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Geschichte des deutschen Theaters.

Der Vorwurf, den uns die Ausländer machen, daß wir kein eigenes Theater haben, ist mehr als zu gegründet; und es würde bloß eine übertriebene Eigenliebe seiner Nation verrathen, wenn man dawider streiten wollte. Der Herr Professor Gottsched Anmerkung des Herausgebers: Seite 3, 10-12 Anspielung auf Gottscheds 1757/65 erschienenen »Nötigen Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst, vergl. S. 5, 14. hat sich zwar bey aller Gelegenheit die Mühe genommen, diesen, freilich für die schöne Litteratur eines Volkes nicht sehr günstigen, Vorwurf von uns abzulehnen; allein, es ist sehr zu fürchten, ob er bey diesem Eifer viel gewonnen habe. Es ist bey einem solchen Streite nicht genug, ein langes Register, größtentheils abgeschmackter, unsinniger und possenhafter Stücke anzuführen. Alles kömmt auf die große Frage an: Was das heiße, ein eigenes Theater haben? So bald wir erst, statt der ewigen Uebersetzungen aus fremden Sprachen, eine Menge Originalschauspiele aufstellen können, die keiner andern als der deutschen Nation anpassend sind; so bald unsere Lustspiele das unterscheidende Gepräge des Inzwischen muß man dieß mit einer großen Einschränkung verstehen, wie ich im zweeten Abschnitte bey den theatralischen Dichtern zeigen werde. Denn es bleiben noch immer die beyden Fragen: Welches ist der wahre Nationalcharakter der Deutschen? Und: Ist er nicht vielmehr ein aus bekannten Ursachen vermischter Charakter? deutschen Charakters führen, und nicht mehr französirend-deutsche Lustspiele sind; so bald eine Bühne, die dergleichen Originalstücke aufführet, auf öffentliche Kosten erhalten, und unterstützet wird; so bald, aber gewiß ehe nicht, werden wir ein eigenes Theater haben. Wenn man hiernach die Beschaffenheit unserer gegenwärtigen Originalstücke, und unsers Theaters überhaupt untersuchen will, so wird man das Unvollkommne und Mangelhafte durchgehends gewahr werden.

Da inzwischen auch bey der Kindheit unsers Theaters ein angesehener Theil des Publici auf die Unterstützung der Schauspiele denkt; da wir einige Schriftsteller aufweisen können, die mit Beyfall und Ehre für diese Bühne gearbeitet haben; da sich vielleicht noch mehrere Genies mit dem Theater abgeben würden, wenn die Nebenursachen, die sie zurückhalten, gehoben wären; und da endlich einige unserer heutigen Schauspieler in der theatralischen Kunst wirklich vortrefflich sind, so scheint es keine vergebliche Arbeit zu seyn, wenn man, nach dem Beyspiel anderer Nationen, auch die Geschichte der deutschen Bühne, von ihrem ersten muthmaßlichen Ursprung an, bis auf die gegenwärtige Zeit beschreibet. Ich bescheide mich zwar gerne, daß bey einem so mühsamen Vorhaben, als das gegenwärtige ist, noch manche Lücken bleiben werden. Allein, der Vorsatz, etwas Vollständiges liefern zu wollen, muß hiebey schon ein Verdienst seyn.

Meine ganze Geschichte des deutschen Theaters wird sich von selbst in zween Abschnitte theilen. In dem erstern will ich versuchen, den Ursprung unsers Theaters, vorzüglich in Absicht der Schauspieler, den Fortgang desselben, alle Gesellschaften deutscher Schauspieler bis auf die itzigen Zeiten, nebst einigen dahin einschlagenden Anekdoten und Nachrichten, zu beschreiben. In dem andern Abschnitte werde ich derjenigen deutschen Dichter gedenken, die zur Aufnahme der Bühne das Ihrige beigetragen haben. Das mühsame Verzeichniß von gedruckten Schauspielen, welches der Herr Professor Gottsched herausgegeben hat, kann ich hierbei füglich voraussetzen: ohngeachtet, außer einigen neueren Schriftstellern, die in diesem Verzeichnisse angeführet sind, die andern alle gewiß nicht die Männer gewesen sind, die den Flor der deutschen Schaubühne würden befördert haben.

Zuletzt will ich es versuchen, einige von den Ursachen anzuführen, die den Flor dieser Bühne gehindert, und Vorschläge thun, welchergestalt die wahre Aufnahme des deutschen Theaters gefördert werden könnte.

Wenn man die sogenannten Fastnachtsspiele der Deutschen, worinn man gemeiniglich den Ursprung unsrer deutschen Comödie setzt, und wovon ich bald mehr sagen will, genau untersucht, so wird man finden, daß sie eine, wiewol noch immer sehr entfernte, Aehnlichkeit mit der alten satyrischen Comödie der Griechen hatten. Inzwischen war doch diese satyrische Comödie der Alten, so sehr man sie auch beschrie, von sehr großem Nutzen. Es giebt gewisse Laster, wider welche die Gesetze nicht eifern. Die Alten bedienten sich daher dieses Mittels. Aus diesem Grunde wurden die satyrischen Dichter sogar von den Magistratspersonen besoldet; gleichsam als Censores der Republik. Plato selbst ließ sich zum Beyfall für sie dahinreißen, und gestattete dem Aristophanes einen Zutritt bey ihm. Vielleicht aber könnte man noch richtiger unsre ersten Comödien in Deutschland zu der Gattung von Schauspielen rechnen, die die Römer Comœdias tabernarias nannten, und die das niedrige Volk zu Rom in den Gasthäusern aufführte. So viel ist wenigstens, was die Zeit des Ursprungs betrifft, gewiß, daß die ersten deutschen Comödianten, oder Fastnachtsspieler, oder wie wir sie nennen wollen, wo nicht noch eher, doch gewiß zu gleicher Zeit mit den berüchtigten Troubadours in Frankreich geblühet haben, die man ebenfalls als die ersten Comödianten ansiehet. Nur wegen des ersten ordentlichen Comödienschreibers haben wir nicht so viel Zuverläßiges, als unsre Nachbaren, die Franzosen haben; hauptsächlich was die Comedie profane betrifft, wie sie selbige zum Unterschied ihrer geistlichen Comödien nennen, die die Troubadours spielten. Etienne Jodelle verfertigte ein Stück, das er Rencontre nannte, und welches Heinrich dem Zweyten sehr wohl gefiel. Cleopatra und Dido waren zwey Trauerspiele von ihm, die zuerst an die Stelle der geistlichen Comödien gespielet wurden.

In einem uralten Manuscripte von Comödien habe ich eine Nachricht gefunden, daß Reichlinusim Jahre 1497 Anmerkung des Herausgebers: Seite 6, 2 v. u. Joh. Reuchlins Scenica Progymnasmata erschienen erstmalig 1498. in Deutschland die erste Comödie geschrieben habe. Ein gewisser Conrad von Höveln Anmerkung des Herausgebers: Seite 7, 1 Höveln. Siehe A. Fahne, die Herren von Hövel, Köln 1853. Das Buch »Helden Lust üben« habe ich nicht zu Gesicht bekommen., sonst Candorin genannt, soll in einem Buche, das er Helden Lust üben nennt, und welches 1663 gedruckt ist, diese Anekdote haben. Der Herr von Bielefeld Anmerkung des Herausgebers: Seite 7, 4 Bielefeld Siehe Anmerkung 14 zur Einleitung. hat vielleicht in seinem Progrés des Allemands diese Nachricht daher, weil er eben dasselbe Jahr anführt, und auch eines gewissen Reichlin erwähnt, der dem Bischof zu Worms Johann von Dalberg zu Ehren die erste Comödie gemacht habe. Allein, Bielefeld ist in diesem Stücke wol nicht zuverläßig; und vielleicht ist es ganz umsonst, die erste wahre Spur der deutschen Comödie zu finden. So viel ist gewiß, daß längst vor Reichlin den Deutschen diese Art des Zeitvertreibs, so rauh und barbarisch er auch gewesen seyn mag, müsse bekannt gewesen seyn. Die sogenannten Fastnachtsspiele sind gewiß weit älter; und diese vermummten Gaukler, die um die Fastnachtszeit in den öffentlichen Gasthäusern erschienen, und daselbst ihre satirischen Possen trieben, haben wol unstreitig zu unsrer Comödie den ersten Grund geleget. Wenn man überdem bedenkt, daß das angeführte Reichlinische Stück gewiß lateinisch gewesen; und daß schon im Jahr 1486 der bekannte nürnbergische Meistersänger Hans Rosenblütt Fastnachtsspiele entworfen; ja, daß sogar 1486 der Eunuchus des Terenz schon übersetzt war, und 1499 der ganze Terenz in Folio erschien, so behalten die Fastnachtsspiele dieses Sängers und seiner Nachfolger, eines Hans Sachsens, und andrer, die man in dem Gottschedischen Verzeichnisse findet, ohnstreitig den ersten Rang. Carl der Grosse war, wie bekannt, ein großer Verehrer der deutschen Sprache und Dichtkunst. Man erzählet, daß man ihm eine Comödie in friesischer oder niedersächsischer Sprache vorgestellet habe. Und wenn es wahr ist, daß bereits in dem zehnten Seculo, als wol in allen europäischen Landen kein einziges Volk an die theatralische Dichtkunst dachte, im Stifte zu Gandersheim, eine adeliche Jungfer Rhoswita nach dem Muster des Terenz sechs Comödien verfertiget hat; so ist gewiß der Ursprung unsrer Comödie sehr alt, und älter noch, als selbst bey unsern Nachbarn den Franzosen. Ob aber dieses Altertum, wenn wir einen Blick auf die gegenwärtige Situation beyder Nationen in Absicht der Bühne werfen, uns Deutschen zur Ehre gereiche, läßt sich sehr leicht entscheiden.

Die Einrichtung der sogenannten Fastnachtsspiele und ihrer Akteurs hat sich sehr lange erhalten. Fünf bis sieben, auch wol noch mehr verkleidete Personen, führten dergleichen Stücke um die Carnevalszeit in Privathäusern, auch wol in öffentlichen Gasthöfen auf. Die ersten rohen Comödianten sahen ihr Geschäffte mit der Zeit als ein Handwerk an, und daher kam es auch, daß sie ihre Gilden und ihre Herbergierkrüge, ihre Altgesellen und sogar ihren Gruß, wie andre Zünfte, hatten. Vielleicht waren sie unter solchen Umständen geehrter, als sie nachgehends in den Schutz der Minerva aufgenommen wurden, und man ihr Geschäffte zu einer freyen Kunst machte. Augspurg und Nürnberg waren ehemals vortreffliche Oerter für diese Leute; und noch in weit neuern Zeiten hat sich in Danzig ein gewisser Goldschmidt, Namens Diederich, als ein theatralischer Mäcen bekannt gemacht. Die Comödien, welche von diesen Leuten gespielt wurden, waren anfangs moralisch und satirisch. Nachmals flochten sie geistliche Geschichte; und was zugleich höchst ärgerlich war, die größten Zoten und Burlesken in dergleichen Stücke. In Frankreich war es um eben diese Zeit nicht besser. Man spielte das Geheimniß des alten Testaments; und Franciscus der Erste fand sehr großen Geschmack daran. Endlich wurden dergleichen Stücke mit Boufonnerie und Burlesken verbrämt: aber man sahe diese Gräuel bald ein; und seit dem Jahre 1545 ließ man es nicht zu, daß die Comödianten geistliche Comödien mit burleskischen Zwischenmengereyen spielen durften. Bey uns hingegen, wo man noch nicht die geringste Spur vom Geschmack entdeckte; und die ganze Absicht der Schauspieler nur in der Belustigung des Pöbels von allerley Art bestand, war diese theatralische Policey eine unbekannte Sache. Es eiferte niemand als die Geistlichen, die den Kirchenvätern nachbeteten, deren Der Kirchenlehrer Georg Nazianzen schrieb ein Trauerspiel de Christo patiente. Anmerkung des Herausgebers: Seite 9, Anm. Gregor von Nazianz' Autorschaft ist längst als hinfällig erwiesen. einige sich doch selbst mit dem Theater abgaben. Es ist wahr, der Zustand unsers Theaters vor einigen hundert Jahren hätte mit der Zeit immer blühender werden können; zumal es ihm nicht an Unterstützung fehlte; und man nach gerade anfieng, die Geschichte der Religion, der Fabel oder sonst einer wahren Begebenheit freylich immer noch nach einem grotesken Plan in ein Schauspiel zu bringen. Wenn man bedenkt, daß schon im Jahr 1546 ein gewisser Valentin Bolzius zu Basel auf Befehl des Raths ein rührendes Lustspiel von des Apostels Pauli Bekehrung aufgeführet, und drucken lassen, und 1550 noch ein anderes Lustspiel, den Spiegel der Welt; so muß man sich wundern, wie die Deutschen in einer Kunst, dazu sie schon so frühe einige Neigung blicken ließen, so gar weit zurück geblieben sind, so, daß wir in Absicht des Theaters noch immer in den Jahren der Kindheit wandeln. Allein, mußte dieser Zustand sich nicht natürlich ereignen? Was war der damalige Geschmack unsers Publici? Was ist er noch erst vor dreyßig Jahren, und kaum so lange gewesen? Und was ist er leider an manchen Orten noch? Ich habe vorhin gesagt, daß unsre Comödianten, gleich den Franzosen, aus biblischen Geschichten den Stoff zu ihren Stücken nahmen, und selbige durchgehends mit Zoten und albernen Possen anfülleten. Diese lächerliche, und zugleich ärgerliche Gewohnheit ist so gar lange noch nicht bey uns abgeschafft: und wenn man freylich den König Salomo mit Hannswursts Intriguen nicht mehr spielet; so giebt es doch noch Gesellschaften, die Alzire Anmerkung des Herausgebers: Seite 10, 15 Alzire, Trauerspiel von Voltaire. oder Wie z. B. ein ehemaliger Principal vor ohngefähr eilf Jahren in Braunschweig. Barnewell Anmerkung des Herausgebers: Seite 10, 16 Barnewell oder der Kaufmann von London, das vielgespielte Rührstück von G. Lillo. vergl. Alex. v. Weilen über die Nachwirkungen desselben auf der deutschen Bühne in der Festgabe für Jacob Schipper »Beiträge zur neuern Philologie« Wien 1902. mit Hannswurstslustbarkeiten spielen. Um den Lesern, die sich um den Wust der alten Comödien eben nicht bekümmert haben, einen Abriß zu machen, wie dergleichen Stücke aussehen, will ich nur eine einzige Scene aus einem alten ungedruckten Lustspiele hersetzen, das in den ältern Zeiten eine Zierde der deutschen Bühne gewesen ist. Der Titel heißt: Anmerkung des Herausgebers: Seite 10, 8 v. u. Eduard Devrient hat diese in der Tat recht bezeichnende Probe grotesken Humors in seine Geschichte der deutschen Schauspielkunst übernommen. Die große Weißheit des Königs Salomonis, und dieß ist der funfzehnte Auftritt des ersten Aufzuges. Das Theater stellt Lauberhütten vor, und die Personen sind Salomo, Bacima, seine Gemahlinn, Naema, Mahelad, Rehabeam, Jerobeam, Josaphat, der Reichskanzler, Abar der Hofmeister, Salomons Kebsweiber und Hannswurst, Salomons lustiger Diener.

Salom. Ein jeder setze sich. Aber was machst du bey der Tafel?

Hannsw. Was werd ich machen? Fressen will ich?

Salom. Weißt du wol, wer du bist, und wer wir sind?

Hannsw. Ihr seyd Halt! der König Salomo, und ich bin Hannswurst, euer Schwager.

Salom. Bestie, was redest du?

Hannsw. Das ist mein Name nicht.

Salom. Fort mit dem Hund zum Galgen!

Hannsw. Das wäre eine theure Mahlzeit. Dafür bedanke ich mich. Ich will lieber nichts fressen.

Salom. Daphne bekleidet unsre linke Seite, und lasse sich keiner heute etwas abgehen.

Hannsw. Ich habe mich auch wollen lustig machen, damit ihr desto aufgeräumter werdet: so heißt es aber gleich zum Galgen! du Hund!

Salom. Deinesgleichen gehören nicht an die königliche Tafel.

Hannsw. Und warum nicht?

Salom. Weil du unser Knecht und Aufwärter bist.

Hannsw. Es ist doch eine Schande, wenn leibliche Schwäger sich vor einander schämen. Wenn nur ein Lümmel herkömmt, der etwa ein paar Pferde hat, und etwa ein paar Laquaien: so heißt es gleich, laßt ihn mit uns speisen: und ein ehrlicher Cavalier, als ich, muß aufwarten. Es ist nicht recht, Herr König Salus, da ich eurem Vater so lange Zeit habe die Strümpfe müssen ausziehen, und manchen falschen Ton dabey gehöret. Euer Herr Vater ist mein Scholar gewesen, denn ich lehrte ihn das Harfenspielen.

Salom. Nun sey zufrieden, hier hast du was auf dem Teller.

