Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Gehirnspiegel

1908 ?

 

»Also doch noch!« begrüßte mich mein Freund Arwed, als ich in das Wohnzimmer trat. »Glaubte schon, du kämst nicht. Hast also meine Karte gefunden?«

»Soeben, als ich nach dem Theater heimkam. Es war spät zu Ende –«

»Ja, entschuldige, daß ich dich noch herzitierte. Aber ich habe dir etwas Wichtiges, sehr Wichtiges mitzuteilen.«

»Ich bitte dich, du weißt doch, wie gern ich mit dir und deiner Frau ein Plauderstündchen halte. Dazu hab' ich immer Zeit! Ich hoffe, es ist etwas Angenehmes?«

Arwed machte ein merkwürdiges Gesicht. Erst sah er mich starr an, als wolle er sich an meiner Spannung weiden, dann blickte er wie verlegen an mir vorüber, indem er sagte: »Mußte dich heute noch sprechen, das mußt du erfahren. Setz dich nur her. – Willst du noch etwas essen? Nein?«

Ich fragte nach seiner Frau. Es kam mir vor, als überhöre er absichtlich meine Frage. Er starrte vor sich hin und rief: »Großartig! Einfach großartig!«

Ich rückte mich in die gewohnte Sofaecke, während er, seinen Backenbart zerrend, in seiner nervösen Art auf und ab lief. Dabei funkelten seine Äuglein ganz aufgeregt. Dann stellte er sich vor mich hin, steckte die Hände in die Taschen und begann: »Was meinst du? Gehirnspiegel! Einfach großartig! Nicht?«

»Gehirnspiegel?« fragte ich. »Kenne ich nicht. Augenspiegel, ja, der machte Epoche, als ihn Helmholtz vor fünfzig Jahren erfand. Hast du etwa einen Gehirnspiegel erfunden?«

»Ich natürlich nicht. Nur den Namen. Vielleicht ist auch der nicht einmal richtig gewählt – es ist eigentlich etwas ganz anderes. Ich sinne schon den ganzen Abend über dem Namen. Aber großartig ist es.«

»Nun, was denn eigentlich?«

»Eine Erfindung vom Onkel Pausius.«

»Von Pausius?« fuhr ich auf. »Das läßt sich hören. Das wird jedenfalls großartig sein. Nur wird es uns nichts nutzen. Er veröffentlicht leider seine Entdeckungen fast niemals.«

»Aber diesmal hat er es mir bestimmt versprochen.«

»Wahrhaftig?« Nun sprang ich auch empor. Ich war aufs höchste gespannt. Pausius war ein Genie. Ich kannte den alten gelehrten Sonderling und sein Laboratorium und wußte einiges von seinen Studien. Er hatte tatsächlich Erfindungen von höchster Wichtigkeit gemacht, aber er rückte damit höchstens einmal gegen seine nächsten Freunde heraus. Die Menschen seien nicht reif dafür, behauptete er, und er habe sie nicht nötig. Ich faßte Arwed an den Schultern und rüttelte ihn. »So sprich doch, Mensch!«

»Ja, natürlich. Setz dich nur wieder. Ich will dir die ganze Geschichte erzählen. Also heute abend wollt' ich mit meiner Frau ein bißchen hinüber zum Onkel Pausius gehen. Ich stehe schon mit Hut und Stock und warte nur auf meine Frau. Es dauert eine Weile und noch 'ne Weile. Dann guckt sie mit einem verlegenen Lächeln zur Tür herein und sagt: ›Geh nur voran, ich werde gleich nachkommen.‹ –

