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Aus der »Wage«

November 1898

November 1898

Das Scala-Theater in Wien

Vorspiel

Spielt in der Scala-Periode
Vestibül des Österreichischen Museums
Besucher, bürodiener.

Besucher: Kann ich den Hrn. direktor sprechen?

Diener: Nein, der Hr. direktor kommt erst so um zwölfe.

Besucher: Und wann geht er denn wieder fort?

Diener: Auch ... so um zwölfe.

Versammlung im Kunstgewerbeverein

Redner: ... und so glaube ich denn alle gründe wohl erwogen zu haben, die sich gegen die alljährliche abhaltung einer Weihnachtsausstellung anführen lassen. Die veränderungen im kunstgewerbe sind nicht so bedeutend, als daß man das interesse des publikums jedes jähr wacherhalten könnte. Ich beantrage daher, nur alle drei jahre eine solche ausstellung abzuhalten. (Der antrag wird angenommen.)

Auf der straße

1. Tischler: Wo kommst denn du her?

2. Tischler: Aus der Weihnachtsausstellung.

1. Tischler: Hast vielleicht ausgestellt?

2. Tischler: Ausgestellt! Wer? Ich? Bin ich kaiserlicher rat? Bin ich kommerzialrat? Bin ich ritter des Franz Josef-Ordens? Das weißt du ja selbst, daß das für unsereinen nichts ist. Um ausstellen zu können, braucht man zwar nur mitglied des Kunstgewerbevereines zu sein, aber soll man sich da hineindrängen? Du weißt ja, wie wir kleinen leute da drin behandelt werden.

1. Tischler: Aber vielleicht kann man auch ohne den verein drin ausstellen.

2. Tischler: Da würdest du schön ankommen! Der staat, also die steuerzahler, haben in diesem hause nichts zu reden. Der Kunstgewerbeverein macht alles. Das haus wird vom staat erhalten, aber wer nicht der clique angehört, hat drin nichts zu suchen.

1. Tischler: Da wäre also das ganze nur das vereinshaus eines privaten vereines?

2. Tischler: Ja, ja, es wird schon so sein!

1. Akt

Spielt in der Vor-Scala-Periode

1. Szene:

Im Ministerium für Kultus und Unterricht

... und so bitte ich sie, lieber hofrat, ihr hauptaugenmerk auf die beseitigung der mißstände zu richten, die sich in der nun ihrer obhut anvertrauten anstalt eingeschlichen haben. Wir kennen sie als einen mann von initiative. Möge es ihnen gelingen, unser kunstgewerbe von der gegenwärtigen stagnation zu befreien, neue anregungen zu bieten und den anschluß an die modernen kunstgewerbebewegungen zu finden.

2. Szene:

Im büro des neuen direktors

1. Museumsbeamter: Hr. hofrat, der mir angewiesene raum genügt kaum, um den vierten teil unserer keramischen sammlung unterzubringen.

Hofrat: Nehmen sie den saal A dazu.

1. Museumsbeamter: Den hat ja der Kunstgewerbeverein.

Hofrat: Ja dann ...

( 1. Museumsbeamter ab)

2. Museumsbeamter: Hr. hofrat, die möbelsammlung aus dem vorigen jahrhundert hat im arkadenhof keinen platz.

Hofrat: Nehmen sie den saal B dazu.

2. Museumsbeamter: Den hat ja der Kunstgewerbeverein.

Hofrat: Ja dann ...

( 2. Museumsbeamter ab)

3. Museumsbeamter: Hr. hofrat, soeben mache ich die entdeckung, daß ein großer und wertvoller teil unserer textilsammlung in den feuchten magazinen (das österreichische museum muß wegen platzmangel leider den größten teil seiner sammlungen in magazinen unterbringen) dem moder zum opfer gefallen ist. Kostbare spitzen, stoffe aus ägyptischen königsgräbern, alles, alles ist unrettbar verloren!

Hofrat: Was noch gerettet werden kann, ist sofort im saal C aufzustellen.

3. Museumsbeamter: Den hat ja der Kunstgewerbeverein.

Hofrat: Ja dann ...

( 3. Museumsbeamter ab)

Diese szene kann nach belieben weitergeführt werden.

3. Szene:

Hofrat ( schreibt) ... und angesichts des empfindlichen platzmangels erachte ich es als meine pflicht als direktor der mir vom staate anvertrauten anstalt, den Kunstgewerbeverein zu bitten, mir die bisher von ihm innegehabten räume so bald als möglich zur verfügung zu stellen. In der weiteren überlassung so wichtiger räume an einen ganz privaten verein erblicke ich eine verkürzung der übrigen kunstgewerbetreibenden und des publikums. Ich bin der meinung, daß alle staatsangehörigen Österreichs, ohne unterschied der vereinszugehörigkeit, das gleiche recht auf dieses haus besitzen.

