen stoben auseinander, so sah sie aus, die Haare bis über die herrische Nase, grausame Augen und eine Hetzpeitsche - aber überall Edelsteine, auch auf der Peitsche. Sie rief nach dem König, und da seine Diener vor ihr geflüchtet waren, trat er endlich allein aus seinem Zimmer. »Madame, ich könnte Sie in die Bastille werfen lassen.« Bevor sie es erwartet hatte, entriß er ihr die Peitsche, diese flog in den Winkel.

»Ich habe noch die Schere«, kreischte die Furie und zeigte sie ihm. Die Schere war aus Gold und hing an ihrem Gürtel. »Die hat ihre Bestimmung!« sagte sie ihm mit Mordblicken.

Er wußte, welche Bestimmung: ihm die Tonsur zu schneiden. Er sagte: »Frau Liga ist eine noch bösere Dame als Sie, Madame. Auch sie wird mir die Tonsur nicht schneiden.«

Sie lachte wahnsinnig. »Sire! Sie können keine Frau zufriedenstellen. Frankreich hat Ihnen nie gehört, Madame Liga nicht und ich ebensowenig.« Da sie ihm hierbei vor der Nase umherfuchtelte mit ihrer Schere, griff er plötzlich zu, und ebenso schnell hielt er zwischen seinen Fingern eine abgeschnittene Locke ihres schönen, wilden Kopfes. Während sie vor Schrecken still war, sagte er: »Madame, Ihre Locke behalte ich zum Andenken an Ihren Besuch.«

»Woher nehmen Sie den Mut?« fragte die Herzogin, fing an zur Besinnung zu kommen und den König zu erblicken. Bisher hatte sie trotz seiner leiblichen Gegenwart wüst von ihm geträumt. »Was ist Ihnen begegnet?« fragte sie.

Der König antwortete ihr nicht. Er zuckte schon die Schulter, zur Umkehr nach seinem Zimmer. Da aber alle Türen offengeblieben waren, sah er durch die entferntesten herbeistürzen den Herzog von Guise. Den König wurde unwohl; dennoch floh er nicht, sondern stampfte auf und rief nach der Wache, so männlich stark er konnte. Von allen Seiten drangen Leute, endlich zeigte sich auch Marschall Joyeuse. Was Guise betrifft, war er außer Atem und versuchte sich in Beteuerungen seiner Treue. Er hatte seine Soldaten auf das Volk einhauen lassen, dies behauptete er kühn. Er gab sich als den großen Diener. Der König warf dazwischen:

»Auffallend viele Fässer kommen auf dem Fluß an. Das Volk soll wohl immer lustig gemacht werden wie heute? Und mit leeren Fässern baut man Barrikaden!« Valois sprach drohend, niemand kannte den Schwächling wieder. Die Fässer konnten allerdings für den Bau von Barrikaden dienen; Guise wußte es am besten, aber weniger als je schien die Zeit ihm günstig, wenn er Valois ansah. Natürlich war der Herzog beherrschter als seine Schwester, auch klüger als der Kardinal von Lothringen, der das Vorrecht, den König abzuscheren, für sich als einen Kirchenfürsten beanspruchte. Seine Schwester, die infolge der Erwähnung der Fässer schon wieder ihre Schere schwenkte, wurde von dem Herzog streng angelassen. Übrigens begann ihre zu oft wiederholte Gebärde einfach lächerlich zu werden, besonders angesichts der Haltung des Königs, die nachgerade majestätisch war.

»Madame«, rief der Herzog. »Ihr Eifer für die heilige Kirche verwirrt Sie. Wir sind Diener des Königs, der gegen die Protestanten ins Feld ziehen wird: die Steuern erhebt er schon, das ist das erste. Nun droht uns der Einfall der Deutschen in das Königreich, die Hugenotten haben sie wieder einmal gerufen.« Zum König gewendet: »Sire! Ich biete ihnen mein Schwert an und bürge für den Untergang aller Ihrer Feinde.«

Das letzte betonte er, wiederholte besonders: aller. »Aller Ihrer Feinde, Sire!« Damit nötigte Guise seinen Valois, endlich zu hören, wessen Untergang er ihm zuschwor. »Des Königs von Navarra«, sagte er ausdrücklich und verfolgte auf dem verhaßten Gesicht die Wirkung. Diese war ein Aufleuchten der Stirn und ein fest geschlossener Mund. Hier wußte Guise Bescheid. Er nahm Abschied und führte seine Schwester bei der Hand hinaus. »Mach nicht die Furie!« pfiff er ihr bös in den Nacken.

