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Brunos Christuslehre.

Im Vordergrunde aller Glaubenssätze steht selbstverständlich die Person Christi. Mit Recht verwahrt sich Bruno dagegen, daß er jemals die Lehre von der Gottheit Christi öffentlich bekämpft habe. Seine bedenklichste Äußerung über dieses Grunddogma der christlichen Religion findet sich im Spaccio, einer Schrift, die ihrem ganzen Inhalt nach nicht als ernster Ausdruck seiner Überzeugungen genommen werden darf, für die er vielmehr mit Recht schon wegen ihrer dramatischen und dialogischen Form eine gewisse licentia poetica beanspruchen durfte. Und hier heißt es in unverkennbarer Anspielung auf die Person Christi beim Sternbilde des Chiron:

Zeus: »Mag ich selber gegen Chiron gesagt haben, was auch immer gesagt ist, nunmehr widerrufe ich es, und behaupte, daß Chiron, der Centaur, weil er der gerechteste Mensch gewesen ist, der dem Äskulap die Heilkunst, dem Herkules die Sternkunde und dem Achill die Musik gelehrt hat, weil er die Kranken heilte und den Weg zu den Sternen wies, weil er gelehrt hat, wie die tönenden Saiten mit dem Holze verknüpft werden und gehandhabt werden müssen, mir des Himmels nicht unwürdig erscheint. Ja, ich erachte ihn für den würdigsten, da in diesem himmelischen Tempel, an diesem Altare, den er bedient, kein anderer Priester ist, als er selbst, der, wie Ihr seht, das Opfertier an der Hand hat und die Opferflasche am Gürtel.«

Vor dem Inquisitionsgericht bekennt sodann Bruno, in Ansehung der Gottheit Christi gelegentlich die Lehre des Arius für »weniger bedenklich« angesehen zu haben, »als sie gemeinhin angesehen und ausgelegt würde«; »Arius habe keineswegs behaupten wollen, daß Christus, das Wort ( Logos) ein Geschöpf sei, sondern er stehe in der Mitte zwischen Schöpfer und Geschöpf, wie das Wort vermittelt zwischen dem, der es spricht, und dem, zu welchem gesprochen wird, und demnach sei Christus der Erstgeborene von allen Kreaturen, von welchem zwar nicht, aber durch welchen alles geschaffen ist, zu welchem zwar nicht, aber durch welchen jedes Wesen sich bezieht und zurückkehrt zum letzten Endzweck, welcher der Vater ist.« In Verbindung hiermit stehen seine Zweifel am Dogma der Dreieinigkeit, über die er sich folgendermaßen erklärt: »Ich sage, daß ich geglaubt und angenommen habe, daß Gott sich unterscheidet als Vater, als Wort und als Liebe, d. h. als heiliger Geist, und daß diese drei in Wesenheit ein Gott sind, aber ich habe nicht begreifen können und darüber gezweifelt, wie diese drei begrifflich als Personen verschieden sind, zumal mir jener Begriff der Person in Hinsicht auf die Gottheit nicht passend zu sein schien, nach den Worten des heiligen Augustinus, der ja sagt: »Nur mit Furcht sprechen wir das Wort Person aus, wenn wir vom Göttlichen reden, und wir brauchen es nur, weil die Not uns dazu zwingt« ( St. Augustinus de Trinitate C. VII, opera omnia, Parisiis 1694 Vol. II, p. 852).

Wenn nach den Akten des venetianischen Prozesses Brunos Ketzertum, zumal mit Rücksicht auf seinen damaligen reuigen Standpunkt, selbst vom katholischen Standpunkte aus in verhältnismäßig mildem Lichte erscheinen muß, so bildet der weitere Verlauf seines Prozesses in Rom ein undurchdringliches Rätsel, so lange nicht die Kurie sich entschließt, etwaige dort noch vorhandene Protokolle, und vor allem die wertvollen Anlagen derselben, das dem Papst gewidmete Werk » De septem liberalibus artibus« und die in der letzten Sitzung überreichte, »eröffnete, aber nicht gelesene« Denkschrift, zu veröffentlichen.

Unglaubwürdig im höchsten Grade ist über diesen jahrelangen weiteren Verlauf des Prozesses der Bericht des Konvertiten Schoppe an Rittershausen (S. 228 ff. des Bd. VI meiner Übersetzungen), demzufolge der Nolaner in Rom der Inquisition ein ganz anderes Gesicht gezeigt haben müßte, als in Venedig, und mit seinen Richtern jahrelang ein frivoles Spiel getrieben hätte. Umgekehrt haben wir Anlaß, anzunehmen, daß in diesem Prozesse, in den, wie gewöhnlich bei derartigen Justizmorden, allem Anschein nach rein persönliche Feindschaften mit hineingespielt haben, mit dem Nolaner selber, wenn kein frivoles, so doch ein sehr grausames Spiel getrieben worden ist. Wenn in dem Schreiben des berüchtigten Schoppe eine Mitteilung den Eindruck der Wahrheit macht, da Schoppe ja anscheinend schadenfroher Zuschauer des grausamen Todes gewesen ist, so könnte es die sein, daß der Nolaner, als »dem schon Sterbenden das heilige Kruzifix vorgehalten wurde, mit verachtender Miene sein Haupt wandte.« Aber wir fassen diese seine letzte Geberde, wenn sie geschichtlich ist, nicht so auf, wie Eugen Dühring, der hierin die letzte Demonstration seines Anti-Christentums erblickt. Wir sind vielmehr der Meinung, daß Bruno, der hierbei sich freilich nicht dem vollkommenen Vorbilde Dessen gewachsen zeigte, der in gleicher Lage das: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« gesprochen hat, von dem aber immerhin die Zeitung desselben Tages glaubhafter, als Schoppe berichtet, daß »er sagte, er sterbe als Märtyrer und sterbe gern, und seine Seele werde aus den Flammen zum Paradiese emporschweben« (also nicht der Reinkarnation verfallen!), mit jener Geberde keine Verachtung des christlichen Symbols oder gar des Gekreuzigten selbst bekunden wollte, sondern seine berechtigte Entrüstung über solchen Mißbrauch des Kruzifixes. Und er hatte ein Recht dazu nach seinen eigenen Worten vor dem Inquisitionsgericht, mit denen er die Frage beantwortet hat: Welche Dinge sind nötig zum Seelenheil? – » Glaube, Liebe und Hoffnung


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