4. Szene:

Im Kunstgewerbeverein

1. Mitglied: Das ist unerhört!

2. Mitglied: Infam!

3. Mitglied: Unverschämt!

4. Mitglied: Also wir sollen hinaus?

1. Mitglied: Ja, sind wir die herren im haus, oder sind wir's nicht? Man muß ihm den Standpunkt klar machen!

2. Mitglied: Und andere leute will er auch ausstellen lassen!

3. Mitglied: Und auch die andern sollen verkaufen dürfen!

Alle ( schreiend): Händler!

5. Szene:

Im direktionszimmer

Hofrat ( einen brief in der hand haltend, im selbstgespräch): Das ist schade! Ich habe geglaubt, daß ich allen verfügbaren raum für die Weihnachtsausstellung des museums zur verfügung haben werde. Und nun will der Kunstgewerbeverein auch eine solche veranstalten. Man hat doch beschlossen, nur alle drei jahre auszustellen. Es kommt also unerwartet. Ich werde mich halt einschränken müssen. Dafür werde ich wohl hoffentlich nächstes jahr mit der Weihnachtsausstellung allein sein? Weihnachtsausstellung? Nein, den namen hat sich der verein selbst geschaffen. Es wäre nicht fair, wenn ich ihn usurpieren würde. Muß einen anderen suchen. Sagen wir Winterausstellung. ( Es klopft. Der diener meldet den tischlermeister Kleinhuber.)

Tischler Kleinhuber ( mit vielen bücklingen und kratzfüßen im wiener hochdeutsch): Hr. hofrat, entschuldigen schon, euer gnaden, wenn ich mir erlaube, entschuldigen schon vielmals, ich bin zwar nur ein kleiner meister, aber der Kratochwil, den Hr. hofrat, bitt' um verzeihung, schon kennen, hat mir gesagt: Kleinhuber, hat er gesagt, ich heiße nämlich Kleinhuber, Hr. hofrat werden schon entschuldigen ...

Hofrat ( unterbrechend): Aber was wollen sie denn, lieber mann? Wollen sie vielleicht bei mir ausstellen?

Kleinhuber ( freudig und hastig): Ja, ausstellen!

Hofrat: Na also, da wären wir ja!

Kleinhuber ( wieder schüchtern): Ja, aber, Hr. hofrat, ich bin nur ein kleiner meister, ich arbeite nur mit einem gehilfen und zwei buben, entschuldigen schon.

Hofrat: Das ist mir alles eins. Das museum ist für alle gewerbetreibenden da. Die begünstigungen, die bisher nur einem privaten verein eingeräumt wurden, sollen von nun an allen gewährt werden. Darf dieser verein hier ausstellungen veranstalten, sollen es die anderen auch tun dürfen. Darf dieser verein hier seine erzeugnisse verkaufen, sollen es die anderen auch. Jedermann, ob groß oder klein, hat im hause des staates dasselbe recht. Ein haus, das von allen staatsbürgern erhalten wird, ist auch für alle staatsbürger da. Das mag diesem verein sehr unangenehm sein, aber die anderen kunstgewerbetreibenden müssen auch berücksichtigt werden. Sagen sie das ihren kollegen und schicken sie mir recht viele her. Die leute sind alle verschüchtert. Aber ich werde schon arbeiten, bis das haus wirklich das wird, was seinen gründern vorgeschwebt hat: Ein mittelpunkt für das österreichische kunstgewerbe, aus dem sich jedermann, jedermann, kraft, anregung und belehrung holen kann. Man schilt mich einen händler! Nicht ich habe das verkaufsrecht eingeführt. Ich mußte es aber verallgemeinern. Das erforderte die blanke gerechtigkeit. – Was wollen sie denn ausstellen?

Kleinhuber ( hat mit wachsendem erstaunen zugehört): O, Hr. hofrat, wenn sie schon so gut sind, einen kasten, der schon zwanzig jahre bei mir steht und den niemand kaufen will, möcht ich gern ausstellen. Hier verkauf ich ihn sicher.

