Joseph von Lauff
Die Sauhatz
Joseph von Lauff

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Das vierte Horrido

                      Verkümmert sind die deutschen Eichen,
    Im weiten Reich herrscht Moderduft;
    Soldatenräte und dergleichen
    Verekeln einem Licht und Luft.
    Wohin man sieht, nur Hohn und Ränke;
    Man fühlt sich matt und bettelarm.
    Jedoch wenn ich an Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Wo sind die Helden nur geblieben
    Aus rühmlicher Vergangenheit?
    Verkannt, bedroht und abgetrieben
    Im Spülichtwasser dieser Zeit.
    Der Pöbel füllt sich Truh und Schränke,
    Verlästert Richter und Gendarm.
    Jedoch wenn ich an Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    O Wieprecht, Wieprecht, deutsche Säule,
    Du, Recke, du im deutschen Tann!
    Wie Herkules mit seiner Keule,
    Du stelltest immer deinen Mann.
    Der Mut war stets dein Wehrgehenke,
    Die Kraft saß dir im starken Arm.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Als Herr und Fürst der schwarzen Lettern,
    Du ließest oft in stolzer Ruh
    Die eignen Leitartikel klettern
    Dem Reich der ew'gen Sterne zu.
    Du warfst aus purem Handgelenke
    Sie herzhaft in der Gegner Schwarm.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Weißt du es noch, wie wir beim Gläschen
    Vertraulich saßen oft allein
    Und du das goldbebrillte Näschen
    Getaucht ins Spritzige hinein?
    Dann fülltest du in trauter Schenke
    Mit Limburgs Käse deinen Darm.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Geschichtlich warst du ohne gleichen,
    Gingst den subtilsten Dingen nach,
    Wenn auch vor deinen tollen Streichen
    Manch Säkulum den Nacken brach.
    Doch machte gut beim Glasgeschwenke
    Sich der historische Alarm.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Kurzum, du warst im großen Ganzen
    Ein braver Mann auf bravem Schuh,
    Und tanzen, tanzen, tanzen, tanzen,
    Auch tanzen, Wieprecht, konntest du.
    Du tanztest über Tisch und Bänke,
    Beseligt und mit vielem Charme.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

    Des Allerhöchsten Gunst und Gnade,
    Sie seien fürder dein Gewinn,
    Und Gott geleite, alter Knabe,
    Dich lange noch zum Schöppchen hin!
    Und du und ich – ein jeder schwenke
    Das Glas sich zu bei Lust und Harm.
    Wenn ich an Peter Wieprecht denke,
    Dann wird mein Herz beglückt und warm.

Bei Wieprecht war's. – Der Morgen graute,
Das Tal war noch ein dunstig Meer;
Doch Gottes liebe Sonne schaute
Bereits vom tiefen Osten her.
Da, fern noch dem gewohnten Wecken
Und herzhaft schnarchend mit Vergunst,
Lag unter feingesteppten Decken
Das Meisterlein der schwarzen Kunst.
Er schnarchte wie ein Mehlsackträger,
Er schnarchte brav, er schnarchte stramm,
Wie wenn zwei knüppelfeste Säger
Durchsägten einen Eichenstamm.
Doch plötzlich über Bett und Spreite,
In Schaum und Traum und Sägerei
Drang lustig von der Conder Seite
Herrn Hermann Josephs Hifthornschrei.
Und nun auch hier das Früherwachen,
Die Hast in wechselnder Gestalt,
Das Greifen nach den Siebensachen,
Der Aufbruch nach dem Conder Wald.
Und dann ein frauliches Ermahnen:
»Ach Gott! halt dich nur warm und dicht,
Und bei den schneeverwehten Bahnen
Vergiß die Unterhose nicht!«