Henri Valois träumte ihnen nach. ›Henri Guise, wie war ich doch einst gespannt auf dich. Ich, dein Gefangener, du trätest mit der Hetzpeitsche bei mir ein. Eine etwas ungesunde Versuchung, wie ich zugebe, aber sie liegt weit hinter mir. Hüte dich vor mir, Henri Guise! Ich hab einen Freund.‹ Er blickte dem Rücken des abgehenden Feindes nach und dachte an seinen Freund mit Bewunderung, ähnlich wie eine Frau ihn sich zurückgerufen hätte. ›Navarra, war ich in diesem Auftritt fest genug? Hatte ich deine Festigkeit?‹

Noch immer ging der Rücken des Feindes ab. Der arme König schlug auf einmal in seine eigene Natur um, nachdem er so lange versucht hatte, die des neuen Freundes nachzuahmen. »Joyeuse!« zischte er. »Befrei mich von dem da!« Worauf der junge Marschall erbleichte und sich stumm nach der Wand kehrte. Noch hatte der König keinen Beweis gekannt für den Verrat des Günstlings: halber Verrat, widerwärtiger als der ganze, jetzt enthüllte er sich. Der König ging fort, und in seinem Zimmer brach er zusammen, weil er viel und stürmisch gefühlt hatte: zu stürmisch für seine Natur, für eine Abendstunde zuviel.

Da sie hörten, der Tyrann wäre krank, sagten alle ihn tot, und auf den Straßen wurde getanzt vor Freude. Bald sollte es ein Ende haben mit den Kometen, der Pest und den anderen Übeln, die ein schlechter Herrscher verschuldet, vor allem die Steuern. Das Volk und die ehrbaren Leute mußten entsetzlich zahlen, damit die heilige Liga ein für alle Male fertig würde mit den Hugenotten. Die Unbeliebtheit infolge der Kriegskosten überließ sie dem Valois. Der Arme wehrte sich, wie er konnte. Erstens verhandelte er nochmals mit Navarra wegen seines Übertritts, worauf sie gemeinsam fertig geworden wären mit der Furie Liga. Hierbei hätte auch Navarra einigen Schaden genommen, und einziger Herr im Königreich wäre endlich der König gewesen.

Valois begriff im Grunde nicht, warum sein Freund sich sperrte gegen die leichte Gefälligkeit, den Glauben zu wechseln. Da er eine Sache innig wünschte, entging ihm, was sie den anderen gekostet hätte: seine Selbstachtung, das Vertrauen seiner treuen Anhänger. Dem Verräter an seiner Partei hätte die andere, der er zulief, nicht geglaubt, schlecht gedient; ja, Valois selbst hätte ihn alsbald behandelt wie einen Herabgesunkenen. Schon jetzt bot er ihm für seinen Übertritt hauptsächlich Geld an, was nichts Ungewöhnliches ist, da die Gesinnungen ihren Preis haben. Nicht käuflich bleibt dagegen die Tugend, deren Sitz das Wissen ist. Diese nun überwog im Rat zu Nérac. »Rüsten wir uns, wird der König uns achten. Achtet er uns, wird er uns rufen. Vereint mit ihm werden wir unseren Feinden die Köpfe einschlagen.«

»Ich bin dabei!« rief Henri.

Ein letztes Mal schickte Valois ihm seinen zweiten Günstling, Epernon, von dem er noch erwartete, bedient, sogar geliebt zu werden. Joyeuse war ihm schon damals nichts mehr, er, den er sein Kind genannt und dem er ein Herzogtum zugewendet hatte samt einer Schwester der Königin. Es gibt schwache Personen, die sich nicht anklammern: im Gegenteil, schnell und unwiderruflich ziehen sie sich zurück. Wenn er selbst wollte, der Sünder kann sein Vergehen nicht gutmachen. Sie haben ihn schon geopfert, während er noch nichts ahnt. Joyeuse geht heiter und glänzend umher, voll Stolz auf die prachtvolle Armee, die täglich anschwillt, mehr edle Namen, berühmte Wappen, teure Pferde und Panzer aus echtem Silber als jemals in einem königlichen Heer, aber führen soll es der Fünfundzwanzigjährige, ein Auserwählter des Glückes.