›Nun, warum denn, was gibt's denn noch?‹ – ›Ach, ich habe nur meine Schlüssel verlegt, und es ist mir unangenehm, so fortzugehen.‹ Nun also, ich kenne das schon, ich gehe voran. Ich warte bei Pausius im Vorzimmer, dann klopfe ich an. ›Wer ist da?‹ – ›Arwed.‹ – ›Na, dann herein, aber vorsichtig‹, brummt er. Ich trete ein. Das Zimmer ist ganz dunkel. Endlich erkenne ich einen matt beleuchteten Schirm und darauf – ich bin nicht wenig erschrocken – meine Gestalt, etwas verschwommen freilich. Ich stehe ganz erstaunt. Da höre ich den Onkel sprechen: ›Seid ihr da? Ich höre ja deine Frau nicht, die ist doch sonst nicht so still?‹ In dem Augenblick erscheint das Bild meiner Frau neben dem meinigen auf dem Schirm. ›Meine Frau wird nachkommen‹, sage ich, ›aber –‹ Inzwischen dreht Onkel Pausius das Licht an. Auf dem Schirm sieht man nichts mehr, und der Onkel zieht seinen Kopf vorsichtig aus einem merkwürdigen Gestell hervor. Er steht langsam auf, reibt sich die Hände, deutet auf ein kleines Fläschchen auf seinem Experimentiertisch und sagt schmunzelnd: ›Habe da was Neues, Feines. Willst mal probieren?‹ Ich mache natürlich ein etwas mißtrauisches Gesicht.

›Kannst es ruhig riskieren‹, fährt der Onkel fort. ›Kraniophan! Macht einen hellen Kopf sozusagen.‹ Ich bat ihn um eine Erklärung.

›Ja‹, sagt er, ›das ist 'ne Flüssigkeit! Ich spritze eine Kleinigkeit in das Blut. Sobald sie mit den Knochen in Berührung kommt, wird sie von diesen aufgesaugt. Merkwürdig, aber es ist so, sie durchdringt die ganze Substanz, wie Wasser ein Löschblatt. Das schadet jedoch dem Körper nichts und den Knochen auch nichts. Nach fünf Minuten ist die Wirkung wieder vollständig verschwunden. Was man davon hat? Ja, das ist eben das Feine. Solange nämlich die Knochen das Kraniophan enthalten, sind sie für Licht durchdringlich, wenigstens für die Strahlen der von mir konstruierten Lampe. Nehmen wir ein sehr intensives Licht, so bringen wir es durch die Haut und die Fleischteile hindurch. Dann können wir aber auch durch die Knochen hindurchleuchten.‹

›Wirklich?‹ sagte ich eifrig. ›Das ist ja außerordentlich wichtig für die Heilkunde!‹

Der Onkel schmunzelte. ›Hm, hm‹, fuhr er fort, ›wenn es nur das wäre, das wußt' ich schon lange. Habe aber dieser Tage was ganz Neues entdeckt. Ich leuchte ins Gehirn hinein.‹

›Das läßt sich denken. Da der Schädel aus Knochen besteht, wird er ja durchstrahlbar. Das ist eben eine der großartigen Folgen deiner Erfindung.‹

›Pah! Das ist das wenigste, daß wir in die Gehirnzellen hineinsehen. Freilich, fein ist's ja, aber es handelt sich nicht bloß um das Physiologische, es steckt noch etwas ganz Merkwürdiges dahinter!‹

›Ich begreife nicht, was du noch mehr erreichen willst.‹

›Glaub's schon. Begreife es selbst kaum. Denke dir! Ich sehe nicht bloß die Hirnzellen, sondern ich zeige dort auf dem Schirm deine eigene Vorstellung, das, was du im Augenblick denkst, sozusagen – ja, ich kann es sogar fotografieren.‹

›Unmöglich, Onkel! Du willst mich zum besten haben!‹

›Tatsächlich! Ich will es dir zeigen. Allerdings nicht jede Vorstellung, sondern nur die optischen, das heißt das, was sichtbar ist, was du dir selbst als Figur, als Bild im Raum vorstellst. Was sahst du auf dem Schirm, als du hereinkamst?‹

›Mich selbst.‹

›Und dann?‹

›Meine Frau.‹

›War sie hier? Nein. Warum sahst du sie? Weil ich gerade mein Sehzentrum im Gehirn durchstrahlen ließ und erst an dich, dann an euch beide dachte. So erschienen eure Bilder. Wie das zu erklären ist? Ja, ich habe auch eine Theorie. Höre mich an! Doch nein, ich will dir zuerst eine einfache Probe zeigen. Komm her!‹