Hannsw. Ich bedanke mich, Herr Salus; Es schadet nicht, wenn man einem ein wenig die Wahrheit saget. Nachdem ich ihm in das Gewissen geredet, gab er mir gleich für das übrige Stillschweigen ein wenig zu fressen, sonst hätte ich ihm alle seine Caffeeschwestern vorgeworfen.

Jerobeam. Man trinke des Königs von Jerusalem Gesundheit!

Rehab. Es lebe der König von Judäa Nestors Jahre!

Hannsw. So geht es recht zu. Das ist der ärgste Saufjäkel: und wann der Kerl sich nicht bey Zeiten ein Clystier durch Schornsteinfeger wird setzen lassen, so werden die Hosen große Noth leiden. Da wird sich hernach das Frauenzimmer verwundern, daß der Kerl so geschwinde ein Materialist geworden ist; u. s. w. (denn der Schmutz und die Zoten steigen immer höher)

Sind das nicht allerliebste Sächelchen!

Vielleicht ist hier der rechte Ort, etwas von derjenigen lustigen Person zu gedenken, die seit so vielen Jahren das Händeklatschen des deutschen Pöbels in Logen und Parterre gewesen ist. Die ersten deutschen Comödianten nannten vorzeiten denjenigen in ihrer Gesellschaft, der die lustige Person vorstellte, außer dem Theater Courtisan. Der Ursprung dieser Benennung ist in den aus dem Spanischen entlehnten, Haupt- und Staatsaktionen zu suchen, wo die Courtisane gemeiniglich lustiger Rath bey Hofe genannt wurden.

Die Comödianten waren gewohnt, nach dem Charakter, welchen sie vorstellten, auch die Namen anzunehmen, als z. E. Courtisan, Königsagent, Tyrannenagent, Pantalon, u. s. w. Diese Titel gaben ihnen durchgehends einen Vorzug vor den jüngern Akteurs, als von welchen sie fast eine übertriebene Hochachtung erpreßten, und auch wirklich erhielten. Wen man ehemals Courtisan nannte, der hieß nachgehends Pickelhering, und in den neuern Zeiten Hannswurst. Ein gewisser Stranitzky, von dem unten mehr vorkommen wird, führte zuerst den Hannswurst ein: und Denner spielte zuerst die lustige Person nach dem Beyspiele des italienischen und französischen Theaters unter dem Namen Harlekin.

Da Deutschland an keinem einzigen Orte einen gegründeten und immerwährenden Schauplatz gehabt hat: und das deutsche Theater mit allem Rechte das heißen kann, was die Engelländer ein extempore Theatre nennen; so ist es kein Wunder, wenn man von der Beschaffenheit desselben, und von den Personen die sich damit abgeben, nicht die geringste zuverläßige Nachricht, bis ohngefehr in das vorige Seculum hat.

Ein gewisser Magister Velthem soll, nach allen mündlichen Nachrichten, der Erste gewesen seyn, der eine ordentliche Gesellschaft deutscher Schauspieler geführet hat. Inzwischen habe ich doch in einer alten Schrift noch eine ältere ordentliche Comödiantengesellschaft entdeckt, die aus einer wichtigen Ursache angemerkt zu werden verdienet. Sie nannte sich die Treuische Gesellschaft; und es ist merkwürdig, daß der nachmalige große Gottesgelehrte, Johann Lassenius, der heiligen Schrift Doktor und königl. dänischer Oberhofprediger, bey dieser Gesellschaft einer der vorzüglichsten Akteurs gewesen ist.

Velthem war ein Mann, der die französische, italienische und spanische Sprache vollkommen verstand, und sich die fremden Schaubühnen bekannt gemacht hatte. Er verband sich mit einigen Studenten, und errichtete eine ordentliche Gesellschaft, die nichts ähnliches mehr mit den handwerksmäßigen Gilden der alten deutschen Schauspieler hatte, sondern so beschaffen war, wie alle übrige nach ihm entstandene Gesellschaften bis auf den heutigen Tag aussehen. Die guten Comödien, welche Velthem zuerst auf die Bühne brachte, waren die Molierischen, und die erste Nürnberger deutsche Ausgabe ist von ihm besorgt worden. Schon um das Jahr 1669 wurde der Polyeukt mit Vermehrungen und Veränderungen von einigen Studenten in Leipzig aufgeführt. Velthem, der nachher in Leipzig studirte, spielte in diesem und in anderen Stücken eine Rolle, und legte hierdurch den Grund zu seinem nachmaligen Theater. Nürnberg und Breslau waren die Städte, wo er zuerst seine Bühne eröffnete. An beyden Orten genossen diese Comödianten vorzügliche Achtung. Man empfieng sie bey ihrer Ankunft auf den Grenzen des Stadtgebietes; und der Magistrat pflegte sie alsdann vor der Stadt zu bewirthen. Auch zu Hamburg erhielten sie bey ihrer Abreise jedesmal von dem Magistrat Geschenke. Seine Burlesken nahm er theils aus dem Italienischen, theils aus dem alten Theater des Gherardi; und die meisten wurden von ihm selbst, wenigstens dem Plane nach entworfen, und aus dem Stegereif aufgeführet. Diese Gewohnheit der sogenannten extemporirten Comödien wurde bald der herrschende Geschmack des deutschen Theaters. Er war auch für das Gedächtniß der Schauspieler sehr bequem; und eben diese Bequemlichkeit verursachte, daß man fast gar keinen Gebrauch mehr von französischen Uebersetzungen machte, bis die Neuberische Bühne diese Gewohnheit erst wieder einführte. Die ernsthaften Stücke, welche Velthem spielte, waren Die spanischen Stücke sind wohl ohnstreitig, wenn man den ältesten Nachrichten, die ich nur habe auftreiben können, und dem Hrn. Professor Gottsched, in seinem mit vieler Genauigkeit entworfenen Register der dramatischen Dichtkunst, glauben kann, zuerst auf unserm Theater übersetzt, und als tragische Stücke gespielet worden. Freylich war es keine wörtliche Uebersetzung: man flickte gemeiniglich eine lustige Person mit ein: und je mehr listige Streiche diese Person spielen konnte, desto vorzüglicher war das Stück. Wie alt die Gewohnheit aus dem Spanischen zu übersetzen sey, kann man aus einem 1520 zu Augspurg gedruckten Stücke sehen. Dieß ist der Titel: Ain hipsche Tragedia von zwaien liebhabenden mentschen, ainem Ritter Calixtus und einer edlen Jungfrawen Melibia genannt, deren Anfang müesam was, das Mittel sieß, mit dem allerbittersten jr baider sterben beschlossen. spanische geradebrechte Uebersetzungen, die unter dem lächerlichen Titel der Haupt- und Staatsaktionen die Stelle des Trauerspiels vertraten. Die Folgen sind bekannt, die sich daher über die Dichtkunst der Deutschen, und über ihre ganze Schreibart verbreitet haben. Der Lohensteinische Schwulst und alle die in dem Geschmack der Asiatischen Banise geschriebene Bücher, sind die Früchte davon gewesen. Ein gewisser albern-hochtrabender Styl, mit falschen und schiefen Witz untermischt, war die einzige Schönheit, auf die man sich damals befliß; und man wird keine Haupt- und Staatsaktion lesen, wo nicht dieser Bombast auf die lächerlichste Art angebracht ist. Die damaligen Comödianten spielten ein Stück: Prinz Pickelhering, das vermuthlich auch aus dem Spanischen entlehnet ist. In diesem Pickelhering scheinet der Verfasser alle andere schwülstigen Stücke geplündert zu haben, und es ist ein reiches Magazin des abgeschmackten Hochtrabenden.

Wann eher Velthem seine Gesellschaft eigentlich errichtet, ist ziemlich unbekannt. So viel ist gewiß, daß er im Jahre 1692 zu Hamburg gespielet hat. Es beweiset dieß eine geschriebene Anekdote, die ich hier wörtlich einrücken will.

»Im Jahr 1692 wurde der berühmte Comödiant Magister Velthem in Hamburg krank, welchem die Priester das heilige Abendmahl nicht reichen wollten, er sollte denn versprechen, wenn er gesund würde, nicht mehr zu agiren, welches er aber, weil es seine Profeßion, nicht thun wollte, sondern schickte nach dem Priester auf dem Hamburger Berg, der ihm das Abendmahl gereichet, dergleichen ist auch seinem gewesenen Courtisan Schernitzky in Leipzig begegnet.«

Ein gewisser Licentiat Rademin gieng um diese Zeit nach Wien, und hat daselbst das noch itzt blühende deutsche Theater wo nicht gegründet, doch gewiß in eine bessere Ordnung gebracht. Die vorzüglichsten Akteurs bey der Velthemischen Gesellschaft waren: Salzhüter, Geisler, Judenbart, Stranitzky, Hubert und Elendsohn, der den Pantalon spielte. Die meisten dieser Leute waren verheyrathet; allein Elendsohn ist unter allen der merkwürdigste. Er heyrathete die Tochter eines Handwerkers in Hamburg, die schön, aber arm war; die aus Liebe zu ihm catholisch wurde, aber niemals als Aktrice das Theater betreten hat. Dieser Elendsohn wurde nachmals selbst Principal; und ich werde seiner bald erwehnen.

Nach dem Tode des M. Velthem setzte seine Wittwe, die das polnische Privilegium erhielt, die Gesellschaft noch einige Zeit fort, bis sie endlich durch den Principalgeist verschiedener Akteurs genöthiget ward, ob zwar noch in ziemlich guten Umständen, die Gesellschaft aufzugeben. Sie hatte vorzüglich in Gothland erstaunliche Summen gewonnen: aber die Verschwendung, der diese üppige Frau nachhieng, war die Ursache ihres künftigen Mangels. Sie war willens, mit ihrer Gesellschaft nach der Schweiz zu gehen, wurde aber durch Sturm verschlagen, und kam nach Gothland. Aus der Einfalt, die in dieser rauhen Insel damals herrschte, kann man sich leicht von der theatralischen Einsicht der Einwohner einen Begriff machen. Allein, eben hiedurch machte die Velthemen ihr Glück. Die Gothländer waren noch halbe Heyden; und man kann sich leicht vorstellen, was diese Barbaren von Leuten müssen gedacht haben, die in einer fremden Tracht, mit Reiherbüschen auf dem Haupte, mit flimmernden Steifröcken, und mit römischen Stiefeln in einer unbekannten Sprache dem Volke ihre Gaukeleyen zeigten. Die Dummheit dieser Insulaner gieng soweit, daß verschiedene abergläubische Gothländer vor den Comödianten niederfielen, und sie für römische Götter hielten. Darf man sich wol wundern, daß die Velthemen sich dieser frommen Einfalt zu ihrem Vortheile bedienet habe? Sie that es mit so gutem Erfolg, daß sie, wiewol nicht an Gelde, doch an andern Kostbarkeiten und Sachen über 70 000 Thaler mit nach Deutschland brachte. Sie hatte zwo Töchter: die älteste war an einen Grafen bey Pillau verheyrathet, und die jüngste heyrathete nachhero gleichfalls außer dem Theater. Sie selbst gieng nach Wien, und starb daselbst in einem hohen und dürftigen Alter. Ehe ich diese Frau verlasse, muß ich eines gelehrten Streites gedenken, den sie führte, der damals Aufsehen machte, und der zu ihrem Vortheil ausgeschlagen ist. Ein Prediger in Magdeburg, Johann Joseph Winkler, hatte von der Unzuläßigkeit der Comödien eine beißende Schrift herausgegeben. Die Velthemen fand sich und die gute Sache des Theaters dadurch beleidiget, und schrieb eine sehr wohlgerathene Dieß ist der Titel nach der neuesten Ausgabe: Zeugniß der Wahrheit vor die Schauspiele oder Comödien, wider Herrn Johann Joseph Winklers, Diaconi der hohen Stiftskirche in Magdeburg herausgegebene Schrift, worinnen er dieselbe heftig angegriffen, und verhaßt zu machen sich vergeblich bemühet, aus vieler Theologorum Zeugniß zusammen getragen und aufgesetzt von Frau C. E. Velthemin, Principalinn der Königl. Polnischen und Churfürstl. Sächsischen Hofcomödianten. Itzt aber auf Begehren guter Freunde zum andern mal zum Druck befördert von den Hochfürstlichen Mecklenburgischen Hofcomödianten. Gedruckt Anno 1711. Verteidigung der Schauspieler wider diesen eifernden Gottesgelehrten.

Nach dem Tode dieser Frau zerstreute sich die ganze Gesellschaft. Hubert gieng nach Wien, wo seine Familie noch itzt sich dem Theater gewidmet hat; Geißler gieng ebenfalls dahin: aber Elendsohn, zu dem sich die andern schlugen, errichtete eine besondere Gesellschaft. Dieß war also die zwote ordentliche Truppe in Deutschland.

Julius Elendsohn, der Vorsteher derselben, lebte nicht lange, und hinterließ einen Sohn, der ihm in der Rolle des Pantalon folgte: und zwo Töchter, wovon die älteste einen Akteur, Namens Müller, heyrathete, die jüngste eine Zeitlang ins Kloster gieng, nachmals aber sich dem Theater widmete, und einen Comödianten, Namens Sack, zur Ehe nahm. Der damalige Churfürst von Cölln ließ dem Elendsohn auf dem katholischen Kirchhofe zu Schwalbach ein Epitaphium in schwarzem Marmor setzen. Die Wittwe, ohngeachtet sie keine Aktrice war, führte dennoch die Gesellschaft fort, und bediente sich des Raths eines jungen Akteurs Haack, der ein geschickter und belesener Mann war. Sie nahm ihn kurz darauf zu ihrem zweeten Mann, und nun wurde die Gesellschaft die Haackische.

Haack, der aus Dresden gebürtig, lutherischer Religion, ein Barbier seiner Profeßion und für den damaligen Geschmack ein ganz guter Harlekin war, zeugte mit seiner Frau einen Sohn und eine Tochter. Er hatte den Ruhm eines stillen und friedliebenden Mannes. Seine schwächliche Natur, die täglichen Arbeiten, der Verdruß mit seinen Stiefkindern in Ansehung der verschiedenen Religionen, und die Verdrießlichkeiten mit den alten Akteurs, ein Name, worauf diese Leute damals pochten, und worinnen doch oft ihr ganzes Verdienst bestand, alles dieses verkürzte ihm sein Leben. Er hatte das polnische und sächsische Privilegium; und seine Wittwe setzte die Gesellschaft fort. Als Kayser Carl der Sechste zu Frankfurt am Mayn 1711 gekrönt wurde, schlug sie daselbst ihre Bühne mit Beyfall auf. Ein gewisser Frankfurter Bürger ließ selbige auf seine Kosten für 2200 Gulden prächtig bauen. Man rechnet ihr über 14 000 Rthlr. nach, welche sie allein in Frankfurt soll erworben haben. Um eben diese Zeit wurden auch schon in Copenhagen deutsche Comödien von einem gewissen von Quodten gespielt. Bey der Haackinn waren Hoffmann, Lorenz, Kohlhardt, die berühmtesten Schauspieler. Von dem letzten will ich bey der Neuberischen Truppe umständlicher reden. Der dritte Mann, den sie heyrathete, war ihr Akteur Hofmann, der verschiedene Jahre in Hamburg agiret, und auch daselbst im Jahre 1722 die ehemalige Velthemische Vertheidigung unter dem Titel: Curieuse und wohl erörterte Frage, ob Comödien unter den Christen geduldet, und ohne Verletzung ihres Gewissens von denselben besucht werden können per Namfoh, unter diesem verkehrten Namen wieder auflegen lassen. Ein guter einfältiger Eiferer widerlegte diese Schrift, die unter einem langen Titel, und mit einer ungeheuren Menge Noten zu Augspurg bey Paul Kühzens Wittwe 1724 gedruckt war. Im Jahre 1728 starb die Hofmanninn. Doch ehe wir so weit gehen, müssen wir noch einige Gesellschaften betrachten.

Stranitzky, der ehemals Akteur bey Velthem gewesen, hatte nachher eine eigene Gesellschaft angenommen: allein, er gerieth bald in schlechte Umstände, und aus dieser entsprang die Denner- und Spiegelbergische Gesellschaft. Diese beyden Truppen agirten theils gemeinschaft, theils getrennet, unter verschiedenen Glücksumständen. Die Spiegelbergische hielt sich am längsten. Ihr Vorsteher, Johann Spiegelberg starb 1732 in Norwegen. Seine Wittwe, Denners Schwester, setzte die Gesellschaft bis 1739 fort, und gab sie alsdann auf. Den eben gemeldeten Denner muß man nicht mit dem Vater verwechseln, der Hamburger Bothe war, und aus Liebe für das Theater nach Wien zu einem dortigen Principal, dem schwarzen Müller, wie man ihn nannte, gieng, und bald darauf von der Velthemischen Truppe verschrieben ward. Der junge Denner war ein Meister im Harlekin. Er spielte sehr oft vor dem König von Großbritannien, Georg dem Ersten, zur Görde: aber alles in dem damaligen Geschmacke, lauter Haupt- und Staatsaktionen, und verstümmelte italienische Uebersetzungen.