Der König lächelte ihm zu und denkt: ›Blähe dich - noch diese Weile. Navarra ist stärker als ihr: ich weiß es aus erster Hand, denn seine gute Frau, meine Schwester, verrät ihn mir bereitwillig. Ich muß ihr helfen mit Geld und Soldaten gegen ihren lieben Herrn, den sie haßt mit einem Haß, nur ich kann ihn verstehen. Wir sind von demselben Blut. Ich tue gut daran, Navarra in Atem zu halten - aber auch die Liga. Abwechselnd gegen beide schicke ich meine Truppen, dieselben Marschälle sogar, einmal Matignon, einmal Mayenne. Am liebsten schickte ich Guise, damit er sich von Navarra schlagen läßt; aber der ist leider schlau. Er geht lieber und vertreibt die Deutschen, ihn soll der Teufel holen. Wenigstens kann er Navarra nicht an den Leib: ich will nicht, daß meinem Freund Navarra etwas zustößt. Aber ich will ebensowenig, daß er mein Heer vernichtet. Die Dinge verwirren sich mir: das ist ihre Schuld, nicht meine.‹

So dachte der arme König und schickte seine Marschälle abwechselnd gegen die Liga und gegen Vetter Navarra. Diesem wäre er lieber beigestanden als entgegengetreten, aber grade in dieser verwirrten Lage mußte er zulassen, daß Navarra exkommuniziert wurde. Seltsame Begebenheit für einen Protestanten; Henri antwortete auf Maueranschlägen in Rom, der Stadt des Papstes, der ihn dafür bewunderte, und die Christenheit sprach von ihm. Dagegen hätte der arme König die Liga eher schwächen als stärken gewollt, aber mit ihr, er wußte selbst nicht wie, schloß er einen neuen Vertrag. Als Henri in seinem Nérac davon hörte, saß er ganz allein die Nacht auf.

Er bedachte tief, was jetzt nahe war und so sicher bevorstand wie der Morgen. Es war der Krieg, der wirkliche Krieg um das Dasein, keine munteren, vorläufigen Handlungen mehr, sondern die letzte im vollen Ernst. Den Kopf in die Hand gestützt, bei den herabbrennenden Kerzen erblickte er das Ganze nochmals, ließ vorbeiziehen seine fröhlichen kleinen Siege, bald vergessenen Niederlagen, die langen Ritte, bösen Städtchen, widerstrebenden Menschen und was ihn oftmals müde und mager gemacht hatte, zehn Jahre der Arbeiten und Mühen.

Das war gewesen und sank ab: Henri gewahrte die Entscheidung vor sich in Gestalt eines Heerwurmes, der bedeckt die Erde. Erschlag ihn oder glaube selbst daran! Du allein, auf dich haben sie es abgesehen, sonst könnten sie untereinander ihre Geschäfte besorgen, nur du störst sie. Du sollst die Krone nicht in Frieden erben, zuerst müssen zehntausend Leichen daliegen: ich selber überhäufe mit ihnen mein eigenes Königreich!

›Vetter Valois hat nicht Wort gehalten, was erwartete ich denn auch. Er ergibt sich der Liga, bevor sie ihn umbringt. Nach ihrem Siege täte sie es um so sicherer. Vetter Valois, du verläßt dich darauf, daß ich dich und die Liga schlage. Das ist deine Rettung, wie es meine ist. Deine Untreue befestigt unser Bündnis, ich wollte wohl, ich könnte den Herrn, meinen Gott, bitten, daß er die Prüfung von mir nimmt, oder sie wäre vorbei und ich selbst deckte mit meinem Leib den Boden des Königreiches.‹

Diese Versuchung widerfuhr dem Vierunddreißigjährigen gegen das Ende einer Spätsommernacht, zu der Stunde der größten Ermattung durch ein solches Wachen. Alle Kerzen waren erloschen. Gleich darauf dämmerte es im Fenster, und er konnte sehen, daß eine Hälfte seines Schnurrbartes weiß geworden war.

 

Der fröhliche Tag

Man ist keine tragische Gestalt, steht daher nicht, für alle erkennbar, im Mittelpunkt des Geschehens. Andere handeln und nehmen sich wenigstens so wichtig. Da ist Guise, er will Sieger sein über eine deutsche Armee, die aus der Schweiz den Hugenotten zu Hilfe kommt; gewonnene Schlachten fehlen ihm bis jetzt an seinem Ruhm. Auch freut Joyeuse, der junge Marschall, sich wie ein Kind darauf, den König von Navarra zu schlagen mit seiner ausgewählten Ritterschaft. Er sitzt nur noch etwas in einer der Städte, die er unterwegs einnimmt, und nach dem fetten Leben bei Hof macht er eine Kur zur Reinigung seines Innern. Abgeführt und leicht soll der Feldherr in die Schlacht reiten.

