Karl Kraus
Literatur oder Man wird doch da sehn
Karl Kraus

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Zweiter Teil

Die Mänaden
Gott wie kosmisch!

In der Gruppe, die um den Sohn versammelt ist, entsteht eine Bewegung. Man hört einen Schrei: Oh Mensch!

Erster Bacchant
Also – das ist doch nichts Neues!

Zweiter Bacchant
Ja, das hat man wirklich schon gekannt, wie noch das Kriegspressequartier war. Wie die Verbrüderung gekommen ist, war mir das alles schon so geläufig das mit dem Menschentum, daß ich mich geniert hab. Wenn es nicht wegen Romain Rolland gewesen wäre, das heißt wegen Zweig – so hätte ich mich nicht verbrüdert.

Der erste
Zweig hat von allen sicher die größte Menschlichkeit entfaltet. Unvergessen wird ihm bleiben, daß er schon 1917 und noch dazu in der Schweiz das Wort geprägt hat, daß der Krieg etwas Schreckliches ist. Das wird vom Jeremias bleiben.

Der zweite
Ja, es hat etwas dazu gehört. Wenn man sich erinnert, welche Mentalität damals unsere Leute im Kriegspressequartier gehabt haben. Dieses Durchhaltenwollen, dieses auf den Endsieg Eingestelltsein, dieser Blutdurst . . .

Der erste
Was wollen Sie haben? Menschen im Krieg!

Der zweite
Trotzdem behaupte ich und dabei bleibe ich: Der Mensch ist gut.

Der erste
Das is aber ja wahr! Das seh ich doch am besten an mir. Ich fühle wie ich demütig werde. Denn das weiß ich, ich bin erwählt. Ich muß den Durst nach Wert in mir stillen; und ich werde es.

Der zweite
Was fällt Ihnen dazu ein?

Der erste
Sie meinen wegen der Libido?

Der zweite
Nein, wegen Werfel. Was sagen Sie, wie der geläutert ist! Nicht wiederzuerkennen. Haben Sie den Schrei gehört, mit dem der Spiegelmensch in ihm versunken ist? Krrriehh! Es hat einen Krach gemacht, wie wenn er durchgefallen wäre.

Der erste
Ich war dabei. Wiewohl es nur ein Symbol ist, so war es doch ein Erlebnis. Mir ist zum erstenmal das Gleichnishafte alles Vergänglichen aufgegangen. Und passen Sie auf, allen, die in seiner Lage sind und in seinen Fußstapfen erleben, wird es genau so gehn. Uns und allen. Und speziell ihm. (Er zeigt auf den Sohn.) Ich glaube, daß sich heute etwas entscheiden wird . . .

Der zweite
Man wird doch da sehn.

Der erste
Es fällt mir übrigens auf, daß Sie »Der Spiegelmensch« sagen. Es heißt »Spiegelmensch«. Wie können Sie wissen, ob es ein Maskulinum ist? Wissen Sie, was Om ist?

Der zweite
Nein.

Der erste
Ich auch nicht.

Der zweite
Sie haben recht, das ist es. Er hat es. Nicht wissen. Sein. Das Om haben.

Der erste
Ich habe das Ur.

Der zweite
Hab ich auch.

Der erste
Es ist der Schlüssel.

Der zweite
Ich schwanke nur noch, ob ich mich dem Neokatholizismus anschließen soll oder dem Zionismus. Ich bin durch Kierkegaard hindurchgegangen, aber jetzt korrespondiere ich mit Haas, ob ich mich auf den Weg begeben soll, der wahrscheinlich doch zur Erlösung führt. Damit man nur wieder einmal seinen Ewigkeitsmenschen in sich erkennt. Ich künde –

Der erste
Ich wer' Ihnen sagen, mir steht die indische Philosophie näher, die wahrscheinlich einen entscheidenden Einfluß auf meine Entwicklung haben wird. Es wird sich demnächst entscheiden. Wie endet Spiegelmensch? »Um endlich die letzte Vollendung zu finden im süßen Erlöschen und Ausdirverschwinden.« Nein, das hat kein Goethe geschrieben. Wissen Sie was? In mir sind stumme Fragen laut, die längst beantwortet sind. Wir müssen endlich zur Synthese gelangen.

Der zweite
Meinen Sie im Kosmischen oder im Allgemeinen? Wissen Sie, was das Ethos anbelangt, so kann ich Ihnen sagen, daß ich es darin heute mit jedem von der Wiener Literatur aufnehme, und das will viel sagen. Momentan allerdings befinde ich mich auf der Selbstflucht. Das wichtigste Symptom, das ich bei der letzten Analyse an mir beobachtet habe, ist, daß ich es an andern beobachte. Aber das gehört ja dazu.

Der erste
Wir müssen Wesentliches aus uns herausprojizieren und zunächst in allen seinen Auswirkungen auswerten. Wir, denen es nun einmal bestimmt ist, neue Lebensinhalte aus uns herauszustellen und als schöpferische Menschen die heroische Selbstbehauptung in die determinierten Zusammenhänge mit den Bewußtseinsinhalten der Realität zu differenzieren, indem wir den Extrakt unseres Wesens mit der Abstraktion im Bilde restlos zu verschmelzen suchen, um in Lust und Qual tragischer Selbstauflösung aus dem titanischen Ringen um ein Seiendes als ein Vorgestelltes das Gestufte im Rauschhaften zum Erlebnis der Ekstase perspektivisch aufzugipfeln und so, befreit und doch zutiefst gebunden, mit äußerster Konzentration den letzten Schritt vom Erhabenen zum Kapriziösen zu wagen.

