Niccolo Machiavelli
Geschichte von Florenz
Niccolo Machiavelli

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Anhang

Aus den Briefen an die Zehn der Balia, 1497.

Savonarola.

Terracottabüste. Fälschung im Stil des 15. Jahrhunderts, von Giovanni Bastianini (1830– 68). London, Victoria und Albert Museum

... Als in den ersten Tagen dieses Monats der Bruder (Girolamo Savanarola) predigte, entstand durch einen Mann, der eine Trommel rührte, großer Lärm in der Kirche. Es wurden Waffen gezogen und ein großer Tumult war im Ausbrechen, doch wurde er schnell gedämpft. Von Rom aus fing man an, den Bruder durch Breven zu drängen. Der Papst sandte einen Giov. da Camerino, einen unruhigen Mann und genauen Freund des Bruders Mariano da Ghinazzano mit diesen Breven an die Signoria und an den Bruder Girolamo; an die Signoria, daß sie ihm das Predigen verböte; an ihn zu demselben Zwecke, daß er vor dem päpstlichen Vikarius erscheinen solle, und zu einigen andern. Der größere Teil dieser Dinge war von hier aus durch die Gegenpartei nachgesucht worden. Die seinige dagegen verteidigte ihn kräftig. Doch predigte er diesen Sommer wegen der Hitze, der Pest und vielen andern Bedrängnissen nicht ...

Cesare Borgia.

Ölgemälde, Giorgione (1478 – 1510) zugeschrieben. Bergamo, Accademia Carrara

Es hatte in dieser Zeit der Papst seine Tochter mit dem Herrn von Pesaro vermählt. Dieser verließ Rom, wo er sich befand, insalutato hospite und ließ, zu Hause angekommen, sagen: sie möge sich einen andern Mann suchen, er wolle sie nicht mehr in seinem Hause. Der Papst sandte Maestro Mariano da Ghinazzano nach Pesaro. In Summa fand sich ein Mittel, die Gatten zu scheiden, obgleich die Ehe vollzogen war. Die Scheidung erfolgte dann am 7. Juni.

Es wurde im Konsistorium die Bulle der Investitur des Königs Ferdinand mit dem Königreich Neapel, mit Einwilligung aller Kardinäle, ausgesprochen, ausgenommen des Franzosen Saint Dénis, der feierlich protestierte, de nullitate rei, et de juribus integris Cristianissimi Regis etc.Daß die Sache nichtig sei und die Rechte des allerchristlichsten Königs in voller Kraft blieben. Als der Papst opponierte, sagte er zuletzt, sein König behalte sich vor, seine Rechte in armis geltend zu machen. Den 9. sodann wurde für die Krönung der Kardinal von Valenza zum Legaten erwählt, und der Herzog von Gandia zum Fürsten von Benevent gemacht, was die Folgen hatte, die in der Beilage aus dem Brief Ser Alessandros erhellen.

Gegen die Mitte des Monats wurde der Herzog von Gandia ermordet. Für damals wußte man es nicht; später hielt man für gewiß, der Kardinal von Valenza sei aus Neid und wegen Mona Lucrezia der Mörder gewesen, oder habe den Herzog ermorden lassen.

Die Angabe, worauf sie die Scheidungsakte Pesaros und der Mona Lucrezia gründeten, war, daß die Ehe wegen Impotenz nicht vollzogen sei. Der Papst sagte außerdem, er tue es aus Rücksicht auf ihren ersten Gemahl, nämlich Messer Procida, von dem sie gleichfalls geschieden war ...

Um diese Tage wurde Lamberto dall'Antella, der in sein Landhaus oberhalb des Paradieses gegangen war, verhaftet. Obgleich er an Messer Francesco Gualterotti, der zu den Zehn gehörte, in Anbetracht ihrer Verwandtschaft – Lamberto hatte eine Gualterotti zur Frau – geschrieben hatte, er wolle kommen, um zu berichten usw., so hatte er doch keine Erlaubnis erhalten. Nach seiner Verhaftung zeigte er einen zweiten Brief an denselben vor, der noch nicht abgesendet war. Er ward verwiesen und geächtet ...

Es wurden als Mitwisser und Begünstiger des Planes der Medicis, nach Florenz zurückzukehren, von vorgenanntem Lamberto viele Bürger angegeben. Unter andern Benedetto del Nero, Niccolò Ridolfi, Gio. Cambi, von denen von Santa Trinita, Giannozzo, Pucci, Lorenzo Tornabuoni, Pandolfo Corbinelli, Piero Pitti, Francesco di Ruberto Martelli und einige andere. Ihr Hauptvergehen war, daß sie mittels eines Eremitenbruders Serafino Briefe empfangen und an Piero geschrieben hatten. Giannozzo und Lorenzo hatten sich hierin weit eingelassen. Giovanni Cambi hatte über Siena durch Jacob Petrucci in Chiffern auf Leinwand, wodurch er von Piero hörte, dasselbe getan. Niccolò Ridolfi hatte gleichfalls Briefe empfangen und sie Benedetto del Nero mitgeteilt, während dieser Gonfalonier war. Inter alia wurde er beschuldigt, mit Benedetto del Nero gelacht, und mit andern gescherzt zu haben, in specie habe Bernardo gesagt: »Wenn Piero zurückkehrte, würde ich zwanzig Jahre jünger werden.« Die andern wußten um die Sache und hatten sich vorbereitet. Es wurde auch während der Untersuchung mehrere Male Fra Mariano beschuldigt, der jedenfalls einigermaßen die Hand im Spiel hatte.