Hierauf folgte die Beckische Gesellschaft. Er selbst war ein Zahnarzt, und für den Pöbel ein ziemlich schmutziger Hannswurst. Auf ihn folgte Haßcarl, der um das Jahr 1720 eine Gesellschaft führte, und in Pyrmont viel Geld erwarb. Er hatte einen Akteur Namens Margraf, der weder schreiben noch lesen konnte: und gleichwol mußte Margraf den Crösus spielen. Fünf und zwanzig mal ließen die Comödianten bey diesem Stücke die Gardine fallen, weil Crösus auf dem Thron mit seiner Rede nicht fertig werden konnte. So oft der ängstliche Monarch die Worte ausgesprochen:

Ihr edlen Lydier, und Stützen unsers Reichs; so verstummte die Majestät: und alsdann ließ Haßcarl, als Harlekin und Diener von dem Prinzen Atys, die Gardine fallen, damit sich der König wieder besinnen konnte, und das Publikum verlohr weder Lust noch Aufmerksamkeit. Hätte man es ihm verdenken können, wenn es den Crösus trotz aller seiner Reichtümer vom Thron gepfiffen hätte? Es sahe damals um den äußerlichen Glanz der Bühne noch erbärmlicher aus. Die Comödianten erschufen sich Manschetten von Pappier: und die Gallakleider ihrer Prinzen waren eben so wohlfeil. Einige Buch Goldpapier konnten eine ganze Garderobe aufstutzen. Die Prinzeßinnen waren so schmutzig in ihrem Witz, als in ihrer Kleidung. Sie hatten keine Strümpfe in ihren Schuhen, und keinen Funken Schaamröthe in ihrem Gesichte, außer die der Carmin ihnen gab. Wie wenig gesittet diese verächtliche Sorte von Comödianten gewesen, und welche schlechte Achtung sie für das Publikum gehabt, kann man aus dem einzigen Stücke schliessen, welches das Lieblingsstück von Haßcarln war: der betrunkene Bauer. Der Bauer, welchen der saubere Principal als Hannswurst spielte, war, nach dem Inhalte des Stücks, von den Hofleuten des Prinzen betrunkener weise in die fürstliche Zimmer gebracht. Nach ausgeschlafenem Rausch erblickt er die Prinzeßinn; und indem er nach ihrem Busen schielt, ruft er mit seinem Pöbelwitz: Ich sehe wohl, das ist eine Marketenderhure. Was sie da für ein paar Brannteweinsflaschen hängen hat!

Konnte man es dem feinern Theil des Publici wol verdenken, wenn es nach gerade den deutschen Zotenreißern, die sich Comödianten nannten, eine gänzliche Verachtung erwieß; und wenn Prediger die Comödien Narrentheidungen nannten, die den Christen nicht geziemen? Es ist sogar lange nicht, daß diese Unflätereyen von dem deutschen Theater verbannet sind (denn die Afterbühne, wo noch die circumforaneous wits, wie sie der englische Zuschauer nennt, die Hauptpersonen sind, verdienen nicht, daß man ihrer gedenkt). Aber aus eben dieser Ursache muß man dem theologischen Eifer unsrer Geistlichen nachsehen, weil diese Männer die gegenwärtige Bühne noch immer nach dem Unsinn beurtheilen, der zu den Zeiten unserer Väter Comödie hieß.

Haßcarl heyrathete endlich in Rostock eines Ballmeisters Tochter, und ward daselbst, nachdem seine Gesellschaft auseinander gieng, Notarius.

Nach dieser elenden Truppe machte sich ein David Holzward bekannt. Er war aus Memmingen gebürtig, und wurde Hofcomödiant in Hildburghausen. Nachgehends berief ihn der Herzog von Mecklenburg-Strelitz, wo er das Direktorium der Bühne führen, aber selbst, nebst allen seinen Akteurs, Liverey tragen mußte. Ohngefähr gegen das Jahr 1726 blühete diese Bühne zu Strelitz, die aber 1731 gänzlich eingieng, und nachher niemals ist wieder eingerichtet worden.

Der Nächste, der nunmehr bemerkt zu werden verdient, hieß Förster, und war eines Predigers Sohn ohnweit Zwickau. Vorher stand er bey der Spiegelbergischen Truppe als Akteur, und 1725 trat er selbst die Principalschaft an. Dieser Mann liebte die Veränderung, denn bald war er Vorsteher einer Gesellschaft von lebendigen Akteurs; bald aber gefielen ihm die hölzernen besser; und ökonomisch zu urtheilen, hatte er vielleicht Recht. Man muß gestehen, daß er beynahe der erste gewesen, der, wenigstens für die damaligen Zeiten, die geschicktesten Schauspieler auf seinem Theater gehabt hat. Die vorzüglichsten waren diese: Knaut, Risch und dessen Frau, Lambert, Ludovici, ein Gelehrter, der ein Wochenblatt unter dem Titel, die lustige Fama der närrischen Welt, geschrieben hatte. Dieser Ludovici verfertigte selbst viele Stücke für das Theater, als z. E. den König Carl den Zwölften von Schweden, die Belagerung von Belgrad u. d. gl. Schönemann, von dem nachgehends bey einer glänzendern Aussicht der deutschen Bühne mehr vorkommt, gieng zuerst 1725 bey Förstern als Akteur auf das Theater. Wolka und Wezell waren ebenfalls noch ein paar geschickte Schauspieler. Der letztere erwarb sich zu der Zeit mit seinem Tamerlan vielen Beyfall. Er war ein ziemlich geschwinder Autor, und so handfest, daß er in zwo Nächten eine Comödie machen konnte. Die Ehefrau von Förstern, die aus Kiel gebürtig war, und Bremern hieß, fand wegen ihrer Schönheit vielen Beyfall; und ihre Schwester war damals eine sehr gute Aktrice. Nachdem Förster seine Gesellschaft aufgab, so nahm ihn der Herzog von Hildburghausen als Canzellist und Bauschreiber in Dienste.

Mit der Neuberischen Gesellschaft, von der nunmehro geredet werden soll, fieng sich die würdigere Epoche für die deutsche Bühne an: denn wenn man einige kleine Gesellschaften ausnimmt, die neben der Neuberischen, der Schönemannischen, Kochischen und Ackermannischen Gesellschaft von je her aufgeflattert sind, und zu dem Pöbel der Schauspieler gerechnet werden, so verdienen diese eben genannte nur allein, gleichwol aber mit vieler Einschränkung, den Namen deutscher Comödianten. Die Neuberinn, welche die Tochter eines Doktoris der Rechte aus Zwickau war, und Friederika Carolina Weissenborninn hieß, war eigentlich bey der Spiegelbergischen Gesellschaft, zu der sie sich mit ihrem Mann gewandt, eine Schauspielerinn geworden. Sie trennte sich aber von ihr, und brachte die beyden Kinder des Haack, welche keine Lust zum Theater bezeigten, nach Weißenfels. Der damalige Herzog nahm sich der Kinder als Pathe an, und versorgte sie außer dem Theater. Sie machte sich die Abwesenheit der Hofmannischen Truppe, die nach Braunschweig gegangen, wo ein Caffeeschenker Wegener der Entrepreneur der Comödie war, zu Nutze, und suchte verschiedene Akteurs an sich zu ziehen, unter denen Lorenz und seine Frau, Kohlhardt, die Grindlerinn aus Wien, nebst ihrer Tochter, und der itzige Principal Koch, der sich damals als Student in Leipzig aufhielte, die Vorzüglichsten waren. Sie bat sich die beym Herzog von Weißenfels engagirte Spiegelbelgische Familie auf eine Messe aus, und eröffnete mit ihrer Gesellschaft zuerst in Leipzig die Bühne. Sie erhielt von dem sächsischen Hofe statt des ehemaligen Haackischen Privilegii, eines für ihren Mann: und daher entstand in der Folge der große Lerm zwischen ihr und Müllern, der vermöge seiner Frau ein Erbe dieses Privilegii zu seyn glaubte. Ihr erstes Theater zu Leipzig erbauete sie in dem Fleischhause. Wegen des im Jahr 1733 erfolgten Absterbens des damaligen Königs von Polen mußte sie ihr Theater schließen. Sie gieng desfalls nach Hamburg, und von da nach Braunschweig, wo sie von dem Herzoge geschützt und privilegirt ward. Müller nahm den Zeitpunkt der neuen Regierung in Acht, gieng nach Leipzig, supplicirte um das Privilegium, das sein Schwiegervater gehabt hatte, und erhielt die Erlaubniß, in dem Fleischhause spielen zu dürfen. Die Neuberinn kam auch, und fand ihr Theater usurpirt. Sie nahm ihre Zuflucht zu ihrer Muse, und verfertigte eine poetische Bittschrift über die andre; bald an die Königinn, bald an den Grafen von Brühl, bald auch an die Herzoginn von Braunschweig, und sie drang durch. Der Proceß mit Müllern daurete inzwischen fort: und das Urtheil fiel endlich dahin aus, daß beyde Gesellschaften das Privilegium erhielten. Müller bekam das Theater in dem Fleischhaus, und die Erlaubniß, auch in Dresden zu spielen. Die Neuberinn durfte auch außer der Meßzeit in Leipzig agiren, mußte aber einen andern Platz für ihr Theater suchen: und sie erbaute daher das kleine Theater in der Nikolaistraße, wo zehn Jahre nachher Quandt das itzige errichtet hat, und woselbst sie bis zu ihrem völligen Ruin mit abwechselndem Beyfall spielte.

Das erste Stück, welches die Neuberische Gesellschaft aufführte, war der Regulus. Inzwischen war man doch theils aus Mangel besserer Stücke, theils den Pöbel zu vergnügen, den man als einen guten theatralischen Zugvogel nicht verscheuchen mußte, gezwungen, sehr oft zu Haupt- und Staatsaktionen seine Zuflucht zu nehmen. In das Jahr 1728 und gewiß früher nicht, kann man die Epoche der erträglichen Stücke für die deutsche Bühne setzen. Freylich immer noch Übersetzungen; aber doch keine verunstaltete spanische oder italienische Stücke mehr. Gottsched war zu der Zeit noch Magister in Leipzig, und machte sich zuerst mit der Neuberischen Gesellschaft bekannt. Sein Hauptverdienst um die Schaubühne, worauf seine Schüler so stolz sind, ist kein anderes, als die Anpreisung der französischen Stücke, die man aber, zumal was die Trauerspiele betrifft, in der erbärmlichst gereimten Prosa auf die Bühne brachte. Die besten Stücke, die man damals übersetzt hatte und spielte, waren ausser dem schon angeführten Regulus, der Cinna, den die Pegnitzische Blumengesellschaft übersetzt hatte, und der in dem zu Nürnberg herausgekommenen Buche, christliche Vesta, und irdische Flora eingerückt war; Cid, den ein Bürgermeister Lange übersetzt, Alexander und Porus, nach der Übersetzung einer gewissen Fräulein aus Streliz; und Sancio und Senilde, eine Tragödie, welche Koch aus einer Oper gezogen, die der bekannte König verfertigt hatte. Gottscheds sterbender Cato, der im Jahr 1730 in Leipzig zuerst von dieser Gesellschaft aufgeführet war, fand erstaunlichen Beyfall. Das war kein Wunder: man kannte den Addisonischen noch nicht. Es ist fast kein berühmter Ort in Deutschland, wo nicht die neuberische Bühne ihre Stücke aufgeführet hat. Zu Hamburg, Hannover und Dresden spielte sie oft. Zu Merseburg fand sie an dem Herzog Moritz, und zu Weißenfels an dem Herzog Christian große Beschützer. Im Jahre l73l gieng sie nach Nürnberg, und 1736 nach Frankfurt am Mayn und Straßburg. In eben diesem Jahre erhielt ihre Gesellschaft von dem Herzog Carl Friederich zu Kiel, den Titel der Schleswigholsteinischen Schauspieler. Sie bekamen in dieser Bestallung eine gewisse Rangordnung, und wurden der fürstlichen Capelle gleich gesetzt, auch von allen städtischen und andern Abgaben frey gesprochen. Die Neuberinn erhielt auf jedem Umschlag von dem Herzoge allein 1000 Rthlr. Als sie 1739 in Hamburg agirte, bekam sie einen vortheilhaften Ruf nach Rußland. Die unverschämte Abdankung, die sie bey dieser Gelegenheit in Hamburg hielt, und die ihr den Zutritt in diese Stadt auf ewig verschloß, ist ein Beweis ihres Stolzes, ihrer Undankbarkeit und ihrer Schwäche. Ich würde sie bekannt machen, wenn die Ehrfurcht mir es nicht verböte, die ich gegen die Einwohner dieser berühmten Stadt hege, die zu allen Zeiten die schönen Künste ausnehmend beschützet haben. Im Jahre 1741 kam sie wieder aus Petersburg nach Leipzig zurück: und von der Zeit an verminderte sich ihr Ansehen und ihr Glück. Die Critiken, der Bau in Leipzig, und die Verzweiflung hatten sie verdrießlich, faul und arm gemacht. Einer von ihren ärgsten Fehlern war der Hochmuth. Dieser sowol, als die ausschweifende Lebensart, der sie nachhieng, machten endlich ihrer Principalschaft und ihrem guten Ruf ein Ende. Ohngefähr zehn Jahre ist ihr Ansehen gestiegen; zehn Jahre hat es abgenommen; und die letzten zehn Jahre hat sie im Elend zugebracht. Sie beklagte sich bey aller Gelegenheit über Ungerechtigkeit; und schimpfte auf die Menge ihrer Feinde, ohne daß sie Mitleid fand. Sie gieng hierauf eine kurze Zeit nach Wien, und brachte ihre übrige Lebenszeit in Dresden zu. Sie hat immer ihre Lebensgeschichte selbst aufsetzen, und, wie sie sich ausdrückte, alle ihre Feinde namhaft machen und beschämen wollen: allein, die Sorgen der Nahrung haben sie daran gehindert. Sie machte selbst Verse. Verschiedene Prologe, die auf ihrer Bühne aufgeführet sind, und wovon einer, wie ich glaube, in der Gottschedischen Schaubühne stehet, zeugen von ihrem Genie, das freylich dem damaligen Geschmack ziemlich anpassend war. Zwey Stücke haben sie in der theatralischen Welt vorzüglich berühmt gemacht: einmal, ihr ewiger Streit mit dem Herrn Professor Gottsched; und dann ihre öffentliche Verbannung des Harlekins. Ich will von beyden etwas anführen.

Also zuerst: die Neuberinn und Gottsched. Da diese Frau im Jahre 1723 ihre Gesellschaft errichtete, war Herr Magister Gottsched ein sehr großer Liebhaber des Theaters: er machte Freundschaft mit ihr, und that ihr allerley Vorschläge, die deutsche Bühne in Flor zu bringen. Das sagt er selbst von sich in seinem Vorrathe zur dramatischen Dichtkunst, daß nämlich sein Zureden in der Neuberinn zuerst den Vorsatz, gute Stücke aufzuführen erregt, und sein Beystand ihr denselben erleichtert habe; Für diese Mühe, und für die Belohnung, die er als Kenner zu verdienen glaubte, hatte er in der Folge verlangt, daß lediglich alles von ihm und seiner Einrichtung abhängen sollte. Ich könnte hier viele Anekdoten anführen, die man hievon erzählet, und die zum Theil wahr seyn können; zum Theil aber auch wol offenbare Verleumdungen sind. Dieß ist wenigstens gewiß, daß die Freundschaft der Neuberinn gegen ihren damaligen Akteur Koch, und nachmals gegen einen andern Akteur, Namens Suppig; und vorzüglich des ersteren angemaßte Direktion in theatralischen Sachen, den Grund zur Kaltsinnigkeit zwischen Gottsched und der Neuberinn geleget hat. Gesetzt aber auch, dieß sey nicht der wahre Grund, so ist doch der folgende Umstand unstreitig. Herr von Stüven hatte der Neuberinn verschiedene Trauerspiele übersetzt, die ihr sehr gute Dienste gethan. Im Jahre 1739 kam sie nach Hamburg; er gab ihr seine Alzire; sie wurde aufgeführt und gedruckt. Zum Unglück war Madam Gottsched auch mit ihrer Uebersetzung fertig. Vielleicht hat es die Neuberinn gewußt; und alsdann mußte ihr Vergehen in Gottscheds Augen um so viel größer seyn. In der Michaelis Messe, als die Neuberinn in Leipzig spielte, verlangte folglich natürlicher weise der Mäcen ihrer Bühne, daß man die Stüvensche Uebersetzung vergessen, und dagegen die von seiner Freundinn aufführen sollte. Die Neuberinn mochte einwenden, was sie konnte, daß man sich einer gedoppelten Uebersetzung bey einem einzigen Stücke unmöglich unterziehen könne; ja sie mochte sogar die Wahrheit behaupten, daß Stüven besser als Madame Gottsched übersetzt hätte; es half nichts; Gottsched kündigte ihr seine Freundschaft auf, und sie schimpften sich nachher mündlich und schriftlich. Nunmehr genoß die Schönemannische Gesellschaft, die ohngefehr um diese Zeit ihren Anfang nahm, den Schutz, den Gottsched vorher der Neuberinn geschenkt hatte. Inzwischen mußte sich Schönemann diesen Schutz durch die Bereitwilligkeit erkaufen, Madam Gottsched ihre Alzire aufzuführen. Aber diese Uebersetzung ward auch von ihm nur zu Leipzig gespielt, und nach der Zeit gleichfalls die Stüvensche gewählt, und die Gottschedsche vergessen.