Der zweite
Wem sagen Sie das! Nur wer Wissen um Größe und Gewalt, die in unser Leben der geschichtliche Wille geschüttet, womit er es zum Rand gefüllt hat, erlebt, dem wird Sturm und Segnung und eine Fülle der Eindrücke, die gigantisch heranbraust, mit einer bis zum Verzicht gesteigerten zerebralen Leidenschaft die Besinnung rauben. Und doch drängt sich das Bewußtsein des quälenden, drückenden, enervierenden Fluches der Materie vor, die makabre Wehmut, die der Gedanke heraufspült, daß diese Bedingtheit, dieses in einem stilisierten Abrollen von Leistung und Pflichterfüllung verlaufende Dasein den krönenden Gipfel arabesken, minutiös-monumentalen Weltgefühls nicht erreichen, geschweige denn in einem triumphalen, blitzenden, stolz aufglühenden, musivisch-linearen, gleichsam konturhaften Geheimnis überwinden könnte, das mit diesen skurril-heroischen Verkürzungen und Verknüpfungen im strukturhaft Dimensionalen und mit der harmonisch zerrissenen, distanzierten und moquanten Gebärde einer geschlossenen, gebietenden und lenkenden, fast seigneurialen Gestalt, umbraust von dem Glanz und dem Pathos der Geschichte, sich noch einmal zu der konvulsivischen Wucht plastisch-diaphaner, wie verflackernder Seelenschönheit erhebt, um dann mit asthenischer Dynamik nach einem steilen Schrei der Rabies in tenebral-luciden Intervallen sich schlechthin zum amorph Adjektivischen zu kristallisieren.

Der erste
Damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Das sollten Sie schreiben. Ich kann es Ihnen nachempfinden. Es geht mir ja ähnlich. Indem ich aber vom eigenen unerlösten Wesen singe, löse ich polare Energien aus und betrete, Sucher und Priester in einem, Neuland der Seele. Ich weiß nur nicht, ob ich die Welt sich in mir spiegeln lassen soll oder mich in der Welt. Ich besitze mich nicht in meiner Ichheit. Manchmal werde ich darüber nachdenklich. Aber eben das gibt ja meiner Lyrik die Geste.

Der zweite
Ich bin jetzt am Ziel des deutschen Wegs. Ich bin dort, wo Minnesang und Meistersang, das Nibelungenlied und Hans Sachs, Weininger und Jakob Böhme, Rilke und Kassner, Klopstock und Latzko, Kant und Fichte, Beethoven und Bach erfüllt sind. Eckhart und Tauler, Herr Walter von der Vogelweide, Hermann Bahr und Thomas von Aquino sind, seit wir von Ischl zurück sind, die Leitsterne meines Daseins. Wissen Sie, das Nibelungenlied ist doch sehr gekonnt! Und wie ich Thomas von Aquino wieder einmal vorgenommen habe, war es eine ganz reine Stunde.

Der erste
Ist er nicht etwas epigonisch verknorkst? Wie sind Sie Thomist geworden?

Der zweite
Ich habe viel überwunden, ehe ich dahin gelangt bin. Ich habe erkannt, daß wir nicht durch die Realität sind, sondern die Realität durch uns. Wie prachtvoll notiert doch Bahr am 13. Februar in seinem Tagebuch: »Heut am ersten Fastensonntag betet die Kirche: Obtinere abstinendo! Hier ist das Geheimnis kundgetan. Nur durch Enthaltung erhalten wir erst den Preis des Lebens.« Seit ich das gelesen habe, fühle ich mich doch schon sehr stark.

Der erste
Was halten Sie vom Barock?

Der zweite
Was halten Sie?

Der erste
Kein Zweifel, daß es seine Renaissance erleben wird.

Der zweite
Apropos Renaissance. Wissen Sie schon, daß ich effektiv einmal ein Condottiere war? Manchmal kommt noch meine Cesare Borgia-Natur in ihrer ursprünglichen Wildheit zum Durchbruch, wissen Sie wegen dem Inzestmotiv, aber dann finde ich doch immer wieder eine Brücke des Herzens zwischen Diesseits und Jenseits.

Der erste
Kommen Sie noch hinauf zu Terramare? Ich weiß, wenn ich zur Zeit Buddhas gelebt hätte –

Der zweite
Buddho!

Der erste
Natürlich – Wissen Sie, was man werden muß? Ein Joghi! Ein Joghi hat ausgesorgt.

Der zweite
Ich mache gar keine Pläne. Ich weiß um die unbestimmten Dränge der Zeit und vertraue ihnen. In mir ballt es sich. Zähne zusammbeißen und dastehn. Bereit sein. Auf das Opfer kommt es an. Ich mache gar keine Pläne. Wenn es zu einer Rätediktatur kommt – wenn es mir bestimmt ist, mein Golgatha zu finden – also wenn es soweit kommt – Sonnenschein hat mir versprochen – das Ressort für die Sozialisierung der Luxusdrucke –

Der erste
Ich stehe am Ufer und alles fließt vorbei. Noch ein Schritt und ich habe die letzte Vollendung gefunden und gehe in den unberührten Frieden der Erde ein. Güte – das ist es. Wissen Sie, ich weiß schon manchmal nicht mehr, ob ich Ich bin oder Du bin.

Der zweite
Wir sind.

Der erste
Kein Zweifel. Aber es kommt auf das Einander an. Besonders wenn es sich um Rezensionen handelt.

Der zweite (zieht sein Notizbuch, murmelt)
Gütig sein . . . Bruder . . .

Der erste
Arbeiten Sie jetzt etwas oder schreiben Sie?

Der zweite
Ich schreibe etwas.

Der erste
Über wem?

