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Der Kampf gegen den englischen Stil

(Hofrat von Scala)

Aus der »Neuen Freien Presse«

13. november 1898

Winterausstellung des Österreichischen Museums

Ein Österreicher, der im jahre 1862 die große Weltausstellung in London besuchte, mußte von wehmütigen empfindungen erfüllt werden, angesichts der enormen kluft, die das österreichische kunstgewerbe vom englischen schied. Dort rühriges leben, neue wege, kampf, streit der parteien, das suchen und tasten nach neuen formen und nach schönheit, hier die dumpfe resignation des österreichischen handwerkers, der stillstand und die versumpfung. Und dieses weh gebar einen glücklichen gedanken: Bei den Engländern in die schule zu gehen, es geradeso zu machen, wie die Engländer.

Dem gedanken folgte die tat. Nach englischem muster wurde das Österreichische Museum gegründet. Das glück war dem neuen unternehmen hold. In Eitelberger erstand ein begeisterter anhänger der englischen ideen, und auf diese weise erhielt die neue gründung die feste grundlage und die zielbewußte hand.

Es ist wohl überflüssig, zu behaupten, daß die wiener banausen diesen bestrebungen mit mißtrauen folgten. Was, sind wir denn nicht Österreicher?, argumentieren sie. Wie kommen wir dazu, etwas den Engländern nachmachen zu müssen. Das brave wiener gefühl empörte sich gegen die zumutung, daß außerhalb der mauern Wiens etwas besser gemacht werde als daheim. Und sicherlich wäre man mit der behauptung nicht hinter dem berge geblieben, daß die ganze aktion nur den zweck habe, die österreichische industrie an England auszuliefern, wenn die angelegenheit von einem gewöhnlichen privatmanne ausgegangen wäre. Bezahlte englische agenten! So aber schirmte ein edler mann aus der kunstgelehrten welt das unternehmen, und der verleumdung war ein riegel vorgeschoben.

Trotz aller angriffe auf das neue unternehmen griff die englische krankheit – ein schlagwort aus der damaligen zeit – rasch um sich. Nicht zum schaden der österreichischen industrie. Dank dem umstande, daß man in Wien zuerst den englischen anregungen verständnis entgegenbrachte, wurde das museum am Stubenring die zentrale für die gesamte kontinentale kunstgewerbebewegung. Aus Deutschland, Italien und Frankreich kamen die fachgenossen, um die wiener einrichtungen zu studieren. Alte werkstätten, die dem neuen geist ihre tore verschlossen hatten, brachen zusammen, und neue, die sich ihm mit begeisterung in die arme geworfen hatten, blühten und kamen zu raschem ansehen. Denn es gab auf einmal zu tun in Wien. Das alte gerümpel wurde hinausgeworfen und » stylish«, das die Wiener mit stilvoll übersetzt hatten, wurde zur losung. Und auch das ausland kam und machte seine bestellungen.

Aber der Wiener ruht sich nach getaner arbeit gern aus, länger als es durchaus notwendig ist. Das tut der Engländer nicht. Und wenn Wien und London einige jahre auf gleicher höhe marschierten – tatsächlich war das niemals der fall, da London den vorteil besaß, die führung zu besitzen – so erweiterte sich der abstand immer mehr und mehr. Auch Deutschland hatte sich ein wenig zur ruhe gesetzt. Als aber die Chicagoer Ausstellung den Deutschen ihren abstand von den übrigen kulturvölkern zum bewußtsein brachte, da machten sie sich auf und liefen im sturmlauf hinterher. Jetzt werden sie den anschluß schon erreicht haben.

