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Als Dick von der kranken Stute zurückkam, blieb er einen Augenblick stehen, um auf das Stampfen Bergkönigs und seiner Genossen im Stall zu lauschen. Durch die Stille erklang irgendwo in den Hügeln, wo das Vieh weidete, eine vereinzelte Glocke. Ein leises Lüftchen strich wie eine duftende Wärmewelle über ihn hinweg, und die Nacht war von einem schwachen, balsamischen Duft von Heu und reifendem Getreide erfüllt. Die Hengste stampften wieder, und Dick atmete schwer, während er mit dem Gefühl, dies alles nie heißer geliebt zu haben, aufsah und den Blick den Horizont entlangschweifen ließ, wo die Bergesgipfel sich dunkel von dem gestirnten Himmel abhoben.

»Nein, Cato,« dachte er laut, »man kann dir nicht recht geben. Der Mensch verläßt das Leben nicht wie ein Wirtshaus. Er verläßt es wie eine Wohnung – die einzige Wohnung, die er je kennen wird. Der Mensch geht nirgends hin. Es heißt gute Nacht. Dann kommt das Nichts ... und die Finsternis.«

Er wandte sich zum Gehen, aber wieder hielt ihn das Stampfen der Hengste und der Klang der Glocke auf dem Hügel zurück. Er atmete die balsamische Luft in tiefen Zügen ein und wußte, daß er sie liebte, wie er sein schönes Land liebte.

Vor dem Hause blieb er eine Weile stehen und betrachtete die langgestreckten Linien der Fassade. Er zog sich nicht gleich in seine eigenen Gemächer zurück, sondern wanderte durch die stillen Räume, über den Hof und durch die spärlich erleuchteten Korridore. Ihm war zumute, als stände er im Begriff, sich auf eine lange Reise zu begeben. Er schaltete das Licht in Paulas Feenhof ein, setzte sich auf eine Marmorbank, rauchte eine Zigarette und dachte nach.

Ja, er wollte es geschickt machen. Er wollte einen Jagdunfall vortäuschen, der die Welt hinters Licht führte. Schon am nächsten Tage wollte er es tun, in den Wäldern am Sycamorenbach. Sein Großvater, Jonathan Forrest, der strenge, alte Puritaner, war auf der Jagd verunglückt. Zum erstenmal zweifelte Dick an diesem Unfall.

Dick ließ die Hand einen Augenblick auf dem Kontakt ruhen, ehe er das Licht ausdrehte, dann sah er sinnend auf die Marmorputten, die in den Becken des Springbrunnens und zwischen den Rosen spielten.

»Lebt wohl, Kinder«, rief er ihnen leise zu. »Weiter habe ich es nicht gebracht.«

Von seiner Schlafveranda aus sah er nach Paulas Fenster auf der anderen Seite des großen Hofes hinüber. Es brannte kein Licht bei ihr, sie schlief also vielleicht.

Auf dem Bettrand sitzend, hatte er schon den einen Schuh aufgeschnürt, als er über seine Gedankenlosigkeit lächeln mußte und ihn wieder zuschnürte. Weshalb schlafen? Es war schon vier. Er wollte wenigstens seinen letzten Sonnenaufgang sehen. Es gab schon so vieles, das er zum letztenmal tat. Hatte er sich nicht schon zum letztenmal angekleidet? Das Bad gestern morgen war sein letztes gewesen. Wasser allein konnte die Verwesung nicht aufhalten, die der Tod mit sich brachte. Aber er wollte sich rasieren – eine letzte Regung der Eitelkeit, denn zuweilen wuchs das Haar noch in den Gesichtern toter Männer.

Er nahm sein Testament aus dem Geldschrank in der Wand, legte es auf den Schreibtisch und las es sorgfältig durch. Es waren noch einige kleinere Ergänzungen zu machen, und die schrieb er und datierte sie vorsichtigerweise um ein halbes Jahr zurück. Der letzte Nachtrag galt den Weisen im Madroño-Hain, denen er eine feste Jahresrente zum Unterhalt von sieben Mitgliedern aussetzte. Er las die Selbstmordklauseln in seinen verschiedenen Lebensversicherungspolicen, unterschrieb den Stoß Briefe, der seit dem vorigen Morgen auf ihn gewartet hatte, und diktierte einen Brief an seinen Verleger in das Diktaphon. Als er auf seinem Schreibtisch aufgeräumt hatte, schrieb er hastig ein Verzeichnis über Einnahmen und Ausgaben abzüglich der ganzen Einnahmen der Harvest-Gruppe.

Den Bogen, worauf er diese Zahlen geschrieben hatte, zerriß er, und dann entwarf er einen Plan für den künftigen Betrieb der Harvest-Minen. Er tat es so flüchtig wie möglich, damit er, wenn er unter seinen Papieren gefunden wurde, keinen Verdacht erregte. Ebenso entwarf er einen Plan für die Behandlung der Shire-Pferde im nächsten Jahrzehnt und eine Stamm- und Zuchttafel für Bergkönig und Fotherington-Prinzessin sowie einige Auserwählte unter deren Nachkommen.

Als Oh Jeh um sechs Uhr den Kaffee brachte, war Dick gerade mit seinen Plänen für den Anbau von Reis fertig. Der Chinese schenkte ihm den Kaffee ein und verriet mit keiner Miene, daß er das unberührte Bett gesehen hatte, – eine Selbstbeherrschung, die Dick im geheimen bewundern mußte.

Um halb sieben klingelte das Telephon, und er hörte die müde Stimme Hennessys: »Ich wußte, daß Sie auf waren. Es wird Sie sicher freuen, daß es Alden Bessie besser geht. Aber es stand auf der Kippe. Und jetzt gehe ich schlafen.«

Als Dick sich rasiert hatte, betrachtete er das Brausebad und überlegte einen Augenblick, während ein eigensinniger Ausdruck in seine Züge trat. »Ich will mich hängen lassen, wenn ich es tue«, sagte er bei sich. »Die reine Zeitverschwendung.« Aber er wechselte das Schuhzeug und zog sich ein Paar schwere, hohe Jagdstiefel an.

Als Paula eintrat, saß er wieder an seinem Schreibtisch und las seine verschiedenen Aufzeichnungen durch. Sie begrüßte ihn nicht mit ihrem gewöhnlichen »Guten Morgen, edler Herr«, sondern trat zu ihm und sagte sanft:

»Ewig unermüdliche und nie ruhende Rote Wolke.«

Er bemerkte, daß sie dunkle Schatten unter den Augen hatte, und erhob sich, ohne Miene zu machen, sie anzurühren, wozu sie ihn auch nicht aufforderte.

»Eine weiße Nacht?« fragte er und schob ihr einen Stuhl hin.

»Eine weiße Nacht«, antwortete sie. »Nicht eine Sekunde Schlaf, obwohl ich mir solche Mühe gab, einzuschlafen.«

Keiner von beiden hatte Lust, etwas zu sagen, und sie saßen sich gegenüber, außerstande, den Blick voneinander zu lassen.

»Du – du siehst auch nicht besonders aus«, sagte sie.