Der zweite
Ich soll über Scheinstein schreiben. Er drängt. Er schreibt mir aus Leipzig, er würde sich sehr freuen, recht bald im Prager Tagblatt, der Wage, dem Sturm, der Ähre (Zürich) und im Hamburgischen Correspondenten meinen Scheinstein-Aufsatz zu sehen. Prag und Hamburg honorieren schreibt er, keines der Blätter legt auf Erstdrucke Wert. Er träumt von einer möglichst expansiven Tätigkeit meinerseits und klagt, daß sich so viele Kritiker drücken. Den die »Gelbe Zeit« betreffenden Abschnitt soll ich zuerst den Leipziger Neuesten Nachrichten und der Wiener Abendpost schicken, die gleichfalls zahlen. Also da frag ich Sie, was soll ich zuerst tun?

Der erste
Ich würde bei Zürich anfangen und dann allmählich Schritt für Schritt weiter nach Osten.

Der zweite
Momentan bin ich aber mit einem Versuch über den Dandysmus und seine letzten Ausstrahlungen in unsere Kultur beschäftigt, mit Einstellung auf Franz Blei. Außerdem habe ich alle Hände voll zu tun mit Andeutungen über Barbey d'Aurevilly, Leconte de Lisle, Villiers de L'Isle-Adam, Mallarmé, Baudelaire, Verlaine, Rimbaud, Laforgue, Peladan, Huysmans, Anatole France, Walt Whitman und Verhaeren und über den Weg, der von ihnen über Claudel, Francis Jammes, Romain Rolland, Barbusse, Bergson und Charles Péguy zu Stefan Zweig führt.

Der erste
Wie das alles klein wird, wenn man am Ufer steht und den Schlüssel hat! Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es noch etwas hinter der Kunst gibt. Ein Letztes.

Der zweite
Wem sagen Sie das?

Der erste
Etwas, das selbst mit den doch reichen Mitteln des Expressionismus nicht zu fassen ist. Wir sind so klein vor der Aeternität, daß wir uns vor ihr nur behaupten können, indem wir nichts ernst nehmen außer etwa uns. Ich bringe nicht die Indifferenz eines Max Brod auf. Unser Dasein ist so nichtig, daß uns schließlich nichts übrig bleibt, als es zu verdoppeln, um überhaupt existieren zu können, also dada zu sein. Seitdem ich das erkannt habe, lasse ich nur noch Hülsenbeck gelten und, mit gewissen Einschränkungen, Buddha. Nun erst hat mein Leben etwas Erfülltes. Ich bin im Mittag.

Der zweite
Ich habe Aussicht, bei der Mittagszeitung anzukommen. Sonntag kommt eine Notiz von mir über Zweig.

Der erste
Sonntag erscheint doch keine.

Der zweite
Ich meine natürlich, Samstag. Wenn ich jetzt noch in das Neue Reich eintreten könnte –

Der erste
Das können Sie nur, wenn Sie Bahr empfiehlt. Er hat Sie doch schon einmal als dampfenden Jüngling erwähnt. Sie sollten nicht versäumen, es auszuwerten. Werden Sie sich nicht an etwas Größeres heranmachen?

Der zweite
Ich lege die letzte Hand an meinen Roman: Die schwere Stunde der Barbara Niedergesäß. Ein Buch vom Aufstieg. Ich widme es Edschmid, dem stärksten Könner unter den Heutigen zum Dank für alles was er mir gegeben hat, und im Hinblick auf ein Feuilleton in der Frankfurter Zeitung. Das sind glatt zwei Auflagen. Außerdem habe ich den Titel zu einem Roman: Wallungen, Ballungen. Das Lebensbuch eines Angelangten.

Der erste
Sekkiert Sie Ihr Alter noch immer mit dem Beruf?

Der zweite
Nein. Ich habe ihm klar gemacht, daß ich dann den Ewigkeitsmenschen in mir begraben müßte. Das kommt mir genau so vor, hab ich ihm gesagt, wie wenn man Hölderlin zugeredet hätte. No und das hat er schließlich eingesehn.

Der erste
Zahlt die Mittagszeitung?

Der zweite
Danach frage ich nicht mehr. Das Rezensionsexemplar kann ich behalten. Übrigens weiß ich, daß das alles nur ein Übergang ist. Wenn es zu einer Rätediktatur kommt –

Der erste
Aber bis dahin? Man steht außer der Zeit, aber man lebt in ihr. Nun – was mich betrifft – ich will Ihnen etwas anvertrauen. Ein Geheimnis.

Der zweite
Es gibt keines außer Obtinere abstinendo.

Der erste
Es gibt Om.

Der zweite
Und das wäre?

Der erste
Ich arbeite.

Der zweite
Sie arbeiten?!

Der erste
Ja. Ich bin darauf eingestellt. Ich arbeite am Leben Buddhas!

Der zweite
Wiesoo –?

Der erste (mit Betonung)
Das Leben Buddhas ist der stärkste Film der Gegenwart, der bisher da war.

Der zweite (sprachlos)

Der erste
Aber Ehrenwort!

Der zweite (wie vor den Kopf geschlagen)
Ehrenwort – aber schaun Sie, da könnte ich Ihnen noch massenhaft Ideen – (im Gespräch ab.)

Ein Tarockspieler (zu vorbeieilenden Mänaden)
Was rennts ihr weg? Schon wieder in die Tanzerei?

Der Vater
Was sagt man zu dem Nachwuchs? Tanzen gehn sie und wenn sie mied sind, rennen sie zu Freud.

Der Tarockspieler
No was wolln Sie haben, meine Tochter tritt Sonntag im Mittlern Konzerthaus auf.