Österreich aber merkte nichts. Das heißt, etwas merkte man schon. Man merkte nämlich, daß es dem kunstgewerbe nicht mehr so gut gehe wie ehemals. Sagen wir, direkt schlecht. Man merkte, daß ein und dasselbe lusterweibchen, das heute gerade so viel arbeit gab als vor zwanzig jahren, damals mit 500 fl. verkauft werden konnte, während man es heute, obwohl man versicherte, daß es, noch nach ölfarbe duftend, aus dem nachlasse einer sängerin stamme, nicht um 50 fl. an den mann bringen konnte. Man merkte ferner, daß niemand mehr aus dem auslande kam, um die wiener museumsverhältnisse zu studieren. Man merkte, daß der Balkan, früher einmal ein hauptmarkt für das österreichische kunstgewerbe, Wien links liegen ließ und sich nach London wendete. Dann aber merkte man, und das war wohl das betrübendste, daß der import der londoner möbelhäuser selbst nach Österreich von jahr zu jahr zunahm.

Was war geschehen? Graf Latour, damals sektionschef für kunst und kunstgewerbe im unterrichtsministerium, begab sich mit Hrn. v. Scala, einem genauen kenner der englischen kunstverhältnisse, ähnlich wie es Eitelberger für seine zeit war, selbst in das ausland, um der ursache dieser betrübenden erscheinungen auf die spur zu kommen. Und da machte man die entdeckung, daß wir uns eben ein bißchen zu gründlich ausgeruht haben. Eile tat not. Der schaden war enorm. Unser prestige im auslande hatte gründlich gelitten. Waren wir früher in kunstgewerbesachen die erste stadt auf dem kontinente, so rangierten wir jetzt unter den letzten. Wir waren weit, weit überholt. Hier galt es nicht mehr, am grünen tisch darüber zu streiten, welcher stil uns helfen sollte, sondern dasjenige mittel anzuwenden, das überhaupt helfen konnte. Die wahl hatten wir nicht mehr.

Das einzige rezept war daher folgendes: Das kaufkräftige publikum des in- und auslandes muß das, was es in England zu kaufen bekommt und was den käufer eben bestimmt, gerade nach England zu gehen, auch in Wien erhalten können.

Man ging sofort an die arbeit. Statt japanischer rüstungen und nordischer götzenbilder, wie sie die bisherige direktion für die Sammlung des museums erworben hatte, wurden mustergültige englische möbel und andere gebrauchsgegenstände in die Sammlung eingereiht. Das alte geschrei, das schon 1863 die Wiener gegen die englischen bestrebungen aufregen sollte, wurde wieder angestimmt. Das Schlagwort von der englischen krankheit wurde abgestaubt und wieder aus der alten rumpelkammer hervorgeholt. Und wieder hat es seine kraft nicht bewährt, obwohl die industriellen und kaufmännischen gegner geradezu ehrenrührige behauptungen über den neuen museumsleiter in die welt setzten, obwohl man vor der behauptung nicht zurückschreckte, daß Hr. v. Scala englische fabrikate im museum zum verkaufe bringe. Aber der neue geist ging abermals, zum heile des fortschrittes, als sieger aus dem kampfe hervor. Auch nützte es nicht, daß man das märchen von den »geheimen fonds« wieder auftischte. Dieses märchen und die behauptung bezüglich des importes englischer möbel zirkulieren schon seit langem, haben sich aber niemals so klar an die öffentlichkeit gewagt, als in den letzten tagen. Diese »geheimen fonds« wurden auf eine interpellation, die der abgeordnete Schneider vor jahresfrist im landtage einbrachte, von der Statthalterei untersucht und zu recht befunden. Allerdings handelte es sich da um eine formsache, denn die hochsinnigen kavaliere, die aus reiner gewerbefreundlichkeit diesen »geheimen fonds«, ein vorschußkapital an gewerbetreibende, geschaffen und selbst verwaltet hatten, sollten nicht beleidigt werden. Aber dem abgeordneten Schneider zuliebe wurde der interpellation genüge getan.