Nicht allein dieser neue Gegenspieler erwartet Henri: sein alter Biron, derselbe, den er als bitterbösen Feind gehabt hatte während seines kleinen Gefechtes im eigenen Land, auch hier draußen fand er sich pünktlich ein. Henri hatte die Provinz Guyenne damals vertauscht mit der Provinz Saintonge, denn sein Heil bestand im Angriff: den Krieg hinaustragen, ihn nach dem Norden verlegen, Paris bedrohen - Fama immer vorausfliegend und blasend. Sem alter Biron ließ es sich einfallen, eine gewisse Insel anzugreifen: Marans, nahe dem Ozean; Henri hatte sie seiner Freundin Corisande höchst reizend im voraus beschrieben. Das Wasserband, das dieses liebliche Eiland von Gärten umschlang, war nur leider Sümpfen abgewonnen, und in ihnen verkam das Heer des Feindes. Er mußte die Belagerung aufheben, war selbst verwundet, auch das Geld vom Hof ging aus. Wie denn, ein König, der die Abgaben seines Volkes nur immer an seine Günstlinge verschwendet hatte, soviel nicht Diebe oder die heilige Liga für sich nahmen: derselbe Fürst sollte auf einmal drei bis vier Armeen bezahlen? Das Geld für Biron blieb zuerst fort. Einiges erbeutete Henri: nur wenige tausend Taler, aber das entschied den Zusammenbruch des Marschalls, seine Truppen liefen ihm weg.

Hiermit hatte Henri sich nicht nur Birons entledigt, sondern auch seines Vetters Condé, infolge des auffallenden Gegensatzes zu den Fehlschlägen, die dieser Mitbewerber um die gleiche Zeit erlitt. Der Sieg Henris auf der Insel gewann ihm die harten Protestanten von La Rochelle, die andernfalls den guten Parteimann und mittelmäßigen Führer Condé gern vorgezogen hätten. Jetzt gelangten die zahlreichen Ungeschicklichkeiten des Glaubensgenossen erst recht zur Geltung. Nachträglich wurde in den strengsten Häusern über ihn der Kopf geschüttelt. Zuerst war im Schloß zu Nérac auf seine Kosten gelacht worden, der Vetter verzieh es nicht.

Kam die Reihe an Joyeuse, als er endlich erleichtert war und ins Feld ritt. Da wird Henri allerdings die tragische Gestalt: beim Treffen mit der größten und reichsten der königlichen Armeen, auf offenem Feld, am Tag der Entscheidung. Noch mehr wird Henri hier: Glaubensheld nach dem Vorbild der Bibel. Die Zweifel an ihm ersterben. Der streitet nicht mehr um Geld und Gut, noch um die Krone: vielmehr zur Ehre Gottes bringt er sie dar. Nimmt die Partei der Schwachen, Verfolgten, unwandelbar fest, gesegnet vom Herrn der Himmel. Der hat die reinen Augen wie ein Kämpfer für die Religion. Es ist nicht wahr, was so lange umging von seinen Liebschaften, tollen Streichen und seiner Lauheit. Unser Held und Streiter, unser höchst Gesegneter, wir eilen dir zu.

So stießen sie zu ihm von vielen Seiten - und im voraus erhoben von seinem Ruf, wurden alle diese Menschen beseligt, als sie mit Augen sahen, wie er war: einfach und gut. Eigenhändig grub er Erde aus den Laufgräben, aß im Stehen, schlief in Waffen - und lachte. Wegen seines Lachens blieb man bei ihm, ob es Geld gab oder keins, ob gegessen wurde oder gefastet. Er machte sogar seinen Pastoren fröhlich, des Nachts aber weckte er seinen Hauptmann Turenne, seinen Hauptmann Roquelaure, und es wurde aufgepaßt bei fertig daliegenden Lunten.

»Sire! Was hilft es indessen, daß wir wachen und uns vom Feind nicht überraschen lassen. Bei Tag setzen Sie Ihre Person aus, als hinge an ihr nicht alles, waten durch offene Sümpfe, von den ringsum einschlagenden Kugeln spritzt das Wasser Sie an.«

»Und falle vielleicht morgen«, antwortete Henri ihnen. »Deswegen bleibt doch aufrecht meine Sache, da sie die Sache Gottes ist.«

Dies sprach er unter den Sternen, glaubte es auch - recht, wie man glauben soll, denn seine Zuversicht war völlig grundlos, und in Wirklichkeit wäre mit ihm sofort auch die Sache gefallen. Wollte aber Gott dies Königreich retten, dann mußte er, ob gern oder ungern, Henri erhalten.

