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Es ist eines der törichtsten Geschwätze, daß die Menschen Gott gegenüber und seinem Himmelreiche gleichgültig wären. Wer über Gleichgültigkeit klagt, kennt die Menschen nicht. Ausnahmslos hungern und dursten sie nach dem lebendigen Gott; ob sie's wissen oder nicht, gehört ihr heißestes Sehnen Gotte. Darin leben sie gerade. Und wenn nur irgendwo Gott sich vernehmen läßt, und lebendige Wahrheiten hereintreten, da ist die Menschheit dafür zu haben.

Nur echt muß es sein. Für religiöse Formen ist sie nicht zu haben. Gegen Religionen ist sie allerdings gleichgültig, und sie wären längst heruntergefallen, wenn sie nicht den Todesschrecken wach erhielten und dadurch ihre Macht bekämen. Aber nach Gott schreit das Menschenherz im tiefsten Grunde, und wo er sich bezeugt und vernehmen läßt, dahin strömen die Massen. Er ist doch unser Vater. Die Menschheit weiß es nicht, aber sie empfindet's.

Sie käme heute auch. Auch das zwanzigste Jahrhundert hat als größtes, riesigstes Bedürfnis den lebendigen Gott, wie alle seine Vorgänger. Gleichgültigkeit gegen Gott kennt die Menschheit nicht.

Das Volk drang zu Jesu, das Wort zu hören – berichtet Lukas. Das tut das Volk immer. Es ist nicht wahr, daß einfache Menschen, die nicht irgendwie voreingenommen sind, sich nicht drängten, Gottes Wort zu hören. Denn in jedem liegt ein unbezwingliches Verlangen und Sehnen nach Gott.

Freilich gibt's Zeiten, in denen die meisten das nicht wissen und ahnen. Wunderliche Dinge werden auch zuweilen unter dem Namen »Wort Gottes« verbreitet, und für menschliche Betrachtungen, auch wenn sie noch so künstlich und schön sind und blumenreich und begeistert vorgetragen werden, ist nun einmal das Volk, die Masse der einfachen Menschen, nicht zu haben. Darin bekunden sie gerade ihren unbewußt göttlichen Sinn. Aber sowie der erste Laut vom Vater an das Ohr schlägt, ist alle Stumpfheit und Gleichgültigkeit der Massen verschwunden, und die Geister atmen auf im Lichte der Wahrheit. Dann werden sich die Menschen ihrer Sehnsucht nach Gott bewußt.

Wer andere Erfahrungen macht, hat vielleicht Gottes Wort nicht im Munde. Das ist kein Vorwurf oder Tadel für irgend jemand. Es gibt sehr treue und geliebte Leute, aber aus irgendeinem Grunde ist's ihnen nicht anvertraut. Vielleicht leben sie auch in einer Zeit, die durch ihre ganze Entwickelungsrichtung nicht passend ist für die Entfaltung von Gottes Wort. Solche Menschen und Zeiten haben dann die Aufgabe, still und treu ihre Pflicht zu tun, auch wenn das Volk sich nicht drängt. Ihre Armut ist keine Strafe Gottes, ihre etwaigen Sünden sind auch keine Ursache ihrer geistlichen Armut und Langeweile. Sie sind Zwischenglieder und Vorbereiter für neue große Zeiten der Entfaltung göttlichen Reichtums. Nur haben sie natürlich die Pflicht der Wahrheit, ihre Armut offen zu bekennen und nicht durch irgendwelche Künste den Schein zu erwecken, als hätten sie göttlichen Reichtum.

 

Wunderbarer Siegeslauf der guten Botschaft von der Befreiung in Jesu. Es bedarf nur eines kleinen Anstoßes und kurzer Mitteilung, und die Menschenherzen fallen ihr jauchzend zu. Ist auch nicht verwunderlich. Nicht oft hat man nötig, einem Gefangenen zu sagen, daß sein Kerker nicht mehr verschlossen und bewacht ist, ein Raunen ins Ohr, ein einziger Ruf von außen genügt, und er wird schon selbst wissen, welchen Gebrauch er von der Freiheit macht.