Anders verhält es sich mit der behauptung, daß möbel englischer provenienz in- und außerhalb des museums verkauft wurden. Die englischen möbel, die hofrat v. Scala für das museum erworben hatte, wurden geradeso wie alle anderen objekte des museums zur exposition gebracht und gehören dem bestande des museums an. Die bücher, die im museum über alle ankäufe geführt werden, ergeben, daß auch nicht ein stück jener möbel unter der neuen leitung in verlust geraten, aus dem hause gebracht oder verkauft wurde. Wie man das wohl beweisen kann? Nun ganz einfach, weil sie alle da sind. Manches tiefbetrübende mißverständnis wäre vermieden worden, wenn der wahre stand der dinge früher bekannt gewesen wäre.

Einige blätter gingen sogar so weit, hofrat v. Scala einen commis voyageur zu nennen, der die länder für einige englische möbelhäuser bereist. Es widerstrebt mir, allen ernstes auf die widerlegung solch unsinniger vorwürfe einzugehen. Aber es muß sein. Wenn dem so wäre, so würde er das interesse seines hauses sehr schlecht vertreten. Denn dadurch, daß er die wiener tischler lehrt, dieselben möbel zu erzeugen, für die früher millionen jährlich nach England geflossen sind, erweist er den Engländern einen schlechten dienst.

Man wird mir einwenden, daß ich vielleicht zu früh in den siegeshymnus einstimme. Vielleicht wird sich hofrat v. Scala doch nicht halten können. Noch ist nicht aller tage abend. Um Hrn. v. Scala handelt es sich aber hier gar nicht. Denn Scala'sche ideen proklamiert das communiqué, das der Kunstgewerbeverein am ende des kampfes der öffentlichkeit übergab.

Man erinnere sich doch recht. Als im vorjahre die Winterausstellung eröffnet wurde, da war es vor allem der Kunstgewerbeverein, der gegen die neuen ideen front machte. Das organ dieses vereines verspottete die neuen anregungen in einem artikel, der den bezeichnenden titel trug: »Die Renaissance des Zopfes«. Und noch in diesem sommer erklärte ein industrieller, ein rufer im streite gegen die Scala'schen anregungen, dem kaiser, der die exposition des Gewerbevereins besichtigte, bei einem englischen zimmer: »Das ist ein stil, der sich nicht lange halten wird.« Dem aussteller dieses zimmers, hoftischler Müller, war keine einladung zugekommen, und jener industrielle machte auf diese weise für den abwesenden kollegen die honneurs. Und nun erklärt der Kunstgewerbeverein zur allgemeinen überraschung, daß er niemals ein gegner des englischen stils gewesen sei, diese meinung sei durchaus irrig. Ja, noch mehr. Er beruft sich sogar auf die arbeit des damals so schwer gekränkten kollegen, indem er schreibt: »Jeder der hunderttausende von besuchern der kunstgewerblichen abteilung der heurigen Kaiser-Jubiläums-Ausstellung in der Rotunde muß und wird sich durch eigene anschauung davon überzeugt haben, daß es gerade mehrere der hervorragendsten und leistungsfähigsten mitglieder des Kunstgewerbevereines« – sehen sie, Hr. hoftischler Müller! – »gewesen sind, welche hochmoderne und – wenn wir bei dem schlagworte bleiben wollen – hochenglische musterzimmer exponiert haben.«

Diese erklärung ist wohl ein erfolg, auf den hofrat v. Scala alle Ursache hat, stolz zu sein. Man denke nur, nach etwas mehr als einjähriger direktionstätigkeit. Freilich konnte sich dieser wechsel in der anschauung nicht so geräuschlos vollziehen, ein krisengewitter brach los, wie es in der wiener atmosphäre der kunstindustriellen schon lange nicht erlebt wurde. Ja, hätte man das nicht alles vermeiden können?

