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1784 – 1788

Wären nur die Herren Weiber besser, mit den Frau Ehemännern ginge es wohl noch hin.

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Die edle Einfalt in den Werken der Natur hat nur gar zu oft ihren Grund in der edeln Kurzsichtigkeit dessen, der sie beobachtet.

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Ich habe oft des Nachts über einen Einfall lachen müssen, der mir am Tage schlecht oder gar frevelhaft vorkam.

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Wenn ich einen Nagel einschlage, nur um etwas anzuheften, so denke ich immer, was wird geschehen, ehe ich ihn wieder herausziehe. Es ist gewiß hierin etwas. Ich heftete den Pappdeckel im November an mein Bett an, und ehe ich den Nagel noch herauszog, war mein vortrefflicher Freund Schernhagen in Hannover, und eines meiner Kinder gestorben, und die italienische Reise zu Wasser geworden.

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So wie die Völker sich bessern, bessern sich auch ihre Götter; weil man letztern aber nicht gleich alle die menschlichen Eigenschaften nehmen kann, die ihnen rohere Zeiten angedichtet haben, so hält die vernünftige Welt manches noch eine Zeit lang für unbegreiflich, oder erklärt es figürlich.

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Man kann auf so vielerlei Weise Gutes tun, als man sündigen kann, nämlich mit Gedanken, Worten und Werken.

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Wo damals die Grenzen der Wissenschaft waren, da ist jetzt die Mitte.

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Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt.

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Das eigentlich Christliche in unserer Religion ist die Seele aller Religion, das übrige ist Körper. Vom schönsten Griechen bis zum Neger ist alles Menschen-Race.

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Es gibt Wahrheiten, die so ziemlich herausgeputzt einhergehen, daß man sie für Lügen halten sollte, und die nichts desto weniger reine Wahrheiten sind.

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Wer in sich selbst verliebt ist, hat wenigstens bei seiner Liebe den Vorteil, daß er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird.

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Ein eingebildetes Unvermögen kann bei furchtsamen Personen lange die Rolle eines wirklichen spielen, in Werken des Kopfs sowohl wie des Leibes.

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Alle Tugend aus Vorsatz taugt nicht viel. Gefühl oder Gewohnheit ist das Ding.

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Manche Menschen äußern schon eine Gabe, sich dumm zu stellen, ehe sie klug sind; die Mädchen haben diese Gabe sehr oft.

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Die Dienstmädchen küssen die Kinder und schütteln sie mit Heftigkeit, wenn sie von einer Mannsperson beobachtet werden; hingegen präsentieren sie sie in der Stille, wenn Frauenzimmer auf sie sehen.

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Ich habe das schon mehr bemerkt, die Leute von Profession wissen oft das Beste nicht.

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Es ist zum Erstaunen, wie weit ein gesunder Menschenverstand reicht. Es ist auch hier, wie im gemeinen Leben, der gemeine Mann geht hin, wohin der Vornehme mit Sechsen fährt.

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Vielleicht ist noch nie ein Vater gewesen, der nicht irgend einmal sein Kind für etwas ganz Originelles gehalten hat. Doch glaube ich, sind die gelehrten Väter diesem zärtlichen Irrtum mehr ausgesetzt, als irgend eine andere Klasse von Vätern.

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Ich bin überzeugt, daß die vermeinte Gründlichkeit beim Vortrage der Anfangsgründe sehr schadet. Es ist gar nicht nötig, daß ein Lehrer dem Anfänger die Sache gründlich vorträgt; aber der Lehrer, der diesen Vortrag wählt, muß sie gründlich verstehen; alsdann ist gewiß für den Anfänger gesorgt.

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Es ist ein großer Rednerkunstgriff, die Leute zuweilen bloß zu überreden, wo man sie überzeugen könnte; sie halten sich alsdann oft da für überzeugt, wo man sie bloß überreden kann.

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Es wäre eine rührende Situation, jemanden vorzustellen, der des Nachts plötzlich blind würde, und glaubte, die Nacht dauerte fort. Er nimmt sein Feuerzeug und schlägt, und kann keine Funken herausbringen, und dergleichen mehr.

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Es ist mit den Sinngedichten, wie mit den Erfindungen überhaupt: die besten sind ebenfalls diejenigen, wobei man sich ärgert, den Gedanken nicht selbst gehabt zu haben. Das ist es wohl, was die Leute meinen, wenn sie sagen, der Gedanke müsse natürlich sein.

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Die Briefe eines klugen Mannes enthalten immer den Charakter der Leute, an die er schreibt. Dieses kann in einem Roman in Briefen sehr schön gezeigt werden.

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Die schönen Weiber werden heutzutage mit unter die Talente ihrer Männer gerechnet.

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Wenn auch einmal einer lebendig begraben wird, so bleiben dafür hundert andere über der Erde hängen, die tod sind.