Ein Kiebitz
So! Was tanzt sie so?

Der Tarockspieler
Weiß ich, Laotse und den Doppeladlermarsch.

Der Cousin
Zufällig tanzt sie jetzt das Relativitätsprinzip.

Ein anderer Tarockspieler
No ja lauter so exotische Tänze, jede Woche was anderes, wer kennt sich da aus.

Der Tarockspieler
Man wird doch da sehn.

Stimme eines Bacchanten
Der Muschik ist kosmisch eingestellt. Er hört einem zu. Dumpf, aber klug.

(Am Tisch des Sohnes starker Applaus)

Die Bewunderer
Das Silbenmaß, es fügt sich ohne Zieren, läßt der Gedanken Strömung freien Lauf.

Stimme des Vaters
Wolfgang, acht Uhr – hör auf zu deklamieren,
das führt ja doch zu nichts, hör endlich auf.

(Erregung)

Ein Bewunderer
Hier sickert Herzblut. Dort bleibt ungebannt
ein Wicht, ein Fürchtenicht, ein alter Fant,
ein kindscher Greis, ein dumpfer Sauertopf,
ein Molch, ein Pavian, ein Wiedehopf.
Vor nie gehörten Rhythmen, Engelsworten
sitzt arrogant ein stumpfer Krämer dorten.
Vor neuen Geistes neugetönten Sätzen
wird er philistrisch sich beim Skat ergetzen.
Hier tönt ein Gott. Mit unbewegten Mienen
denkt jener nur an Fressen und Verdienen.
Der Schelm, der dort als Vater sich erdreistet –

Der Vater
Sie junger Mann, was haben denn Sie geleistet,
daß Sie sich hier so öffentlich erfrechen,
mit mir im alten Werfelton zu sprechen?
Mich jückt es in den Fingern, euch zu zeigen,
daß ich in diesem Versmaß talentiert bin,
und gradso wie mein Sohn darin versiert bin
den Sphären ihre Klänge nachzugeigen.
Das scheint des Landes jetzt der Brauch,
drum brächt ich wohl den alten Spruch zu Ehren,
ein Handelsmann könnt einen Dichter lehren,
und was mein Sohn trefft, treff ich auch!

(Große Erregung, Oho-Rufe)

Hab ich nun seinen, hat er meinen Ton,
so zweifelt keiner mehr, er ist mein Sohn.
Nur tuts mir lang schon in der Seele weh,
daß ich ihn in der Gesellschaft seh.
Und wenn er sich noch lästerlich beschwert,
dann soll ihm jener, den er einst verehrt –

In diesem Augenblick springt alles auf und schreit heftig gestikulierend gegen den Vater los, der schrittweise zurückweichend in seine alte Tonart findet.

No no, ihr freßts mich noch, was soll das heißen, seids ihr nicht in die Vorträge gerannt?

(Das Folgende wie einen Part aufsagend)

Er is ja nicht mein Mann, ich kenn ihn doch,
nicht ausstehn kann ich ihn, viel weniger
kann ich ihn ausstehn wie ihr alle hier,
ein eitler Mensch und ganz ohne Charakter.
Er macht sich Feinde – hat das einen Zweck?
Man kann im Leben jeden Menschen brauchen.
Er is von allem nur das Gegenteil.
Was will er haben? Er is doch e Jud!
Ich wünsch ihm – jedenfalls in meinem Haus
duld ich das rote Büchel nicht und er
soll nicht genannt wern, wünsch ich ihm, zeitlebens.
Er kann nicht aufbaun, alles niederreißen,
das trifft er, alles greift er an, sogar
die Neue Freie Preß ist ihm nicht heilig,
froh war er, wenn er war hineingekommen,
das wurmt ihn heute, darum rächt er sich,
versündigt hat er sich an Benedikt,
und eben darum soll er nicht genannt wern!

Rufe
»Das ist sein Vaterkomplex!« »Selbsthaß des Judentums!« »Alles was er kann, is uns nachjüdeln!« »Epigone!« »Alles haben wir ihm vorgejüdelt!« »Geballt soll er wern!« »Wir haben Material gegen ihn!« »Ich bin ein gotterfüllter Tempelsänger, er aber ist ein Fürzefänger!« »Ich halt bei Freud einen Vortrag gegen ihn!« »Ich schreib einen Roman gegen ihn! Ich hab schon die Idee für die Schleife!« »Ich schreib ein Stück gegen ihn, da wird er fertig sein, der Waschzettel is fertig!« »Demnächst erscheint eine Zeitschrift von mir gegen ihn!« »Ich habe eine Beilage beigelegt gegen ihn!« »Ich gewinne Cassierer gegen ihn!« »Ich krieg Reiß für ein Buch gegen ihn!«

Der entfernte Verwandte (aufhorchend)
Reis?

Rufe
»Ich sprech bei Reuß & Pollak gegen ihn!« »Ich zerreiß ihn auf Bütten!« »Ich signiere 50 Exemplare eigenhändig gegen ihn!« »Ich gewinne Georg Müller gegen ihn!« »S. Fischer is gegen ihn!« »Kiepenheuer is gegen ihn!« »Rohwolt is gegen ihn!« »Kurt Wolff is auch gegen ihn!« »Alle haben eine Wut auf ihn!« »Ich hab einen Pik auf ihn und such nur noch dazu den Verleger!« »Ich bin ein glühender Verehrer gegen ihn!« »Alles was ich schreib, is gegen ihn!« »Ich bin ein Dreck gegen ihn!«

Der Vater
Das weiß ich nicht und kann ich nicht beurteiln,
das eine weiß ich, er mit seiner Feder
hätt's weiter bringen können. Er is fertig.