Nein. Es hätte dann nicht eines jahres, sondern jahre bedurft. Und das Österreichische kunstgewerbe konnte nicht warten. Denn es geht ihm schlecht, sehr schlecht. Freilich, in jenen werkstätten, in denen nach den Scala'schen prinzipien gearbeitet wird, gibt es tag und nacht zu tun. Nicht einmal neue bestellungen können angenommen werden. Aber die große masse unserer kunstgewerbetreibenden hat schwere zeiten zu überwinden. Lieber daher einige grelle blitze und donnerschläge, als ganze industrien auf erlösung warten zu lassen.

Die vorjährige Winterausstellung hatte nur eine kleine gemeinde. Sie hat es nie zu bereuen gehabt. Heuer treten uns 150 firmen entgegen. Man versuchte auszusprengen, daß es sich nur um kleine meister handelt, die »kaum einen lehrbuben erhalten können. Daher also das vertrauen! Daher die zustimmungskundgebung!«

Doch wie wird uns! Die stolzesten namen der österreichischen kunstindustrie schlagen an unser ohr! Alles in allem mehr als 150 aussteller. Wir greifen uns an den kopf. Ja, wurde uns denn nicht gesagt, daß die aktion des hofrates gegen das sogenannte österreichische kunstgewerbe gerichtet sei? Fast dünkte es uns, als wäre es insgesamt um seine fahne versammelt. Wo sind dann die gegner?

Im vorjahre errang hofrat v. Scala durch strenge kopien bei den weitblickenden seinen ersten erfolg. Und heute kann das wiener kunstgewerbe auf eine reihe von neuen schöpfungen hinweisen, alle im neuen geiste, die frucht der arbeit eines jahres der museumsleitung.

 

27. november 1898

Wanderungen im Österreichischen Museum

In einer schule wurde geographie gelehrt, jahraus, jahrein. Europa, Asien, Afrika, Australien und Amerika. Aber das schulbuch, das in dieser schule im gebrauche war, hatte ein loch. England fehlte. Warum? Nun, weil die Engländer sich in jener stadt der sympathien der bevölkerung nicht erfreuten. Und da dachte man, den Engländern einen besonderen tort anzutun, wenn man sie ignorierte. Da kam ein neuer schulleiter. Mit betrübnis sah er, daß seine schüler in Tokio und Venedig, Samarkand und Paris wie zu hause waren, daß sie aber Chippendale und Sheraton – pardon London und Liverpool nicht einmal dem namen nach kannten. Diesem übelstande beschloß er abzuhelfen.

Die weitblickenden, fleißigen schüler konnten dem neuen lehrer nicht genug danken, als er ihnen durch die aufnahme Englands in den lehrplan eine neue welt erschloß. Die gegner aber fanden das sehr überflüssig. Da sich aber die dankbarkeit immer in der stille äußert, während das übelwollen mit geräusch verbunden ist, so glaubte man außerhalb der schule, daß alle gegen die neue einführung seien. Zudem hatten die fleißigen mit dem neuen Studium vollauf zu tun und zum demonstrieren keine zeit.


Das herrenschlafzimmer, das sich im parterre des säulenhofes befindet, ist ein reizender raum. Er hat seine fehler. Gewiß. Die decke ist kein raumabschluß. Das grüngebeizte holz schreit nach einem stückchen weißer mauer, und da wäre, weil auch die wände mit stoff überspannt sind, die decke gerade der rechte ort gewesen. Das war ja das geheimnis des durchschlagenden erfolges, welchen das Otto-Wagner-Schlafzimmer auf der Jubiläumsaustellung zu verzeichnen hatte. Wenn aber die decke auch noch den grünen ton der möbel erhält, so hält es ja kein mensch in der grünen sauce aus. Zudem wurde noch das unglücklichste deckenmotiv gewählt, das man sich denken kann, ein eiserner rost, um den sich laubwerk rankt. Bei regenwetter hält man es nur dann unter einem solchen plafond aus, wenn man den regenschirm aufspannt.