Zum andern: die Neuberinn und der Harlekin. Gottsched war gewaltig wider diesen Unschuldigen eingenommen; und er demonstrirte der Neuberinn aus allen Regeln des guten Geschmacks, daß auf einer wohl eingerichteten und gesitteten Bühne kein Harlekin auszustehen sey. Er rieth ihr also, diesen Missethäter feierlich vom Theater zu exuliren. Die Neuberinn gab nach und versprach dem Herrn Gottsched, den Harlekin nicht nur zu verbannen, sondern ihn gar zu begraben. Welche Freude für den Geschmack, und für den Herrn Gottsched! Der Executionstag ward angesetzt: das 1737ste Jahr war das schreckliche Jahr, und eine Bude bey Bosens Garten in Leipzig war das Schavot, wo Gottscheds strenges Urtheil an den Inquisiten Harlekin sollte vollzogen werden. Madam Neuberinn verfertigte selbst das Auto da fe, in einem Vorspiel, wovon sich vielleicht niemand als Herr Gottsched die besten Folgen versprach. Allein, die Neuberinn that ein noch größer Wunder. Sie gieng bald darauf nach Kiel; hier weckte sie den zu Leipzig getödteten Harlekin in ihrer eigenen Person wieder auf: denn sie machte hier selbst diese Rolle. Das Vorspiel, dessen ich eben erwähnet habe, ist nie gedruckt worden. Sie war überhaupt wider das Comödiendrucken. Dieser Widerwille war im Grunde nichts anders, als ein Neid, ihre Stücke bey andern Gesellschaften nicht bekannt werden zu lassen. Sie hatte diesen Neid von ihren Vorwesern angenommen: und er findet sich noch itzt bey manchen Theaterprincipalen. Da die Neuberinn sehr schlecht, und ihr Koch sehr schwer memorirte, so legte man ihr dieß Widerstreben als eine Furchtsamkeit aus, ihre Blöße den Zuschauern zu zeigen.

Diese aus vielen Ursachen für das deutsche Theater berühmte Frau starb vor einigen Jahren auf der Reise ohnweit Dresden. Es sind auf ihrer Bühne viele geschickte Schauspieler gewesen. Schönemann kam 1730 zu ihr. Lorenz war ein unvergleichlicher Akteur in komischen Rollen: Koch und Suppig fanden vielen Beyfall. Fabricius, der nachmals auf der Schönemannischen Bühne in den Rollen der grämlichen und polternden Alten und der komischen Bedienten im Lustspiel vorzüglich war, und Kohlhardt, den selbst unser Rabener einen vortrefflichen Akteur nennet, waren die Zierden dieses Theaters. Auch hatte sie verschiedene gute Schauspielerinnen. Sie selbst spielte vorzüglich gut, und eine Gründlern und Klefeldern waren zu der Zeit nicht ungeschickte Aktricen. Es ist hier vielleicht der Ort, einen gewissen Irrthum zu widerlegen, der in die theatralische Chronik einschlägt. Er betrifft das Ende des berühmten Kohlhardts. Rabener Man sehe den 2ten Theil von seinen Satyren. sagt von ihm:

»Dieser vortreffliche Kohlhardt ward bey zunehmendem Alter durch seine kränklichen Umstände sehr gehindert. Zu manchen Zeiten konnte er gar nicht reden: er erschien nur selten auf der Schaubühne. – Nur wenig Tage vor seinem Tode habe ich ihn noch auf der Schaubühne gesehen. Seine Brustbeschwerung verhinderte ihn, zu reden; er hatte also nur die Rolle einer stummen Person, und mußte in der Kleidung eines Bedienten den Stuhl einem tragischen Helden zu rechte setzen, welcher wegen seiner Ungeschicklichkeit kaum verdiente, auf der Reibhandschen Bühne eine stumme Person vorzustellen. – So bald er den Stuhl hingesetzt hatte, trat er ab. Ich sahe ihm mitleidig nach, und in dem ganzen Trauerspiele schien mir dieser Auftritt der traurigste zu seyn. Wenig Tage darauf starb er.«

Herr Rabener irrt. Einen Statisten hat Kohlhardt nie vorgestellt, am allerwenigsten in den letzten Tagen. Seine letzte Rolle war der König oder der Befehlshaber im Schlaraffenland. Er konnte vor Schmerzen kaum mehr reden und dieß waren seine letzten Worte, als er Kochen, der die Rolle des Peter machte, den Mantel umhieng, und den Regimentsstab übergab:

»So wünsche ich dir denn zu deiner Würde viel Glück: ich aber will gehen, und mir richtigen Verstand und reife Ueberlegung wünschen.«

Er wurde hierauf in einer Portechaise nach Hause gebracht, und starb wenige Tage hernach an der Hektik. Er war ein vortrefflicher Akteur, der aber nur 4 bis 5 Gulden wöchentlich Gehalt bekam.

Ehe ich von dieser vorzüglichen Bühne auf diejenigen drey Gesellschaften komme, die in Deutschland die berühmtesten geworden sind, und wovon noch zwo Deutschland Ehre machen, will ich einiger Zwischentruppen gedenken, die sich gerne haben hervorthun wollen: aber sogleich wieder verschwunden sind. Die Namen aller und jeder sogenannten Principale anzuführen, von denen einige kaum vier Wochen ihre Principalschaft behaupten können, würde eine weitläuftige, und höchst unnütze Sache seyn. Mit den meisten will ich die Liebhaber der theatralischen Geschichte bekannt machen.

Ein gewisser Scheller, der Trompeter am Weißenfelsischen Hofe war, errichtete daselbst 1734 eine Truppe. Er hatte zwo Töchter, die musikalisch waren, und auf dem ehmaligen Hamburgischen Operntheater bey der bekannten Kayserinn ihre Stimmen erschallen ließen.

Lorenz, und der berüchtigte Reibehand, ein Schneider von Profeßion. Diese beyden Aftercomödianten machten anfangs gemeine Sache, spielten erst mit hölzernen Marionetten, und giengen nachgehends zu den lebendigen Marionetten über. Die Verdienste des Reibehand um das Theater haben durchgehends eine burleske Seite: und sein Name ist ein für die Haupt- und Staatsaktionen geheiligter Name geworden.

Eine Kreuzerinn, und eine Lambert, die mit einem Namens Brettinger das Land durchzogen, auch diese hießen Principalinnen: kamen aber vorzüglich in Ansehung der Art ihrer Aufnahme, und des Orts, wo sie spielten, den ersten Fastnachtsspielern gleich. Ein Goldschmidt in Danzig, Namens Diederich, war der Mäcen dieser Leute. Er verschrieb dergleichen herumziehende Truppen, die vom August bis zum Advent daselbst spielen mußten. Sie kamen gemeiniglich um Fasten, und erhielten ordentliche Wartegelder. Die Kreuzerinn spielte sehr oft in und um Danzig, gieng auch nach Pohlen, und ihre Gesellschaft bestand bald aus zwölf, bald aus vier Personen.

Carl von Eckenberg, der unter dem Namen des starken Mannes in Deutschland bekannt geworden ist, gehört zum Theil auch zu dieser Gattung Leute. Er war eines Sattlers Sohn aus dem Bernburgischen und von Profeßion ebenfalls ein Sattler. Seine Frau war eine Seiltänzerinn und eine Engländerinn von Geburt. Der König von Dännemark schenkte ihm nachhero den Adel. Seine Künste, die alle ihren natürlichen Grund in der Mechanik hatten, waren das dumme Erstaunen des Pöbels: und dieß Erstaunen verstand er zu gut zu nutzen, daß er mit 48 000 Thalern nach Berlin kam, die er mit seinen Künsten erworben hatte. Hier baute er ein Haus von 15 000 Thalern. Der König verlangte, er sollte sich Comödianten anschaffen. Eckenberg schrieb nach Wien; und Scolary, Rademin und Hilferding, der zuletzt selbst Principal wurde, waren seine besten Leute, die man aber nicht mit den Schauspielern eines wahren Theaters verwechseln muß. Auch ein gewisser Hummel ist auf dieser elenden Schaubühne merkwürdig, weil er aus einem Comödianten ein Eremit geworden ist und nachgehends immer Bruder Hummel hieß.

Körver, Darmstädter, ein Taschenspieler und getaufter Jude, der sogenannte österreichische Müller, Felix, u. s. w. lauter saubere Burleskenprincipale; und die zusammengenommen, dem Staate und dem guten Geschmack nicht so viel Nutzen gestiftet haben, als der ärmste Schuhflicker.

Hierauf folgt ein anderer Principal, der sich etwas mehr über diesen Pöbel erhoben, aber doch immer noch Pöbel war, und der wahre Pendant von der Reibehandtischen Bühne, der große Kuniger. Er spielte zwar, als er noch lebte, (denn er ist, dem Himmel sey dank, seit verschiedenen Jahren schon todt) außer seinen gewöhnlichen Haupt- und Staatsactionen, auch regelmäßige übersetzte, auch gute deutsche Stücke; aber Zaire, und alle andere Stücke wurden immer, wiewol ohne Vorsatz, als Burlesken aufgeführet. So wie alle Thoren ihre Bewunderer finden, so hat auch diese Bühne nicht selten in Hamburg, aber mehr noch in dem benachbarten Altona, die ihrigen gehabt. Amberg, der bey dieser Truppe erst Acteur war, warf sich hernach selbst zum Principal auf; und mich deucht, daß er sogar ein preußisches Privilegium erhalten hat. Allein derjenige, der dieses Privilegium auf seinen Sohn fortgepflanzet, ist der in allen brandenburgischen Zeitungen so sehr ausposaunte Schuch. Seine Sitten waren so zweydeutig, wie seine Theaterwissenschaft: denn wenn man nach seiner Bühne den theatralischen Geschmack der Deutschen, und ihre Comödien überhaupt beurtheilen will, so werden beyde sehr verlieren. Schuch, der Student gewesen seyn wollte, fieng 1741 seine Theaterregierung an. Er hatte sich mit einer Person, Namens Rademin, verheyrathet, von der er sich aber in Wien trennte, woselbst sie von einem gewissen Grafen unterhalten ward. Schuch schwermte hierauf herum, kam nach Zwickau, entführte eine Rectorstochter, gieng durch Leipzig nach Schlesien, erhielt ein preußisches Privilegium, und stoppelte eine Truppe zusammen, In der Rangordnung verdient sie neben Reibehand und Kuniger zu stehen. Ein gewisser Döblin, der bey dieser Truppe Acteur war, wurde nachgehends Hofcomödiant bey dem letzten Herzoge von Weimar; verdient aber nicht, daß man seiner gedenkt. Schuch der Sohn, führt itzt die Truppe seines verstorbenen Vaters unter demselbigen Schutz, und, wie mir aus Berlin, wo Schuch sehr oft spielt, Kenner berichten, mit nicht einem Funken mehr theatralischer Kenntniß als sein Vater. Es ist für das deutsche Theater betrübt, daß in der größten deutschen Residenzstadt, wo die vortrefflichsten deutschen Genies, ein Sulzer, Moses, Ramler, Leßing und Nicolai sich aufhalten, gerade mit die schlechteste Truppe, und zwar mit hoher obrigkeitlichen Erlaubniß ihre Bühne hat.

Ich komme nun auf die drey berühmtesten Bühnen, die wir jemals in Ansehung des wahren theatralischen Geschmacks in Deutschland gehabt, und zum Theil noch haben. Die Schönemannische Bühne verdient es, daß ich ihrer mit dem Beyfall gedenke, den ihr die Kenner schenkten. Von ihrer Vorzüglichkeit ist schon dieses ein starker Beweis, daß diejenigen Schauspieler, die nach dem Beschluß dieser Bühne zu Koch und Ackermann giengen, gerade die vorzüglichsten und besten auf dem Kochischen und Ackermannischen Theater sind.

Johann Friedrich Schönemann, der bereits bey der Neuberinn mit Beyfall agirt hatte, fand an dem würdigen Landschaftsdirector Grote zu Lüneburg seinen ersten Beschützer. Am 15ten Januar 1740 sahe er sich im Stande, mit Leuten, die schon zu der Zeit die schönste Hoffnung von sich gaben, sein Theater mit dem Mithridates zu eröffnen, den der Professor Witter in Straßburg übersetzt hat. Heiderich, Ackermann und Eckhof waren seine ersten Acteurs. Uhlig, der bei ihm zuerst Comödiant geworden, muß deswegen hier gemerkt werden, weil er selbst einige deutsche Originalstücke für das Theater geschrieben hat, die aber nicht weit über das Mittelmäßige sind. Er war aus Belgern gebürtig, wohl gewachsen und spielte die Alten sehr gut. Im Jahre 1741 gieng er zu Madam Schrödern, die jetzt an Ackermann verheyrathet ist, und damals eine eigne Truppe führte. Hier verheyrathete er sich mit einer Rudolphie aus Leipzig, die in unschuldigen Rollen nicht ihres gleichen hatte, ohngeachtet sie selbst sehr coquett war. Er kam wieder zu Schönemann, verwechselte darauf diesen Principal 1745 mit dem Schuch; und gieng endlich nach Frankfurt am Mayn, wo er Zeitungsschreiber ward, und vor einigen Jahren gestorben seyn soll.

Schönemann gieng bald nach dem Anfang seines Theaters nach Mecklenburg, wohin ihn der Herzog Christian Ludwig, als damaliger kaiserlicher Administrator, verschrieben hatte: mußte aber wegen des Todes Kaiser Carl des Sechsten seine Bühne schließen. Nachdem er hierauf in Leipzig gespielet, so gieng er nach Hamburg, wo er in dem damaligen alten Opernhause 1741 mit dem Cid seine Bühne eröffnete. Hier ward ihm ein Lustspiel von einem besondern Schlage präsentirt, der Boocksbeutel, den ein Buchhalter in Hamburg, Namens Borkenstein, verfertiget hat. Es ist besonders, daß dieses Stück, welches die lächerlichen Gewohnheiten verschiedener hamburgischen Einwohner auf eine comische Weise vorstellt, so vielen Beyfall fand, und noch jetzt in Hamburg nicht ganz mit Widerwillen gesehen wird. Der Boocksbeutel ist allerdings ein deutsches Characterstück, über deren Mangel unsre Kunstrichter so sehr klagen. Allein, es hat doch den wichtigen Fehler, daß es keine Charactere schildert, die der ganzen deutschen Nation, sondern nur einer einzigen Stadt in Niedersachsen, und in dieser berühmten Stadt nur wenigen unpolirten Familien anpassend sind. Schönemann machte inzwischen mit diesem Stücke eine gute Erndte. Es ward den 16ten August 1741 zum erstenmal, und sechszehnmal kurz hintereinander vorgestellt. Das jetzige kleine, aber ziemlich bequeme Comödienhaus in Leipzig ward durch seine Vermittelung und Vorsorge angelegt, und den 6ten October 1749 mit dem Cinna eingeweihet. Im Jahr 1750 berief ihn der verstorbene Herzog Christian Ludewig von Mecklenburg, der die Künste aufzumuntern wußte. Hier ward er als Hofcomödiant in Bestallung genommen, und mußte die Wintermonate an dem Hoflager dieses Fürsten agiren. Zu Rostock ließ der Herzog in demselbigen Jahre ein kleines Comödienhaus bauen, worinn Schönemann den 11ten May die erste Comödie spielen konnte, und diesen Tempel der Musen mit dem Geheimnißvollen von Schlegeln, und der gelernten Liebe von Rosten einweihete. Nach dem Tode dieses nicht genug zu bedaurenden Fürsten hatte Schönemann seinen beständigen Aufenthalt in Hamburg, wo er endlich im Jahr 1757 bey der Versammlung einer unbeschreiblichen Menge Zuschauer sein Theater völlig aufgab. Diese Gesellschaft, die die vortheilhaftesten Privilegia von Preußen, Hannover, Braunschweig und Schleswig hatte, war in ganz Deutschland berühmt. Schönemann selbst war als Lusignan im Trauerspiel, und als Bedienter in den Stücken des Destouches vorzüglich gut. Die meisten seiner Akteurs und Aktricen sind zum Theil noch die Zierde der Kochischen und Ackermannischen Bühnen. Wie vollkommen, Miß Sara, Hermann, die zärtlichen Schwestern, das Loos in der Lotterie, der Triumph der guten Frauen, die kranke Frau, Alzire, Zaire Anmerkung des Herausgebers: Seite 39, 6, 7, 8. Verfasser sind Gellert und Schlegel., die feinen Stücke des Marivaux, und alle unsere besten Stücke von dieser Gesellschaft aufgeführet wurden, das können diejenigen bezeugen, die diese Bühne in ihrer wahren Gestalt gekannt haben. Die große Aufmerksamkeit der damaligen Durchl. Erbprinzeßinn, jetztregierenden Herzoginn von Mecklenburg, dieser vorzüglichen Kennerinn des Theaters, trug ein Großes zu der innerlichen Vollkommenheit dieser Bühne bey. Auch die äußerliche Pracht wurde von Schönemann nicht versäumt. Seine Decorationen waren freylich nicht so mannigfaltig und kostbar, als sie bey Ackermann sind: der Ballette nicht einmal zu gedenken, auf die Schönemann, vielleicht aus guten Ursachen, wenig oder gar nichts verwandte: aber seine Garderobe war vorzüglich ansehnlich und reich. Das Ende dieser Gesellschaft ist noch immer für das deutsche Theater ein unersetzlicher Verlust. Wenigstens hätte das nicht der Lohn dieses Mannes für seine viele Arbeiten seyn müssen, daß, da er Deutschland zu Ehren, allen Verdienst auf das Theater wieder verwandte, er noch in seinem Alter, bey sehr eingeschränkten Glücksumständen erfahren muß, daß Deutschland zu kalt ist, die Bemühungen dererjenigen zu belohnen, die zu dem allgemeinen Vergnügen das ihrige mit beygetragen haben. Von dem Verdruß und dem Undank, dem er bey seiner Principalschaft mehr als gewöhnlich ausgesetzt war, könnte ich eine in das Jahr 1750, wegen des sächsischen Privilegii einschlagende Anekdote Anmerkung des Herausgebers: Seite 40, 4 Anekdote, vergl. H. Devrient, J. Fr. Schönemann, Hamburg 1895. S. 175, Anm. 280. Gottlob Wilhelm Burmann (1739-1805), Fabel- und Odendichter, u. a. ein ganzer Band läppischer Episteln und Verse auf den Tod eines Kanarienvogels. anführen, die ich aber, ohngeachtet sie für Schönemann ein Verlust von Tausenden geworden ist, mit Stillschweigen übergehen will. Inzwischen haben wir dieser Anekdote den Anfang des Kochischen Theaters zu danken gehabt.