Hofrat: Ja, das geht freilich nicht, lieber mann. Sie sind im irrtum! Und doch kann ich es ihnen nicht verargen. Waren doch die Weihnachtsausstellungen bisher nur dazu da, um in den reichen beständen einiger möbelmagazine aufzuräumen. Hier ist es aber anders. Muß schon verkauft werden, so sei es nur mittel zum zweck. Der zweck aber ist, das publikum mit den neuesten errungenschaften des kunstgewerbes bekannt zu machen. Dabei soll auch das alte nicht zu kurz kommen. Insbesondere müssen jene gebiete gepflegt werden, die dem publikum aus ein oder dem anderen grunde noch fremd sind. So ist die ganze möbelindustrie Englands aus dem vorigen jahrhundert den Wienern unbekannt. Die erste Winterausstellung wird also den zweck verfolgen, diese periode dem publikum in guten kopien vorzuführen. Ich kann ihnen ein englisches original, das dem museum gehört und natürlich unverkäuflich ist, als muster mitgeben. Aber sie können auch selber was machen. Dann müssen sie sich's aber gefallen lassen, daß ich über die ausstellungsfähigkeit dieses gegenstandes entscheide. Denn dafür, was in diesem hause, dem hause des staates, ausgestellt werden darf und was nicht, bin ich dem staate allein verantwortlich. Der staat erwartet von mir, daß ich in diesem hause, das in dem letzten jahrzehnt zu einer verkaufshalle des Kunstgewerbevereines wurde, wandlung schaffe. Meine ernennung in dies haus erfolgte auf grund meiner tätigkeit im Handelsmuseum. Würde ich jetzt anders handeln oder nachgeben, würde ich den staat betrügen. Also wollen sie etwas kopieren oder wollen sie etwas neues schaffen?

Kleinhuber: Lieber kopieren, Hr. hofrat, wenn ich bitten darf, selber machen trau' ich mich noch gar nichts, später wird's vielleicht schon gehen, wenn ich weiß, worauf's ankommt.

Hofrat: Also kommen sie bald wieder, ich werde ihnen nächstens etwas aussuchen.

Kleinhuber ( im abgehen für sich, kopfschüttelnd): So was! ... Hast so was schon g'seh'n! Und der will a hofrat sein? Das ist ja gar ka hofrat. Das ist ja net einmal ein beamter.

2. Akt

1. Szene:

Nach schluß der Winterausstellung 1897

In der versammlung des Kunstgewerbevereines

1. Mitglied: Miserabel war's.

2. Mitglied: Gedrängt haben sich die leute, als wenn sie d'rin was geschenkt bekämen!

3. Mitglied: Ja, so wird das kunstgewerbe entwürdigt!

4. Mitglied: Und weggekauft wurden die sachen, wie die warmen semmeln.

1. Mitglied: Das ist bei uns niemals vorgekommen!

Alle ( mit überzeugung): Nein, niemals!

2. Mitglied: Wenn das der selige Eitelberger noch erlebt hätte!

3. Mitglied: Wo bleibt die kunst?!

4. Mitglied: Lauter gebrauchsgegenstände!

1. Mitglied: Uns das geschäft so zu verderben!

2. Mitglied: Jawohl, verderben!

1. Mitglied: Ich habe nämlich ein ganzes lager altdeutscher möbel, kein mensch will sie mehr kaufen.

3. Mitglied: Mir geht's genau so.

1. Mitglied: Da habe ich ihm den rat gegeben, zum besseren verkaufe meines lagers – pardon, zur hebung des heimischen kunstgewerbes – mehr die altdeutsche richtung einzuschlagen. Glaubt ihr, er hat sich darnach gerichtet?

4. Mitglied: Frechheit!

2. Mitglied: Und englische möbel auszustellen! Ich habe allerdings schon seit jahren möbel aus London importiert, aber ...

3. Mitglied: Ich auch.

4. Mitglied: Ich auch.

1. Mitglied: Ich auch.

2. Mitglied: ... das macht nichts. Quod licet bovi, non licet Jovi.

3. Mitglied: Und jetzt kann jeder tischler die englischen möbel nachmachen, während wir früher mit müh' und not die sachen von Maple und Henry importieren mußten!

4. Mitglied: Ja, so wird das wiener kunstgewerbe geschädigt.

1. Mitglied: Wo sind die schönen zeiten, wo wir die geschäfte im museum geführt haben!

2. Mitglied: Der nimmt sich heraus, alles selber machen zu wollen!

3. Mitglied: Von acht uhr früh bis sieben uhr abends sitzt er da. Seit wann hat man das von einem hofrat erlebt! Gschaftelhuberei!

4. Mitglied: Und mit jedem kleinen menschen fraternisiert er. Alle die leut', bei denen ich früher hab' arbeiten lassen, stellen jetzt selber aus.