Wenn man den Leuten lebenslänglich allwöchentlich dasselbe Evangelium Jesu Christi in jeder Form und nach den feinst durchdachten Weisen vorsagt, und weiter nichts dabei herauskommt, als verschlafene Gleichgültigkeit, da wird wohl das lösende Wort drin fehlen, oder die rechte Zeit nicht da sein. In beiden Fällen ist's eine unnötige Kraftvergeudung. Ewiges Leben hat nicht not, marktschreierisch feilgeboten zu werden. Das Elend der Welt, ja die ganze Welt ist auf nichts so begierig und so sehr auf der Suche wie nach Lebenskräften. Sie sollen nur offenbart werden, und die Welt wird davon voll werden.

 

Wozu bedarf's der Bibel, wozu der Theologie, die Wahrheit Jesu zu erweisen? Wäre es nicht einfacher, Jesum als Herrscher zu bekennen ohne irgendwelches theologische oder biblische Beweisbedürfnis und dann an der ganzen Haltung des Bekenners in Beweisung von Geist und Kraft unmittelbar die Gewalt des Auferstandenen zur Geltung zu bringen? Jesus bedarf nicht der Bibelsprüche, um zur Geltung zu kommen. Er muß in Menschen in Erscheinung treten können: Wer euch hört, der hört mich; wer euch sieht, der sieht mich. Der biblische Beweis ist ja ganz nett und gut, aber wenn Jesus nicht unmittelbar am Menschen zur Geltung kommt, wird er schwerlich jemals eine Beweiskraft haben. Nicht Gründe, sondern Geschichte und Erleben gewinnen die Welt. Keiner Zeit ist das so deutlich wie der unseren. Es wird noch dahin kommen, daß kein Mensch mehr auf biblische Darlegungen hören mag. Aber für das Erleben Jesu in Geist und Kraft werden sie jederzeit mit Freude und Dankbarkeit zugänglich sein.

Das ist das große Erleben, der Beweis Gottes, daß der Zuhörer merkt, seine Fehler und alles im Geiste Bindende und Belastende ist weggenommen. Das ist eine Erleichterung, ein Strom von Seligkeit, die einen überkommt, daß der Mensch aufatmet als neugeboren. Noch niemals haben Worte Menschen für Gott gewonnen. Das sind die Philosophen, die sich mit Worten und Gründen und Beweislein abgeben. Gott aber redet in Taten, und wer nicht innerlich von allem Druck los wird und umgeboren wird zu einem neuen Menschen, dem kein Fehler mehr etwas anhaben kann, der braucht Worten nicht zu glauben, denn er hat Gott nicht erlebt.

 

Die Leute müssen nur erleben, daß es aus der Macht Jesu kein Entrinnen gibt, und daß ihr Schicksal in seinen Händen liegt, dann tritt sofort der Umschlag in ihrer Stimmung ein. Es gibt kaum Ungläubige, es gibt nur Unwissende, Menschen, die nichts erlebt haben. Wozu soll man denen predigen? Glauben sie den Worten, so verstehen sie nur halb, können's eigentlich gar nicht verstehen, und glauben sie der Predigt nicht, so ist's eigentlich schade, daß man sie zu Mitwissern heiliger Geheimnisse zu machen versuchte, die sie doch nur wegwerfen oder verlachen. Predigten dürften nur die erklärenden Worte für tief eingreifende Erlebnisse der Menschen sein. Dann würden die Klagen über Gleichgültigkeit gegen »das Wort Gottes« bald aufhören. Gegen das Wort Gottes ist kein Mensch gleichgültig. Es darf's nur nicht jeder beliebige zu jeder Zeit, die ihm paßt oder befohlen ist, in seinen Mund nehmen. Dadurch wird das Wort Gottes verscheucht. Viel Predigen bezeugt nicht, sondern vertreibt das Wort Gottes.