Gottfried Heinrich Koch eröffnete seine Bühne in demjenigen Schauspielhause zu Leipzig, das Schönemann zu seinem künftigen Gebrauch hatte meubliren lassen. Die Kochische Bühne hat verschiedene gute Akteurs. Er selbst ist im Niedrigcomischen vorzüglich; und nur Ackermann kann ihm den Vorzug streitig machen. Ob der Hr. von Bielefeld in seinem Progres des Allemands als Kunstrichter, oder als Freund von Koch geurtheilet habe, will ich hier nicht untersuchen. Madam Stark und ihr Mann, die schon dem Schönemannischen Theater zur Zierde gereichten, sind bey Kochen die Hauptakteurs: aber an Ekhof hat er alles verloren. Er unterhält auch Tänzer: aber seine Ballette sind mittelmäßig, und haben lange nicht das Erfindungsreiche und Brillante der Ackermannischen. Während des letzten betrübten Krieges hatte Koch einen mehr als fünfjährigen Aufenthalt in Hamburg; und itzt scheint er Leipzig zu seinem beständigen Sitz, gewählt zu haben. Durch den Tod des Acteurs Bruck, der die verdrießlichen und zanksüchtigen Alten, und die Bedienten recht gut, aber nicht so gut wie Fabricius machte, hat das Kochische Theater viel verloren.

Die Ackermannische Gesellschaft ist gegenwärtig sowol in Ansehung ihrer Schauspieler, als auch der äußerlichen Pracht, gewiß die vorzüglichste in Deutschland. Conrad Ackermann eröffnete sein Theater, nachdem er sich mit Madam Schrödern, die vorher, wiewol nur kurze Zeit Principalinn gewesen, verheyrathet hatte, um das Jahr 1751. Ackermann scheint wirklich zur Aufnahme des deutschen Theaters geboren zu seyn. Er wagt, scheut keine Kosten, und ist bis itzt noch glücklich gewesen. Auf seinen ehmaligen Reisen mit seiner Gesellschaft nach Rußland und in die Schweiz hat er viele Summen erworben: aber allen Verdienst wieder auf die Pracht seines Theaters verwandt: mit welchem Eifer er dem Vergnügen des deutschen Publici zu dienen gesucht hat, davon sind seine beyden Comödienhäuser, die er auf seine Kosten in Königsberg und Hamburg bauen ließ, ein Beweis. Wegen des letztern verdient Ackermann in der theatralischen Geschichte besonders gemerkt zu werden; weil außer Wien, Hamburg der einzige Ort in Deutschland ist, wo das Theater Gönner und Beschützer findet, und unter andern Umständen das vielleicht werden könnte, was die Kenner von einem wahren Theater verlangen. Ackermann, der einiger kleiner Chicanen ohngeachtet, die ihm vielleicht der Neid zu machen suchte, innerhalb fünf Monaten, und mit den schwersten Kosten das itzige Comödienhaus in Hamburg zu Stande brachte, eröffnete sein neues Theater am 31sten Julii 1765 mit einem auf diese Feyer verfertigten Vorspiele: Die Comödie in dem Tempel der Tugend, mit dem Trauerspiele Zelmire von de Belloy, und einem pantomimischen Ballette, die Kornerndte. Seine Ballette sind vorzüglich gut, und er verwendet erstaunliche Summen auf die Pracht derselben.

Ich muß hier ein paar Schreiben gedenken, die zur Geschichte des deutschen Theaters und des Ackermannischen insonderheit gehören. Noch in diesem Jahre erschien eine Piece unter dem Titel: Schreiben an einen Freund über die Ackermannische Schaubühne zu Hamburg. Hier wird man die Namen und das Verdienst der meisten Schauspieler dieser Gesellschaft finden. Ackermann und alle seine Leute fanden sich durch diese Critik beleidiget: sie vergaßen sich dabey so sehr, daß sie wider den Verfasser derselben in ehrenrührigen Ausdrücken loszogen. Es war natürlich, daß die öffentlichen Schmähreden dieser Leute gegen den muthmaßlichen Scribenten, dem wahren Verfasser nicht verborgen bleiben konnten: und diese unfreundliche Aufnahme einer billigen Critik gab Gelegenheit zu der zwoten Brochüre, die wenige Tage nachhero unter dem Titel, vermuthlich von demselbigen Verfasser, herauskam: Schreiben an einen Marionettenspieler, als eine Abfertigung des Schreibens an einen Freund über die Ackermannische Schaubühne. Im Namen des Ackermannischen Lichterputzers. Wenn man einige Particulairumstände aus diesem Schreiben weggelassen hätte, und minder beißend gewesen wäre; so würde dieser Brief ein kleines Meisterstück der Ironie seyn. Im Vorbeygehen muß ich anmerken, daß das erstere Schreiben der Ackermannischen Gesellschaft ehe zur Aufmunterung, als zum Nachtheil gereichet. Oder, ist das deutsche Theater schon so vollkommen, daß es gar keine Verbesserung bedarf? So bald es aber diese nöthig hat, so bald – ja selbst da noch, wenn es sich der Vollkommenheit der Ausländer nähert, bedarf es noch immer der Critik. Diese ist die Fackel, die allen Wissenschaften und Künsten leuchten muß; und wie sehr ist zu wünschen, daß unsere Kenner sich mit dieser theatralischen Critik mehr beschäftigen, und unsre Schauspieler sich mehr nach ihr richten mögen. Genug hiervon.

Von den übrigen Aftergesellschaften, von einem Schütze, einem Säuerling, der den Sidney in ledernen Beinkleidern spielt, einem Josephi, der aus dem Barnewell mit Hannswurstslustbarkeiten ein schmackhaftes theatralisches Ragout zu machen verstand, und sein Glück in dem letzten Kriege besser als der rechtschaffenste Comödiant gemacht hat, von einem Sebastiani, Wittmann, u. a. dgl. Leuten, die auch Comödianten heißen wollen, verlohnt es sich der Mühe nicht, umständlicher zu reden. In Mecklenburg und Pommern spielt gegenwärtig einer Namens Leppert, von dem verschiedentlich geurtheilet wird. Kenner der Tanzkunst versichern mich, daß die Ballete, die sein Balletmeister Curioni besorgt, gut seyn sollen. Ich kenne diese Gesellschaft nur dem Namen nach; und kann also ihren Wehrt nicht bestimmen.

So ist unser Theater beschaffen. Noch immer in den Jahren der Kindheit; und es ist schwer zu entscheiden, ob man die schlechte Aufnahme der deutschen Bühne den zu wenigen Genies für dieselbe, oder diesen Mangel der Genies der schlechten Beschaffenheit des Theaters zuzuschreiben habe. Die Ursachen könnten vielleicht auf beyden Seiten seyn: aber es gibt gewiß noch andere wichtige Hindernisse, die dem Flor der deutschen Bühne von je her im Wege gewesen sind, und ich werde ihrer bald gedenken. Itzt will ich das kurze Register der wenigen deutschen Dichter anführen, die wir mit Recht und allein die Zierden unserer Bühnen nennen können. Herr Gottsched wird mir hiebey vielleicht zweyerley übel nehmen. Einmal, daß ich die Anzahl derselben so sehr enge einschränke; und dann zweitens, daß er unter diesem kleinen Häuflein nicht seinen Namen an der Spitze erblicket, da er doch ganze Bände von übersetzten, und selbst verfertigten Schauspielen herausgegeben, und in allen Winkeln von Deutschland, die Dichter zur dramatischen Poesie ermuntert hat. Allein, ich kann auf beydes antworten. Würde man mir es Dank gewußt haben, wenn ich ein Namenregister aller derer angeführt, die für die deutsche Bühne Unsinn und Verstand geschrieben? Ich hatte dieß um so weniger nöthig, da Herr Gottsched in seinem Vorrathe zur dramatischen Dichtkunst uns bereits mit allen möglichen dramatischen Dichtern bekannt gemacht hat. Daß ich aber den Hrn. Professor Gottsched selbst übergehe, hat keine andere Ursache, als weil die Kunstrichter glauben, daß Herr Gottsched zur dramatischen Dichtkunst eben diejenigen Talente habe, die er zur Dichtkunst überhaupt besitzt. Er hat allerdings Verdienste um das Theater: aber Verdienste, die man bloß in das Fach eines Direkteurs, nicht eines Dichters setzen muß. Die Abschaffung der schlechten Burlesken, die er mit sehr mittelmäßigen Uebersetzungen seiner Schüler ersetzt hat; und die freylich wol den ersten Grund zu dem gegenwärtigen Stand des Theaters gelegt haben, dieses und noch verschiedene Kleinigkeiten, die mehr die Policey des Theaters, als seine magische Kunst betreffen, sind die nicht zu leugnenden Verdienste dieses Mannes; und wenn die Neuberinn, und nach ihr Koch sehr oft Cabalen wider ihn geschmiedet, so haben sie immer Unrecht gethan; denn sie waren wenigstens die Leute nicht, die sich gegen ihn hätten empören sollen. Ihre Brodwissenschaft hatte diesem Mann immer noch viel zu verdanken. Es mag vielleicht einigen Lesern dieser kleine theatralische Krieg bekannt seyn. Es verlohnt sich aber nicht der Mühe, diejenigen damit bekannt zu machen, die sich um diese Händel nicht bekümmert haben.

Diejenigen, welche allein Aufmerksamkeit und Achtung als theatralische Dichter verdienen, sind: Schlegel, Gellert, Leßing, Krüger, Cronegk, Weiße.

Den Liebhabern des Theaters ist dadurch ein besonderer Dienst erzeiget, daß man in den Werken des ersten Dichters, die sein Bruder in Copenhagen besorgt, alle seine theatralischen Arbeiten beisammen haben kann. Schlegel war für das Trauerspiel geboren. Seine beyden würdigsten Stücke sind die Trojanerinnen und Hermann. Ohngeachtet das letztere ein wahres Nationalstück ist, vortreffliche Sentiments, und unvergleichliche Verse enthält, so glaube ich doch, daß die Kenner mehr für die Trojanerinnen seyn werden, weil der Geist der Action in jenen stärker herrscht; und im Hermann bisweilen der Dichter zu sehr hervorschimmert. Inzwischen verdient Hermann, daß ihn eine jede wohl eingerichtete Bühne oft vorstellt; und er thut auch auf dem Theater, des Declamatorischen ungeachtet, gute Wirkung. Die Verfasser der Briefe der neuesten Litteratur Im 21sten Theil S. 113. zweifeln zwar, ob dieses Stück in Deutschland jemals sey aufgeführet worden; allein die ehemalige Schönemannische Gesellschaft hat selbiges sehr oft, und mit dem größten Beyfall vorgestellet. Es gereichte dieser Bühne und in ihr dem seligen Schlegel zum Ruhm, daß man an dem letzten Abend, bey der gänzlichen Aufgabe dieses woleingerichteten Theaters mit dem Hermann schloß. Als comischen Schriftsteller haben die Litteraturbriefe Schlegeln ebenfalls beurtheilet. Es ist wahr, was sie bey Gelegenheit des Triumphs der guten Frauen anmerken, daß die Deutschen allezeit fremde Sitten leihen, wenn sie im Comischen glücklich seyn wollen. – Aber woher kömmt es? Wir Deutsche kennen unsern Nationalcharacter noch nicht recht: oder besser, wir Deutsche haben in der That einen nicht genau zu bestimmenden Character. Bald neigen wir uns mehr auf die Seite der Engelländer, bald der Franzosen; und selbst unsre Sitten verrathen ein Gemisch von fremden Artigkeiten – und Lastern. Was soll ein comischer Schriftsteller dabey anfangen? Er zeichnet seine Charactere wirklich nach dem Leben; und wenn er bey der Kenntniß der Welt und des menschlichen Herzens, die er als comischer Schriftsteller, im höchsten Grads besitzen muß, wenn er bey dieser Kenntniß auch glücklich gewesen ist, so heißt es dennoch von ihm, er copiret.

»Man macht uns so flatterhaft, so frech, so scheinverliebt, als die französischen Marquis, oder so offenherzig und so launisch, als man die Engelländer vorzustellen pflegt,«

sagen die Verfasser der Litteratur-Briefe. Im 21sten Theil, S. 131. – Aber sind wir denn im Grunde auch anders? Wer nur einigermaßen Umgang in der großen Welt, und unter den Vornehmen bürgerlichen Standes hat, wovon man doch allein das hohe Comische copiren muß, der wird diese Vermischung unserer Charactere, sie mögen nun affectirt oder natürlich seyn, zur Genüge wahrnehmen.