»Ha, Weib! – bei meiner Tabaksdose!
Ein Mann wie ich, der so gefeit,
Trägt niemals eine Unterhose,
Ob's Eimer gießt, ob's Mollen schneit.
Spartanisch Limburgs Käse essen,
Spartanisch sein im Jagdrevier,
Spartanisch seine Zeit bemessen,
Das ist mein tägliches Brevier.
Ich halte, was ich mir gelobte,
Der Unterhosen blank und bar,
Hier diese Stirn, die sturmerprobte,
Ich biete sie den Sauen dar.
Paß Achtung! Kolben an die Backe!
Da kommt die Sau, schon ist sie nah.
Ich mache schleunigst »Knickeknacke«,
Und bautz! im Feuer liegt sie da.
Bei Gott, Geliebte, mich kann keiner . . .«
So sprach Herr Wieprecht frank und frei
Und tanzte dann, so flott wie einer,
An der Frau, an der Magd, an der Bank vorbei.
Indessen sie bei dieser Rede,
In ihrem Herzensüberschwang
Und zart und duftig wie Resede,
Verzweifelt ihre Hände rang.
»Schon alles gut, doch wenn am Ende,«
So hob sie tiefbekümmert an,
»So'n Ferkel keinen Spaß verstände,
Was wird aus mir dann, lieber Mann?«

»Aus dir?! – O mach' dir keine Sorgen,
Und denke nicht darüber nach!
Ich aber will von Goethen borgen,
Was er zu seinem Weibe sprach,
Um dich zu stärken, dich zu stählen,
Um dir zu geben Rast und Ruh;
Du brauchst dich länger nicht zu quälen,
Drum merke auf und höre zu!
Denn Goethe fand die hehren Worte,
Die, von mir ehrlich annektiert,
An jedem mir bekannten Orte
Der Tertianer deklamiert:

    Weib, gebiete deinen Tränen!
    Nach dem Weidwerk steht mein Sehnen,
    Das Gott Artemis belohnt,
    Wo in sturmdurchpflügten Forsten
    Adler und auch Sauen horsten
    Und der Troglodyte wohnt.

    Geht das Herz auch pupperpupper,
    Dieses ist mir äußerst schnupper,
    Denn ich fürchte keine Sau.
    Ruft das Horn auch voll und tonig,
    Werde drum nicht melankonig;
    Dieses ziemt nicht Wieprechts Frau.

    Horch, sie tobt schon an den Mauern!
    Laß das Weinen, laß das Trauern,
    Schau mir fröhlich ins Gesicht!
    Wenn ich selber Met muß trinken,
    Muß im Tartarum versinken –
    Meine Liebe, sie stirbt nicht.

    Drum gebiete deinen Tränen!
    Nach dem Weidwerk steht mein Sehnen,
    Nach des Keilers Schritt und Tritt.
    Kann ich einen niederstrecken,
    Dann – du kannst die Finger lecken –
    Bring' ich dir ein Eisbein mit.«

Er sprach's, und stolz wie ein Mahratte,
Ein Dschungelfürst und sprudelfrisch
Und mit dem Anstand, den er hatte,
Begab er sich zum Frühstückstisch.
Hier tät er eifrigst niedersinken,
Gespornt, gestiefelt, wie er war,
Und wütete in Wurst und Schinken
Wie ein tunesischer Korsar;
Denn Wieprecht galt in seinen Tagen
Bei jedermann für sehr solvent
Als Schinken-, Speck- und Schwartenmagen-
Und Wurst-vertilgendes Talent.
Profiziat! – zum eignen Wohle
Und gegen Blut- und Leberdruck
Entnahm er dann der Schnapsphiole
Noch einen derben Männerschluck.
Gewappnet so für Not und Jammer,
Bedachtsam, ohne viel Geschrei,
Besuchte er die stille Kammer
Und löste sich hier einwandfrei.
Dann nahm er eiligst Hut und Knarre,
Pfiff ein vergnügtes Jägerlied
Und segelte aus seiner Pfarre
Ins nachbarliche Pfarrgebiet.
Die Luft war klar, der Wind ging munter,
Der Schnee lag hoch vor Tor und Tür;
Den Strom hinaus, den Strom hinunter
Regierte grimmig Réaumür.
Doch unser Held ging wie die andern,
In vollem Wichs und derbem Schuh,
Mit hartem Schritt und frischem Wandern
Dem Schank der »Goldnen Traube« zu.
Und als er pfeifend geht die Pfade,
Frisch, fromm und frei und weiter so,
Habt acht! – in prächtiger Roulade
Ertönt das fünfte Horrido.


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