Ich weigerte mich nicht. Der Onkel machte mir eine Einspritzung. Dann wurde mein Kopf in den Apparat gesteckt. Die Spitze der Lampe, in der, von außen natürlich nicht sichtbar, das sehr helle Licht erzeugt wurde, berührte meinen Kopf von hinten zwischen den Haaren. Die Einstellung wurde so gemacht, daß der Brennpunkt der Strahlen im Gehirn in das Sehzentrum fiel. Der durch die Stirn heraustretende Lichtkegel ging dann noch durch eine Linse und wurde auf einem besonders präparierten Schirm aufgefangen.

›Stelle dir einen Kreis vor‹, sagte Pausius zu mir. Ich tat es. Auf der Tafel erschien ein Kreis. Er wechselte die Farben, je nachdem ich ihn mir rot, blau oder gelb dachte. Dazwischen wogten aber zugleich allerlei undeutliche Figuren einher; nur der Kreis beherrschte sie bleibend, solange meine Aufmerksamkeit auf die Vorstellung eines Kreises gerichtet war. Nun dachte ich an die Figur einer 3, und sogleich erschien dieses Bild auf dem Schirm. Dann wurden die Figuren undeutlich, die Wirkung war verflogen, und ich zog meinen Kopf aus dem Apparat.

›Nun?‹ brummte Onkel Pausius.

Ich saß ganz niedergeschmettert da und sagte zum Onkel: ›Die Sache erscheint fast sinnlos – diese Figuren sind doch nicht als solche in meinem Gehirn; wie können wir sie hinausprojizieren?‹

›Natürlich sind sie nicht darin‹, erwiderte der Onkel lachend. ›Aber wir sehen ja auch nicht hinein – da würden wir nur Zellfasern und Blutkörperchen sehen –, wir sehen ja hinaus. Lausche an einem Telefondraht, du hörst auch nichts, du mußt das Instrument daranbringen. Was geschieht denn, wenn wir einen Kreis sehen? Von außen kommen in bestimmter Weise angeordnete Lichtstrahlen, bestimmte Nervenzellen pflanzen ihre eigenartigen Schwingungen bis zum Zentrum fort und solange diese bestimmte Form des Schwingungszustandes der Nervensubstanz dauert, haben wir die Empfindung eines Kreises. Nun kehren wir bei unserm Versuch die Sache um. Wir stellen uns einen Kreis vor. Jetzt findet dieselbe Veränderung der Nervensubstanz vom Zentralorgan aus statt, die vorher beim Sehen vom Auge aus stattfand. Der so veränderte Schwingungszustand der Zellen wird vom Lichtbüschel unserer Lampe getroffen. Dieses Licht wird dadurch in seiner Schwingungsperiode verändert, und dieselben Raumbeziehungen pflanzen sich in den Lichtwellen bis zum Schirm fort. Das Licht stellt gewissermaßen eine Telefonplatte, die Gehirnzellen das erregende Magnetfeld vor. So erkläre ich mir den Vorgang.‹

Ich saß in mich versunken.

›Na, lassen wir's sein‹, sagte der Onkel. ›Da kommt ja auch dein liebes Frauchen. Nun, wo warst du denn so lange, sozusagen? Hast du die Schlüssel gefunden?‹

Meine Frau schüttelte wehmütig den Kopf.

›Weißt nicht, wo du sie hingelegt hast?‹ sagte der Onkel launig. ›Werde dir helfen. Setz dich einmal her. Wir wollen jetzt den Ort sehen, wo du sie zuletzt hingelegt hast. Vielleicht erkennen wir ihn dort auf dem Schirm.‹

›Was soll das?‹ sagte meine Frau.

›Ein bißchen Gedankenlesen, weiter nichts. Ein bißchen in das Köpfchen hineingucken, was da alles durcheinanderwirbelt.‹

Nun, kurz und gut, wir erklärten meiner Frau, um was es sich handle. Erst sträubte sie sich ein wenig; dann wurde sie doch selbst neugierig, als der Onkel ihr die Prozedur vorgemacht hatte –«

Mein Freund unterbrach seine Erzählung. Er riß wieder an seinem Bart und rannte durchs Zimmer, bis er mit unsicherem Blick vor mir stehenblieb.