Unvermeidlich treten Zeiten der Ermüdung ein. Vierzehn Tage nicht im Bett gewesen, all die Sorge um die eigene Mannschaft - und um den Feind, der hingelockt werden soll, wo man ihn braucht. Als sie endlich aufeinanderstießen, der Herzog von Joyeuse, der König von Navarra, da fand sich dieser eingeschlossen zwischen zwei Flüssen und von seiner Artillerie getrennt. Womit er sich instand setzte, das waren seine Schnelligkeit, Beweglichkeit und sein gutes Glück. Dieses fügte es, daß der Feind um so schwerfälliger und langsamer war. Die Hugenotten hatten vor ihren Zelten die Psalmen gesungen noch bei dämmerndem Morgen, und der Feind stellte sich erst umständlich auf. Alsbald verlegten sie sich darauf, ihn auszuhöhnen und zu beschimpfen: die weichlichen Herren vom Hof, die Fresser, die Diebe an Steuergeldern und Schweiß der Armen.

»Genug abgeführt, Herr Herzog? Sonst sind wir da, und Angst tut mehr als Latwergen. Keiner von euch Herren kann verdauen, was er hat geschluckt an Pfründen und Pensionen, daher kommt ihr nicht von der Stelle. Aber das ganze Schlachtfeld stinkt von ihren Duftwässern. Nach getaner Arbeit sollt ihr anders riechen!«

Unheilvolle Drohungen werden weit hinübergetragen auf hellen Stimmen. Drüben ließ das heraufsteigende Gestirn schimmern und blitzen das silberne Heer. Das war das Heer der Reichen: viel edles Metall, goldene Dolche, goldene Helme, Edelsteine sind eingelassen in die Waffen, die Taschen sind voll Geld, die Stirnen voll Rechnung und Besitz; unter jedem silbernen Panzer klopft nicht allein das Herz: die Macht, die Macht klopft in euch und ist Macht von Zöllnern und Einnehmern, die sich bereichern an Witwen und Waisen. »Hundsfott! Ein rauher alter Mann, der aber scharfe Augen hatte, rief weit hinüber: »Dreh dich nur her, dich hab ich erkannt, du warst es, der mein Schloß angezündet hat mit deinen Landsknechten. Du bist einer von der Liga.«

Dieser Name erhöhte die Wut des protestantischen Heeres. Der verhaßte Feind wären nicht die Königlichen gewesen: die Mordbanden der heiligen Liga, auch sie standen drüben. Die hatten Bethäuser zerstört, Pastoren geröstet, die weibliche Natur mit Pulver gefüllt. Das seid ihr, die uns die Heimat verbieten mitsamt dem Glauben, und sollen nicht sein und denken, wofür wir gemacht sind von unserem Schöpfer. Aber er will, daß ihr heute sterbt! So beteuerten ihnen die Pastoren, die zwischen ihren Reihen umhergingen auch im Wams und Koller, damit das wahre Wort zuletzt noch gehört würde. Bevor der Pastor fertig war, stellte der Hauptmann seine Kompanie in Schlachtordnung auf.

Der König von Navarra war überall sichtbar, obwohl selbst nur im grauen Leder und Eisen; ihm selbst entging nichts, besonders keine Bewegung des Herzogs von Joyeuse. Die beiden ließen einander Zeit, bevor es vollends ernst wurde. Am Ende soll einer von beiden vor Gott treten, indes der andere das Feld behauptet. Jedes der Geschicke ist groß; deswegen achten sie einander und gewähren einander den Vorteil, der noch zu gewinnen ist, bevor es vollends ernst wird. Joyeuse vollführt schwierige Manöver mit seiner allzu glänzenden Reiterei, ohne daß jemand ihn stört. Währenddessen kann Navarra schnell seine letzten Feldschlangen über den Fluß holen. Auch sprach er seine beiden Vettern an, um sie an ihr gleiches Blut zu erinnern. Es waren Condé und Bourbon Soissons, der Geliebte seiner Schwester Catherine.