»Ja, mein Gesicht, ich sah es, als ich mich rasierte. Aber das verzieht sich schon.«

»Es muß dir gestern abend etwas zugestoßen sein«, tastete sie sich vor, und er konnte nicht umhin, denselben mitleidigen Ausdruck in ihren Augen zu sehen, den er in denen der Chinesin gesehen hatte. »Alle haben es gestern abend bemerkt. Was war es?«

Er zuckte die Achseln. »Etwas, das vor einiger Zeit gekommen ist«, sagte er ausweichend, denn er entsann sich, zuerst durch das Bild, das Paula von ihm gemalt hatte, darauf gekommen zu sein. »Hast du es bemerkt?« warf er leicht hin.

Sie nickte. Dann schoß ihr ein neuer Gedanke durch den Kopf, und er sah, wie der, ohne ausgesprochen zu sein, Leben annahm.

»Dick, du bist doch nicht etwa verliebt?«

Das war eine Möglichkeit. Das konnte die verwickelte Situation entwirren, und neue Hoffnung belebte sie. Er lächelte, schüttelte den Kopf und sah ihre Enttäuschung.

»Nein, es ist übrigens nicht wahr«, sagte er. »Ich bin verliebt.«

»Wirklich verliebt?« fragte sie eifrig. Und er antwortete: »Wirklich verliebt«.

Aber auf das, was jetzt kam, war sie nicht vorbereitet. Er zog plötzlich seinen Stuhl ganz dicht neben den ihren, bis ihre Knie sich berührten, beugte sich vor und nahm schnell, aber sanft ihre beiden Hände in die seinen.

»Du brauchst keine Angst zu haben, mein Mädelchen«, sagte er beruhigend. »Ich will dich nicht küssen. Es ist lange her, daß ich es getan habe. Ich will dir nur von meiner Liebe erzählen. Aber zuerst will ich dir sagen, daß ich stolz bin. Stolz auf mich. Ich bin stolz, daß ich lieben kann, daß ich in meinem Alter noch lieben kann. Es ist unglaublich, und es ist wunderbar. Ich bin Monogamist. Ich liebe die Frau – die eine Frau. Ich besitze sie seit mehr als zehn Jahren, und ich liebe sie jetzt noch bis zum Wahnsinn.«

Er fühlte ihre Enttäuschung an ihren Händen, die eine schwache, unwillkürliche Bewegung machten, um sich zu befreien, aber er hielt sie nur noch fester.

»Ich kenne jede ihrer Schwächen, und mit all ihren Schwächen liebe ich sie so wahnsinnig, wie ich sie vom ersten Augenblick geliebt habe – in dem wahnsinnigen Augenblick, als ich sie zuerst in meinen Armen hielt.«

Ihre Hände begannen sich gegen den Zwang zu empören, den er ihnen antat, und halb unbewußt kämpfte sie, um freizukommen. In ihren Augen stand Furcht. Er kannte sie und erriet, daß sie sich, den Kuß eines anderen Mannes in so frischer Erinnerung, fürchtete, er würde seinen Gefühlen leidenschaftlicher Luft machen.

»Nein, nein, fürchte nichts, du schönes, süßes, furchtsames, stolzes Mädelchen. Sieh, ich gebe dir deine Freiheit! Aber du sollst wissen, daß ich dich sehr liebe, daß ich die ganze Zeit ebensoviel an dich wie an mich denke.«

Er zog seinen Stuhl von ihr zurück und sah größeres Vertrauen in ihren Augen.

»Ich will dir alles erzählen, was sich in meinem Herzen regt. Aber dann mußt du mir auch alles erzählen, was in deinem vorgeht.«

»Diese Liebe zu mir, ist sie etwas Neues?« fragte sie. »Ein Wiederaufflammen?«

»Ja und nein.«

»Ich glaubte, ich sei dir längst eine Art Gewohnheit geworden«, sagte sie.

»Aber ich liebte dich immer.«

»Nicht wahnsinnig.«

»Nein«, gab er zu. »Aber stetig. Ich war deiner ebenso sicher wie meiner selbst. Es war etwas so Ewiges für mich. Ich räume ein, daß ich mich geirrt habe. Als aber mein Gefühl von der Ewigkeit deiner Liebe erschüttert wurde, wurde die meine zu dir nur um so stärker. Sie hatte die ganze Zeit gelebt – eine ruhige, gleichmäßige Flamme, wie zwischen Leuten, die viele Jahre verheiratet sind.«

»Aber ich?« fragte sie.

»Dazu kommen wir jetzt. Ich weiß, was dich in diesem Augenblick quält, und was dich vor einer Minute quälte. Du bist im Innersten so ehrlich und wahr, daß der Gedanke, dich zwischen zwei Männern zu teilen, dir widerwärtig ist. Ich habe dich nicht mißverstanden. Es ist lange her, daß du mir erlaubtest, zärtlich zu dir zu sein.«

»Dann hast du es also vom ersten Augenblick an gewußt?« fragte sie hastig.

Er nickte.

»Es ist sogar möglich,« fuhr er kühl überlegend fort, »daß ich es kommen fühlte, ehe du selbst es wußtest. Aber wir wollen nicht näher darauf eingehen.«

»Du hast gesehen ...«, begann sie mit einem quälenden Gefühl von Scham, daß ihr Mann gesehen haben könnte, wie sie und Graham sich küßten.

»Wir wollen uns nicht entwürdigen und auf Einzelheiten eingehen, und übrigens ist nichts Unrechtes dabei. Ich brauchte nichts zu sehen. Ich habe auch meine Erinnerungen an geraubte Küsse. Es mußte so sein, und mehr noch, mein Mädelchen, laß dir sagen, daß ich dich in keiner Weise tadle.«

»Es ... es war nie ... sehr viel«, sagte sie mit zitternder Stimme.

»Das habe ich auch nicht geglaubt. Das hätte dir nicht ähnlich gesehen. Schon das, was geschehen ist, hat mich gewundert. Nach der langen Zeit, die wir miteinander gelebt haben, kam es so unerwartet –«

»Dick«, unterbrach sie ihn, während sie sich vorbeugte und ihn forschend ansah. Sie zögerte einen Augenblick, um ihre Gedanken zu gestalten, und ging dann gerade auf den Kern der Sache los. »Hast du in den langen Jahren unserer Ehe nie an eine andere gedacht?«

»Ich habe dir gesagt, daß ich dich in keiner Beziehung tadle«, erwiderte er sanft.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, beharrte sie. »Ich meine nicht einen kleinen Flirt hin und wieder, – ich meine Untreue, und zwar im tiefsten Sinne des Wortes. Bist du mir nie untreu gewesen – früher?«

»Früher,« antwortete er, »nie viel und nie sehr lange.«

»Ich habe so oft darüber nachgedacht«, sagte sie sinnend.