Gellerts Lustspiele sind besonders gedruckt und bekannt. Sie haben alle die sanfte, comische und satirische Miene, die durchgehends in seinen Fabeln herrscht, und die ihn als Schriftsteller vorzüglich characterisiret. Schade nur, daß die zärtlichen Schwestern und das Loos in der Lotterie zu lang für das Theater sind, und die Comödianten dadurch gemüßiget werden, ganze Seiten ins Kurze zu ziehen. Hier erblickt man lauter deutsche Familiengemählde, wovon die Anlagen und Auszeichnungen vortrefflich gerathen sind. Seiner Betschwester haben die Heuchler Einwürfe gemacht; und es ist zu bedauern, daß Herr Gellert sich an diese Secte gekehrt zu haben scheinet. Wenigstens muß man es daraus schließen, weil er selbst verschiedne Stellen in dem Munde der Frau Richardinn zu mildern gesuchet hat, und vielleicht in einer neuen Herausgabe seiner Schriften die Pinselstriche dieser Heuchlerinn noch sanfter machen wird. Für das Theater ist ohnstreitig die kranke Frau sein schönstes Stück; ohne die unerheblichen Kritiken zu gedenken, die man vielleicht bey dem alten Wahrmund machen könnte. Dieses Stück sowol, als die zärtlichen Schwestern und das Loos in der Lotterie haben das Glück gehabt, daß sie auf dem ehemaligen Schönemannischen Theater ausnehmend gut besetzt waren. Einen solchen Orgon, als ihn Starke spielt, sollte man gewiß auf dem pariser Theater vergebens suchen; und mit der Actrice, die die kranke Frau bey dieser Gesellschaft vorstellte, war Herr Gellert selbst ausnehmend zufrieden. Dieß beweist das Andenken, das er noch lange nachher in einem Briefe geäußert, wenn er schreibt: »Ich wünschte, ich »könnte sie noch heute als die kranke Frau sehen, vielleicht »würde ich auf einige Stunden durch ihre Action gesund, »oder doch heiterer als ich bin, da ich dieses schreibe.«

Leßing, dieser vortreffliche Schriftsteller, hat in seinen Schriften diejenigen theatralischen Stücke abdrucken lassen, die er selbst für die seinigen erkennt. Ein jedes seiner Lustspiele führt das Gepräge des wahren Comischen. Man sieht es, wie er die Alten nicht wie ein Wortgelehrter, sondern wie ein Mann von Geschmack und Genie studiret hat. Da er selbst in der griechischen und römischen Litteratur vorzüglich ist, so konnte es nicht fehlen, alle seine Stücke mußten diese feine Kenntniß verrathen. Denn es ist ganz was anders, wenn ein Leßing, oder ein Burmann die Alten liest. Es wäre überflüßig, alle seine Stücke, die insgesammt der Schaubühne Ehre machen, hier anzuführen. Inzwischen verdienen sein Freygeist und der Schatz, ersterer wegen der vortrefflichen Situationen, und letzterer wegen des wahren Comischen vorzüglich bemerkt zu werden. Aus dem Schatz kann man die wahre, meisterhafte Nachahmung des Plautus deutlich wahrnehmen. Und die Schreibart des Dialogs – Kurz, Leßings Comödien haben alle Terenzens Zierlichkeit des Styls, und Plautus Lustigkeit im Ausdruck. Aber Leßing ist auch der Erste, der uns im Deutschen eine neue Gattung Schauspiele geschenkt hat. Ich meyne hier sein bürgerliches Trauerspiel Miß Sara Sampson. Es ist auf allen guten und schlechten Bühnen aufgeführet worden; am schönsten aber wol auf der ehemaligen Schönemannischen. Welche Kenntniß, mit der eine Starkinn die Sara vorstellt. Auch nicht die geringsten Nüancen des Characters, und der Situationen, in der sie sich befinden muß, entwischen ihr. Die Angst, die Unruhe, das Zittern, und die halbe Verzweiflung, unter der sie arbeitet, da Marwood sich ihr entdecket; wen rührt es nicht bis in das Innerste der Seele! Auch die Marwood ward in der Person der ehemaligen Demoiselle Schulz bey Schönemann und itzigen Madam Beck bey Ackermann mit vieler Geschicklichkeit vorgestellet. Madam Koch spielt diese Rolle auf ihrem Theater selbst; aber – sie ist nicht Marwood. Die Comödianten beschweren sich, daß die letzten Scenen im letzten Aufzuge zu lang sind, und sie haben vielleicht nicht ganz unrecht. Inzwischen sind sie doch nicht langweilig und ermüdend.

Krügers Lustspiele findet man sämmtlich in seinen von mir herausgegebenen poetischen und theatralischen Schriften, wo man auch von seinen Lebensumständen einige Nachricht lesen kann. Sein blinder Ehemann und die Candidaten sind die beyden vorzüglichsten Stücke, die ihn als theatralischen Dichter bekannt gemacht haben. Er hatte alle Anlagen, ein deutscher Moliere zu werden; aber er starb zu frühe, und sein Verlust war für die deutsche Bühne groß; eben so empfindlich, als der frühe Tod eines

Cronegk Anmerkung des Herausgebers: Seite 49, 7 v. u. Cronegk. Löwen schreibt in der Vorrede zu Band IV der Schriften: In meiner Geschichte des deutschen Theaters wünschte ich wol, daß man S. 46 (49), da ich von Cronegk geredt habe, die Worte durchstreichen möchte: Sein Mistrauischer verdient noch immer unsern besten Originallustspielen an der Seite zu stehen. Ich habe itzt das Stück selbst mit Aufmerksamkeit gelesen, und vorstellen sehen. Allein, man kann sich kein langweiliger, kein schlechter angelegtes Stück, und keine unschicklicheren Situationen denken. Auch der Dialog taugt nicht viel, und die beyden Liebhaber, die sich ihre Geliebte wechselsweise einer dem andern in die Hände spielen, machen, so wie selbst die arme Braut, eine wunderliche Figur in diesem Stücke. Wäre dies Cronegks einzige theatralische Arbeit; so würde man ihn längst unter den mittelmäßigen Schriftstellern vergessen haben., dem schon als Jüngling der Cothurn anpassend war. Sein Codrus, und sein unvollendetes Trauerspiel Olint und Sophronia sind ein Beweis seiner Fähigkeit. Codrus wird auf allen Bühnen aufgeführt; und das letztere Trauerspiel soll von einem Dichter in Wien vollends zu Stande gebracht seyn Anmerkung des Herausgebers: Seite 49, 2 v. u. Olint u. Sophronia. Die Ergänzung hat Cassian Anton von Roschmann 1764 besorgt.. Dem Codrus hat man schon lange vorgeworfen, daß er zu sentenzenreich sey. Es ist wahr, Cronegk sagt diese Sentenzen allemal schön; aber nur Schade, am unrechten Ort. Diese Art zu schreiben ist verführerisch, und blendet sehr. Man kann daher junge Dichter, die sich mit der tragischen Muse bekannt machen wollen, nicht genug warnen, vor diesen schimmernden Schönheiten eines Trauerspiels sich sorgfältig zu hüten. Cronegk hatte auch für die Comödie nicht unglückliche Talente. Sein Mißtrauischer verdient noch immer, unsern besten Originallustspielen an der Seite zu stehen. Wer weiß auch, womit er unsre Bühne würde bereichert haben, wenn er ihr nicht so früh entrissen wäre.

Weissens Beytrag zum deutschen Theater, ist gewiß in den Händen aller Kenner und Liebhaber der Litteratur. Sein Richard der Dritte ist sein vorzüglichstes, und mein Lieblingstrauerspiel. Es ist der Mühe werth, diesen Richard von einem Ekhof vorstellen zu sehen. Auch dem Lustspiel hat Weisse einige vortreffliche Stücke geschenkt, unter welchen der Naturaliensammler von einer allerliebsten Erfindung ist.

Geßners Erast in einem Aufzuge gehöret allerdings zu den guten Stücken, die Deutschland Ehre machen. Auch muß ich des vortrefflichen Trauerspiels Philotas nicht vergessen, welches Herrn Leßing zum Verfasser haben soll, und von dem berühmten Dichter der preußischen Kriegslieder in Verse gebracht ist. Der Styl in diesem prosaischen Trauerspiel ist unvergleichlich, und ich wundre mich, daß unsre Comödianten statt so vieler elenden Nachspiele nicht dieses vortreffliche Stück aufführen. Auch Herr Wieland hat für unser Theater geschrieben, und sich vornehmlich durch seine Johanna Gray und sein bürgerliches Trauerspiel Clementina bekannt gemacht. Allein, ich glaube nicht, daß der Ruhm dieses vortrefflichen Dichters nach seinen theatralischen Arbeiten abzumessen sey. Ueberdem haben auch seine Schauspiele die Probe einer guten Vorstellung noch nicht ausgehalten; und folglich habe ich sie bloß anzeigen wollen.

Allen diesen guten Verfassern kann man einen jungen Dichter an die Seite setzen, der ebenfalls zu früh für die Ehre der Bühne gestorben ist: einen Freyherrn von Brawe, von dessen Stücke, der Freygeist, die Verfasser der Bibliothek der schönen Wissenschaften umständlich geurtheilet haben. Auch verdient der unbekannte Verfasser derjenigen Schauspiele, die unter dem Titel Comödien, und mit dem Motto: Et celebrare domestica facta, zu Dresden und Warschau herausgekommen sind, den guten theatralischen Dichtern mit beygezählt zu werden. Die Briefe der neuesten Litteratur haben den Werth dieser Stücke hinlänglich bestimmt; und es ist gewiß, daß Crispin als Vater Anmerkung des Herausgebers: Seite 51, 18 Crispin als Vater von Karl Franz Romanus. immer noch eins von unsern guten comischen Stücken bleiben wird.

Vor einigen zwanzig Jahren fieng man an, unser Theater mit einer neuen Gattung von Schauspielen zu bereichern. Es waren Idyllen in Dialoge gebracht, und man nennte sie Schäferspiele. Außer den theatralischen Regeln müssen dergleichen Stücke alle Eigenschaften haben, die man von einem Schäfergedicht fodert. Da die Natur, die ruhige Unschuld, die stillen Freuden des Landlebens, und die Liebe, als die Folge dieser Freuden, der Vorwurf dieser Stücke sind, so glaubten viele, nichts wäre leichter, als das; und daher sind wir mit einer Sündfluth von Schäferspielen überschwemmt worden. Allein die guten, und die auf unserm Theater beybehalten zu werden verdienen, sind nur diese sechse: die gelernte Liebe, oder der versteckte Hammel von Rost. Dieses allererste deutsche Schäferspiel, welches Schönemann auf die Bühne brachte, ward, seiner Neuheit wegen, sechszehenmal kurz hinter einander aufgeführt. Der blöde Schäfer von Gleim. Sylvia und das Band von Gellert. Die geprüfte Treue vom Professor Gärtner. Der Schatz von dem Syndicus Pfeffel in Straßburg, und Evander und Alcimna von Geßner.

Aus diesem kurzen Register unserer besten theatralischen Dichter kann man schon abnehmen, daß es um unsre deutsche Bühne noch schlecht aussieht. Wenig gute Schriftsteller für dieselbe, noch weniger gute Acteurs, und gar keine Aufmunterung! Drey wichtige Hindernisse, die den Flor unsers Theaters beständig gehemmet haben. Allein, das möchte zu allgemein gesagt seyn. Ich will daher einige von den Hindernissen zergliedern, und näher beleuchten. Möchte nur auch mancher Principal, der ohne Aufhöhren über Mangel der Unterstützung klagt, dabey in seinen Busen greifen, und zuvörderst die Hinderung von seiner Seite abzuschaffen suchen. Hier ist gleich ein Hinderniß, welches ihn selbst angeht, und zwar das erste, nämlich: die schlechte Kenntniß der Principale zu allen Zeiten. Da die Schauspielkunst eine Wissenschaft ist; jede Wissenschaft aber auf Gründen beruhet, und die theatralischen Regeln von einem weiten Umfange sind, die man in der Beredsamkeit im allerweitesten Verstande, vornehmlich aber in der körperlichen suchen muß, so ist leicht zu sehen, wie viel er schon als bloßer Akteur zu lernen hat. Allein er soll auch überdem eine Kenntniß von der Geschicklichkeit aller seiner Schauspieler besitzen; er soll alle Stücke aus dem Grunde kennen, die er auf die Bühne bringt, und nach dem Genie und der Fähigkeit seiner Akteurs die Rollen austheilen. Er hat es außerdem mit vielen Nebensachen zu thun. Er muß von der theatralischen Baukunst und Mahlerey wenigstens allgemeine Begriffe haben. Er muß außer der Mythologie und der alten Geschichte aller Völker, die ihm zur Kleidung der Helden im Trauerspiel nothwendig ist, auch ein Mann nach der Welt und nach der Mode seyn, und für seinen Schneider einen Geschmack mit haben. Das Studium der Moral und der Politik, um sich und sein Theater in Ansehen zu erhalten, nebst der unermüdeten ökonomischen Sorgfalt, ist zugleich eine von seinen nothwendigsten Pflichten. Nun untersuche man nach diesen Eigenschaften, denen man noch sehr viele hinzuthun könnte, die Beschaffenheit unserer Principale. Die meisten waren anfangs Schneider, Barbier, oder sonst ehrliche Leute; wurden Akteur; wagten es, selbst etwas zu unternehmen; waren glücklich, wurden unerträglich; und – das deutsche Theater wurde nicht besser. Der einzige Velthem war ein Mann, der Sprachen, Gelehrsamkeit und Welt hatte: allein die damaligen Zeiten, und der herrschende schlechte Geschmack waren Schuld, daß seine Bühne das nicht war, was sie unter andern Umständen hätte werden können. Eben so schlecht als die Kenntniß des Theaters bey den meisten Principalen ist, so elend ist sie auch fast durchgehends bey den Akteurs. Sie sehen ihren Stand als ein maschinenmäßiges Handwerk an; und bedenken nicht, daß im Grunde sehr vieles vorausgesetzt, und gelernt werden müsse, ehe man Akteur werden kann. Der selige Krüger war beynahe der einzige, der alle die Wissenschaften kannte, und mit seinem Stande verband, die man von dem Stande eines Akteurs nothwendig fordert. Ohngeachtet die Natur ihn nicht vortheilhaft gebildet hatte; seine Sprache auch in gewissen Fällen nicht die angenehmste war, so sahe man doch immer, daß er mit Verstand agirte. Unter den Neueren kömmt ihm keiner als Ekhof gleich. Er besitzt zwar keine eigentlich sogenannte Studia: aber sein unermüdeter Fleiß, sein beständiges Lesen, sein vortreffliches Genie, und die, beynahe bis zum Uebertreiben ausschweifende Aufmerksamkeit, auch in den kleinsten Stücken, die nur die geringste Verwandtschaft mit dem Theater haben, alles dieses hat ihn zu unserm besten deutschen Schauspieler gebildet. Nun halte man gegen ihn die Menge von elenden Geschöpfen, die sich Akteurs nennen, und sage, ob ihre Unerfahrenheit nicht ein wichtiger Theil des Hindernisses der Aufnahme unsrer Bühne sey?

Aber auch zweytens, die schlechte Lebensart einiger dieser Leute ist ein vorzügliches Hinderniß. Es fehlt ihnen gemeiniglich an Welt und Sitten: und beyde Stücke sollten doch einem Comödianten am wenigsten fehlen. Kann man es daher unsern Großen, und dem feinern Theil des Publici verdenken, wenn sie den Umgang mit Leuten nicht sehr achten, den in Frankreich und England die Angesehensten gleichsam mit Eifer suchen. Allein in beyden Ländern sind auch die Comödianten (von den Sitten will ich nicht sagen) was die Delicatesse des Umgangs, und alle die vorzüglichen Annehmlichkeiten und Kenntnisse betrifft, die man unter dem Namen Welt verstehet, die Muster, die nicht selten die Herren in der Stadt und am Hofe copiren. Aber wo herrscht unter unsern deutschen Comödianten diese Delicatesse des Umgangs; diese Kenntniß, auch außer dem Theater mit Beyfall zu glänzen? War das wol Welt, wie sich die ehemalige Haaken Anmerkung des Herausgebers: Seite 55, 3 Die Haaken, Witwe Elensons, spätere Haack-Hofmann. Schmid erzählt in der Chronologie, Neudruck S. 32: Besonders war ihr die Krönung Kaiser Karl des Sechsten (1711) überaus einträglich, denn bei dieser Gelegenheit erwarb sie sich eine Summe von zwey und zwanzig tausend Thalern: und ein Frankfurter Bürger hatte ihr ein für die damaligen Zeiten sehr kostbares Theater bauen lassen. an dem Hofe des Herzogs Wilhelm von Braunschweig betrug? Die Herzoginn von Blankenburg, als Mutter der Gemahlinn Kaisers Karl des Sechsten, hatte viel Gnade für diese Frau. Einsmals, als die Haaken hinter dem Stuhle der Fürstinn stand und seufzte, fragte die Prinzeßinn, was ihr fehle? Es geht mir schlecht, Ew. Durchl. Es wird wol besser werden, erwiederte die Fürstinn. Aber nun höre man die unverschämte Replique, die von der sehr wenigen Lebensart der Haaken den deutlichsten Beweis giebt: Ach möchte ich nur noch eine Kaiserkrönung wieder kriegen! War das Erziehung, wenn Denner Anmerkung des Herausgebers: Seite 55, 15 Denner. Seinen Hanswurststreich führt auch C. H. Schmid im Anhang zu seiner Übersetzung von Desprez de Boissy's Buch »Über die Sittlichkeit des Theaters«, Halle 1780, S. 289 als warnendes Beispiel auf., der oft vor dem Könige von England zur Görde spielte, einem Landprediger, der gern die Comödie sehen wollte, und aus Mangel der Gelegenheit, sich an Dennern des Platzes wegen wandte, einen Stuhl mitten auf dem Theater anwies, und diesen braven Mann, sobald die Gardine aufgezogen ward, dem Gelächter der Hofleute bloß stellte. Das war nicht einmal ein Harlekinswitz. Er hätte die Person bedenken sollen, der er diesen Possen spielen wollte. Das hieß wider alle Klugheit handeln, und es mit Leuten ganz verderben, die ohnehin schon mit einem Haß gegen das Theater angefüllet sind. Auch die Neuberinn, die sich sonst mit ihrer Kenntniß so viel wußte, begieng an dem Hofe des Herzogs Ludewig Rudolph zu Braunschweig einen eben so unbesonnenen Streich Anmerkung des Herausgebers: Seite 55, 6 v. u. Mit »dem unbesonnenen Streich« kann nur die gereimte naive Bittschrift gemeint sein, die die Neuberin 1734 der Herzogin Christine Luise überreichen ließ, um durch die Vermittlung dieser Fürstin ihr Kursächsisches Privileg wieder zu erlangen. Man nahm der Künstlerin diesen ungewöhnlichen Schritt am Braunschweiger Hofe, wo sie stets persona non grata war, indessen keineswegs übel und willfahrte ihrer Bitte mit Erfolg, vergl. Carl Schüddekopfs Abhandlung Caroline Neuber in Braunschweig. Sonderabdruck aus: Braunschweiger Jahrbuch 1902, S. 22 ff., als die Haaken. Wenn zu dieser wenigen Kenntniß der Welt auch noch ein Mangel der Sitten, und eine ausschweifende Lebensart kömmt, so kann es nicht fehlen, das Hinderniß zur Aufnahme der Bühne muß immer größer werden. Vor einigen vierzig Jahren standen unsre Comödianten ihrer Sitten wegen in einem schlechten Ruf. Die Franzosen und Italiener, ob sie ihrer Ausschweifung gleich einen feinern Namen gegeben, sind in diesem Stücke freylich nicht zum Muster zu nehmen. Ich muß es aber auch zur Ehre unsers Theaters hier öffentlich bekennen, daß die guten und strengen Sitten auf den drey berühmtesten deutschen Bühnen, der Schönemannischen, Koch- und Ackermannischen, nichts von ihrer Würde verloren haben.