Das sind einwendungen, die natürlich mit dem eigentlichen zimmer, mit der tischlerarbeit, nichts zu tun haben. Diese ist vorzüglich. Die prächtigen holzschnitzereien von der hand Zelezny's, die echt tischlerische profilierung geben dem raume, trotz der neuen formen, etwas altmeisterliches. Architekt Hammel hat ihn entworfen. Er hat sich in die seele des tischlers hineingedacht und den architekten in sich zu überwinden getrachtet. Daraus folgt aber, daß, da das zimmer durchgehends von seiner hand herrührt, die messingbeschläge mit der tischlerarbeit nicht gleichen schritt halten können. Die sind nämlich auch tischlerisch und weisen sogar dasselbe ornament auf. Das bett kann bei tage durch portieren den blicken des besuchers entzogen werden. Ich halte das für überflüssig. Es wäre schrecklich, wenn sich wieder die ansicht bahn brechen würde – wie in der ersten hälfte unseres jahrhunderts – daß das schlafen und das schlafengehen eine sache sei, die man schamhaft seinen mitmenschen verbergen müsse. Dafür ist der waschtisch um so praktischer, der gegen die wand zu mit kacheln verkleidet ist.

Im ersten stockwerke des säulenhofes steht ein sessel. Dieser sessel bildet einen jener anklagepunkte gegen hofrat v. Scala, die von der gegnerischen seite erhoben werden. Hören wir daher die stimme eines »hervorragenden fachmannes«. Er schreibt: »Es ist unglaublich, was man jetzt unter der neuen museumsleitung für minderwertige objekte in den ausstellungen sieht! Jetzt kann man sessel mit strohgeflecht in der allereinfachsten ausführung, ganz gute arbeit, aber doch beileibe nicht kunstwerk, exponiert sehen.«

Das ist ein schwerer Vorwurf. Hofrat v. Scala hat doch besagten sessel – denn dieser ist diesmal keine erfindung – sofort entfernt, um nicht die entrüstung der hervorragenden fachautorität weiter hervorzurufen? Aber nein! Er wird weiter ausgestellt und beleidigt noch weiter das ästhetische gefühl jener herren, die nicht anders als nur auf kunstwerken sitzen können.

Es wäre vergeblich, mit jenem herrn darüber zu reden, daß der einfachste strohsitz, von der hand eines menschen verfertigt, tausendmal höher steht, als die reichste lederpressung, welche durch die maschine hergestellt wird. Er würde mich nicht verstehen. Aber vielleicht kann man ihm in anderer weise beikommen. Besagter stuhl kostet, trotzdem er – dies sei ihm gerne zugestanden – die allereinfachste ausführung aufweist und nur einen strohsitz hat, dank seiner mustergültigen ausführung, 20 fl. Ich kenne aber polierte und geschnitzte sessel mit reichem ledersitz, die um 10 fl. verkauft werden. Und nun behaupte ich: Dieser einfache stuhl ist dem österreichischen kunstgewerbe nützlicher, als der reiche zehnguldenstuhl. Denn er erzählt uns, daß gute arbeit etwas ist, das gezahlt werden muß, er hebt das gefühl für den preis und den wert im publikum. Und das ist auch eine mission! Glauben sie nicht auch?


Ist es nicht auffallend, daß die kühnsten neuerer, also die tüchtigsten menschen auch die tiefste verehrung für die werke ihrer vorfahren bekunden? Eigentlich nicht. Denn die tüchtigkeit kann nur wieder von der tüchtigkeit gewürdigt werden. Das publikum wird sich erinnern, welches aufsehen die hochmodernen möbel eines wiener ateliers in der austellung der Sezession hervorgerufen haben. Und dasselbe atelier bringt uns diesmal eine genaue kopie eines saales des Schlosses Esterhaza bei Ödenburg. Auch aus einem andern grunde ist das nicht auffallend. Denn neben der wertschätzung des alten spricht auch der umstand mit, daß das genaue kopieren unverhältnismäßig schwerer ist, als das beiläufige. Das weiß jeder maler. Und da die mittelmäßigkeit stets in der majorität ist, so werden sich bedeutend mehr stimmen für dieses beiläufige kopieren aussprechen, als für das korrekte. Aber das publikum kann sich ja entscheiden.