»Ich habe dir gesagt, daß ich dich in keiner Beziehung tadle, und jetzt weißt du, warum ich kein Recht habe, es zu tun.«

»Ja, deshalb könnte es scheinen, als hätten wir beide gleiches Recht. Aber das hatte ich doch nicht,« fügte sie schnell hinzu, »obwohl du immer gleiches Recht gepredigt hast.«

»Ach, heute nicht mehr!« lächelte er. »Die Phantasie hat mir so vieles vorgegaukelt, und in den letzten Wochen habe ich meinen Standpunkt ändern müssen.«

»Du verlangst also, daß ich dir treu sein soll?«

Er nickte und sagte: »Ja, solange du mit mir zusammenlebst.«

»Aber wo bleibt die Gleichheit?«

»Es gibt keine Gleichheit.« Er schüttelte den Kopf. »Ach, ich weiß, daß das alle deine Anschauungen über den Haufen werfen muß. Aber jetzt habe ich endlich die alte Wahrheit entdeckt, daß Frauen anders als Männer sind. Alles, was ich aus Büchern und Theorien weiß, verschwindet vor der ewigen Tatsache, daß das Weib die Mutter unserer Kinder ist. Ich ... ich hatte immer gehofft, Kinder mit dir zu bekommen, weißt du, aber das ist alles vorbei. Jetzt ist die Frage, was sich in deinem Herzen regt. Ich habe dir gesagt, wie es mit dem meinen steht. Und nachher können wir beschließen, was wir tun sollen.«

»Ach, Dick«, sagte sie kaum hörbar, als das Schweigen zwischen ihnen wie eine Qual zu wirken begann. »Ich liebe dich, ich werde dich immer lieben, du meine Rote Wolke. Weißt du, erst gestern habe ich in deiner Schlafveranda mein Bild gegen die Wand gedreht. Das war schrecklich, es war, als täte ich ein großes Unrecht. Ich drehte es gleich wieder um.«

Er zündete sieh eine Zigarette an und wartete.

»Aber du hast mir noch nicht gesagt, was sich in deinem Herzen regt – nicht alles«, sagte er schließlich vorwurfsvoll.

»Ich liebe dich«, wiederholte sie.

»Und Evan?«

»Das ist etwas ganz anderes. Es ist schrecklich, so mit dir reden zu müssen. Ich weiß es übrigens selber nicht. Ich kann mir nicht klar über mich werden.«

»Liebe? Oder ein Liebesabenteuer? Eins von beiden muß es sein.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Verstehst du denn nicht,« fragte sie, »daß ich es nicht verstehe? Siehst du, ich bin ein Weib. Ich habe nie eine Sturm- und Drangperiode erlebt. Und jetzt, da alles geschehen ist, weiß ich nicht, was tun. Shaw hat doch wohl recht. Wir Frauen haben den Jagdinstinkt. Ihr seid beide Großwild. Ich kann nichts dafür. Es reizt mich. Und ich fühle, daß ich mir selbst ein Rätsel bin. Alle meine Anschauungen sind über den Haufen geworfen. Ich will dich haben. Ich will Evan haben. Es ist kein bloßes Liebesabenteuer, glaube mir, Dick. Wenn es das doch sein sollte und ich es nicht wüßte, – nein, aber das ist es nicht. Ich weiß, daß es das nicht ist.«

»Dann ist es Liebe.«

»Aber ich liebe dich doch, Rote Wolke.«

»Und du sagst, daß du ihn liebst. Du kannst uns doch nicht beide lieben.«

»Aber das ist es eben. Ich tue es. Ich liebe euch beide. – Ich weiß weder ein noch aus. Und ich dachte, du würdest mir helfen. Deshalb kam ich jetzt zu dir. Es muß doch eine Lösung geben.«

Sie sah ihn flehend an, und er antwortete: »Einer von uns beiden, Evan oder ich. Eine andere Lösung kann ich mir nicht denken.«

»Das sagt er auch. Aber ich kann mich nicht dazu überreden. Er wollte zu dir gehen. Ich erlaubte es ihm nicht. Er wollte abreisen, aber ich zwang ihn zu bleiben, – so schwer es auch für euch beide sein mag, – weil ich euch zusammen haben wollte, um euch zu vergleichen und euch beide in meinem Herzen gegeneinander abzuwägen. Und ich komme nicht weiter. Ich will euch beide haben. Ich kann keinen von euch aufgeben.«

»Unglücklicherweise«, begann Dick, »ist es so, daß wir Männer uns nicht in eine solche Situation finden können.«

»Sei nicht grausam, Dick«, bat sie.

»Verzeih, es war nicht so gemeint. Es war nur ein Versuch, die Ruhe zu bewahren.«

»Ich habe Evan gesagt, er sei der einzige Mann, den ich je getroffen habe, der sich mit meinem Mann messen könne, und mein Mann sei größer.«

»Das ist ein Versuch, loyal gegen mich und gegen dich selber zu sein«, erklärte Dick. »Du warst mein, bis ich aufhörte, der größte zu sein. Dann wurde er der größte.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Laß mich versuchen, das Problem für dich zu lösen«, fuhr er fort.

»Du weißt nicht, was du willst, was du wünschst. Du kannst keine Wahl zwischen uns treffen, weil du uns beide gleich lieb hast.«

»Ja«, flüsterte sie. »Oder vielmehr – ich will jeden auf seine Art haben.«

»Dann ist es entschieden«, sagte er kurz.

»Was meinst du damit?«

»Daß ich verliere, Paula, und daß Graham gewinnt. Verstehst du das nicht? Wenn er und ich sonst gleich stehen, und ich vor ihm sogar den Vorteil habe, mehr als zehn Jahre mit dir gelebt zu haben und durch alle Erinnerungen mit dir verknüpft zu sein – großer Gott: Wenn man all das zu Evans Gunsten in die Wagschale würfe, würdest du dich nicht einen Augenblick bedenken.«

»Ich wünschte, ich wäre meiner Sache sicher«, grübelte sie. »Ich habe ein Gefühl, als hätte ich den Kopf verloren, und doch zaudere ich. Warum hilfst du mir nicht?«

»Du und nur du allein kannst die Lösung finden, Paula«, sagte er ernst.

»Wenn du mir nur helfen wolltest, – wenn du nur versuchen wolltest, mich zu halten, – ach, nur ein klein wenig!« beharrte sie.

»Aber ich bin ja hilflos. Die Hände sind mir gebunden. Ich kann sie nicht ausstrecken, um dich zu halten. Du kannst nicht uns beide bekommen. Seine Arme haben dich umschlossen –«, sie wollte ihn unterbrechen, aber er hob die Hand: »Nein, Lieb, laß! Seine Arme haben dich umschlossen. Du zitterst wie ein ängstliches Vögelchen bei dem Gedanken, daß ich zärtlich zu dir werden könnte. Du hast deinen Entschluß schon gefaßt, wenn du es auch vielleicht selbst nicht weißt. Dein Körper hat entschieden. Du läßt dir seine Umarmung gefallen; der Gedanke an die meine ist dir unerträglich.«

Sie schüttelte den Kopf, langsam und entschieden. »Und doch habe ich mich nicht entschlossen – kann mich nicht entschließen«, beharrte sie.

»Aber du mußt. Die augenblickliche Situation ist unerträglich. Du mußt deinen Entschluß fassen, und zwar schnell, denn Evan muß abreisen. Das mußt du doch begreifen. Oder du mußt gehen. Beide könnt ihr nicht hierbleiben. Übereilt euch nicht. Schick' Evan fort. Oder wie wäre es, wenn du Tante Martha besuchtest? Vielleicht würdest du zu einem Ergebnis gelangen, wenn du uns beide nicht sähest. Vielleicht wäre es besser, die Jagd morgen zu lassen. Ich kann ja allein gehen, und du kannst zu Hause bleiben und mit Evan reden. Oder kommt mit, und sprecht unterwegs darüber. Ich komme jedenfalls erst spät heim, wie du dich auch entschließen magst. Vielleicht schlafe ich bei einem von den Hirten. Wenn ich zurückkomme, muß Evan fort sein. Und ob du mit ihm gehst oder nicht, das muß auch entschieden sein.«

»Und wenn ich gehe?« fragte sie.