Als Henri schon glaubte, er wäre bereit, trat vor ihn hin Philipp Mornay mit zwei Pastoren. Ohne Umschweife, da die Schlacht und vielleicht das Opfer des Lebens warteten, warf Mornay seinem Herrn vor, daß er noch wieder in La Rochelle eine Liebschaft gehabt hatte, und diese lastete im letzten Augenblick auf der Tugend der Hugenotten. Henri gab seinen Fehler den Pastoren zu. Er sagte: »Vor Gott kann man sich nicht genug demütigen, und Menschen nie genug trotzen.« Worauf er davonsprengte, denn er erblickte einen Überläufer ein Anführer, der sich mit seinem Trupp unentschlossen zwischen Hügeln bewegte, in einem vorläufigen Abstand von beiden Armeen. »Fervaques!« rief Henri schon von weitem. »Wenn wir siegen, kommen Sie zu uns!«

Sofort wendete er, ohne sich erst zu überzeugen, was auf seinen Anruf geschähe. Die Leute des graden und schlichten Soldaten nötigten ihn aber, sich zu entschließen, denn sie folgten dem König von Navarra. Henri sah am Stand der Sonne, daß es neun Uhr war, und seit zwei Stunden manövrierten die beiden Heere, jedes vor den Augen des andern. Im Oktober ist dies keine vorgeschrittene Zeit; das Licht fiel schräg aus Wolken, die niedrig, langsam hinzogen über die Ebene, so daß anschaulich zu bemerken war: auch große Heere mitsamt den Feldherrn werden klein, sie werden sehr gering unter den sehr großen Wolken; und hinter diesen ist ein Himmel - kann sein, er will uns gar nicht kennen.

Henri reckte sich auf seinem Tier, er rief in die tiefen Reihen der Seinen hin, den Augenblick, bevor er mit ihnen den Feind angreifen wollte: »Gefährten, es geht um den Ruhm Gottes!« So rief er grade wegen des niederen Himmels. »Unsere Ehre will, daß wir siegen, oder wenigstens müssen wir das ewige Leben retten. Vor uns liegt der Weg. Los im Namen Gottes, für den wir kämpfen.« Während er dies in die Reihen rief, besann er für sich die Befehle, die sogleich folgen sollten. Es kam anders, und das protestantische Heer, ohne Geheiß noch Verständigung, kniete hin und betete: das ganze Heer. Es betete laut wie Getöse, Donnerschlag, oder Glocken, an denen man reißt, Psalm 118: »Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.«

Da wurde das Herz Henris erhoben vom freudigen Erschrecken, und er erkannte wieder, was ihm einst am Meeresstrande voraus verkündet worden war: Ein ganzes Heer kniet hin, und anstatt anzugreifen betet es. So überzeugt ist es von seiner Bestimmung, zu siegen. Auch er, die Stirn erhoben, die Hände auf der Brust gefaltet, sprach mit: »Alle Heiden umgeben mich; aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen. Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein!«

Wahrhaftig war Henri fröhlich, er war fröhlich wie nie. Der Tag, den der Herr macht, ist der, an dem wir reiten und dreinschlagen, ohne Sorg und Zweifel. Der halbe Schnurrbart wird heute nicht weiß durch Verrat, Ungewißheit, Trauer. Der Tag, den der Herr macht, ist ohne Zweifel, denn dort steht der Feind. Heute sind wir stark im Glauben, denn wir haben nicht die Wahl und müssen siegen. Das ist der fröhliche Tag.

Der Herzog von Joyeuse sah, was drüben Merkwürdiges vorging, er rief: »Der König von Navarra hat Furcht!« Ihm antwortete Jean de Montalembert: »Herr, Sie und Ihre Höflinge haben sich noch nicht die Knie gerieben an den Hugenotten. Wenn die dort solche Gesichter aufsetzen, dann soll was kommen.« Worauf manche reichen Leute in silbernen Rüstungen sich erst recht belustigten. Denn sie hatten nichts erforscht, nichts begriffen.