Drittens, daß unsre Comödienprincipale manchesmal zu geizig; – oft auch am unrechten Orte verschwenderisch sind, ist auch keins von den geringsten Hindernissen. Darinn besteht freylich nicht ihr Geiz, daß sie zu wenig auf das Theater verwenden, und, wie die ersten Schauspieler, zum Goldpapier ihre Zuflucht nehmen. Allein, daß sie junge Akteurs auf ihre Kosten ziehen, die Besten, ohne Summen zu schonen, erhalten; und, da wir nicht genug deutsche Originale, und wenig gute Uebersetzungen haben, sich Uebersetzer von Geschmack wählen könnten, und es nicht thun, darinn besteht er vorzüglich. Die meisten glauben, wenn sie nur viele Schauspieler, und fein viele Stücke im Gange haben, so sey es schon gut. Aber das Publikum glaubt anders. Denenjenigen unter uns, die auswärtige Bühnen gesehen, und die aufzuführende Stücke im Original kennen, kann man es aus dieser Ursache nicht verdenken, wenn sie wegen des schülerhaften Deklamierens der meisten Akteurs, und der elenden Übersetzungen, womit unser Theater angefüllet ist, den Schauplatz wenig oder gar nicht besuchen. Am unrechten Orte kann ein Principal verschwenderisch seyn, wenn er einmal zu viel auf Nebendinge verwendet, z. E. wenn er mehr auf die Pracht und die Vortrefflichkeit der Ballette, als des wirklichen Schauspiels denkt. Auch das ist Verschwendung für ihn, wenn er keine Summen achtet, um nur in dem Rufe zu stehen, die zahlreichste deutsche Truppe zu haben. Man rechne die ungeheuren Ausgaben, die ein Principal auf Leute verwendet, wofür er tüchtige und geschickte Schauspieler besolden könnte, wenn er sich die Mühe gäbe, solche zu ziehen, und wenn er zu ihrer Bildung auch die Geschicklichkeit hätte. Man überdenke dieß, und urtheile, ob diese Situation, in welche unsre Principale sich selbst setzen, nicht ebenmäßig den Flor der Bühne hindere.

Viertens: die Gewohnheit der eingeführten Operetten, und italienischen Intermezzen, sind auch ein Hinderniß, und zwar, weil man den Geschmack der Meisten leicht von dem wahren Schönen dadurch ableiten, und zwittermäßig machen kann. Am allerärgerlichsten ist es, wenn sogar zwischen Trauerspielen dergleichen aufgeführet wird. So habe ich z. E. zwischen der Zaire Anmerkung des Herausgebers: Seite 57, 22 Zaire, Trauerspiel von Voltaire. von einer angesehenen Gesellschaft Pimpinon und Vespetta Anmerkung des Herausgebers: Seite 57, 58 Pimpinon und Vespetta wohl identisch mit den von Lessing im 36. Stück der Hamb. Dramaturgie angezogenen Figuren Pimpinello und Serbinette in dem damals sehr beliebten italienischen Zwischenspiel » La serva patrona«, »die Herrin gewordene Magd«, Musik von Pergolese. ihre Streiche hersingen hören; und erfahren, daß viele Zuschauer mehr dieser comischen Schwenke wegen ins Schauspiel giengen, als einen Orosman zu bewundern, und mit Zairen zu weinen. Im Grunde muß ein Principal freylich darauf sehen, was ihm am meisten einbringt: aber wer weiß es nicht, daß auch er es mit in Händen hat, den Geschmack der Nation zu bilden, und zu dem wahren Schönen zu gewöhnen. Anfangs wird es freylich Schwierigkeit haben; aber er fahre nur muthig fort. Die Kenntniß und Liebe seiner Nation wird zunehmen, und er wird nach einigen Jahren nicht mehr nöthig haben, zu dergleichen, für das wahre Comödientheater nicht passenden Dingen, seine Zuflucht zu nehmen. Daß die vortrefflichen Ballette, mit welchen itzt vornehmlich Ackermann das Theater aufstützet, dem wahren Geschmack nachtheilig seyn sollten, wie einige behaupten, kann ich nicht sehen. Ich kann es ganz wol leiden, daß man auch unsern Augen ein reizendes Vergnügen gewährt, wenn man vorher unser Herz entzückt hat: und es verlohnt sich schon der Mühe, einige von Ackermanns vortrefflichen Balletten, die zwar nicht alle durchgehends pantomimisch sind, zu sehen. Nur alsdann würden sie den Flor der Bühne hindern, wenn ein Principal sein vorzüglichstes Augenmerk darauf richten, und sich mehr um tüchtige Tänzer, als vortreffliche Schauspieler Mühe geben wollte.

Fünftens: der schlechte Schutz unsrer deutschen Fürsten, und der angesehensten Personen in den großen Städten, ist eins von den Haupthindernissen. Dieser Mangel des Schutzes rührt einmal von dem schlechten Begriff her, den unsre Großen sich von deutschen Comödianten machen, wozu ihre ehemalige schlechte Lebensart, und ihre Bemühung mehr durch Possen zu belustigen, als durch wahre Schönheiten zu vergnügen, sehr viel beygetragen hat. Allein vorzüglich sind die tiefen Vorurtheile unsrer deutschen Fürsten die Hauptursache. Da unsre Großen fast alle von der Sucht, fremde Länder zu sehen, angestecket sind; da sie von Jugend auf von Männern unterrichtet sind, die selbst mehr nach dem französischen Geschmack gebildet sind, und das unselige Vorurtheil mit sich herum tragen, daß Geschmack und Witz nur allein in Frankreich zu Hause sey; da unsre Fürsten ferner an allem, was ausländisch heißt, ein Vergnügen finden, und einer Tänzerinn und Sängerinn lieber Tausende geben, wenn sie nur aus Verona, und nicht aus ihren deutschen Landen ist; da endlich noch andre Fürsten ganz und gar keinen Geschmack an den schönen Künsten haben, nur ihre eignen Leidenschaften befriedigen, und es nicht wie Titus machen, der das allgemeine Vergnügen des Volks seinem Privatvergnügen vorzog; da sie folglich nicht zu der Classe des Wohlwollens gehören, welches der berühmte Abbt Anmerkung des Herausgebers: Seite 59, 12 Thomas Abbt, 1738-1766. Seine Schrift »vom Verdienste« erschien 1765 und wurde häufig aufgelegt und übersetzt. in seiner Schrift vom Verdienste schildert, (ein Buch, welches unsere durchlauchtigste Herren nicht lesen werden und nicht lesen können) da es also nicht von ihnen heißen kann, was eben dieser Verfasser vom Titus dem Svetonius nachschreibt:

»Seinem Volke verschafft er nicht nur Lustbarkeiten, Schauspiele mit einem Aufwand, dagegen wir uns mit unserm kleinen Flitterstaate der neuern Reiche schämen müssen: sogar nach ihrem Gefallen richtet er die Lustbarkeiten ein, damit sie ja sehen mögen, daß sie ihrentwegen und nicht seinetwegen angestellet sind.«

Da alles dieses, und wenn es erlaubt wäre, noch mehr hinzuzusetzen, seine gute Richtigkeit hat, so kann man leicht den Schluß machen, daß die Klage eines unserer besten Dichter gegründet ist:

– noch sieht es schlecht um unsre deutsche Bühnen;
Kein Ludwig unterstützet sie.

Wollte ein Advocat unsrer Fürsten den Aufwand vorschützen, zu dem man durch den Schutz der Bühne gezwungen wäre, so könnte man vielerley erwiedern, das ich aber lieber von einem andern möchte beantwortet sehen. Inzwischen ist dabey nicht nöthig, daß unsere Großen es wie Heinrich der Dritte Anmerkung des Herausgebers: Seite 60, 2 Heinrich III. von Frankreich, der die ersten italienischen Komödianten nach Paris lud. machen müssen, der, wie Ernst in seinem Bilderhaus schreibt, im Jahr 1584 allein sechs Millionen Goldes auf seine Comödianten verwandt habe. Nein, Mächtige und Große! Nur so viel Schutz, nur so viel Beystand und Aufmunterung, als ein August Wilhelm, ein Ludewig Rudolph von Braunschweig, ein Georg der Andere von England, und ein Christian Ludewig zu Mecklenburg, ehemals dem deutschen Theater schenkten, nur diesen nachgeahmet, und das Hinderniß wird bald gehoben seyn. Ihr werdet die Seelen der Bürger

– erhöhn, die Herzen erweitern, die
Sitten verbessern;
Und Gefühl und Geschmack wird alle Stände beleben.

Allein, wenn ein gewisser deutscher Prinz, der vor einigen Jahren gestorben ist, dem Principal unserer besten Bühne, der zu seinem Geburtstage ein besonderes Stück mit vieler Pracht, und erstaunlichen Kosten verfertigen und aufführen lassen, einen einzigen Louisd'or zur Vergeltung seiner Mühe reichen ließ; konnte man dieß auch Aufmunterung und Neigung zu seiner Nation nennen?

Auch unsere angesehensten Städte, die die Mittel in Händen haben, eine Bühne zu unterstützen, sind aus Mangel der Einsicht, des Geschmacks, oder vieler Vorurtheile wegen, ein wichtiges Hinderniß. Daher kam es, daß vor einigen zwanzig Jahren der präsidirende Bürgermeister einer gewissen berühmten Stadt den Puppenspielern und Kunstpferden, aber nicht der wohleingerichteten Schönemannischen Gesellschaft, die Freyheit zu spielen ertheilte. Der selige Krüger zielte auf diese Begebenheit in einem sehr schönen Vorspiele, Man sehe in Krügers poetischen und theatralischen Schriften das Vorspiel: Die mit den freyen Künsten verschwisterte Schauspielkunst. vorzüglich in der Stelle, worinn er die Fama von der Schauspielkunst sagen läßt: Anmerkung des Herausgebers: Seite 61 Georg II. von England und Hannover hatte Löwen schon als Göttinger Student 1748 in einer Ode gehuldigt.

– – »Da wo die Weichsel fließt,
Die sich an Schiffen reich, durch freye Fluren gießt,
Da sah ich jüngst ein Weib an dem Gestade sitzen;
Die Schönheit konnte sie nicht vor den Feinden schützen.
Die Unschuld mehrte nur der Frevler Raserey:
Die Großmuth stand umsonst der schönen Unschuld bey;
Die Feinde, die ihr auch den mindsten Platz nicht gönnten,
Versuchten, ob sie sie vom Ufer jagen könnten.
Sie bat, kein Bitten galt: sie wandte sich zum Flehn,
Daß sie das Plätzchen sich zum Lager ausersehn,
Um von der Noth zu ruhn, die sie bisher erlitten.
Die Feinde hörten nicht ihr ehrfurchtsvolles Bitten;
Ihr schlechtes Herz blieb hart; doch mich hat sie gerührt.
Ich habe sie mit mir, Göttinnen, hergeführt.
Der Feinde toller Schwarm schließt sich um ihre Seiten;
Man sieht ihn Rachgier, Neid und Eigensinn begleiten.«

Sechstens; auch selbst das geistliche Vorurtheil ist der Aufnahme der Bühne hinderlich. Wenigstens hindert es, daß einmal mehr angesehene Leute sich einem Stande widmen, der seiner Natur nach der ehrwürdigste unter den Menschen seyn müßte; und hernach, daß dem Theater eine Menge Zuschauer entzogen werden, die ihre Sitten zu beflecken glauben, wenn sie die Gemählde der Thorheit auf der Bühne betrachten. Es wäre überflüßig, hier die gerechten Klagen zu wiederholen, die die ehrwürdigen Väter der ersten Kirche mit Recht über die Schauspieler führten, und zu beweisen, daß diese Klagen zu unsern Zeiten ganz wegfallen. Selbst die berühmtesten Gottesgelehrten aller Nationen haben sich für die Bühne, wie sie gegenwärtig eingerichtet ist, erkläret; ja einige haben sie sogar öffentlich besucht. Der Grund, warum verschiedene dieser Männer wider das Theater eifern, ist ohnstreitig in einem falschen moralischen Begriff zu suchen. Der unnütze und betrübte Streit Anmerkung des Herausgebers: Seite 62 Zum Streit über das Theater und Vockerrodt vergl. Schmids Ausgabe des Desprez de Boissy., zu welchem bekannte geistliche Meinungen vor vielen Jahren Anlaß gaben, und der die theologischen Facultäten von zwo unserer berühmtesten Akademien in Flammen setzte, drückte auf diesen Eifer noch das letzte Siegel. Wem ist die Streitfrage über die Mitteldinge unbekannt geblieben? Es war zwar kein neuer Streit: er wurde schon lange vor der Reformation getrieben. Allein, da bekannte Geistliche Unruhen anfingen, so suchte man ihn wieder hervor. Man warf die Frage auf: Ob Comödienspielen oder Besuchen Sünde wäre? Man theilte sich bey der Antwort. Viele Theologen sagten, daß sie Mitteldinge und erlaubt wären, wenn nur kein böser Zweck dabey sey. Die andern behaupteten, daß es gar keine Mitteldinge gäbe. Alle Handlungen würden durch die Umstände gut oder böse: und sie setzten das unbewiesene Machtwort hinzu, daß Comödiensehen, Tanzen u. d. gl. allemal mit einem bösen Zwecke verbunden wären. Der Rektor zu Gotha, Gottfried Vockerrodt, vertheidigte dieß in einer besondern Schrift, und ihm traten die Theologen der einen Akademie bey: aber die andern behaupteten, nebst vielen einsichtsvollen Gottesgelehrten, daß es wirklich Mitteldinge gäbe.

Man erlaube mir diese kleine Ausschweifung, die vielen bekannt; aber auch für viele nicht geschrieben ist. Inzwischen wird dieß theatralische Hinderniß vielleicht nie gehoben werden. Es trifft dabey ein, was der Herr von Hagedorn in seinen Betrachtungen über die Mahlerey Im zweeten Theil des dritten Buchs, welches von dem Aufnehmen der Zeichnungskünste, und von der Zeichnung überhaupt handelt. S. 500. sagt:

»Wie kömmt es, daß so viele wackere Eiferer, die doch schwerlich wie Moliere die Sitten bessern, oder als Racine Man weiß, daß Ludewig der Vierzehnte von einer Stelle im Britannicus (im vierten Auftritt des vierten Aufzuges) so gerührt worden, daß er seitdem nicht mehr öffentlich getanzt hat. durch einen einzigen Zug die Denkungsart der Könige ändern werden, immer die schönen Künste selbst nennen, wenn sie vermuthlich nur den Misbrauch in Gedanken führen? Es muß an der unbestimmten Streitfrage liegen. Nach einem gereinigten Geschmacke frage ich nicht: denn so bald man diesen hat, kämpft man nicht mehr wider die Künste

Freylich, lediglich an ihm, der Grundlinie in allen Wissenschaften und Künsten, liegt es. Anmerkung des Herausgebers: Seite 63, 17 ff. Schmid druckt in seiner Chronologie diese Notiz fast wörtlich ab, ohne die in Frage kommende Universität und Schauspieltruppe zu nennen. Auch Legband erklärt die Stelle nicht. Es handelt sich jedenfalls um die Eingaben der Universitäten Leipzig und Wittenberg 1741/42 an Konsistorium und Staatsregierung in Dresden, die Theatervorstellungen in Wittenberg gänzlich zu verbieten, in Leipzig auf die 3 Meßzeiten zu beschränken. Die Neuberin erzielte 1745 durch den Grafen Brühl von König August eine Aufhebung der pedantischen Maßregel. Das Königl. Rescript ist in Reden-Esbecks Biographie der Caroline Neuber Leipzig 1881, S. 296/97 abgedruckt.Ein solcher nicht gereinigter Geschmack war es, durch den im Jahr 1742 eine berühmte Akademie sich zwey heftige königliche Rescripte zuzog, weil man durchaus auf die Wegschaffung der besten damaligen deutschen Comödianten bestand; die aber aus eben dieser Ursache mächtig geschützt wurden. Ich besitze die Abschrift von diesen Mandaten; und sie sind ein Beweis von der Menschlichkeit ihres Gesetzgebers, und von seiner Liebe gegen die schönen Künste.