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Der Vater ist sehr sachlich und liebt nicht, wenn viel Worte gemacht werden. Ein flüchtiger Blick auf das Walten in der Natur lehrt diese Sachlichkeit. Sie liebt Worte nicht, weil sie ihrer nicht bedarf.

Man glaubt gewöhnlich, wenn nur geredet werde, so sei dem Worte Gottes der Weg gewährleistet. Allenfalls könne die Schlechtigkeit oder ungöttliche Gesinnung der Hörer verhindern, daß das Wort Eindruck mache, aber mit dem Sagen sei's wesentlich genug, namentlich wenn's recht schön, oder recht gefühlvoll, oder geistreich gesagt sei. Das mag so sein in religiösen Kreisen. Im Reiche Gottes ist's grundanders.

 

Wenn viel gepredigt wird, hören die Leute immer nur halb hin. Wer viel predigen hört, weiß immer so ziemlich, was kommen wird. Die Aufmerksamkeit ist daher mehr gerichtet auf die Art der Durchführung des schon Bekannten, oder auf die Besonderheit des Sprechers, falls er nicht schon zu bekannt ist. An Gott denken wenige. Es ist überaus schwer, durch Predigen die Zuhörer auf Gott zu lenken.

 

Reden weckt nicht immer auf. Öfter schläfert es ein. Schweigen kann weit besser wach halten und ermuntern. Schweigen weckt Fragen. Unbeantwortete Fragen sind eine Macht, die die Welt in ihren Grundfesten erschüttern. Was ist die Geschichte der Völkergeschicke? Eine Kette von Fragen. Das Schweigen Gottes hat sie geweckt. Das Reden der Menschen schläfert sie ein. Im Schweigen Gottes lösen sie sich. Das Schweigen ist die verlorene Kunst, die das Christentum fast nicht hat retten können. Das apostolische Reden haben sie herübergerettet aus der Apostelzeit. Sie können sogar besser, fließender, glänzender, leider auch länger reden als alle Apostel, aber eines können sie nicht: göttlich schweigen.

 

Wer Lehrtümer bringt, der kann natürlich ohne Grammatik und Wörterbuch nicht bestehen, aber wer das Reich Gottes bringt, wozu hat der nötig, Begriffe zu erklären? Die Kräfte offenbaren sich selbst auch ohne Worte.

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Es ist eine ganz überraschende Tatsache, daß Jesus in seinem öffentlichen Wirken völlig auskam ohne begriffliche Erörterungen, ohne Erklärungen und Beweise, sondern durch eine Fülle von Erlebnissen wirkte. Er lebte ihnen alles Göttliche vor, und aus dieser Fülle konnte man nehmen Gnade um Gnade. Darum redete er gewaltig und nicht wie Schriftgelehrte. Das Volk versteht überhaupt nur die Begriffe, welche sich zugleich als wirkliche Größen darstellen.

 

Das Volk denkt nicht weniger wie die Gelehrten. Wer das gemeine Volk für geistig regungslos hält, kennt es nicht. Es denkt sehr viel, aber es denkt anders, nicht von Begriff zu Begriff, sondern von Wirklichkeit zu Wirklichkeit.

 

Was der Mensch nicht sieht und erlebt, kann er nicht begreifen. Wer vom Geiste und seinen Wirkungen noch nie etwas erlebt hat, dem ist's einfach ein Märchen.

 

So ist alles Göttliche: Es ist unglaublich einfach, aber unergründlich. Es kann nur erlebt, aber niemals erklärt werden. Wer jemals ein Tun Gottes erklärt hat, ist in Irrtum geraten, aber verständlich ist's ohne Erklärung für jedermann, der in sein Erleben hineingestellt ist.

 

Rechte Worte sind lauter Erlebnisse, in denen Geisteskräfte weben. Rechte Worte verlangen auch ohne weiteres, daß man ihnen Folgen gibt für neue Wirklichkeit. Wenn sie weiter nichts tun als begeistern oder rühren oder anregen, dann haben sie ihren Beruf verfehlt. Worte sind Tatensamen.