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Die Hühner verschlucken Steine, wenn sie verdauen wollen. Die Seele scheint bei Verdauung der Gedanken etwas Ähnliches nötig zu finden, indem sie bekanntlich immer Steine in der Zirbeldrüse hat.

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Die Braut war pockengrübig, und der Bräutigam finnig. Spötter sagten, wenn das Pärchen nur erst zusammengeschmiedet wäre, so gäben ihre Gesichter ein treffliches Waffeleisen.

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Was ist für ein Unterschied zwischen einem Pastor und einem Arzt?

Antwort: Der Pastor baut den Acker Gottes, und der Arzt den Gottesacker.

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Bei Prophezeiungen ist der Ausleger oft ein wichtigerer Mann als der Prophet.

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Er liebte hauptsächlich die Wörter, die nicht in Wörterbüchern vorzukommen pflegen.

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Er verschluckte viel Weisheit, es war aber, als wenn ihm alles in die unrechte Kehle gekommen sei.

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Bei den geistlichen Schafen in der Gemeinde so gut, wie bei den weltlichen auf dem Felde ist die Wolle immer die Hauptsache.

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Es gibt Predigten, die man ohne Tränen zu weinen nicht anhören, und ohne welche zu lachen nicht lesen kann.

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Daß am Menschen nicht viel Sonderliches ist, beweist hauptsächlich die Weitläuftigkeit der Jurisprudenz.

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Vom Stolzieren des welschen Hahns. Ich möchte wohl wissen, was die Natur damit will. Er selbst kann nichts damit wollen.

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Es gibt Familien, in denen die Leute schon bei jungen Jahren die Schneidezähne verlieren. Es sind das keine sonderliche Leute.

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So wie die Leibärzte der Ochsen Menschen sind, so hat man auch oft gefunden, daß die Leibärzte der Menschen Ochsen sind.

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Er hatte sich wenigstens seit 6 Wochen nur in Gedanken gewaschen.

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Einer will sich ersäufen, allein sein großer Hund, der ihm nachgelaufen, apportiert ihn allemal wieder.

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Einer zeugt den Gedanken, der andere hebt ihn aus der Taufe, der Dritte zeugt Kinder mit ihm, der Vierte besucht ihn am Sterbebette, und der Fünfte begräbt ihn.

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Er glaubte nicht allein keine Gespenster, sondern er fürchtete sich nicht einmal davor.

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Er konnte das Wort »succulent« so aussprechen, daß, wenn man es hörte, man glaubte, man bisse in einen reifen Pfirsich.

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Die Natur hatte bei dem Bau dieses Menschen ihren Plan auf 90 Jahre angelegt, er selbst aber fand für besser, ihn nach einem zu bearbeiten, bei welchem nicht völlig das Drittel von jenem herauskam.

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Er schlief in seiner gewöhnlichen Untätigkeit einmal so lange auf der Fensterbank, daß ihm die Schwalben hinter die Ohren bauten.

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Man stattete ihm sehr heißen, etwas verbrannten, Dank ab.

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Er hing noch auf der dortigen Universität, wie ein schöner Kronleuchter, auf dem aber seit zwanzig Jahren kein Licht mehr gebrannt hatte.

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Ein Kerl, der einmal seine 100 000 Taler gestohlen hat, kann hernach ehrlich durch die Welt kommen.

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Zu den jährlichen Sterbelisten sollten noch folgende Rubriken hinzukommen: In den Himmel sind gekommen 33; zum Teufel sind gefahren 777; zweifelhaft 883. Mit solchen Zetteln könnten die Theologen sich Geld verdienen.

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Er hatte ein paar Augen, aus denen man, selbst wenn sie still standen, seinen Geist und Witz so erkennen konnte, wie bei einem stillstehenden Windhunde die Fertigkeit im Laufen.

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Er hielt sehr viel vom Lernen auf der Stube, und war also gänzlich für die gelehrte Stallfütterung.

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Es ist sehr reizend, ein ausländisches Frauenzimmer unsere Sprache sprechen und mit schönen Lippen Fehler machen zu hören. Bei Männern ist es nicht so.

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Ich kann mir eine Zeit denken, welcher unsere religiösen Begriffe so sonderbar vorkommen werden, als der unsrigen der Rittergeist.

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Ein großer Nutzen des Schreibens ist auch der, daß die Meinung eines Menschen und das, was er sagt, unverfälscht auf die Nachwelt kommen kann. Die Tradition nimmt etwas von jedem Munde an, durch den sie läuft, und kann endlich eine Sache so vorstellen, daß sie unkenntlich wird. Es ist allemal eine Übersetzung.

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Ist es nicht sonderbar, daß die Beherrscher des menschlichen Geschlechts den Lehrern desselben so sehr an Rang überlegen sind? Hieraus sieht man, was für ein sklavisches Tier der Mensch ist.