Der Sohn
Wohl ist es wahr, er kann nur niederreißen
(von Zeit zu Zeit hör ich den Alten gern
und wo er recht hat, stehn wir uns nicht fern),
doch möcht ich ihn mit bessern Worten heißen
das was er ist: den Geist, der stets verneint
und allem, was da klingt und scheint,
negierend wünscht, daß es zugrunde geht,
den trocknen Schleicher, dunklen Ehrenmann,
der weils ihm selber nicht geraten kann,
so grillenhaft auf meinem Schein besteht.

Der Onkel
Er hat sich ausgeschrieben.

Der Vater                                     Neulich hör ich,
er zieht sich bald zurück, er hat schon hübsch
verdient. Und dann wird Ruhe vor ihm sein.

Rufe
»Verdient hat er auf der Börse! Ich weiß es aus dem Material gegen ihn!« »Wir schreiben alle zusammen alles zusammen gegen ihn!« »Wir haben beschlossen, wir kommen von allen Seiten und machen einen Angriff gegen ihn!« »Ich komme von rückwärts gegen ihn, da kenn ich mich aus!« »Ich bin durch ihn hindurchgegangen!« »Ich weiß schon, was ich tu. Ich reagier gegen ihn ab, ich sag alles über ihn, was ich von mir weiß, das ist die beste Waffe gegen ihn!«

Die letzten Worte erregen einen unbeschreiblichen Tumult der Begeisterung. Alles jubelt dem Rufer zu. In diesem Augenblick betreten Schwarz-Drucker und Frei-Handl den Raum. Frei-Handl zieht sich sogleich mit den Älteren zurück, Schwarz-Drucker tritt mitten unter die Jugend.