 

Nur das Wort ist recht, was sich durch lebendig machende Taten bezeugt. Nicht die blitzblanke, wohlgefügte Lehre, sondern die lebendige Tat ist das Wort Gottes, das im Anfang war und Gott war und ewig sein wird.

 

Das ist überhaupt der einzige Weg, der zu Menschen führt, Gutes bringen. Lehren können sie gar nicht verstehen. Der Mensch begreift nur Erfahrungstatsachen, und wer sie trotzdem lehren will, veranlaßt sie nur, unverstandenes Zeug gedankenlos nachzusprechen. Auch die besten Lehrgefüge nützen den Massen nichts.

Aber Gutes den Menschen bringen, umsonst und in herzlicher Aufrichtigkeit, das verstehen sie.

 

Es ist gar nicht notwendig, Strafpredigten zu halten, um Menschen zur Selbsterkenntnis zu bringen. Sobald sie Wahrheit sehen, wird in ihnen ihr Mangel von selbst offenbar und die Sehnsucht nach Wahrheit geweckt, und je einfacher der Mensch, um so leichter geht's von statten. Bildung und Schulung gehört nicht zum Verständnis der Wahrheit.

 

Es ist der einzige Weg, Menschen neue Gedanken zu schaffen und Menschen aufzuklären, wenn man sie erleben läßt, und der Weg, auf dem jeder, auch der Unbegabteste, unterrichtet werden kann. Begriffe und Lehren sind nur für geistig mehr oder minder Begabte. Wer allen helfen will, muß den Weg der Tatsachen gehen. An der Hand von Tatsachen findet sich jeder zurecht. Sie allein haften sicher im Gedächtnis. Lehren verfliegen wie ein Hauch, wenn sie sich nicht an Ereignisse anklammern können.

 

Reden dürfen im Reiche Gottes nur gehalten werden als Erklärung mitfolgender Taten oder als Eröffnung neuer Lebenswege für Menschen, denen sie bisher ganz oder auch zeitweilig verschlossen waren. Reden um ihrer selbst willen gehalten sind für das Reich Gottes ohne Belang, weit mehr schädlich als nützlich.

 

Die Wirkung des Erlebens wird meistens aufgehoben durch das Reden darüber.

 

Worte machen ist leicht und billig, aber die Kraft der Wahrheit in sich darzustellen und aus sich heraustreten zu lassen, welche Riesenarbeit!

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Nicht in religiösen Unternehmungen oder irgendwelchen Parteileuten wird Gott kund sondern in friedfertigen Menschen. Viele, die für die Offenbarung Gottes eintreten, müßten also gerade alles, womit sie gegenwärtig wirken wollen, wegwerfen und von neuem anfangen mit weiter nichts als schlichtem Frieden nach innen und außen. Erst dann kann man in ihnen Gottes Kinder und Träger seines Wesens erkennen, sonst unter keinen Umständen. Friedfertigkeit wird sich im allgemeinen weit mehr in freundlichem Schweigen äußern als im Reden. Gott wird am besten kund ohne jegliches geistliche Gerede.

 

Mustergemeinden und Sonderkreislein liegen nicht im Interesse des Himmelreichs. Jesus braucht die Welt, aber keine überirdischen Gemeinschaftskreise und Treibhauszüchtungen.

 

Man kennt solche Kreise und Kreislein bis in die neue Zeit hinein. Sie machen alle den Eindruck des Fehlerlosen und des erreichten Urbilds. Wenn man dann näher zusieht, so hapert's auf allen Seiten, und wer öfters in solche Gesellschaften gekommen ist, wendet sich erschreckt ab von der Heuchelei. Den großen Vorzug hat »die Welt« wenigstens, den hat sie auch in Gottes Augen, daß man in ihr nicht zu heucheln braucht.

Das ist die Absicht gewesen, die dem Wesen des heiligen Geistes entspricht, den echten Menschen zu offenbaren, wie er Gottes ist. Aber solches Werden kann nur vor sich gehen, wenn die Tür zur menschlichen Gesamtheit geöffnet ist. Das Gute Gottes ist für alle da, und wo es jemals nur einzelne wirklich hatten, so besaßen sie's nie im Sinne der Ausnahmestellung, sondern der Verheißung für alle.