Das da drüben ist das Heer der Armen. Das drüben ist das Heer der Verfolgten um der Gerechtigkeit willen. Es ist das Heer, bei dem zuweilen die Tugend vorkommt und einige Male das Wissen. Ihr König hat hohle Wangen seit diesem Feldzug, trägt auch nur den grauen Helm und Brustpanzer wie alle, und sein einziges Hemd ist an seinem Leibe noch feucht von der Wäsche. Er hatte alles, was er und sein kleines Land besaß, auf dieses Heer gewendet; so ist auch jeder der Seinen herbeigezogen mit dem, was ihm geblieben und seinem ganzen Glück. Diese Schlacht verloren, und alles wäre aus für sie, es muß fortgewandert werden in die Fremde. Da liegen sie, diesen Augenblick noch mit den Knien auf ihrem Heimatboden, rufen hinan, reißen an Tauen, die von Glocken aus den Wolken hängen: »Im Namen des Herrn will ich die Heiden zerhauen. Dies ist sein fröhlicher Tag.«

Nun geschah es, daß beim ersten Zusammenstoß die Ritter tief einbrachen in die Reihen der hugenottischen Arkebusiere. Sie jagten sogar einen Teil der Reiterei von Navarra vor sich her, bis in die Stadt Coutras, man fing schon an, das Gepäck zu plündern. »Sieg!« wurde gerufen, und Joyeuse fand es nicht zu früh, auch sein Fußvolk vorzuschicken. Da erfolgte die Überraschung. Die Protestanten beschossen mörderisch aus gedeckten Stellungen die Flanken des königlichen Heeres, das selbst nur schlecht zielte, seine Kanonen standen zu niedrig. Das Fußvolk flüchtet, die Reiterei wird eingedrückt. Handgemenge, der König von Navarra umarmt inmitten einen feindlichen Edelmann. »Ergib dich, Philister!« Dann ist er selbst wohl Simson - hätte den Philister aber lieber vom Pferd schießen sollen, denn fast verliert er für seinen Edelmut sein Leben.

Als der Herzog von Joyeuse seine Sache verloren sah, ritt er mit seinem jungen Bruder, Herrn de Saint-Sauveur, in das dichte Gewühl und kam darin um, wie er auch gewollt hatte. Er war nur ein Günstling gewesen, und angefangen hatte er wohl nicht ehrenhaft. Sein Stolz, als er so groß geworden war, lehrte ihn, in Ehren unterzugehen.

Kaum hatte er ausgeatmet, schon lief sein Heer auseinander. Die Hugenotten verfolgten es zwei oder drei Meilen weit: jeder seinen schönen Ritter, dem er die Taschen umdrehen wollte, ihn gefangennehmen und nur herausgeben für gutes Lösegeld. Auf dem Schlachtfeld zurück blieben zweitausend Tote, fast lauter Katholiken: sonst war es leer. Die Toten lagen zwischen ihren Pferden und Waffen, alles aufgeworfen zu Hügeln von selbst, ohne menschliches Vorbedenken, und so auch die anderen Hügel, die aus Sand und Gras sind. Zwischen Sand, Gras und den Toten bewegte sich eine einzelne gebückte Gestalt: späht in die Gesichter, taumelt vom Schmerz des Findens und Erkennens, späht gebückt im fallenden Abend, unter den niedrigen Wolken.

Im »Weißen Roß« zu Coutras wurde getafelt oben, aber unten trug der Tisch die Leichen des Herzogs von Joyeuse und seines Bruders. Der König von Navarra kehrte zurück, man wußte nicht, woher; in der Verwirrung des Sieges hatte noch niemand ihn vermißt. Seine eigene Wohnung fand er voll verwundeter Gefangener, ging in das Gasthaus: hier bemerkten einige, daß seine Augen gerötet waren. Zuerst beugte er noch das Knie vor den beiden Besiegten; dann verwandelte er sich durch eigenen Entschluß und eilte hinauf, um mit den Lachenden und Tafelnden den großen Sieg zu feiern. Einen so großen hatten die von der Religion nie vorher errungen, gewiß nicht zu den Zeiten des Herrn Admirals, wie seine alten Kampfgenossen auch zugaben. Da der König von Navarra eintrat, sprangen alle von den Bänken, stampften einmal stark auf und hielten dann den Atem an, damit es völlig still wurde.

Henri sprang lachend unter sie, rief: »Noch nicht das ewige Leben, das haben wir noch nicht gewonnen, aber dieses.« Faßte den größten Humpen und stieß ihn gegen alle anderen, die seine tapferen Hauptleute ihm entgegenhielten. Sie verschlangen, womit die riesigen Schüsseln beladen waren; Henri so viel wie einer. Ihre lauten Stimmen erzählten ihre Taten in dieser Schlacht, und Henri die seinen, hell wie eine Trompete. In dem langen Saal war die Luft verdichtet vom Rauch der Fackeln, Qualmen des Bratherdes, und von den heißen Ausdünstungen der Soldaten. All ihre lederne Tracht hat dunkle Flecken; welche sind von ihrem Blut, und welche vom Blut getöteter Feinde? ›Ich seh euch, aber ihr seht nicht, daß ich geweint habe.