Schwarz-Drucker
Nur keine Aufregung meine Herrn! Eben aus diesem Grunde bin ich in Ihrem Kreise erschienen. Ich biete Ihnen Erleichterung und die todsichere Aussicht auf eine Karriere, wie sie noch nicht da war. Wer sich seine Sporen verdienen will und bereit ist, mit offenem Visier diesem Stein des Anstoßes die Maske vom Gesicht zu reißen, dessen Tat wird einen Markstein in der Geschichte der heimischen Journalistik bilden. Ich komme im Auftrag keines Geringeren als meines Chefs, der sich entschlossen hat, diese Pestbeule am gesunden Körper unseres geistigen Lebens nicht mehr totzuschweigen (Hört! Hört!), sondern ihrer Bekämpfung die Spalten des Blattes zu öffnen, wofür er jedem, der den Mut hat, die Dinge beim wahren Namen zu nennen, die Verantwortung voll und ganz überläßt (Murren). Ich erinnere Sie, meine Herrn, daran, daß keiner der Kämpen, die sich je in anderen Blättern für die gute Sache aufgeopfert haben, es noch zu bereuen gehabt hat, sondern daß sie vielmehr alle heute in gesicherten und last not least geachteten Stellungen sind. Er ist freilich auch noch nicht um allen Kredit gebracht, und eben diesen Übelstand wollen wir nicht länger anstehn lassen. Sie meine Herren sind Talente (Bravo!) und mein Chef hat ein Auge auf Talente, getreu den Traditionen seines in Gott ruhenden Vaters, ein vorbildlicher Sohn, der im Gegensatz zu Ihnen meine Herrn nie an einem Vaterkomplex gelitten hat (Murren), aber auch nie allfällige Meinungsverschiedenheiten zum Gegenstand einer magischen Trilogie gemacht hätte (Oho!-Rufe). Sie meine Herrn, die Sie selbst bei der Behandlung eines so unerquicklichen Problems so viel Talent zeigen, wissen am besten, daß die Zeit viel zu schwer ist, um sich im Angesicht des Feindes, des wahren Feindes, mit Psychologie und lauter solchen Sachen abzugeben. Auch hege ich die zuversichtliche Hoffnung, daß alle Ihre Bestrebungen, die Sie scheinbar von dem Ziel, einen leicht verständlichen Ausdruck für Ihre Gedanken zu finden, weitab führen, schließlich doch in die Tagespresse, diesen Hort alles wahren geistigen Lebens unserer Zeit, münden werden. (So ist es!) Da Sie aber unmöglich verlangen können, daß sich der Ton des Blattes der expressionistischen Schreibweise anpaßt, so wird sich diese dem Ton des Blattes anpassen müssen, was ihr umso weniger schwer fallen kann, als ja die wichtigste Voraussetzung für ein gedeihliches Zusammenwirken, eine gewisse Lockerung der grammatikalischen Fesseln, ohnedies bei Ihnen vorhanden ist. (So ist es!) Seien Sie dagegen versichert, meine Herrn, daß die Presse für jede Richtung, wenn sie nicht durch Übertriebenheiten, durch Übermut das Publikum vor den Kopf stößt, Verständnis und Raum hat. (Hört! Hört!) Wir selbst wissen ja so gut wie Sie, daß der eigentliche Zweck aller schriftstellerischen Wirksamkeit darin besteht, bemerkt zu werden und vorwärts zu kommen (So ist es!) und wir unsererseits sind viel zu weltgewandt, um nicht auch zu wissen, daß nur der Mangel an einem sichtbaren Erfolg Ihrer Bestrebungen Sie bisher zu Extravaganzen und zu einem trotzigen Verharren bei denselben verleitet hat. In dem Augenblicke jedoch, wo Ihnen die Presse Entgegenkommen beweist und an der Hand eines populären Themas, das beiden Teilen, der Journalistik sowohl wie der Literatur, in gleicher Weise am Herzen liegt, Beschäftigung bietet, wird sich manches ändern, und so kann nicht zuletzt die Presse hoffen, daß sie durch die Anziehung, die sie auf Sie meine Herrn ausübt, auch ihr Scherflein zur Reinigung des literarischen Lebens beitragen wird. (Bravo!) Natürlich ganz abgesehen von dem so bedeutungsvollen Zweck unseres Zusammenwirkens, das ja, in Abänderung jenes unhaltbaren Systems, wonach er nicht genannt werden soll, die Ausrottung dieses Schädlings bis ins dritte Geschlecht intendiert. (Bravo!) An Ihren verlangenden, wie von einer frohen Verheißung überglänzten Mienen erkenne ich, daß ich den richtigen psychologischen Moment getroffen habe, um mich Ihnen zu nähern. Wer von Ihnen meine Herrn die Absicht haben sollte, sich lieber oder nebstbei anderen geschäftlichen Interessen zuzuwenden, dem wird mein Freund Frei-Handl, der unsere Weltanschauung auf einem andern Gebiete vertritt, die entsprechende Anregung zukommen lassen. (Eine Gruppe löst sich los und begibt sich zu Frei-Handl.) Ich sehe, daß die meisten von Ihnen auf mich gewartet haben. Ich habe mich in Ihnen nicht getäuscht und Sie, die in ihrer erdrückenden Majorität geistige Ideale verfolgen, sollen sich in der Presse nicht getäuscht haben. (Man wird doch da sehn!) Was die Presse ist, welche kulturelle Mission sie bis heute durchgeführt hat und allen Verleumdungen zum Trotz auch weiterhin durchführen wird, brauche ich Ihnen meine Herrn nicht auseinanderzusetzen. Und doch. Wer wüßte heute nicht, daß ein einziger Tag unserer Wirksamkeit das Geistesleben entscheidender beeinflußt hat als sämtliche Werke Goethes? (So ist es! Bravo!) Ist es doch, um nur ein Faktum herauszugreifen, heute nicht mehr zu bezweifeln, daß der Sprachschatz der Bevölkerung von der Korrespondenz Wilhelm weit mehr bereichert wurde als etwa vom Faust, von dem vielleicht auf Ihre literarische Berufstätigkeit, meine Herrn, manche Anregungen ausgegangen sein mögen (So ist es!), der aber im Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit gewiß nicht so verankert ist (Ein Ruf: Gott sei Dank!), gewiß nicht jene Befruchtung bewirkt hat, deren sich die Sprache des Feuilletons, die Sprache des Leitartikels und last not least die Sprache der Lokalberichterstattung bis hinunter zu der schweren und verantwortungsvollen Aufgabe der Nachtlokalberichterstattung heute rühmen kann. (Bravo! Bravo!) Der Beruf des Journalisten ist wie Sie alle wissen werden, ein dornenvoller Beruf, dessen Wirkung aber in ihren Auswirkungen weit bedeutungsvoller ist als es das Publikum, welches das fertige Blatt in die Hand bekommt, auch nur ahnt. (So ist es!) Aber von allem abgesehen, können wir doch wie gesagt schon dadurch, daß wir Kräfte wie Sie meine Herrn der Literatur entziehen, uns rühmen, eine kulturelle Leistung zu vollbringen, die selbst jener zugeben wird. (Hoffentlich!) Wir Leute von der Presse sind nicht gewohnt, viel Aufhebens von unsern Verdiensten zu machen, denn diese Verdienste sprechen für sich selbst und eine viel bessere Sprache, als wir selbst es vermöchten. Was soll ich Ihnen sagen, mit ehernen Lettern steht in der Geschichte der Menschheit und namentlich in der der letzten Jahre eingeschrieben, daß diese Geschichte unser Werk ist, indem uns speziell an den Verlusten der Menschheit der Löwenanteil gebührt. (So ist es! Bravo!) Darum, meine Herrn, vertrauen Sie sich der Presse an! Wollen Sie Ruhm? Die Presse bringt ihn. Wollen Sie Karriere? Die Presse bringt sie. Wollen Sie Geld? Die Presse bringt es. (Bravo! Bravo!) Geben Sie Ihre Manuskripte her, die Presse bringt sie (Alle reichen Manuskripte) – nein, nicht Ihre Gedichte, davon wollen wir uns ein anderesmal unterhalten, sondern jene, die das Thema behandeln (Alle reichen andere Manuskripte), sie werden gebracht werden. Denn es gibt nichts was die Presse nicht bringt. Die Presse bringt wenn's sein muß auch Ihre Gedichte. (Man wird doch da sehn!) Die Presse bringt alles. Die Presse bringt.

        Im Anfang war die Presse
        und dann erschien die Welt.
        Im eigenen Interesse
        hat sie sich uns gesellt.
        Nach unserer Vorbereitung
        sieht Gott, daß es gelingt,
        und so die Welt zur Zeitung
        er bringt.

        Die Welt war es zufrieden,
        die auf die Presse kam,
        weil schließlich doch hienieden
        Notiz man von ihr nahm.
        Auch was sich nicht ereignet,
        zu unserer Kenntnis dringt;
        wenns nur fürs Blatt geeignet –
        man bringt.

        Wenn auch das Blatt die Läus hat,
        die Leser gehn nicht aus;
        denn was man schwarz auf weiß hat,
        trägt man getrost nachhaus.
        Was wir der Welt auch rauben,
        sie bringt uns unbedingt
        dafür doch ihren Glauben;
        sie bringt.

        Sie lesen, was erschienen,
        sie denken, was man meint.
        Noch mehr läßt sich verdienen,
        wenn etwas nicht erscheint.
        Wir schweigen oder schreiben,
        ob jener auch zerspringt,
        wenn uns nur unser Treiben
        was bringt.