1. Mitglied: Aber das nächstemal werden wir ihm schon beweisen, daß auch wir besucher und käufer heranziehen können!

2. Mitglied: Aber wie?

3. Mitglied: Vielleicht kommt's auf den namen an. Nennen wir unsere ausstellung in hinkunft auch Winterausstellung.

4. Mitglied: Gewiß. Das wird's sein. Aber bald. Gleich nächstes jahr. Die veränderungen im kunstgewerbe sind so bedeutend, daß es unbedingt notwendig ist, jedes jahr die Weihnachts- – pardon – Winterausstellung zu veranstalten.

1. Mitglied: Aber der hofrat muß raus!

2. Mitglied: Raus!

3. Mitglied: Rraus!

4. Mitglied: Rrraus!

1. Mitglied: Aber wie?

2. Mitglied: Ja, wie?

3. Mitglied: Ich weiß schon! Wir behaupten ganz einfach, daß seine aussteller nur seine protektionskinder sind!

4. Mitglied: Oder daß die objekte in seinen geheimen fabriken im museum hergestellt werden.

1. Mitglied: Oder daß die sachen gar nicht hier gemacht wurden, sondern alle aus England bezogen werden.

2. Mitglied: Oder daß er möbelagent einer londoner möbelfirma ist.

3. Mitglied: Cornmis voyageur!

4. Mitglied: Aber wird man uns das glauben?

1. Mitglied: Na, die nötigen »gewährsmänner« kann ich schon bei einigen blättern aufbringen.

2. Mitglied: Und schließlich, wenn alles nichts hilft, haben wir ja noch immer unseren protektor!

3. Mitglied: Jawohl, zu unserem protektor müssen wir hin!

4. Mitglied: Gewiß, der wird uns schon wieder hineinhelfen!

2. Szene:

Im kaffeehaus

1. Fabrikant: Wie, was habe ich gehört? Sie, als mitglied des Kunstgewerbevereines, stellen beim Scala aus?

2. Fabrikant: Ja, warum denn nicht? Ich zahle meinen mitgliedsbeitrag, damit fertig. Mit dem vereine will ich gar nichts zu tun haben. Ich komme ja nie hinein.

1. Fabrikant: Aber schadet ihnen das nicht beim hofrat?

2. Fabrikant: Ganz und gar nicht. Sind ja doch 50 prozent seiner aussteller mitglieder des Kunstgewerbevereines.

3. Szene:

Im büro des Österreichischen Museums

1. Mitglied ( als sprecher einer deputation des Kunstgewerbevereines): Hr. hofrat, wir möchten sie ersuchen, den beschluß, nach welchem die ausstellungsobjekte während der besuchsstunden nicht hereingebracht werden dürfen, wieder aufzuheben.

Hofrat: Das geht nicht. Müssen meine aussteller die besuchsstunden respektieren, kann ich ihnen kein vorrecht einräumen. Der hinweis auf die früheren direktionsperioden ist für mich nicht maßgebend.

Mitglied: Aber für uns wird dann die ganze ausstellung in frage gestellt. Die wagen müssen erst im Prater vorfahren und können erst längstens bis neun uhr im museum eintreffen.

Hofrat: Im Prater? Befinden sich denn ihre werkstätten im Prater?

Mitglied: Das nicht, aber die ausstellung.

Hofrat ( dem es zu dämmern beginnt): Wie – sie wollen –

Mitglied: Natürlich! Wir wollen die sachen, die wir in der Jubiläumsausstellung nicht angebracht haben, im Österreichischen Museum zu verkaufen suchen.

Hofrat: –? –!!!

( Das gespräch wird sehr stürmisch)

4. Szene:

In der versammlung des Kunstgewerbevereines

1. Mitglied: Wißt ihr, was passiert ist!?

Alle: Nein!

1. Mitglied: Rausgeworfen!!

Alle ( freudig): Endlich!!

1. Mitglied: Sie mißverstehen mich, meine herren. Uns hat er – –

Alle ( entrüstet): Unerhört!

1. Mitglied: Ja, er behauptet, daß er sich in seinem zimmer keine grobheiten gefallen zu lassen braucht!

Ein Mitglied: Ja – was – glaubt – denn – der?! Wird er denn nicht von unseren steuergeldern erhalten? Er ist ja doch nur ein beamter! Zu was ist er denn da?!

Alle: Keine grobheiten will er sich gefallen lassen? Wir werden an die stufen des thrones gehen und uns über den mann beschweren!

3. Akt

Dieser akt wird gegenwärtig gespielt. Über den ausgangspunkt dieses wiener stückes werden wir die leser rechtzeitig in kenntnis setzen. Sollte sich vielleicht die notwendigkeit ergeben, weitere szenen aus den früheren akten mitzuteilen, so soll dem rechnung getragen werden.


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