Ich kann mich nicht erinnern, das aristokratische milieu vornehmer feudalsitze des vorigen jahrhunderts besser eingefangen und wiedergegeben gesehen zu haben, als in diesem raume. Wäre nicht der leimgeruch, man würde darauf schwören, sich in einem alten adeligen herrensitze zu befinden. Aber welche arbeitsfreudigkeit, welches feingefühl, welche sensibilität setzt das voraus! Sieben jahre hat sich das atelier mit der renovierung dieses schlosses beschäftigt, und als herrliche frucht dieser langen zeit hat es uns diesen saal geschenkt. Quantitativ nicht viel, aber qualitativ. Daß auch wirklich alte möbel, meisterwerke der tischlerkunst aus dem vorigen jahrhundert, in dem saale aufstellung gefunden haben, kann nur die engherzigkeit als fehler anrechnen. Im gegenteile, sie beweisen uns, daß die moderne wiener arbeit mit erfolg neben ihnen bestehen kann.


Noch vor zwei jahren traute man sich gar nicht, den namen Tiffany's auszusprechen, aus furcht, man könnte sich wieder blamieren, so blamieren, wie seinerzeit bei der schwankenden aussprache von » Cavalleria rusticana« und » Mikado«. Man hörte Tiffäni und Tiffanei, und so traute man sich mit dem gefährlichen worte gar nicht heraus. Heute machen wir schon selber Tiffany-Gläser. Freilich, die originale haben sie noch nicht erreicht. Das publikum kann sich ja selbst davon überzeugen, nachdem Tiffany-Gläser im parterre zur aufstellung gelangt sind. Aber es ist ganz unnötig, daß sie dieselben je erreichen. Sicherlich werden unsere böhmischen glasbläser mit hilfe der neuen technik einmal zu ganz anderen resultaten kommen. Aber die neue technik kann nur durch kopieren gelernt werden, und der nordböhmische industrielle, der in Klostermühle die neuen gläser geschaffen, verdient als pfadsucher und -finder den dank der gesamten glasindustrie. Ein glasteller, er liegt frei auf einer toilette neben der vitrine, verdient wohl die größte anerkennung.

Gegenüber jenem für das kunstgewerbe so gefährlichen strohsessel befindet sich ein wandleuchter für drei kerzen. Obwohl aus messing, kann er seine schmiedeeiserne abstammung nicht verleugnen. Man kann nicht besser in schmiedeeisen denken. Der schmied nahm so und so viel zoll bandeisen, schlitzte es an beiden enden, spreizte sie auseinander, schweißte auf der einen seite ein neues stück in der breite des geschlitzten eisens ein, um den dritten arm zu gewinnen, verbreiterte auf dem ambos die anderen enden, um bohrlöcher für nägel, die dann die wandbefestigung übernehmen, anbringen zu können, feilte diese verbreiterten enden gefällig zurecht und bog das so präparierte bandeisen in die gehörige form. Fertig! Und hinterdrein imponiert einem das ding, obwohl man nicht einfacher, primitiver denken kann. Es ist der hauch der natürlichkeit, der diesem dinge entströmt. Wir freuen uns, endlich einmal den schwarzschmied in seiner sprache reden zu hören, nachdem er jahrzehntelang in bombastischen, unverdauten phrasen zu uns gesprochen hat. Aber eines möchte man bitten: Man gebe dem schmiede seine ureignen gedanken wieder zurück und lasse den leuchter ebenfalls in Schmiedeeisen ausführen.


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