        Die Welt, soweit sie lebend,
        singt unsere Melodie.
        Wir bleiben tonangebend
        von aller Gottesfrüh.
        Nach unsern notigen Noten
        die Menschheit tanzt und hinkt,
        weil Dank sie für die Toten
        uns bringt!

        Die Zeit lernt von uns Mores,
        der Geist ist uns zur Hand,
        denn als Kulturfaktores
        sind wir der Welt bekannt.
        Kommt her, Gelehrte, Denker,
        komm, was das sagt und singt,
        daß hoch hinauf der Henker
        euch bringt!

        Wir bringen, dringen, schlingen
        uns in das Leben ein.
        Wo wir den Wert bezwingen,
        erschaffen wir den Schein.
        Schwarz ist's wie in der Hölle,
        die auch von Schwefel stinkt,
        wohin an Teufels Stelle
        man bringt!

Begeisterte Hochrufe. Alles schart sich um Schwarz-Drucker. Es bilden sich Gruppen.

Der Sohn (zu Schwarz-Drucker)
Mit euch, Herr Doktor, zu spazieren,
ist ehrenvoll und bringt Gewinn.

Schwarz-Drucker
Wir haben schon so viel für Sie getan,
daß uns zu tun fast nichts mehr übrig bleibt.

Die Stimme Frei-Handls
Hat er Waggooons?

Der Sohn
Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!
Da streb ich lieber doch nach oben.
Auch wirds beiweitem müheloser sein,
hier schiebst du selbst, und dort wirst du geschoben.

Ein Bacchant
Jetzt, wo wir die Presse hinter uns haben, werden wir auch mit dem Vaterproblem fertig werden. Erstens wird es ihnen imponieren, daß wir in die Presse schreiben, und dann werden sie sich vor uns fürchten und selber einen Komplex bekommen.

Stimme des Vaters
Paßts auf, sie alle machen Karriere,
der schreibt ein Stück und jener die Kritik,
ein anderer macht mit Waggons sein Glück –
mein Sohn, stinkfaul, begnügt sich mit der Ehre!

Hat jeder sein Talent schon angebracht,
mein Wolfgang bleibt bei seinen Stanzen.
Er geht sich auf den Blocksberg tanzen
und schreibt noch einmal die Walpurgisnacht!

Wo hat ers her? Es liegt doch nicht im Blut,
er ist und bleibt nun mal ein Tunichtgut.
Ich fürcht', er wird ein böses Ende haben
und dann noch in der Fürstengruft begraben!

Der Sohn
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
er scher' sich aus dem Tempel in den Tempel!
Ich statuiere einmal ein Exempel,
dann weiß es auch die ganze Stadt.
    Er wirft nach dem Vater eine Kaffeetasse.
Die Tasse ist entzwei! An der ist nichts zu halten.
Kein Wort mehr red ich mit dem Alten.

Ein Spiegelmensch (der plötzlich, ihn deckend, vor dem Vater steht)
Auf solchen Faustkampf war ich präpariert.
Sie liegt gebrochen in zwei Teile.
Nur weiter, wir verziehn noch eine Weile,
der Sohn ist auch im zweiten Teil versiert.
Beim Element, weit besser sonst den Ton
als diesesmal traf der geschickte Sohn.
Ich habe, mit Verlaub, erst deinem Alten
ein wenig meinen Spiegel vorgehalten.
Ich wußte, diesem Spiegel tust du nichts,
mit Rücksicht deines eigenen Gesichts.
Der mit sich stets sich auseinandersetzt,
dem glückt nur dieses selbst zuguterletzt,
und solchem fehlt, im Guten und im Schlechten,
selbst noch der echte Mut zum Spiegelfechten.
Nichts hat in Tat und Wort er je vollbracht,
was ihm ein anderer nicht vorgemacht.
Was hör ich da, »der Spruch wird umgepflanzt«,
wenn solche Geister ihren Faust benützen:
»Das Erbe, dem du nicht entgehen kannst,
ermord es, um es zu besitzen«?
Wie, Mord am Vater? Nicht doch, kein Gedanke,
da wehrt dir doch die so beschriene Schranke.
Gedankenmord am Vater? Vatermord
bloß am Gedanken und ererbtem Wort!
Bekanntest du dich einmal zu der Quelle,
gleich ward erschlagen die lebendge Stelle.
Sonst hast du bloß mit deinem zahmen Witz
herangemacht dich an den Geistbesitz,
um, was von innen dir verwehrt zu erben,
durch offenen Gehörgang zu erwerben,
denn du vermagst wie keiner sonst von allen,
Bedeutendes bedeutend nachzuschauen.
Du triffst es fast so gut, das glaube mir,
wie ich für mein satirisches Pläsier.
Mit Worten wie Pläsier, vertrackt, Register
wird zum Mephisto noch ein Staatsphilister,
man karessiert im Zauberkreis herum,
zum Zeitvertreib gibts ein Brimborium,
und dies Rezept, wonach man immerzu
aus Dreck und Feuer leicht macht ein Ragout,
das außerdem, nebst andern Quintessenzen,
ein Elixier mag schmackhafter ergänzen,
um in dem Wust mit höllischen Latwergen
den alten Sauerteig nicht zu verbergen:
leiht heute jedem geistigen Kalfakter
den Schein von höchst solidem Sprachcharakter.
Man merkt nicht, wie er wort- und wetterwendsch,
und das Entzücken wird bald epidemisch,
da wird der heilige Bahr direkt blasphemisch:
vor Goethes Faust steht ihm ein Spiegelmensch!
Nun vollends, wenns hinaufgeht in die Sphäre –
vor der Musik macht dein Gehör dir Ehre.
Am leichtesten wird dem das Lied gelingen,
der unlängst hörte jene Engel singen;
dem guten Ohr gerät in diesem Alter
der Teufelston sowohl als auch der Psalter
und leicht wird an der Inbrunst solcher Engel
der Ladenschwengel gar zum Überschwengel.
Je weniger Wolle, desto mehr Geschrei;
vor allen andern Dingen brauchts das Fühlen
und bald spült sich herbei das Wühlen –
ich brings noch einem alten Juden bei.
Der sitzt dann trumpfend da vor seinem Sohne
und dünkt sich stolz ein Werfelepigone.
Doch zwitschern nach Gesungenem auch die Jungen,
der große Wurf ist keinem noch gelungen.
Es werfelt sich wie bei dem Wurf der Tasse:
hast beide Teile dann in deiner Hand,
fehlt leider! nur das geistige Band,
und dies ersetzt, mein Sohn, nicht die Grimasse.
Im ersten gehts beiweitem fließender,
Unendliches ins All ergießender.
Doch was vom Anfang spielend sich erfühle,
versinkt alsbald im dunkleren Gewühle.