Den 18. wurden durch die Acht Benedetto del Nero, Giovanni Cambi, Niccolò Ridolfi, Giannozzo Pucci und Lorenzo Tornabuoni reos mortis gesprochen. Von diesem Tage bis zum 20. blieben sie im Gefängnis, während darüber gestritten wurde, ob sie nach dem Gesetze vom Jahre etc. an den großen Rat appellieren dürften. Den 21. sodann, als die Stadt über dieses Urteil gärte, ließen besonders diejenigen, welche Piero fürchteten, um sich zu sichern, die Signoren eine zahlreiche Bürgerversammlung halten, wo sie einstimmig darauf antrugen, man solle das Urteil immediate vollstrecken. Bei der Beratung erhob sich Francesco Valori, trat zum Sitz der Signoren, indem er fast drohend auf einen Stimmkasten zu seiner Rechten schlug, und verlangte tobend Abstimmung. Es wurde einiger Tumult gemacht, doch legte er sich wieder. Als nun die Signoren die Einigkeit der Mehrzahl sahen, deren Meinung dahin ging: »Man dürfe, da periculum in mora sei, et urgente necessitate salutis Reipublicae, die Apellation nicht abwarten«, befahlen sie durch Kugelung – doch stimmten nicht alle Signoren – den Acht, das Urteil an den fünf Bürgern immediate vollstrecken zu lassen. Es geschah in der folgenden Nacht. Die übrigen wurden dann sämtlich verwiesen, Pieros Vetter ausgenommen, der nach vielen Monaten, welche man ihn zur Erforschung der Angelegenheiten der Medicis aufsparte, gleichfalls enthauptet wurde. Sie wurden im Hof des Hauptmanns hingerichtet. Die Folge war Argwohn in der Stadt und Rachgier, welche sich dann im folgenden April durch die Ermordung Valoris kühlte ...

Die Ehescheidung der Mona Lucrezia und des Herrn von Pesaro wurde im September ausgesprochen und beruhte auf der Angabe, er sei impotens et frigidus natura ...

Es wurde, wie oben gesagt, Fra Girolamo exkommuniziert, oder besser gesagt, es wurde ihm das Predigen verboten. Seit dem vorigen Sommer bis Februar war er auch stille gewesen, aber nun fing er wieder während der Lustbarkeiten der Fastnacht zu predigen an. Seine Predigten waren sehr kräftig und alle gegen die Kirche. Der Papst und der ganze römische Hof fühlten sich dadurch so verletzt, daß sie von neuem Breven an ihn und an die Signoria schickten.

Er predigt wieder, weil die neue Signoria zu erwählen war, und er schon den Scheiterhaufen roch. Die Stadt nämlich, seinen Ungehorsam gegen den Papst erfahrend, und seiner Prophezeiungen, die nicht anders als Unheil enthielten, bis zum Überdruß müde, fing an, sich gegen ihn zu wenden. Deshalb wollte er sein schlimmes Los hinausschieben.

Einige Zeit vor dem Tode des Königs von Frankreich sah man Zeichen von Epilepsie an ihm, und wenn auch dieses Übel nicht die Ursache seines Todes war, so hatte es doch vielen Anteil daran. Es war schon März, der Bruder predigte, und der Papst schleuderte Bannstrahlen. Die geteilte Stadt wählte ungleich. Beim Einzug der Signoren im März waren sofort sehr ernste Breven vom Papst hier, und mehr als eins. Es wurden viele Konsulationen über die Sache gehalten. In primis war die Signoria geteilt, und daher kam der große Streit. Währenddessen litten die Orsini im Römischen durch die Colonna, welche durch die Unterstützung des Papstes und König Friedrichs überlegen waren ...

Den 8. April 1489 starb der König Karl am Schlag, und am selben Tag erfolgte zu Florenz der Vorfall mit dem Bruder, wovon ausführlich zu sprechen ist.

Nach dem Tode des Königs Karl (des VIII.) wurde Ludwig XII. König. Zur Stunde fing er an, an Scheidung von seiner Gemahlin zu denken, um die vorige Königin zu heiraten wegen der Bretagne und weil er ihr wohlwollte. Ferner wurde beschlossen, daß sein Titel König von Frankreich, Sizilien, Jerusalem und Herzog von Mailand sein solle, denn schon zeigte er seine Absicht auf dieses Herzogtum ...

Um die Kosten nicht tragen zu müssen, und auch weil man es hier so wünschte, war es der Papst zufrieden, daß Fra Girolamo nicht nach Rom gebracht wurde, sondern daß die Signoren durch einen Brief Seine Heiligkeit ersuchen sollten, dieselbe möge zur Untersuchung jemand hierher zu schicken geruhen. Es geschah so...

Den 24. Mai wurde Fra Girolamo mit Fra Domenico und Fra Silvestro verbrannt.


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