Alfred Lichtenstein
Gedichte
Alfred Lichtenstein

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Mulias

(Die Abiturklasse des Luisenstädtischen Gymnasiums, Berlin, Ostern1909)

                    Liebe gute Bierkrakeeler:
Schulbankdrücker, Expennäler,
Liebe Lehrer, liebe Väter,
Zimmerhocker, Straßentreter,
Freunde, Gäste, Anverwandte,
Geisteshelden, Unbekannte,
Musiker und Saufleute,
Studiker und Raufleute
Und Ihr kleinen Mulichen
Und Ihr andern Kulichen,
Seid mal eine Weile still,
Weil ich Euch was sagen will.

Denkt Euch, ich wär ein Konferenzler,
Dies Lokal hier wär ein Kabarett,
Und ? das ist garnicht so dumm
Ihr... Ihr wäret Publikum.
Denkt's Euch, 's ist doch nicht so schwer
Und dann höret weiter her:
Die Muli sind mein Künstlerpersonal,
Und mein Programm ist einfach kolossal;
Was ich Euch biete als Konferenzler,
Davon habt Ihr ja keine Idee.
Nun, reizen würd' es mich natürlich,
Dies zu beschreiben schön ausführlich,
Es recht zu beleuchten, näher und breiter,
Es klar zu legen und so weiter.
Gewiß! Doch will ich's lieber meiden,
Denn mancher nennt das vielleicht unbescheiden.

Dagegen will ich Euch die andern jetzt vorführen
In Reimen wie sie sich gebühren
Ich will es heute einmal wagen,
Jedem von ihnen die Wahrheit zu sagen;
Und wem sie etwas grob erscheint,
Der denk: Es ist nicht schlimm gemeint.

Der Casper ist ein Bösewicht,
Glaubt Ihr's oder glaubt Ihr's nicht:
Er ist's. Und fragt Ihr mich warum
Nun, er ist nicht halb so dumm
Als uns're Klasse es gebrauchen konnte;
In ihm sich jeder Lehrer sonnte,
Er wurde uns wohl hundertmal
Hingestellt als Ideal:
Und wir ? wir wurden ausgescholten,
Dieweil wir keine Caspers waren;
Ihm hat alles Lob gegolten
Und wir ? wir wurden angefahren!
Der Casper ist ein Bösewicht,
Glaubt Ihr's oder glaubt Ihr's nicht.
Der Casper kann sogar Latein,
Und das will unser Primus sein?

Der Blümel ist ein frommer Herr
Und außerdem ein Physiker,
Und drittens – recht kurz ausgedrückt –
Ist er uns einfach ausgerückt.
Auch der gute Richtzenhain
Paßt in – manchen Reim hinein.

Der Werder ? habt Ihr's nicht vernommen –
Ist längst schon auf den Hund gekommen,
Und dennoch bleibt er jener brave Mann,
Der wacker trinken und noch viel mehr schimpfen kann

Als ich den Geo »male cinctum« neulich fragte,
Ob es ihm recht wär' und behagte,
Wenn ich von seinen vielen Heldentaten
Die eine oder and're tät verraten:
Wie er im Felde etwa Käfer knackte,
Im Klassenzimmer Cakewalk hackte,
Wie er sich sonst noch amüsierte: Durchdiebank
Auf and'rer Kosten – stundenlang,
Als ich ihn also fragte, sprach er: »Nein,
Ich soll doch man nur recht vorsichtig sein;
Wo anders meinen Witz entfalten,
Und soll doch man nur die Schnute halten«.

Ja, Riebe ist ein Kavalier,
Der etwas auf sich hält;
Er denkt, er ist ein großes Tier
Und hat auch niemals Geld.

Sein Tennisspiel ist äußerst fair,
O wär's sein Portemonnaie!
Auch sonst ja ist ein Sportsmann er
Vom Scheitel bis zur Zeh.

Man merkt's auch an seinem Latein,
Das niemand gerne liest:
Er muß ein großer Jäger sein,
Der stets – daneben schießt.

Wutke, dieses süße Vieh,
Ist ein Universalgenie;
Der macht alles, ist nie faul
Und hat stets ein großes –
Interesse für Musik gehabt.

Simon, der ist sonst ganz nett,
Krause ist's nicht minder.
Die beiden sind ein wenig fett
Und stets vergnügte Sünder.

Simon strengt sich nicht gern an,
Ebenfalls nicht Krause.
Wenn einer nun nicht weiter kann,
Dann macht er mal 'ne Pause.

Simon schläft auch außer'm Bett,
Krause dusselt viel
Und beide sind noch mal so fett
Wie Heringe aus Kiel.

Exner, der künftige Philologe:

Nur Buttermilch trinkt Exner noch
Und blasse Limonaden,
Und als er neulich Bier mal roch,
Da tat er sich gleich baden.
Studentensitten sind ihm ganz zuwider,
Er ist so ruhig, brav und bieder;
Er mag wohl auch gar Mitglied sein
Bei einem Antilärm-Verein.

Als Schüler war er niemals doch
Mit Wissen überladen.
Vor'm Lernen er sich stets verkroch,
Er dacht', das könn' ihm schaden.
Er sang recht keck und forsch Studentenlieder
Und trank die andern alle nieder;
Er paßte ganz famos hinein
In unsern – Antilern-Verein.

Hänschen Schmidt ist stets adrett
Und zu jedermann sehr nett;
Das muß wohl so in ihm liegen

Walter Schmidt fing früher Fliegen,
Alles ändert sich auf Erden;
Denn jetzt will er – Lehrer werden.

Erich Schmidt trägt mut'gen Sinn;
Darauf könnt Ihr bauen,
Er will jeden ja »bis in
Alle Knopplöcher verhauen«.

Bergmann, der sich gern nennt Bob,
Der ist ein Monokelsnob
Und dramatischer Natur,
Von Geburt – doch sagt er's nur!
s' gibt Leute, die finden das interessant
Und sind davon ganz entzückt,
Und andre, die finden es wirklich frappant,
Und manche, die finden's – verrückt.

Bergmann hat gepflegte Hände,
Ein Organ von Klasse,
80 Mark stets Außenstände,
14 Pf. Kasse!
's gibt Leute, die finden das interessant
Und sind davon ganz entzückt,
Und andre, die finden es wirklich frappant,
Und manche.. die finden's – verrückt!

Freund Täschner ist durchaus kein Flaps,
Der andre gerne narrt;
»Der Alte« hat sehr guten Schnaps
Und einen langen Bart.

Franz Täschner heißt bei uns ›Papa‹
Und sammelt, glaub'ich, Steine,
Und seine Handschrift ist beinah
So schlecht wie meine.

Und Öhring endlich ist entschied'ner Feind
Von schlechtem Essen und Philistersitten,
Er ist der Geist, der stets verneint –
Verdienste eines Dritten.

Herr Öhring ist versonnen stets und still,
Ein rechter Weltverachter,
Nur wenn man ihm was pumpen will,
Dann lacht er!

 


 


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