 

Man kann nicht eigentlich sagen, wer zum Himmelreiche gehört oder nicht. Sie gehören ja alle dazu. Unterscheidende Merkmale, Dinge, die gestattet wären, oder nicht, Gebärden, die man mitmachen müsse oder nicht, Lehrsätze, die man annehmen müsse oder verwerfen, gibt's nicht. Aber nicht alle haben die heutige Wirklichkeit des Himmelreichs. Die hängt an einem verborgenen Sein, über das Menschen nicht urteilen und zu Gerichte sitzen können. Das Himmelreich kann daher nie Parteisache werden, denn es hat keine Erkennungszeichen, keine Lehrsätze, keine Mitgliederverzeichnisse, nichts, nichts, an das man sich halten könnte. Aber jeden Zugehörigen wird man schließlich erkennen an den unwillkürlichen Äußerungen seiner Gesinnung. Nicht an seinen Worten. Denn alles geistliche Geschwätz und alles absichtliche Ausbreitungswesen liegt ihm völlig fern. Es breitet sich von selbst aus unwillkürlich durch den Glanz seines neuen Seins und die Kräfte, die ihm eignen.

Das Himmelreich ist wie das Salz. Es verschwindet völlig, wenn es zur Wirksamkeit gelangt, man sieht's nicht, aber man schmeckt es, und wo es in der Welt ist, da bewahrt es die Welt vor Fäulnis.

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Wenn Gott Taten tut, brauchen Menschen sich nicht zu übernehmen. Alles kommt zurecht und zum Heil. Es herrscht Ewigkeitsluft. Zu hasten pflegen die Menschen, wenn sie fühlen, daß Gott nicht dabei ist. Sie suchen den Mangel zu ersetzen und fangen an selbst zu wirken. Es hilft nur nicht viel.

 

Es liegt in der ganzen Art des Himmelreichs, daß es Überanstrengung gar nicht nötig hat Gearbeitet haben seine Träger alle, aber keiner brauchte sich je zu übernehmen. Das Reich Gottes ist überall Friede und Freude. Da gibt's kein Hetzen und Drängen, keine Nervenzerrüttung. Man kann es an dieser Art erkennen.

 

Das Himmelreich ist schlicht und natürlich und setzt sich von selbst durch und bedarf keines Schiebens und Nachhelfens. S' ist ja keine religiöse Unternehmung.

 

Alles in der Welt kann man darstellen als Geld und Geldeswert. Auch Geistiges. Wissenschaft, Kunst, Erfindungen aller Art, sogar Gesundheit hat Geldeswert und ist unter Umständen für Geld zu haben. Aber Göttliches nicht. Das kann zwar mit seinem Auftreten ungeheure Reichtümer in Bewegung setzen, aber für Reichtum ist's nicht zu kaufen. Große Kraft, aber umsonst ist das Kennzeichen des Himmelreichs. Nur so ist's für jedermann zugänglich. Nicht jeder kann kaufen. Nur so ist's auch eine Offenbarung des Vaters. Alles Väterliche auf Erden ist unentgeltlich zu haben. Jedem Kind wird die väterliche Fürsorge geschenkt, nie verkauft.

Aber Religionen können ohne Geld nicht bestehen. Sie müssen es von ihren Anhängern fordern. Die Geldfrage ist bei ihnen eine Lebensfrage. Durch sie offenbart sich auch der Vater nicht. Er kommt nur einzelnen ihrer Anhänger nahe, aber dann unabhängig von ihrer Religion.

 

Betteln ist immer etwas Unmenschliches. Halbwegs zartfühlende Menschen mögen nicht einmal für sogenannte gute Zwecke sammeln gehen. Mit Recht. Man bedenke doch. Der Meister sagte bei seinem Abschied: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und die Kirche hat stets vorgegeben, das zu glauben und zu vertreten: hatte sie dann wirklich nötig, jemals betteln zu gehen? Durch ihre Gemeinschaft mit Jesu mußte sie reich werden an Kräften im Himmel und auf Erden, an Lebenskräften, und diese dann hinaustragen und die Welt damit erfüllen, die Welt heilen von aller Schamlosigkeit, also auch vom Bettel.