»Ja, jetzt«, begann er wieder, »wie soll ich sagen – zu dir kann ich ja offen sein, Konrad –«

Ich hatte das Gefühl, als wenn Arwed gegen mich verstimmt sei, obwohl ich keinen rechten Grund wußte, aber er machte ein so seltsames Gesicht, und da wurde mir etwas unbehaglich zumute. Sollte bei diesem Versuch irgend etwas –?

»Ich muß dir gestehen«, fuhr Arwed fort, »auf einmal überkam mich eine unheimliche Angst. Am liebsten hätte ich den Versuch nicht zugelassen, wenn ich mich nicht vor dem Onkel geniert hätte. Aber der Gedanke, ich solle jetzt plötzlich sehen, was sich meine Frau vorstellte in ihrem Innersten ... sie hatte offenbar gar keine Bedenken, und ich habe ja auch nicht den geringsten Grund des Mißtrauens, das weißt du ja – und doch! So eine junge, hübsche Frau ... kein Mensch kann doch wissen, was ihr heimlich im Kopf steckt. Ich fühlte mich ganz miserabel.«

Als Arwed dies sagte und wieder aufgeregt umherlief, ging es mir ganz ebenso. Am liebsten hätte ich weiter nichts gehört. Wer kann einer Frau ins Köpfchen sehen? Und wenn er's kann, so soll er's hübsch bleibenlassen. Gewiß, ich fühlte mich ja ganz unschuldig, aber wenn ich jetzt in Pausius' Apparat gesteckt hätte – ich sah im Augenblick diese allerliebsten, schelmischen Züge, ich sah die leuchtenden braunen Augen und das dunkle Haar an den Schläfen, ich sah Frau Arwed so deutlich vor mir, daß ihr Bild gewiß auf dem Schirm erschienen wäre. Mir wurde ebenso angst wie meinem Freunde, aber ich sagte möglichst kühl: »Na, was habt ihr denn nun gesehn?«

Arwed warf einen langen Blick auf mich. Dann begann er wieder: »Nun, Pausius forderte meine Frau auf, sich ihre Schlüssel recht deutlich vorzustellen, so wie sie sie in der Hand zu halten pflegte. Und wirklich, auf dem Schirm, über den wieder allerlei undeutliche Gestalten huschten, erschienen unter dem Einfluß ihrer Aufmerksamkeit die Schlüssel mit der haltenden Hand, und daneben –«

»Daneben – so sprich doch!«

»Deutlich der Kopf eines Mannes –«

»Welches Mannes?«

»Denke dir, was in mir vorging – vielmehr, es läßt sich nicht denken –, das unsinnigste Zeug schoß mir durch den Kopf –«

»Welches Mannes denn?«

»Das wirst du dir wohl selbst sagen. Ich zitterte vor Erregung, ich mußte ins Freie! Ich sprang auf, lief nach der Tür, schon war ich draußen, da hörte ich meine Frau mit ihrer hellen Stimme rufen: ›Ah, jetzt weiß ich's! Hinter Konrads Fotografie auf dem Wandbrett müssen sie liegen; als ich die Bilder abstäubte, habe ich sie dort aus der Hand gelegt.‹

Und nun rannte ich nach Hause«, fuhr Arwed fort, »es ist ja nicht weit, die Treppen hinauf und hier hinein, und da – ich riß deine Fotografie vom Wandbrett herunter, und wahrhaftig, da lagen die Schlüssel! In drei Minuten war ich wieder mit dem Schlüsselbund zurück. Meine Frau wußte gar nicht, warum ich sie so stürmisch an mich zog.«

Arwed setzte sich nun an den Tisch und griff nach einer Zigarette. Ich wußte nicht recht, was ich sagen sollte. Ein Stein war mir vom Herzen gefallen, aber eine gewisse Verlegenheit konnte ich nicht verbergen.