Dick zuckte die Achseln, stand auf und sah auf seine Armbanduhr.

»Ich habe Blake Bescheid geschickt, daß er heute etwas früher kommen soll«, erklärte er und machte einen Schritt auf die Tür zu, wie um ihr zu bedeuten, daß sie gehen sollte.

In der Tür blieb sie stehen und neigte sich ihm entgegen.

»Küsse mich, Dick«, sagte sie; und dann: »Es ist kein – Liebeskuß.« Ihre Stimme war plötzlich heiser geworden. »Es ist nur für den Fall, daß ich mich entschließen sollte ... zu gehen.«

Der Sekretär näherte sich durch den Korridor, aber sie zögerte immer noch.

»Guten Morgen, Blake«, begrüßte ihn Dick. »Es tut mir leid, daß ich Sie heute so früh aus dem Bett jagen mußte. Vor allem bitte ich Sie, Agar und Pitts anzurufen. Ich kann heute nicht mit ihnen sprechen, – und sagen Sie übrigens den andern auch, daß sie bis morgen warten müssen. Aber ich möchte gern mit Mendenhall sprechen, ja, und auch mit Manson. Bestellen Sie sie für halb zehn.«

»Noch etwas, Dick«, sagte Paula. »Vergiß nicht, daß ich ihn veranlaßt habe zu bleiben. Er hat keine Schuld daran und hat es auch nicht gewünscht. Ich wollte ihn nicht gehen lassen.«

»Ja, du hast ihm den Kopf verdreht«, lächelte Dick. »Ich konnte nicht begreifen, daß er unter diesen Umständen hier blieb. Wenn du ihn aber nicht reisen lassen wolltest, so verstehe ich es besser. Es gibt nicht viele wie ihn. Er wird dich glücklich machen –«

Sie hob die Hand.

»Ich weiß nicht, ob ich je glücklich werden kann, Rote Wolke. Wenn ich sehe, welche Veränderung ich in deinen Zügen verursacht habe ... und alle die Jahre, die wir zusammen lebten, bin ich so froh und zufrieden gewesen. Das kann ich nicht vergessen, und deshalb bin ich zu keinem Entschluß gekommen. Aber du hast recht. Jetzt ist es Zeit, eine Lösung zu finden«, klagte sie. »Wir wollen alle zusammen auf die Jagd gehen. Ich will unterwegs mit ihm reden und ihn fortschicken, – was ich selber sonst auch tun mag.«

»Ich würde mich doch nicht übereilen, Paula«, rief Dick. »Du weißt, daß ich mich nicht einen Deut um Moral kümmere, außer wenn sie nützlich ist. Und in diesem Fall ist sie außerordentlich nützlich. Es könnten ja Kinder kommen. – Bitte, bitte«, beschwichtigte er sie. »Eine Scheidung dauert lange, aber ich könnte schon die üblichen Scheidungsgründe schaffen, – das würde jedenfalls ein Jahr ersparen.«

»Wenn ich mich dann dazu entschließe«, sagte sie mit einem leisen, blassen Lächeln.

Er nickte.

»Aber vielleicht entschließe ich mich nicht dazu. Ich weiß es selber nicht. Vielleicht ist alles nur ein Traum, aus dem ich in einem Augenblick erwache, wenn Oh Gott kommt und mir erzählt, wie lange und ruhig ich geschlafen habe.«

Sie wandte sich widerstrebend zum Gehen, blieb aber nach einigen Schritten plötzlich stehen.

»Dick,« sagte sie, »du hast mir gesagt, was du fühlst, aber nicht, was du zu tun gedenkst. Du darfst keine Dummheit machen. Denke an Denny Holbrook – kein Jagdunfall.«

Er schüttelte den Kopf und zwinkerte mit den Augen, als sei es ein komischer Gedanke, wunderte sich aber dabei im stillen, daß sie den Nagel so auf den Kopf getroffen hatte.

Sie trat wieder ein paar Schritte näher und flüsterte mit halb abgewandtem Gesicht: »Rote Wolke, es tut mir so leid ... aber wie auch alles sein mag, so freue ich mich doch, daß du mich immer noch liebst.«

Er trat auf die Schlafveranda und betrachtete Paulas Bild unter den Barometern. Dann drehte er es gegen die Wand, saß eine Weile auf dem Bett und starrte dann auf den leeren Platz. Endlich drehte er es wieder um.

»Mein armes Mädelchen«, murmelte er. »Es wird nicht leicht für dich sein.«

Plötzlich tauchte vor ihm das Bild auf, wie sie im Mondschein Grahams Kopf zu sich herabgezogen hatte, und er erhob sich schnell mit einem Kopfschütteln, als wolle er den Anblick verjagen.

Um halb zehn hatte er seine Korrespondenz erledigt, und alles war von seinem Schreibtisch fortgeräumt, mit Ausnahme der Papiere, die er bei der Konferenz mit Manson und Mendenhall brauchte. Er stand am Fenster und winkte Lute und Ernestine, die in einem großen Automobil abfuhren, lächelnd Lebewohl, als Mendenhall eintrat. Er und Manson, die gleich darauf erschienen, erhielten im Laufe der Unterredung den Eindruck, daß er große neue Pläne bezüglich der Pferde und Viehzucht hatte.

Als sie gegangen waren, klingelte er nach Oh Freud und beauftragte ihn, Graham ins Waffenzimmer zu führen, damit er sich ein Gewehr und, was er sonst brauchte, aussuchte.

Er ahnte nicht, daß Paula um elf Uhr über die Geheimtreppe in die Bibliothek gekommen war, hinter den Regalen stand und lauschte. Sie hatte erst hineingehen wollen, war aber stehen geblieben, als sie seine Stimme hörte. Er telephonierte mit Hanley.

»Sagen Sie übrigens,« ertönte Dicks Stimme, »haben Sie sich den Bericht über Miramar angesehen?  ... Gut. Richten Sie sich nicht danach. Ich bin ganz anderer Ansicht. Das Wasser ist da. Ich zweifle nicht im geringsten, daß wir in nicht großer Tiefe eine Wasserader finden werden. Schicken Sie gleich die Bohrmaschine, und beginnen Sie mit der Untersuchung des Bodens.«

Paula seufzte und stieg die Wendeltreppe hinab in die Bibliothek.

»Rote Wolke ist unverbesserlich«, dachte sie. Da saß er nun, während seine Liebeswelt in Trümmern lag, und schmiedete Pläne für Deiche und Brunnenbohrungen.

Und Dick erfuhr nie, daß sie in ihrer tiefen Not ihm so nahe gewesen und wieder gegangen war.