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Wer es kann, sollte es nicht verschmähen, den wahren Ernst auf fröhlichem Humor aufzubauen. Es gibt kaum einen wirkungsvolleren Hintergrund, zumal für Wahrheiten des Reiches Gottes, das die fröhlichste und heiterste Sache ist, die es in Zeit und Ewigkeit geben kann. Die Religion ist düster, der Glaube nicht; die Hölle ist düster, der Himmel nicht; der Tod ist düster, das Leben heiter.

 

Alles Langweilige ist ungöttlich. Denn was göttlich ist, ist voller Leben, das Leben aber ist nie langweilig. Langeweile ist Tod. Das Leben bekämpft ihn überall, gleichviel ob es als Tat, als Zustand, als Gesinnung, oder als Wort des Lebens auftritt.

 

Es kann niemals einseitig jemand von sich behaupten, er habe den heiligen Geist. Wenn andere ihn nicht als Macht an ihm wahrnehmen, hat er ihn nicht.

 

Wer sich mißverstanden fühlt und über Gleichgültigkeit klagt, der hat offenbar die Werte nicht bei sich, die der Erde begehrenswert erscheinen.

 

Es kann und darf niemand mehr geben, als er hat, und mehr bezeugen, als er erlebt.

 

Es ist für den, der's kann, eine ungeheure Versuchung, gebildete Zuhörer an Geist zu überbieten und Glanzleistungen im Dienste des Himmelreichs zu vollbringen. Nur ist dem Himmelreich damit gar nicht gedient. Es wird erkannt an der Einfachheit und Schlichtheit, nicht am Glanz und Geist; an den Kräften, nicht an den Reden.

 

Kann man überhaupt gesinnungstüchtige Leute erlösen? – Und wenn nicht zur Erlösung, wozu predigt man ihnen? – Etwa um sich selbst bewundern zu lassen? Aber ein Prediger, der sich bewundern läßt, ahnt gar nicht, wie tief er sich erniedrigt. Es mag sein, daß er schön predigen kann, aber zu sagen hat er gewiß nichts.

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Wem an Erfolgen viel gelegen ist, bekundet damit, wie wenig ihn die Sache bewegt, er bezeugt, daß er noch von der Person und ihren kleinlichen Gedanken nicht losgekommen ist.

 

Glücklich wer jenseit von Lob und Tadel steht! Wer ewiges Leben hat, weiß gar nicht, was die Leute über ihn reden. Er ist viel zu sehr mit den Gedanken Gottes beschäftigt, als daß ihm das Drehen und Knarren der Wetterfahnen zum Bewußtsein kommen könnte.

 

Überall wo das Ich groß wird, hört das Verstehen auf, und wäre auch die Sprache die gleiche. Wo Gott groß wird, ist das Verstehen beglückend und beseligend da und kehrt sich auch an keine Sprachgrenze.

Bewundernde Menschen, noch dazu Volksmengen sind für das Reich Gottes das größte, vielleicht einzige Hindernis. Es hat schon manches Mal ein kleines Himmelslichtchen in der Welt geleuchtet, ist aber regelmäßig durch Bewunderer wieder verscheucht worden.

 

Wo Gott hilft, darf man keinen Menschen rühmen, und wenn's der Mensch Jesus Christus wäre. Die Leute müssen Gottes unmittelbar bewußt werden und dürfen weder an Personen, noch an Sachen hängen bleiben, wenn es himmelreichsmäßig sein soll.

 

Selig der Prediger, dem man nicht mit Gähnen, sondern mit Mordanschlägen begegnet!

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Es ist unerhört schwer, neue Wege wirklich zu gehen, nicht bloß neue Gedanken auszusprechen.

 

Wer nicht, ohne sich zu besinnen, alles jeden Augenblick hergeben kann, ist unfähig, im Reiche Gottes zu arbeiten. Ernst und groß ist die Arbeit, köstlich der Lohn.