»Da triumphierte wohl Onkel Pausius?« fragte ich.

»Freilich, er schmunzelte, aber als ich die Brauchbarkeit seiner Erfindung herausstrich, sagte der Onkel weiter: ›Das ist noch gar nichts, sozusagen. Wenn man etwas Übung hat, kann man noch ganz andere Dinge machen. Es kommt nur darauf an, daß man eine kräftige malerische Phantasie und die Fähigkeit starker Konzentration besitzt, so daß man die Aufmerksamkeit selbst auf seine bildhafte Vorstellung gefesselt halten kann, denn bei der geringsten Abweichung der Gedanken werden die Bilder gestört.‹ Und nun setzte sich Pausius selbst wieder an den Apparat, indem er erklärte, er wolle uns jetzt einige Erinnerungen und dann einige Phantasien vorführen.

Nun entwickelten sich auf dem Schirm farbenprächtige Gemälde, deren Figuren sich lebendig bewegten, Szenen, die er im Theater gesehen, Bilder, die er selbst entworfen hatte, auch, was er im Augenblick gerade sich vorstellte –«

Ich faßte Freund Arwed an der Hand, ihn unterbrechend.

»Mensch«, rief ich, »bist du dir denn klar, was diese Erfindung bedeutet?«

»Natürlich – das wird sich nach der Veröffentlichung erst glänzend zeigen. Das Studium der Gehirnphysiologie, des Seelenlebens, der Psychologie, die ganze Medizin –«

»Ach was! Ich denke jetzt nicht an die Wissenschaft. Was Pausius entdeckt hat, das bedeutet die Kunst: die neue Kunst, die kommende Kunst – die absolute Malerei! Verstehst du nicht? Farben und Pinsel sind überflüssig, Übung und Handgeschicklichkeit sind nicht nötig. Die Phantasie des Künstlers erzeugt unmittelbar vor den staunenden Blicken des Beschauers bildhaft die innersten Erlebnisse des Genius. Überwunden durch die naturwissenschaftliche Technik ist jede Mühe der malerischen Technik – die Seele malt unmittelbar! Raffael braucht keine Hände mehr. Frei vom schweren Stoffe wird der Künstler. Das Ideal ist in das Leben selbst gesetzt, vielmehr der Mensch ist zu den Göttern erhöht – seine Anschauung ist Schaffenskraft!« Begeistert sprang ich auf und drang in Arwed: »Und wann, wann veröffentlicht Pausius? Will er es denn wirklich? Will er selbst schreiben?«

»Er hat es versprochen. Bald, sogleich soll es geschehen. Näheres hat er meiner Frau gesagt, als ich fort war.«

»Wo ist denn überhaupt deine Frau? Soll man sie heute nicht mehr zu sehen bekommen?«

»Heute nicht mehr, denn es schlägt eben zwölf. Aber natürlich wollte sie noch ein bißchen hereinkommen. Bei solchem Ereignis muß sie doch mitreden. Und horch – da kommt sie schon mit den Gläsern!«

Ich trat ihr entgegen. Ihre Wangen waren gerötet, und ich glaubte eine leichte Verlegenheit in ihren Zügen zu lesen, als sie das Tablett absetzte und mir die Hand reichte.

Ich brachte nur die Worte hervor: »Wann – wann denn kommt der Gehirnspiegel zur Veröffentlichung?«

Sie sah mich mit den schönen Augen freundlich an und sagte verständnisvoll: »Nicht wahr, es ist eine große Sache? Aber etwas unheimlich. Und morgen – bestimmt morgen, sagte der Onkel, sende er sein Manuskript ab.«

»Morgen!« rief ich. »Das wird ein Wendetag in der Kulturgeschichte!«

»Morgen?« sagte Arwed. »Das ist ja schon heute!« Er hatte die Gläser gefüllt. »So laßt uns anstoßen auf die neue Kunst, auf den Gehirnspiegel!«

Die Gläser klangen zusammen. Gewohnheitsmäßig entfernte ich das abgelaufene Blatt vom Wandkalender. Er zeigte jetzt – den ersten April.


 << zurück weiter >>