Er ging wieder auf seine Schlafveranda, diesmal aber mit der festen Absicht, zum letztenmal die Notizen durchzusehen, die neben seinem Bett lagen. Sein Haus war in Ordnung. Er hatte nichts zu tun, als die Briefe zu unterschreiben, die er im Laufe des Morgens diktiert hatte, und ein paar Telegramme zu beantworten, und dann kamen das Frühstück und der Jagdausflug nach Sycamore. O, er wollte es gut machen. Hexe sollte die ganze Schuld bekommen. Und er wollte einen Zeugen haben, entweder Froelig oder Martinez, aber nicht beide. Ein Paar Augen waren genug, zu sehen, wenn der Sprungriemen riß und das Pferd sich überschlug, daß er ins Gebüsch stürzte. Und aus dem schirmenden Gebüsch würde der Zeuge dann den Knall der Büchse hören.

In plötzlich aufsteigendem Zorn ballte er die Fäuste. Die kleine Herrin ist verrückt, – sie muß verrückt sein. Anders kann ich mir eine so ausgesuchte Grausamkeit nicht denken, sagte er sich, während er den Stimmen Paulas und Grahams lauschte, die durch die offenen Fenster des Musikzimmers ertönten.

Sie sangen den »Zigeunerzug«, und seine geballten Fäuste lösten sich nicht einen Augenblick, während sie das ganze, wahnsinnige, ausgelassene Lied bis zu dem letzten, wahnsinnigen, ausgelassenen Vers sangen.

Und er stand noch da, als sie mit einem heiteren Lachen Graham verlassen hatte und durch das Haus nach ihren eigenen Gemächern zurückging, wo er sie immer noch lachen hörte, während sie ihre Jungfer neckte und wegen vorgeblicher Versäumnisse ausschalt.

Aus der Ferne ertönten die undeutlichen, aber unverkennbaren Trompetenstöße Bergkönigs. Auch König Polo forderte sein königliches Recht, und ihre Harems von Stuten und Kühen beantworteten ihr Rufen. Dick lauschte auf dieses Wiehern und Brüllen, das seinen Ursprung im Geschlechtstrieb hatte, und seufzte: »Nun ja, das Land ist jedenfalls besser geworden, weil ich gelebt habe. Das ist ein schöner Gedanke zum Schlafengehen.«

 

Dann klingelte das Telephon, und Dick setzte sich auf den Bettrand und nahm den Hörer, wobei er immerfort nach Paulas Veranda hinausblickte. Bonbright meldete ihm den Anruf Chauncey Bishops, der mit dem Auto in Eldorado war. Chauncey Bishop, Redakteur und Besitzer des ›San Franciscoer Kurier‹, war nach Bonbrights Meinung eine Persönlichkeit von hinreichender Bedeutung, um ihn, – der im übrigen ein alter Freund Dicks war, – direkt mit ihm in Verbindung zu setzen.

»Kommen Sie zum Frühstück herüber«, sagte Dick zu ihm. »Und wie wäre es, wenn Sie die Nacht über blieben? Kümmern Sie sich nicht um ihre Mitarbeiter. Wir wollen heute auf die Löwenjagd – Berglöwen, – und wir kriegen sie sicher, wir wissen, wo sie sind.«

Je mehr, desto besser, namentlich Zeitungsleute, lachte Dick bei sich, er wollte ihnen schon eine Komödie vorspielen.

»Schön, kommen Sie gleich!« schloß Dick sein Gespräch mit Bishop. »Ich lasse das Pferd satteln. Sie können den Roten haben, den Sie das letzte Mal ritten.«

Er hatte kaum den Hörer angehängt, als das Telephon wieder klingelte. Diesmal war es Paula.

»Rote Wolke, liebe Rote Wolke«, sagte sie, »deine Beweisführung ist ganz falsch. Ich glaube doch, daß ich dich am meisten liebe. Ich habe mich so gut wie entschlossen, und zwar für dich. Und jetzt sollst du mir, um mir ein wenig zu helfen, daß ich meiner Sache ganz sicher bin, das sagen, was du mir vor einem Augenblick sagtest, du weißt wohl: ›Ich liebe die Frau – die eine Frau. Ich besitze sie seit mehr als zehn Jahren, und ich liebe sie jetzt noch bis zum Wahnsinn ...‹ sag das noch einmal, Rote Wolke.«

»Ja, wahrlich, ich liebe die Frau – die eine Frau«, wiederholte Dick. »Ich besitze sie seit mehr als zehn Jahren, und ich liebe sie jetzt noch bis zum Wahnsinn.«

Als er ausgesprochen hatte, war es einen Augenblick ganz still. Es war eine Stille, die er nicht zu brechen wagte.

»Noch etwas hätte ich fast vergessen«, sagte sie sehr sanft, sehr langsam und sehr klar. »Ich liebe dich. Ich habe dich nie so heiß geliebt wie in diesem Augenblick. Nach all diesen vielen Jahren hast du mir jetzt schließlich den Kopf verdreht. Und wenn ich es auch nicht wußte, so hast du mich doch vom ersten Augenblick an hingerissen. Aber jetzt habe ich meinen Entschluß gefaßt, meinen unerschütterlichen Entschluß.«

Sie hing plötzlich an.

Mit dem Gefühl, jetzt zu wissen, wie einem Mann zumute sein mußte, der in der zwölften Stunde begnadigt wurde, blieb Dick in Gedanken versunken und vergaß ganz, daß er den Hörer nicht angehängt hatte, bis Bonbright aus dem Sekretariat kam, um ihn daran zu erinnern.

»Es war Herr Bishop«, erklärte Bonbright. »Er hat eine Panne. Ich nahm mir die Freiheit, ihm eines unserer Automobile zu schicken.«

»Und lassen Sie seinen Wagen möglichst von unseren Leuten reparieren«, sagte Dick. Als er wieder allein war, erhob er sich, reckte sich, ging geistesabwesend auf und nieder und sagte ins Blaue hinein:

»Nun ja, Martinez, heute nachmittag wirst du um eine dramatische Leistung gebracht, von der du nie erfahren wirst.«

Er trat an die Schalttafel und rief Paula an. Die Jungfer antwortete, daß sie die gnädige Frau sofort holen würde.

»Du sollst mir noch einmal sagen, was du mir eben erzählt hast.«

Sie lachte heiter, ein Lachen, das sein Ohr erfreute.

»Rote Wolke, ich liebe dich«, sagte sie. »Ich habe meinen Entschluß gefaßt. Nie werde ich einen andern Mann als dich auf der ganzen, weiten Welt lieben. Aber jetzt sei brav und laß mir Zeit, mich anzukleiden. Ich muß schnell machen, wenn ich zum Lunch fertig sein soll.«

»Darf ich nicht hinüberkommen – einen Augenblick?« bat er.

»Noch nicht, Sausewind. In zehn Minuten. Dann bin ich so weit. Ich ziehe mein Robin-Hood-Kleid an, du weißt, das in grün und rotbraun mit der langen Feder. Und ich nehme meine Dreißig-Dreißig. Die ist schwer genug für Berglöwen.«

»Du hast mich sehr glücklich gemacht«, beharrte er.

