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Nur zum kleineren Teil habe ich wissenschaftliche, literarische Absichten, indem ich mich anschicke, einige Betrachtungen über den Lärm und die Geräusche niederzuschreiben. Zunächst aber, vor allem andern, liegt mir daran, mich von quälender Spannung langen Grolls und sachlichem Zorne zu entlasten. Darüber hinaus möcht ich auf möglichst viele Menschen wirken. Möchte sie aufrütteln, Gefahren und Mängel des Lebens aufzeigen und Wege zu ihrer Abhilfe und Aufbesserung! Dabei ist mir gleichgültig, in welche Gebiete der Wissenschaft die folgenden Darlegungen gehören. Gleichgültig, wenn sie in viele Gehege besser Wissender einbrechen; diesen oder jenen verstimmen; von diesem oder jenem missverstanden werden. Es handelt sich um alltäglich-menschliche Dinge. Es wäre zu wünschen, dass recht viele über sie frei ihre Meinung äussern, denn es könnte wohl manch einer wichtige Erfahrungen und Beiträge zu unserem Thema mitzuteilen haben. Man kann dieses Thema mit bestem Recht als »Grenzfrage des Nerven- und Seelenlebens« bezeichnen, (wofern man überhaupt einräumen will, dass es solche »Grenzfragen« gibt; und wofern man den Forscher nicht auf die Wahl beschränkt, Gegenstände wie den Lärm, entweder vom physiologischen oder vom psychologischen Standpunkt aus betrachten zu sollen). Aber auch viele andere Arbeitsgebiete haben an ganz dem selben Gegenstand Interesse und Anteil: Die Tonpsychologie, Musik, Otologie, Physiologie der Sinnesempfindungen, Psychophysik. Sodann auch ganz besonders die Hygiene, die Wirtschafts- und die Sozialpolitik. – Man sollte aber die folgenden Blätter nicht missachten, weil auf ihnen simple Dinge des täglichen Lebens zu Fraglichkeiten und Vorwürfen philosophischer Betrachtung werden. Es gibt für die Philosophie keinerlei Stoff, der an und für sich wichtiger wäre, als ein anderer. Ich wünschte nur, ich könnte dartun, wie von jedem Punkte der Erfahrung aus man in Hinter- und Untergründe des Lebens hinabtauchen kann, wie in jedem Gegenstande subjektiven Erlebens alle generellen Energieen mitwirken, zusammenfliessen und sich durchdringen; das ganze Menschengeschlecht, der ganze Kosmos. Es ist alles gleichmässig nichtig und wichtig; es ist gleichgültig, wo man beginnt. Das aber ist nur eine falsche »Wissenschaftlichkeit«, für die just das Feierliche, Profunde, Ausdrückliche – Anlass zum Nachgrübeln enthält. Sich mit Gott und dem Ende der Menschheit beschäftigen ist nicht an und für sich bedeutender, als die Beschäftigung mit den tausend konkreten Kleinigkeiten der Praxis. Diese bilden schliesslich doch immer die eigentliche Sorge unsrer Lebenstage, wirken am unerbittlichsten und verhängnisvollsten, und werden von jedermann im Grunde seines Herzens für das Notwendigste seines Lebens gehalten. – Ein allgemein menschlicher, tagtäglicher Notstand aber steht hier in Frage. Die treffendste Form unserer Sprache, die konzentrierteste Geisteskraft auf seine Durchleuchtung und Höherwürdigung zu verwenden, wäre mein Wunsch. Gleichwohl können sich unter den fünf Kapiteln meiner Schrift mehrere Abschnitte, (besonders die beiden ersten allgemeineren Kapitel), nur an Wenige, Anspruchsvolle wenden. Jene Leser, denen ausschliesslich das praktische Interesse, das »Meritorische« des Buches am Herzen liegt, mögen getrost diese oder jene Seite überschlagen. Sie sollen dort zu lesen beginnen, wo es sich für sie um aktuelle, greifbare, sinnfällige Erlebtheiten handelt, um Gebiete, die jeder kennt und in denen jeder mithelfen muss. Denn das letzte Ziel, das ich mir setze, ist dieses, einen Feldzug zu predigen. Mein Buch soll Signal werden zu einem allgemeinen Kampf gegen das Übermass von Geräusch im gegenwärtigen Leben. Es möge geschicktere oder volkstümlichere Federn in Bewegung setzen. Möge vielen Veranlassung bieten, seine Anregungen weiter zu tragen. Ja, ich hoffe auf Verwirklichung eines allgemeinen, internationalen Bundes wider den Lärm, der Einfluss auf Strafgesetz, Zivilgesetz, Verwaltungs- und Polizeigesetzgebung erlangt. Auf seinem Banner soll stehen: »non clamor sed amor« ...


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