Heinrich Kruse
Die kleine Odyssee
Heinrich Kruse

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Vorwort.

Als ich noch Gymnasiallehrer war, hatte ich einen Collegen, der in seiner Jugend auf See gefahren. Da die Mannschaft von ihm begehrte, er solle etwas erzählen, und sein Vorrath an Geschichten bald erschöpft war, kam er auf den glücklichen Gedanken, den Leuten den Homer zu erzählen, soweit er sich des trojanischen Krieges und der Abenteuer des Odysseus noch erinnerte, und fand das dankbarste Publikum. Warum dies, was sich wirklich begeben hat, nicht dichterisch ausführen? Man erhält dabei die beste Gelegenheit, aus den homerischen Gesängen Alles auszulassen, was für uns fremdartig und ungenießbar geworden sein mag, und die schönsten Blumen zum Kranze zu flechten.

Mit dieser Absicht habe ich mich immer getragen und sie in meiner gegenwärtigen Muße endlich ausgeführt. Schon vor einigen Jahren ließ ich unter dem Titel: »Die kleine Odyssee« in der deutschen Dichtung bruchstückweise eine Dichtung erscheinen, die ich seitdem umgearbeitet habe. Fast die Hälfte ließ ich aus, fügte Manches hinzu und glaube jetzt sagen zu dürfen: Die Hälfte ist mehr als das Ganze. Ich habe dabei den Rath des Horaz befolgt:

- et quae
Desperat tractata nitescere posse, relinquit,

und mir im Uebrigen manche Freiheit gestattet. Es gewährt einen eigenen Reiz, mit Homer und Virgil, da man es im Ganzen nicht kann, im Einzelnen zu wetteifern; und die Bemerkungen des Schiffsvolkes dienen dazu, den Ernst mit Humor zu würzen. Die ernsten und die heiteren Theile des Werkes haben mir das gleiche Vergnügen gewährt, und so will ich hoffen, daß es einigermaßen den Lesern ebenso gehe.

Auf die Hexameter habe ich vielen Fleiß verwandt, ohne metrische Kunststücke machen zu wollen. Die Verse würden meines Erachtens schlechter sein, wenn sie besser wären. Wer es der Mühe werth hält, meine Ansichten über den deutschen Hexameter kennen zu lernen, den kann ich auf meinen Aufsatz: »Der griechische Hexameter in der deutschen Nachbildung« verweisen. Er ist veröffentlicht in Rudolf Westphal's Allgemeiner Metrik (Berlin, S. Calvary & Co.). Der Verfasser, der erste Mann des Faches, fand seine eignen Ansichten in so großer Uebereinstimmung mit den meinigen, daß ich ihm auf seinen Wunsch die kleine Abhandlung zum Abdruck überließ.

Bückeburg, im October 1892.

H. K.

 


 


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