»Und du hältst mich schrecklich auf. Hänge an, Rote Wolke. Ich liebe dich, ich liebe dich.«

Er hörte, wie sie den Hörer anhängte, und spürte im nächsten Augenblick zu seiner Verwunderung, daß er gleichsam nicht recht an sein Glück zu glauben wagte. Es war eher, als hörte er immer noch sie und Graham den »Zigeunerzug« singen.

Hatte sie mit Graham gespielt? Oder mit ihm? Ein solches Benehmen war bei ihr unerhört und unfaßbar. Während er eine Lösung suchte, sah er sie wieder vor sich im Mondschein, wie sie sich an Graham klammerte und seinen Kopf zu sich herabzog. Dick schüttelte fassungslos den Kopf und sah auf seine Uhr. Jedenfalls würde er sie in zehn Minuten, in weniger als zehn Minuten in seinen Armen halten und Bescheid wissen.

So lang kam ihm die kurze Wartezeit vor, daß er sich schon auf den Weg machte, stehen blieb, um sich eine Zigarette anzuzünden, die er jedoch nach dem ersten Zuge wieder fortwarf und wieder einen Augenblick stehen blieb, um auf das geschäftige Klappern der Schreibmaschinen im Sekretariat zu lauschen. Es fehlten noch zwei Minuten, und da er wußte, daß er nur eine Minute bis zu der geheimen Tür zu gehen brauchte, trat er auf den Hof und sah nach den wilden Kanarienvögeln, die im Springbrunnenbecken badeten.

Als sie in großer Angst, eine Wolke von flatterndem Gold und Wassertropfen, die wie Kristall in der Sonne glitzerten, aufflogen, fuhr auch Dick in Angst auf. Der Büchsenschuß war aus Paulas Gemächern ertönt, und während er über den Hof lief, war er sich klar, daß es ihre Dreißig-Dreißig gewesen war. »Sie ist mir zuvorgekommen«, das war sein nächster Gedanke, und was ihm vor einem Augenblick noch unverständlich gewesen, war ihm jetzt so scharf und klar wie der Knall ihrer Büchse. Und während er über den Hof und die Treppe hinaufstürzte, hämmerte es immerfort in seinem Hirn: »Sie ist mir zuvorgekommen, sie ist mir zuvorgekommen.«

Sie lag da, zusammengesunken und zitternd, völlig angekleidet in ihrem Jagdkleid, bis auf die winzigen, bronzenen Sporen, die ihre Jungfer, die sich in machtloser Verzweiflung über sie beugte, noch in der Hand hielt.

Er untersuchte sie in größter Eile. Sie atmete noch, wenn sie auch bewußtlos war. Die Kugel war ihr an der linken Seite hinein und zum Rücken hinaus gegangen. Im nächsten Augenblick war er am Telephon, und während er auf die Verbindung mit dem Haustelephon wartete, betete er, daß Hennessy im Gestüt sein möchte. Ein Stallknecht antwortete, und während er lief, den Tierarzt zu holen, befahl Dick Oh Freud, bei der Schalttafel zu bleiben und sofort Oh Jeh herüberzuschicken.

Wie er mit halb abgewandtem Gesicht dastand, sah er Graham in die Stube treten und auf Paula zueilen.

»Hennessy,« sagte Dick, »Sie müssen so schnell wie möglich herkommen. Nehmen Sie mit, was zur ersten Hilfe bei Unglücksfällen nötig ist. Es handelt sich um einen Gewehrschuß durch die Lunge oder das Herz oder beides. Kommen Sie gleich in die Zimmer meiner Frau. Und machen Sie schnell.«

»Rühren Sie sie nicht an«, sagte er scharf zu Graham. »Sie könnten es verschlimmern, eine stärkere Blutung verursachen.«

Im nächsten Augenblick sprach er wieder mit Oh Freud.

»Schick Callahan mit dem Rennwagen nach Eldorado, sag ihm, daß er unterwegs Dr. Robinson trifft und ihn mitbringen soll. Sag ihm, er soll fahren, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Sag ihm, die gnädige Frau ist verwundet, und er kann vielleicht ihr Leben retten, wenn er sich beeilt.«

Den Hörer am Ohr wandte er sich zu Paula um. Graham, der sich immer noch über sie beugte, ohne sie aber anzurühren, sah ihm in die Augen. »Forrest,« begann er, »wenn Sie das getan –«

Aber Dick brachte ihn zum Schweigen mit einem Blick auf die Chinesin, die immer noch mit den Bronzesporen in der Hand sprachlos und verwirrt dastand.

»Darüber können wir später reden«, sagte Dick kurz und wandte sich wieder zum Telephon.

»Doktor Robinson? ... Schön. Meine Frau hat einen Gewehrschuß durch Lunge oder Herz oder vielleicht beides. Callahan ist Ihnen mit dem Rennwagen entgegengefahren. Fahren Sie so schnell Sie irgend können, bis Sie Callahan treffen. Auf Wiedersehen!«

Als Dick wieder zu Paula trat, machte Graham ihm Platz und kniete neben ihr nieder. Die Untersuchung währte einen Augenblick, dann sah er Graham an, schüttelte den Kopf und sagte:

»Es ist zu gefährlich, – wir könnten leicht Dummheiten machen.«

Er wandte sich zu der Chinesin.

»Leg die Sporen weg und bring ein paar Kissen. Evan, fassen Sie auf der andern Seite an und heben Sie sie behutsam und vorsichtig. Oh Gott, schieb ihr das Kissen unter, aber vorsichtig! Vorsichtig!«

Er sah auf und erblickte Oh Jeh, der schweigend dastand und auf Befehle wartete.

»Sag Bonbright, daß er Oh Freud bei der Schalttafel ablösen soll. Sag Oh Freud, er soll sich in der Nähe von Bonbright halten, um alle Befehle sofort auszuführen. Sag Oh Freud, er soll das ganze Gesinde versammeln, so daß alle bereit sind, Befehle auszuführen. Sobald Saunders mit Herrn Bishop und seiner Gesellschaft kommt, soll Oh Freud ihn nach Eldorado schicken, um sich nach Callahan umzusehen, für den Fall, daß der eine Panne haben sollte. Sag Oh Freud, daß er Manson und Pitts und die Betriebsleiter, die sonst noch Autos haben, suchen und sie mit ihren Wagen vor dem Hause warten lassen soll. Sag Oh Freud, er soll für Herrn Bishop und seine Gesellschaft sorgen – wie gewöhnlich. Und dann kommst du wieder her, so daß ich dich immer zur Hand habe.«

Dick wandte sich zu Oh Gott.

»Erzähle uns, wie es zuging.«

Die Chinesin schüttelte den Kopf und rang die Hände.

»Wo warst du, als der Schuß losging?«

Die Chinesin schluckte und zeigte nach dem Ankleidezimmer.

»Weiter, rasch«, befahl Dick scharf.

»Gnädige Frau sagen mich, holen Sporen. Ich vergessen früher. Ich gehen schnell. Ich hören Knall. Ich kommen schnell zurück. Ich laufen.«

Sie wies auf Paula, um zu zeigen, was sie vorgefunden hatte.

»Aber das Gewehr?« fragte Dick.

»Etwas in Unordnung. Vielleicht Gewehr nicht gehen. Vielleicht vier Minuten, vielleicht fünf Minuten. Gnädige Frau versuchen, Gewehr in Ordnung machen.«

»Versuchte sie das Gewehr auch in Ordnung zu bringen, als du die Sporen holtest?«

Die Chinesin nickte.