 

Man muß nicht glauben, daß es allzu schwer ist, alles herzugeben. Schwer ist nur die einmalige Entscheidung, Jehova oder die Welt. Das ist schwer, wie ein Sterben schwer ist, denn es ist ein Sterben. Da aber der Mensch nur einmal sterben kann, so ist nachher auch alles Schwere vorbei. Denn Gott ist viel mehr als irgend wer und irgend etwas. Er bleibt die einzige echte Wirklichkeit.

 

Man kann versichert sein, daß man im Himmel ganz genau weiß, wen man beruft; und wer nicht ausdrücklich berufen ist, braucht nicht mitzulaufen. Das Reich Gottes geht nicht zugrunde, auch wenn wir nicht mit drin herumhantieren.

Es ist wirklich ganz maßlos schwer, viel schwerer als jemand ahnt, für Gott in die Welt zu gehen. Bis nur die Welt merkt, um was es sich eigentlich handelt, was für grundstürzende Wahrheiten gebracht werden sollen, aber welche unendliche Befreiung von allen Ketten des Geistes und der Sinnlichkeit auch geboten werden soll.

So lange die Leute sich erbauen am »Worte Gottes«, haben sie nichts gemerkt von dem, was eigentlich werden soll. Wer auf Erbauung reist, tut ja ganz gut, aber meistens hat ihn der Auferstandene nicht gesandt, oder wenn er's getan, kann er durch ihn noch nicht zur Geltung kommen. Er ist wie ein neues Werkzeug, das noch nicht eingearbeitet ist.

 

Eines ist gewiß. Es ist niemandem zu wünschen, ein großer Mensch zu sein, wenigstens nicht, wenn er ein einigermaßen angenehmes Leben haben will. Denn eine Riesenlast lag auf allen Großen, die je über diesen Planeten geschritten sind: sie wurden alle von ihren Zeitgenossen nicht verstanden. Alle mußten ihr Leben führen und ihre Taten tun unter dem furchtbaren Druck grenzenloser Einsamkeit.

Gerade Einsamkeit ist das Schwere für einen lebendigen Geist, weil alle Geister auf Ergänzung angelegt sind und sich nach Ergänzung sehnen. Der Einsame hat nicht, wonach ihn am meisten verlangt, und bekommt's lebenslang nicht. Seine ganze Arbeit, in der das reiche Leben seines Geistes niedergelegt ist, gilt der Welt, aber die Welt hat ihn nicht begriffen. Und wo die Welt nicht begreift, da ist sie kalt oder feindlich gesinnt und versagt gerade das, wonach das große Herz am meisten verlangt, die Gemeinschaft.

 

Es sollte sich's auch niemand wünschen, etwas zu sagen zu haben. Wenigstens muß er die Einsamkeit gut vertragen können. Es ist ein ganz eigenes Ding, das nur solche verstehen, die es erleben, wenn jemand sein ganzes Sein auf die Lebensgemeinschaft mit Jehova stellt. Dem brechen einmal alle menschlichen Beziehungen ab.

Das glauben die Menschen nicht. Namentlich die Religiösen denken, beides vereinigen zu können, und ihre Anknüpfungspunkte zu Menschen in dem Maße zu vermehren, als sie die Sache Jehovas vertreten. Ein Weilchen geht's auch ganz flott vorwärts auf diesem Wege. Aber bald tritt eine Entscheidung ein. Denn in Gott liegt ein Unbegreifliches, das den Durchschnittsmenschen stutzig macht. Wer dann an Gott festhält, wird auch für die Massen zunächst unverständlich. Aber die meisten halten sich dann an die Massen und fangen an, nach Herzenslust über Jehova zu reden, ohne daß sie oder ihre Zuhörer merken, daß das Wesentliche unvermerkt von ihnen gewichen ist. Und Jehova läßt sie ganz ruhig ihre glänzenden Erfolge einheimsen und überläßt ihr Werk der Zeit. Aber mit der Zeit zerfällt's.


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