Endlich ist der Mangel der theatralischen Schriftsteller und die Schwierigkeit, ein guter dramatischer Dichter zu heißen, eins von den Haupthindernissen. Allein, ist es bey uns Deutschen Mangel am Genie? an Lust? an Aufmunterung und Belohnung? Alle diese Fragen ließen sich beantworten. Und wenn es auf eine Untersuchung ankäme, so würde man sehen, daß bey den deutschen guten Schriftstellern Aufmunterung und Belohnungen gar nicht in Anschlag kommen. Der Mangel am Genie zu diesem Zweige der schönen Wissenschaften mag freylich wol; aber doch nicht so sehr, als die Schwierigkeit, für eine Nation zu schreiben, die wenig hervorstechende Charaktere, und eine Vermischung fremder Sitten hat, eine von den Hauptursachen seyn. Ein Freund und Kenner des Theaters schreibt mir, daß in unserer deutschen Sprache die Quelle des Mangels an guten Originallustspielen zu suchen sey. Allein, ich kann ihm nicht durchgehends beypflichten. Ich will seine Worte hersetzen, und mich darüber erklären:

»Unsere Sprache ist zu rauh; sie hat nicht das Naïve, die feinen und doch ungekünstelten Töne des mit Empfindung und Witz vereinten Scherzes. Unser Scherz ist entweder zu platt, oder wir hüllen ihn in schwere gelehrte Ausdrücke ein, die die Natur und Moliere nicht haben. Ein schönes Lustspiel muß tiefe Kenntniß des menschlichen Herzens in dem Ton der großen Welt, nicht im Ton des Catheders, schildern. Ein steifer Ausdruck, der die Grazien verscheucht, Harlekin mit der Präsidentenmiene, lange Perioden voll Vernunftschlüsse, die den Schauspieler außer Athem setzen, übel gewählte Töne der Wörter, die oft Empfindungen ausdrücken, wenn sie den leichten Fortgang einer comischen Intrigue zeigen sollten, ersetzen bey uns die Stelle der ungezwungenen, leichten, jeder Sache gemäßen Schreibart der Griechen und Franzosen. Unsere Genies werden oft bey der Arbeit die Feder niedergelegt, und voll Unmuth den Ausdruck, den Ton gesucht haben, der den Griechen und Franzosen so natürlich ist. Die Regeln des Schauspiels haben wir Deutsche vollkommen im Kopf: aber die Regeln sind es eben, die uns den Fortgang in Wissenschaften und Künsten vor allen Nationen so schwer machen. Was die Engländer zu wenig, und besonders im Geschmack beobachten, beobachten wir zu viel. Homer schrieb, ehe Regeln waren. Wir kennen die glückliche Kühnheit des Genies nicht, das bey tausend Fehlern erhaben ist. Wir werden niemals einen Shakespear Anmerkung des Herausgebers: Seite 65, 13 Löwen hebt auch in einer seiner Rezensionen bewundernd »das Majestätische der Schreibart und die Schwere der Gedanken« bei Shakespeare hervor. unter uns aufweisen können. – Das Trauerspiel ist unser Fach. Für Empfindungen, für Leidenschaften, die die Seele erschüttern, für die mächtige Kunst, durch den Ausdruck das Herz zu rühren, ist unsere Sprache gemacht.«

In den meisten Stücken hat mein Freund recht. Aber, daß die Schuld in unserer Sprache liegen soll, das widerspreche ich ihm durchaus. Ein Gellert, Weisse, Leßing, von Gerstenberg, von Thümmel, und alle unsere guten Schriftsteller haben durch ihr Exempel bewiesen, daß wir eben so schön und ungekünstelt, als die Franzosen und Italiener schreiben können: und so naïv, wie Gellert und Gerstenberg unter uns sind, werden wir wenig Ausländer finden. In dem Munde und unter der Bearbeitung eines Genies ist auch unsre Sprache gewiß nicht rauh. Sie hat freylich die allzuweichliche Delicatesse der italienischen nicht: aber sie hat doch gewiß mehr Anmuth und Harmonie, als die englische: und wenn man sie recht versteht und schreibt, einen musikalischern Numerum, als die französische, eben so viel Delicatesse, und einen noch feyerlichern Pomp. – Nur muß die schlechte Bearbeitung, und die magre Kenntniß derselben bey den meisten unter uns; auch sogar bey einigen, die für die Bühne schreiben wollen, nicht auf Rechnung der Sprache überhaupt gesetzt werden. Die erste Ursache des Mangels guter deutscher Lustspiele, die mein Freund nur von weiten berührt, liegt in der schlechten Kenntniß der Sitten und der großen Welt. Schriftsteller, die außer ihrer Studierstube und ihren Freunden, keine Gelegenheit haben, die Thorheiten und das Lächerliche der menschlichen Handlungen auszuspähen, die Schlupfwinkel des menschlichen Herzens zu durchsuchen, und durch eigne Erfahrung sich von diesem moralischen Räthsel zu überzeugen, werden freylich für das Lustspiel nie mit Beyfall, selbst bey allen ihren Regeln schreiben. Aber, daß unsre Sprache, vorzüglich für die comische Bühne nicht untauglich sey, das haben einige wenige Schriftsteller bisher gewiesen: und sind sie nicht durchgehends so glücklich gewesen, als man von ihnen gefodert hat, so muß man es der Schwierigkeit zuschreiben, deutsche Familienstücke auf die Bühne zu bringen; weil sie entweder zu kalt, nicht interessant genug, und höchstens immer französische oder englische Copien sind. – Aber die Nation, nicht der Dichter sind daran Schuld. Daß wir in Deutschland keine einzige Hauptstadt wie Paris haben, nach deren Sitten, Denkungsart, Mode, und Sprache sich das übrige Theil von Deutschland richtet, dieß ist die vorzüglichste Ursache, warum unsre Charactere nicht bestimmt genug sind, und warum es unsern Dichtern so schwer fällt, deutsche Sitten für das Theater zu schildern. Und so mag es denn auch wahr seyn, daß das Trauerspiel, wie mein Freund, und die Verfasser der Briefe der neuesten Litteratur angemerkt haben, vorzüglich unser Fach seyn. Nur sage man nicht, daß unser Scherz zu platt, unser Witz zu steif, unsre Dialoge zu rednerisch, unsre Handlungen zu unbeseelt, kurz, daß wir ganz unfähig für die comische Bühne wären. Man zeige dem jungen dramatischen Dichter Nachsicht und Unterweisung, führe ihn in die große Welt, lege seinem Genie keine Fesseln an, ermuntre seine Absicht und – (was er vielleicht nie zu hoffen hat) belohne ihn spät.

Es ist unstreitig, daß der Flor unsrer deutschen Bühne sich erheben, und eine allgemeine Hochachtung diejenigen begleiten würde, die ihr dienen, wenn diese Hindernisse könnten gehoben werden. Allein, wenn werden so glückliche Tage kommen? Unsere Großen denken zu schläfrig für das Vergnügen ihrer Nation; dem Patrioten in den großen Städten fehlt es zum Theil an Mitteln, und dem Bemittelten an Geschmack, Lust und Eifer. Unsere Dichter haben größtentheils für die Bühne kein Genie; und die es noch haben, werden durch Ursachen zurückgehalten. Unsere Kunstrichter verfahren mit den aufblühenden Genies entweder zu scharf; oder sie haben auch aus Galanterie für schöne Schauspielerinnen Nachsicht. Unsere Comödianten ärgern sich an einer wolmeinenden Critik, und halten sich schon für vollkommen. Nur erst hierinnen eine Aenderung; und die übrigen Hindernisse werden von wenigem Gewichte seyn.

So gewiß dieses ist, so giebt es auch noch einige Vorschläge, die zur Aufnahme der Bühne viel beytragen können; und ich will sie namhaft machen, ohngeachtet man sie vielleicht nicht in Ausübung bringen wird. Es würde demnach die Aufnahme unsrer Bühne sehr befördern, wenn man erstlich die Principalschaft ganz aufheben wollte; und wenn der Fürst, oder die Republik, die die Schauspiele schützen, selbst das Direktorium führen, das heißt, einen Mann wählen wollten, dem, da er selbst eine feine Kenntniß der schönen Künste und Wissenschaften besäße, die Annahme der Schauspieler, die Wahl der Stücke, und die ganze Policey des Theaters, ohne daß er selbst Schauspieler wäre, müßte überlassen werden. Welcher Fürst, und welche große Stadt wird aber auf die Art für den Geschmack und das Vergnügen ihres Volks sorgen. Wenn der König von Preußen die Aufmerksamkeit auf die deutsche Litteratur in den Jahren hätte wenden können, da wir freylich noch abgeschmackte Schriftsteller hatten, so wäre er es vorzüglich. Ich glaube immer, daß die Neigung dieses Monarchen nicht ganz für die französische Litteratur seyn würde, wenn in seinen Erziehungsjahren ein Gellert, Uz, Leßing, Ramler, Weisse und überhaupt unsre itzigen guten Schriftsteller geblühet hätten. Allein, wie finster sah es damals um den deutschen Geschmack, um unsre Dichtkunst, und um unser Theater aus! Welche große Stadt könnte demnach das Ihrige zur Aufnahme der Bühne beytragen? – Wien gewiß nicht, obgleich die Gnade des Kaisers eine beständige deutsche Bühne daselbst unterhält. Oesterreich hat uns noch zu wenig gute Schriftsteller geliefert. Hamburg vielleicht – aber es könnte diese Unterstützung nur, und wie zu vermuthen, ganz allein in dem äußerlichen Aufwande bestehen, der aber, aus mancherley Ursachen, nicht die allgemeine Sorgfalt des Staats seyn wird. So vortreffliche Männer Hamburg auch in allen Arten der Wissenschaften aufzuweisen gehabt hat, so ist doch bey den meisten bloße Neigung, viel Geschmack, nie aber selbst wahres Genie für das Theater gewesen. Wir kommen also immer wieder auf Berlin zurück. Ein mächtiger König, ein Fürst, der selbst Geschmack und Neigung hat, sein Volk glücklich und vergnügt zu sehen, eine republikanische Freyheit zu denken und zu schreiben, ein Zusammenfluß von Männern, die entweder als Critici, oder als Schriftsteller bewiesen, daß sie die würdigsten zur Aufnahme der deutschen Litteratur, und der Bühne insonderheit wären. Man zeige uns in einer einzigen deutschen Stadt solche Genies bey einander, die mit vereinten Kräften das Ihrige dazu beytragen könnten. Möchten doch die Tage nicht ferne seyn, da man wenigstens Hoffnung zu einem Unternehmen schöpfen könnte, das für die glücklichen Zeiten eines deutschen Ludewig des Vierzehnten aufbehalten ist.

Der zweete Vorschlag zur Aufnahme unsers Theaters mag dieser seyn: Da nicht nur die wenigsten Zuschauer einen wahren Begriff von einem Schauspiel, und einer geschickten Vorstellung haben, sondern auch die wenigsten Akteurs, sobald sie sich dem Theater widmen, wissen, welchem wichtigen und schweren Geschäfte sie sich unterziehen: da nämlich die meisten in der Kunst zu declamiren, und um so viel mehr in der Kunst zu agiren Fremdlinge sind, und die wenigsten sich mit den sehr weitläuftigen Regeln des Schauspielers bekannt zu machen Gelegenheit gehabt haben; so müßte man eine ordentliche theatralische Akademie anlegen. Eine solche Akademie würde gewiß von größerm Nutzen, als unsre sogenannte deutsche Gesellschaften seyn. Es wäre hiebey nothwendig, gewisse Regeln zum Grunde zu legen, worüber man dem jungen Schauspieler einen kurzen und deutlichen Unterricht geben könte. Ich bin Willens, dergleiche Grundsätze der körperlichen Beredsamkeit, die ich längst entworfe, zu verbessern u. zu erweitern; und ich hoffe, daß sie manchem Schauspieler viel Nutzen bringen sollen.

Drittens, man müste den Stand der Comödianten vorzüglich ehrwürdig zu machen suchen. Der Vorwurf ihrer Kunst erfodert diesen Vorzug durchaus. Wer meinen Thorheiten einen Spiegel vorhält, wer meine Laster zu tilgen, und meine Sitten zu verfeinern sucht, verdient meine ganze Hochachtung. Allein, was selbst da, wo die Liebe des Fürsten und der Nation für die schönen Künste stärker als bey uns ist, vielleicht nie geschehen wird, dazu haben wir noch weniger Hoffnung. Es bleibt dabey, was Voltaire sagt: das Monolog wird das Dialog niemals dulden. Verachtung und Unterdrückung ist das gemeine Antheil dieser armen Leute. Sie müssen sehr oft erfahren, was der Commendant einer gewissen Festung zu einem Direkteur der Comödie sagte: – Je Vous avais permis, mon ami, de jouer ici la Comedie: Vos camerades, les Missionnaires s'y opposent. Je suis faché qu'il y ait jalousie de metier. Tableau du Siecle. a Geneve. MDCCLIX. p. 193. »Mein Freund! ich hatte Ihnen zwar erlaubt, hier Comödie zu spielen: aber ihre Cameraden, die Mißionarii widersetzen sich. Es thut mir leid, daß sie einen solchen Handwerksneid äußern.«

Je ehrwürdiger aber der Stand der Comödianten in den Augen der Welt gemacht würde; je strenger müßten auch die allerkleinsten Vergehungen unter ihnen gestraft werden. Es wäre vielleicht für die Reinigkeit der Sitten auf dem Theater, und unter denen, die ihm dienen, gut, wenn das Amt der römischen Censoren, denen die Aufsicht über das Theater anvertrauet war, bey uns wieder könnte hergestellet werden. Ich würde zur fernern Aufnahme auch noch den Vorschlag hinzusetzen, daß man junge Dichter, die Genie für das Theater äussern, ermuntern sollte. Allein, eines Theils haben, wie ich vorhin erwehnt, unsre besten Schriftsteller bereits gezeigt, daß sie auch ohne Aufmunterung von dem Reiz der comischen Muse begeistert werden: Anmerkung des Herausgebers: Seite 71, 11 Trotzdem setzten die Gründer des Hamburger Nationaltheaters bekanntlich Preise von je 50 Dukaten aus. Vergl. S. 89. und andern Theils, haben es schon die Verfasser der Bibliothek der schönen Wissenschaften bewiesen, daß man selbst durch ausgesetzte Preise diesen Zweck nicht erreichen kann. Wenn man alles zusammen nimmt, was bey der Aufnahme des Theaters vorzüglich die Schauspieler angehet, so mag es kürzlich dieses seyn: Nimmt sich die Nation der Schauspielkunst an; bildet sie ihre Lieblinge von früher Jugend, auf Unkosten des Staates, zu der edlen Kunst, die das Herz erweicht, indem sie die Sitten bessert; belohnt sie solche mit Beyfall, mit Ruhm, mit Unterhalt, in den Jahren der Thätigkeit; in den wenigen Jahren, die nach dem männlichen Alter wieder verschwinden; sind sie eines ruhigen Glücks gewiß in dem Alter, wo die Seelenkräfte abnehmen, wo sie andern aufblühenden Genies Platz machen müssen; dann werden wir nicht mehr Leute finden, die aus Verzweifelung einen Stand ergreifen, den die Nation, mit Vorurtheilen des Alterthums, mit gerechter Verachtung gegen einige von seinen Mitgliedern zur Erniedrigung verdammt; die für den Gewinnst Corneille mit dem Hanswurst verbinden; die ohne alle Kenntniß ihrer Sprache, der Sittlichkeit, der Bewegungskunst rühren wollen; dann gewöhnt sich die Nation von sich selbst zum Theater, und die ruhmwürdigen Denkmale unserer deutschen Genies werden den Schauspielern Unterhalt, und den Zuschauern Vergnügen verschaffen.

Ich kann meine Geschichte des deutschen Theaters nicht besser, als mit den Worten des Diderot, eines der liebenswürdigsten Philosophen unsrer Zeiten schließen:

»Ein jedes Volk hat Vorurtheile zu bestreiten, Laster zu verfolgen, Lächerlichkeiten verächtlich zu machen. Ein jedes Volk muß also Schauspiele, aber seine eigenen Schauspiele haben. Welch ein vortreffliches Hülfsmittel könnten sie der Regierung seyn, wenn es darauf ankäme, die Veränderung eines Gesetzes, oder die Abschaffung eines Gebrauchs vorzubereiten! Die Comödianten wegen ihrer persönlichen Sitten angreifen, heißt allen Ständen zu Leibe wollen. Das Schauspiel wegen seiner Mißbräuche angreifen, heißt sich wider alle Arten des öffentlichen Unterrichts auflehnen; und alles, was man bisher darüber gesagt hat, ist so ungerecht als falsch, weil man nur immer die Dinge so, wie sie sind, oder gewesen sind, und nicht so wie sie seyn könnten, in Betrachtung gezogen.«


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