»Vorher ich sagen, vielleicht Oh Freud kann Gewehr in Ordnung bringen. Gnädige Frau nein, – sie sagen, sie bringen Gewehr in Ordnung. Sie legen Gewehr hin, dann versuchen wieder, Gewehr in Ordnung bringen. Dann sie sagen mich holen Sporen. Dann ... Gewehr gehen los.«

In diesem Augenblick erschien Hennessy und machte dem Verhör ein Ende. Er war mit der Untersuchung fast ebenso schnell fertig wie Dick und sah ihn kopfschüttelnd an:

»Da lasse ich lieber die Hände davon, Herr Forrest«, sagte er. »Die Blutung hat scheinbar aufgehört. Aber das Blut sammelt sich inwendig. Sie haben wohl nach einem Arzt geschickt?«

»Ja, nach Robinson. Er war noch zu Hause. Er ist ein tüchtiger junger Chirurg«, erklärte Dick Graham. »Er ist kaltblütig und kühn, und in einem solchen Fall habe ich mehr Vertrauen zu ihm als zu einem alten mit einem großen Namen. Was meinen Sie, Hennessy? Glauben Sie, daß Hoffnung besteht?«

»Es sieht ziemlich schlimm aus, wenn ich auch nichts Bestimmtes sagen möchte. Ich bin ja nur Tierarzt. Aber Robinson wird Bescheid wissen, wir können nichts tun, als warten.«

Dick trat auf Paulas Schlafveranda hinaus, um auf das Auspuffrohr des Rennwagens, den Callahan fuhr, zu lauschen. Dann hörte er das große Auto kommen und gleich darauf mit voller Geschwindigkeit abfahren. Graham trat zu ihm hinaus.

»Ich muß Sie um Verzeihung bitten, Forrest. Ich war einen Augenblick nicht ganz bei Sinnen. Ich traf Sie dort und glaubte, Sie wären bei ihr gewesen, als es geschah. Es muß ein Unglücksfall gewesen sein.«

»Armes Mädelchen«, sagte Dick. »Und dabei tat sie sich etwas darauf zugute, daß sie mit Schußwaffen immer so vorsichtig umging.«

»Ich habe mir das Gewehr angesehen«, sagte Graham. »Aber ich kann nichts daran finden.«

»Sie hat es wohl in Ordnung gebracht. Und dabei ist es geschehen.«

Und während Dick sprach und das Lügengebäude vor Graham errichtete, wurde ihm klar, wie gut Paula alles bedacht hatte. Der »Zigeunerzug« war ihr Abschied für Graham gewesen, und sie hatte alles so gemacht, daß er keinen Verdacht schöpfen konnte. Mit ihm hatte sie es ebenso gemacht. Sie hatte sich von ihm verabschiedet, zuletzt telephonisch, hatte ihm versichert, daß sie nie einen andern Mann auf der Welt haben würde.

Er trat an die Verandatür.

»Armes Mädelchen, sie konnte sich nicht zwischen uns beiden entscheiden, und so wählte sie diesen Weg.«

Das Geräusch des sich nähernden Rennwagens trieb ihn wieder zu Graham zurück, und beide gingen zusammen hinunter, um den Arzt zu erwarten. Graham stand unschlüssig auf, als wollte er ungern gehen, fühlte aber doch, daß er es tun mußte.

»Bleiben Sie doch, Evan«, sagte Dick zu ihm. »Sie hatte Sie so gern, und wenn sie ihre Augen öffnet, wird sie sich freuen, Sie zu sehen.«

Dick und Graham standen etwas abseits, während Dr. Robinson sie untersuchte. Als er sich kurz darauf erhob, sah Dick ihn fragend an.

»Es ist nichts zu machen«, sagte er. »Es kann Stunden dauern, vielleicht Minuten.« Er zögerte und sah Dick einen Augenblick forschend an. »Wenn Sie es wünschen, kann ich es ihr erleichtern. Es ist möglich, daß sie wieder zum Bewußtsein kommt und eine Weile leidet.«

Dick ging einmal im Zimmer auf und nieder, und als er sprach, war es zu Graham:

»Warum sie nicht wieder leben lassen, wenn auch nur für eine ganz kurze Zeit? Der Schmerz ist weniger wesentlich, – dafür gibt es unfehlbare, schnell lindernde Mittel. Sie würde es selbst so wollen. Sie liebte das Leben, – jeden Augenblick des Lebens. Warum ihr das bißchen vorenthalten, was ihr noch bleibt?«

Graham beugte zustimmend das Haupt, und Dick wandte sich zu dem Arzt.

»Vielleicht können Sie ihr irgendein anregendes Mittel geben, daß sie zum Bewußtsein kommt. Wenn es möglich ist, so tun Sie es. Und wenn die Qual zu schlimm wird, so können Sie sie ja immer davon erlösen.«

 

Als ihre Augen sich langsam öffneten, winkte Dick Graham neben sich. Anfangs hatten ihre Augen einen verwirrten Ausdruck, dann aber heftete sich ihr Blick auf Dick und danach auf Graham, und ein bemitleidenswertes, wiedererkennendes Lächeln glitt über ihr Gesicht.

»Ich – ich glaubte schon, tot zu sein«, sagte sie.

Aber ihre Gedanken schlugen schnell eine neue Richtung ein, und Dick las in ihren fragend auf ihn gerichteten Augen, was sie meinte. Wußte er, daß es kein Unglücksfall war? Sie hatte es so aussehen lassen wollen, und nun sollte sie in dem Glauben sterben, daß ihr Plan geglückt war.

»Ich – ich war so ungeschickt«, sagte sie. Sie sprach langsam, mit schwacher Stimme, offenbar in großer Qual und mit einer Pause nach jedem Wort, um Kräfte zu sammeln. »Ich war immer so sicher, daß mir nie etwas geschehen könnte, und nun seht, wie dumm ich war.«

»Ja, wirklich eine schöne Geschichte«, sagte Dick. »Wie ging es zu? Hatte es sich festgeklemmt?«

Sie nickte, und ihre Lippen trennten sich wieder in einem kläglichen, mutigen Lächeln, als sie scherzend sagte: »Ach, Dick, geh und hol' die Nachbarn, damit sie sehen können, wie ungeschickt die kleine Paula gewesen ist.«

»Ist es ernst?« fragte sie kurz darauf. »Sei ehrlich, Rote Wolke, – du kennst mich«, fügte sie hinzu, als Dick nicht gleich antwortete.

Er schüttelte den Kopf.

»Wie lange noch?« fragte sie.

»Nicht lange«, lautete die Antwort. »Und wir können es dir jederzeit erleichtern.

»Du meinst –?« Ihr Blick glitt fragend auf den Arzt und wieder auf Dick zurück. Der nickte.

»Das hatte ich von dir erwartet, Rote Wolke«, murmelte sie dankbar. »Aber ist Dr. Robinson bereit, es zu tun?«

Ihr Arzt trat vor, so daß sie ihn sehen konnte, und nickte.

»Danke, Herr Doktor, und denken Sie daran, daß ich es selbst sagen will.«

»Hast du viele Schmerzen?« fragte Dick.