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Es war eine Zeit in Rom, da man die Fische besser erzog, als die Kinder. Wir erziehen die Pferde besser. Es ist doch seltsam genug, daß der Mann, der am Hofe die Pferde zureitet, Tausende von Talern zur Besoldung hat, und die, die demselben die Untertanen zureiten, die Schulmeister, hungern müssen.

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Ach! beim Tabakrauchen bedenkt der Statistiker nur den Tabak. Aber, gerechter Gott! das Vergnügen, nach des Tages getragener Last und Arbeit, in seiner Familie ruhig und vorbereitend zum kurzen Schlaf und der sich morgen wieder erneuernden schweren Arbeit, das Kraut abbrennen zu sehen, das Geschäft des Ausspuckens, und den Ersatz durch teuer erkauften Trunk, die ausruhende Beschäftigung – o großer Gott! das alles bedenkt niemand. Laßt es dem Armen, der es einmal hat, ihr, die ihr alles habt, was ihr wollt, und wechseln könnt, wie es euch gefällt.

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Für den Geist des Menschen ist nicht minder gesorgt, als für den Leib der Tiere; was hier Trieb und Kunsttrieb heißt, ist dort gesunder Menschenverstand. Beide sind einer Erstickung fähig, nur mit dem Unterschiede, daß das Tier diese nur von außen, der Mensch auch von innen erhalten kann. Das Tier ist für sich immer Subjekt, der Mensch ist sich auch Objekt.

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Wenn die Welt noch eine unzählbare Zahl von Jahren steht, so wird die Universalreligion geläuterter Spinozismus sein. Sich selbst überlassene Vernunft führt auf nichts andres hinaus, und es ist unmöglich, daß sie auf etwas andres hinausführe.

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Äußere Gegenstände zu erkennen, ist ein Widerspruch; es ist dem Menschen unmöglich, aus sich heraus zu gehen. Wenn wir glauben, wir sähen Gegenstände, so sehen wir bloß uns. Wir können von nichts in der Welt etwas eigentlich erkennen, als uns selbst, und die Veränderungen, die in uns vorgehen. Eben so können wir unmöglich für andere fühlen, wie man zu sagen pflegt; wir fühlen nur für uns. Der Satz klingt hart, er ist es aber nicht, wenn er nur recht verstanden wird. Man liebt weder Vater, noch Mutter, noch Frau, noch Kind, sondern die angenehmen Empfindungen, die sie uns machen; es schmeichelt immer etwas unserem Stolze und unserer Eigenliebe. Es ist gar nicht anders möglich, und wer den Satz leugnet, muß ihn nicht verstehen. Unsere Sprache darf aber in diesem Stücke nicht philosophisch sein, so wenig als sie in Rücksicht auf das Weltgebäude kopernikanisch sein darf. Aus nichts leuchtet, glaube ich, des Menschen höherer Geist so stark hervor, als daraus, daß er sogar den Betrug ausfindig zu machen weiß, den ihm gleichsam die Natur spielen wollte. Nur bleibt die Frage übrig: wer hat Recht, der, welcher glaubt, er werde betrogen, oder der es nicht glaubt? Unstreitig hat der Recht, der glaubt, er werde nicht betrogen. Aber das glauben auch beide Parteien nicht, daß sie betrogen werden. Sobald ich es weiß, so ist es kein Betrug mehr. Die Erfindung der Sprache ist vor der Philosophie hergegangen, und das ist es, was die Philosophie erschwert, zumal wenn man sie andern verständlich machen will, die nicht viel selbst denken. Die Philosophie ist, wenn sie spricht, immer genötigt, die Sprache der Unphilosophie zu reden.

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So wie das höchste Recht das höchste Unrecht ist, so ist auch umgekehrt nicht selten das höchste Unrecht das höchste Recht.

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Wenn ich je eine Predigt drucken lasse, so ist es über das Vermögen Gutes zu tun, das jeder besitzt. Der Henker hole unser Dasein hienieden, wenn nur der Kaiser Gutes tun könnte. Jeder ist ein Kaiser in seiner Lage.

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Das Wort Gottesdienst sollte verlegt, und nicht mehr vom Kirchengehen, sondern bloß von guten Handlungen gebraucht werden.

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Die Menschen denken über die Vorfälle des Lebens nicht so verschieden, als sie darüber sprechen.

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Wenn Religion der Menge schmecken soll, so muß sie notwendig etwas vom haut goût des Aberglaubens haben.

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Der Esel kommt mir vor wie ein Pferd ins Holländische übersetzt.

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Als ich 27 Jahr alt war, wurde ich Professor in Göttingen. Damals sagte ich zu den Purschen, die mich grüßten, ganz gehorsamer Diener. Als ich Hofrat war, sagte ich bei dieser Gelegenheit: ganz untertänigster Diener. Wie ich zu diesem doppelten Superlativ kam, begreife ich bis auf diese Stunde nicht. Influenza der Zeit.


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