Genug getrauert um meine Landsleute, die ich selbst hab hinschlachten müssen, und hätten mir doch später treu gedient. Dort hängen von der Decke ihre Banner, die von ihnen übrig sind. Gut und recht - aber das Banner des Königs von Frankreich will ich mir nicht holen, und er selbst soll nicht drunten auf dem Tisch liegen, indes ich oben tafle. Das nicht, ich schwör es‹ - sprach er zu sich selbst, tat aber den Tischgenossen munter Bescheid.

Valois steht längs der Loire mit seinem letzten Heer und deckt sein Königreich. ›Ich tu dir nichts, Valois, und für dein Königreich schlag ich meine Schlachten. Wir müssen noch fertig werden mit Guise, das wissen wir beide. Jetzt mag er die deutschen Landsknechte zurücktreiben nach der Schweiz, du aber ziehst statt seiner siegreich in deine Hauptstadt ein, mein Valois. Denn ich tu dir nichts, wir verstehen uns.‹

Gedacht, getan, und tags darauf stieg Henri zu Pferd, um durch die ganze Guyenne bis nach Béarn zu reiten; hatte bei sich einen berittenen Trupp und zweiundzwanzig eroberte Fahnen, die brachte er der Gräfin Gramont. Er handelte romantisch, wie alle sahen. Anstatt seinen Sieg zu verfolgen und den König zu schlagen, schwelgte er im Gefühl und trug eroberte bunte Fahnen bis vor die Füße seiner Freundin. Darüber große Enttäuschung bei den Siegern von gestern; ja, des Verrats wird Henri beschuldigt von fremden Protestanten, die leicht reden haben, je weiter fort sie sind von diesem Königreich.

Er kam an, da stand auf der Treppe ihres Schlosses, in Weiß und überflutet von Perlen, die Fee Corisande, so himmlisch er sie nur träumte. Alle Fahnen wurden vor ihr geschwungen und gesenkt; dann, als wäre er hiernach würdig genug, schritt Henri zu ihr hinan und führte sie hinein an der erhobenen Hand. Sie konnte nicht sagen, wie glücklich sie war. So glücklich war seine Muse, daß sie alles vergaß, was nicht sein Sieg und großer Weg war. Kein Gedanke an Bitterkeit oder eigenen Anspruch: sie vertraute ihm sanftmütig. Mütterlich bedauerte sie seine Mühen, freute sich, daß sie belohnt worden waren; hätte sich in Wahrheit aber wünschen müssen, daß sie lange währten, wie es dann auch kam. Solange das Glück in der Schwebe bleibt, ist noch die Zeit der Muse: dies aber ist ihr fröhlicher Tag.

 

Moralité

Imperceptiblement il avance. Tout le sert, et ses efforts, et les efforts des autres pour le refouler, ou le tuer. Un jour on s'aperçoit, qu'il est fameux et que la chance le désigne. Or, sa vraie chance c'est sa fermeté naturelle. Ii sait ce qu'il veut: par cela il se distingue des indécis. Ii sait surtout ce qui est bien et sera admis par la conscience des hommes ses pareils. Cela le met franchement à part. Personne, parmi ceux qui s'agitent dans cette ambiance trouble, n'est aussi sûr que lui des lois morales. Qu'on ne cherche pas plus loin les origines de sa renommée qui ne sera plus jamais obscurcie. Les contemporains, d'alors et de quelques autres époques, ont pour habitude de s'incliner devant tout succès, même infâme, quitte à se récuser aussitôt traverse ce passage où soufflait un vent de folie. Par contre, les succès d'Henri n'étaient pas pour humilier les hommes, ce que n'évitent guère la plupart des chefs heureux. Ils devaient plutôt les rehausser dans leur propre estime. On ne voit pas d'habitude l'héritier d'une couronne, que le parti dominant répudie voilemment, gagner à sa cause, par des procédés d'une honnêteté pathétique, le roi même que force lui est de combattre. Combien il voudrait aider ce roi, au lieu de devoir le diminuer, lui et son royaume. Ii a eu ses heures de faiblesse et la tentation d'en finir ne lui est pas restée inconnue. Cela le regarde. A mesure qu'il approchait du trône il a fait comprendre au monde qu'on peut être fort tout en restant humain, et qu'on defend les royaumes tout en défendant la saine raison.


 << zurück weiter >>