Ihre Augen waren weit aufgerissen, mutig und doch voller Angst, und ihre Lippen zitterten leicht, als sie antwortete: »Nicht so sehr, aber es ist schrecklich, schrecklich, und ich möchte nicht, daß es sehr lange dauert. Ich werde es schon sagen.«

Dann kräuselten sich ihre Lippen wieder zu einem Lächeln.

»Das Leben ist seltsam«, scherzte sie. »Sehr seltsam – nicht wahr? Ich möchte es so gern mit Liebesliedern im Ohr verlassen. Du zuerst, Evan, – sing den ›Zigeunerzug‹. Ja, es ist keine Stunde her, daß wir beide ihn zusammen sangen. Denk, nur eine Stunde. Tue es, Evan, hörst du.«

Graham bat Dick mit einem Blick um Erlaubnis, und Dick gab sie ihm mit einem Blick.

»Ach, und sing es kräftig, heiß und wild, wie ein Zigeuner, der eine Frau erobern will. Und tritt etwas zurück, daß ich dich sehen kann.«

Und während Graham das Lied bis zu Ende sang, stand Oh Jeh unbeweglich wie eine Bildsäule in der Tür und wartete auf Befehle von Dick. Oh Gott war in tiefster Verzweiflung über das Bett ihrer Herrin gebeugt, sie rang nicht mehr die Hände, sondern preßte sie so hart gegeneinander, daß Fingerspitzen und Nägel weiß wurden.

Hinten an Paulas Toilettentisch stand Dr. Robinson, löste vorsichtig einige Tabletten in einem Glas Wasser auf und füllte seine Morphiumspritze.

Als Graham fertig war, dankte Paula ihm mit einem Blick, schloß dann die Augen und lag eine Weile ganz still da.

»Und jetzt, Rote Wolke,« sagte sie, als sie wieder die Augen aufschlug, »jetzt das Lied von Ai-kut. Stell dich dorthin, wo Evan stand, daß ich dich richtig sehen kann.«

Und Dick sang:

»Mich, ich bin Ai-kut, der erste Mann der Nishinam. Ai-kut ist Adam, und mein Vater war der Coyote und meine Mutter der Mond. Und dies ist Yo-to-to-wi, meine Gattin. Yo-to-to-wi ist Eva. Sie ist das erste Weib der Nishinam.

Mich, ich bin Ai-kut. Dies ist mein Blütentau von Weib. Sie ist mein Honigtau von Weib. Ihr Vater und ihre Mutter waren die Morgenröte über der Sierra und der Sommerwind in den Bergen. Sie berieten miteinander und sogen aus Luft und Erde alle Süßigkeit, bis sich ihre Liebe wie Nebel auf Chapparral und Manzanita senkte, und der Honigtau sich auf die Blätter legte.

Yo-to-to-wi ist mein Honigtau-Weib. Hört mich, ich bin Ai-kut. Yo-to-to-wi ist mein Wachtel-Weib, mein Hirsch-Weib, mein Pflanzensaft-Weib, geboren aus dem milden Regen und der fetten Erde. Sie ist geboren aus dem zarten Sternenlicht und der spröden Morgenröte vor der Sonne, und für mich ist sie die einzige Frau und alle Frauen in einer.«

Wieder lag Paula ein Weilchen still mit geschlossenen Augen. Einmal versuchte sie, Atem zu schöpfen, und hustete leicht.

»Versuche, nicht zu husten«, sagte Dick.

Sie konnten sehen, wie sie die Stirn runzelte, während sie sich aus aller Kraft anstrengte, das irritierende Kitzeln im Halse zu beherrschen, das einen Anfall zu beschleunigen drohte.

»Oh Gott, komm hierher, wo ich dich sehen kann«, sagte sie, als sie wieder die Augen aufschlug.

Die Chinesin gehorchte, schwankend, so daß Robinson gezwungen war, ihr die Hand auf den Arm zu legen und sie zu führen.

»Leb wohl, Oh Gott. Du warst immer gut zu mir, und vielleicht war ich nicht immer gut zu dir. Ja – und das tut mir leid. Vergiß nicht, daß mein Mann dir immer Vater und Mutter sein wird ... und all mein Jadeschmuck gehört dir.« Dann schloß sie wieder die Augen, um ihr zu bedeuten, daß die kurze Audienz beendet war.

Wieder quälte sie der Hustenreiz, der schlimmer zu werden drohte.

»Ich bin bereit, Dick«, sagte sie mit schwacher Stimme und immer noch geschlossenen Augen. »Jetzt will ich schlafen. Ist der Arzt bereit? Komm ganz zu mir und halt meine Hand, wie du es damals tatest.«

Ihre Augen suchten Graham, und Dick sah sie nicht an, denn er wußte, daß aus diesem letzten Blick die Liebe sprach, wie er wußte, daß es sein würde, wenn ihre Augen zum letztenmal den seinen begegneten.

»Ich sollte einmal operiert werden«, erklärte sie Graham, »und Dick kam mit, als ich chloroformiert werden sollte, und hielt meine Hand, bis ich einschlief. Es ging sehr leicht.«

In der Stille sah sie Graham an, dann aber wandte sich ihr Blick auf Dick, und er neigte sein Ohr zu ihrem Mund.

»Rote Wolke«, flüsterte sie. »Ich liebe dich am meisten. Und ich bin stolz, daß ich dir solange gehört habe.«

Ihre Finger umschlossen die seinen mit einem leichten Druck, und sie zog ihn noch enger an sich. »Es schmerzt mich so, daß wir keine Kinder haben, Rote Wolke.«

Ihre Finger ließen los, und er trat so weit zurück, daß sie von einem zum anderen sehen konnte.

»Zwei prächtige Männer! Lebt wohl, ihr beiden prächtigen Männer. Leb' wohl, Rote Wolke!«

Ein erwartungsvolles Schweigen trat ein, während der Arzt ihren Arm entblößte, um die Nadel hineinzustechen.

»Schlafen – schlafen –« zwitscherte sie wie ein müdes Vögelchen. »Ich bin bereit, Herr Doktor. Aber straffen Sie die Haut gut. Sie wissen, daß ich keine Schmerzen ertragen kann. Halte mich, Dick.«

Auf ein Zeichen Dicks stach Dr. Robinson leicht und schnell die Nadel durch die gespannte Haut, drückte mit fester Hand den Kolben hinunter und rieb mit den Fingerspitzen die Stelle, damit das Morphium in Zirkulation kam.

»Schlafen – schlafen – herrlich schlafen«, murmelte sie nach einer Weile.

Sie drehte sich auf die Seite, krümmte den freien Arm auf dem Kissen, legte ihren Kopf darauf und nahm die Ruhestellung ein, in der sie, wie Dick wußte, am liebsten schlief.

Nach einer langen Zeit seufzte sie leise auf, und ihr Tod war so leicht, daß sie dahin war, ehe jemand es ahnte. In der stillen Stube ertönte das Zwitschern der Kanarienvögel und das Plätschern des Springbrunnens, und aus der Ferne hörte man das Rufen Bergkönigs und das silberhelle Antwortwiehern von Fotherington-Prinzessin.

 

* * *

 


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