Niccolo Machiavelli
Geschichte von Florenz
Niccolo Machiavelli

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Erster Teil

An den Heiligsten Vater unsern Herrn Clemens VII. sein untertänigster Diener Niccolo Machiavelli

Papst Clemens VII. (Giulio de'Medici).

Deckfarbenskizze von Sebastiano del Piombo (um 1485– 1547). Neapel, Nationalmuseum

Nachdem Eure Heiligkeit zu einer Zeit, wo Ihr, heiligster Vater, noch in einem minder hohen Range standet, über die durch das florentinische Volk vollbrachten Taten zu berichten mir aufgetragen, habe ich, um diesem Auftrage zu genügen, allen Fleiß und alle Kunst aufgewandt, welche ich durch Natur und Erfahrung erworben. Und da ich nun mit dieser Arbeit zu den Zeiten gelangt bin, wo infolge des Todes des erlauchten Lorenzo de'Medici die italienischen Verhältnisse eine große Umwandlung erlitten; da sodann die nachmaligen Ereignisse, als wichtiger und größer, in höherem Geiste zu schildern sein werden: so habe ich passend erachtet, alles, was ich bis zu jenem Zeitpunkte aufgesetzt, in einem Buche zusammenzustellen und es Eurer Heiligkeit zu überreichen, damit Ihr in einem Teile wenigstens die Früchte Eurer Aussaat und meiner Arbeit zu genießen anfangen möget. Wenn also Eure Heiligkeit dieses Buch liest, werdet Ihr sehen, wie nach der Schwächung der Macht des abendländischen römischen Reiches, unter großem Unglück und unter vielen Herrschern Italien seine politische Gestaltung wechselte. Ihr werdet sehen, wie der Papst, die Venezianer, das Königreich Neapel und das Herzogtum Mailand den ersten Rang und die vornehmste Herrschaft auf der Halbinsel erlangten. Ihr werdet sehen, wie Eure Vaterstadt, durch Zwietracht losgerissen vom Reichsverbande, in Zwietracht zu leben fortfuhr, bis sie unter den Einfluß Eurer Familie kam.

Da nun Eure Heiligkeit mir anbefohlen und besonders aufgetragen hat, über die Handlungen Eurer Vorfahren in solcher Weise zu schreiben, daß man sähe, wie Schmeichelei mir fremd, indem unwahres Lob und Absichtlichkeit Euch ebenso zuwider sind, wie Ihr gerne verdientes Lob von den Menschen vernehmt: so befürchte ich, daß bei der Schilderung der Güte des Giovanni, der Weisheit Cosimos, der Demut Pieros, der Hoheit und Klugheit Lorenzos, es Eurer Heiligkeit scheinen dürfte, ich habe Euern Befehl mißachtet. Deshalb entschuldige ich mich bei Eurer Heiligkeit und bei jedem, dem solche Schilderungen, als nicht getreu, mißfallen möchten. Denn da ich die Aufzeichnungen derer, die in verschiedenen Zeiten das Geschehene erzählt haben, voll des Lobes dieser Männer fand, mußte ich solches Lob entweder, wie ichs fand, wiederholen, oder als Neidischer verschweigen. Und wenn unter ihren preiswürdigen Handlungen ein, nach mancher Ansicht, dem allgemeinen Nutzen hinderlicher Ehrgeiz verborgen lag, so liegt mir, der ich diesen nicht erkannt habe, nicht ob, ihn zu schildern. Denn in allen meinen Erzählungen habe ich nimmer eine unehrbare Handlung durch einen ehrbaren Grund bemänteln, noch ein lobenswertes Werk durch eine Hindeutung, als sei's zu schlechten Zwecken geschehen, in Schatten stellen wollen. Wie sehr ich aber Schmeicheleien abgeneigt bin, geht aus allen Teilen meines Geschichtswerkes hervor, besonders aber aus den Reden und Urteilen einzelner, so richtigen wie schiefen, in denen ich, nach Wort und Folge, den Charakter des Redenden treu zu bewahren gesucht habe. Nur vermeide ich allerwärts gehässige Ausdrücke, als wenig übereinstimmend mit der Würde und Wahrheit der Historie. Wer also meine Schriften aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachtet, kann mich nicht als Schmeichler tadeln, namentlich wenn er sieht, wie ich von Eurer Heiligkeit Vater wenig gesprochen. Daran war Schuld sein kurzes Leben, welches ihm nicht gestattete, sich bekannt zu machen, mir nicht, durch meine Schriften seine Handlungen zu erläutern. Dennoch war dies sein Handeln groß und herrlich, da er Eure Heiligkeit erzeugt, was alle Taten seiner Vorfahren bei weitem aufwiegt und ihm mehr Jahrhunderte Ruhmes verschaffen wird, als das neidische Schicksal ihm Lebensjahre nahm.

Ich nun habe mich bemüht, heiligster Vater, in diesen meinen Schilderungen ohne Beeinträchtigung der Wahrheit einem jeden Genüge zu tun, habe aber vielleicht niemanden genügt. Wäre dies der Fall, so würde es mich nicht wundern; denn ich glaube, daß es unmöglich ist, über Angelegenheiten der eigenen Zeit zu schreiben, ohne bei vielen anzustoßen. Nichtsdestoweniger trete ich getrost in die Bahn, in der Hoffnung, daß, wie ich von der Geneigtheit Eurer Heiligkeit geehrt und genährt werde, so von den bewaffneten Legionen Eures heiligsten Urteils mir Hilfe und Schutz werden wird. Mit jenem Mute und Vertrauen also, womit ich bisher geschrieben, werde ich mein Unternehmen fortsetzen, wenn das Leben mich nicht verläßt und Eure Heiligkeit mir nicht Ihre Gunst entzieht.


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