        Wer an dem Prächtigen
        sich was gekleistert,
        wird von dem Mächtigen
        bald übermeistert.
        Wer an dem Gleitenden
        glatt sichs gerichtet,
        wird vom Bedeutenden
        tödlich vernichtet!

Der Könner, den der fremde Glanz gesonnt,
hat an dem Feuer nicht vorbei gekonnt.
Da wird es schwerer schwer, und wie geballt,
verzeih das Wort, ist hier die Wortgestalt.
Doch grau ist alle Theorie – ich wette:
ein Magus trifft selbst da die Operette.
Dem Eingeweihten macht es keine Sorgen,
sich bei den Müttern etwas auszuborgen.
Und wer ins weitere Gewand geschlieft,
hat sich schon ganz von selbst darin vertieft.
Wie das Talent ich immerhin bestaune,
so blieb mir doch die übermütge Laune,
das Nachgebild aus besseren Gefilden,
sie zu entsühnen, besser nachzubilden,
das Handgeschöpfte kunstvoll abzuschreiben
und mit der wohlbekannten Teufelsfaust
dem Heiligtum, das leider so verlaust,
den ramponierten Teufel auszutreiben;
der sich bei aller Pietätsdurchdringung
am besten fängt in der Zitatverschlingung.
Er kann bei Gott auch hohe Worte machen,
doch kommt der Tag, wo ihn sein Kreis verhöhnt,
sein Pathos bringt sie dann gewiß zum Lachen,
sobald sie merken, daß es vorgetönt;
sie finden nichts Aparts und nicht die Spur
von einem Geist, und alles ist Dressur;
und daß an allem, was es faustisch trieb,
ein gutes Ohr weltfreundlich hängen blieb,
um von Damaskus bis zu jenen Müttern
sich mit Bedeutung einmal vollzufüttern,
von Klängen und Symbolen aus Peer Gynt,
vom reichen Erbe jenes andern Strind-
berg, so verbrüdert durch das Wort: Wir sind.
Doch nehmen wir den Fall, obschon er magisch,
in dieser Schwindelwelt nicht allzu tragisch;
demnächst entfleucht ein routinierter Triller
hin zum Elysium des seligen Schiller.
Vom Morgenrot so bis zur Abendröte,
doch nicht errötend auf verbotnen Spuren,
im Anspruch der entrückteren Naturen
folgt knäbisch einer nach dem alten Werfel.
Mit solchen Locken, ellenhohen Socken,
so eingeweiht im Klang geweihter Glocken,
bleibst du doch immer, was du bist!

(Tumult)

Die Bewunderer
Was will denn dieser Proktophantasmist?
Beweist er nicht mit seinen eignen Worten,
daß eben die von eben jenem dorten?
Soll ers versuchen, einen Faust zu machen!
Da hat der Kerl sich einmal angeschmiert,
indem er ihn nicht, sondern sich blamiert;
der Dichter kann sich nun ins Fäustchen lachen.
Pack' der Pedant sich fort zum alten Eisen,
das Neue wird sich am Erfolg beweisen!

Der Sohn
Ganz recht, bald steh ich in dem Schauspielhaus.
Mein Stück wird aufgeführt. Was folgt?

Die Bewunderer                                           Applaus.

Der Sohn
Es klatscht die Claque, es rast die Galerie
und hoffentlich werd ich dann in der Früh –

Die Bewunderer
Du wirst die allerbeste Presse haben.
Und kannst dann jedem Neider Rübchen schaben.

Der Sohn
Die Lust, noch diese Stimmen zu erlauschen,
möcht' ich um keinen Königsmantel tauschen.
Doch wird des Pudels Kern am Ende naß
und aller Wust verläuft im Kehrichtfaß.
Da ists denn wahrlich oft ein Jammer,
es kommt, nachdem sie applaudiert,
ein Zaubermantel in die Rumpelkammer,
und bestenfalls –

Die Bewunderer         – hat man sich amüsiert.
Ob du am Kreuz stirbst, ob im Rampenflaus –

Der Spiegelmensch (ins Publikum)
Verzeihung (nur was für die Zwischenpausen):
es war ein falscher Singular von Flausen –

Der Sohn
– so wird am Ende –

Die Bewunderer               – ein Erfolg daraus.
Welch Schauspiel!

Der Spiegelmensch       Aber ach! ein Schaupiel nur!

Die Bewunderer
Von der Unendlichkeit –

Der Spiegelmensch               – auch nicht die Spur.

Die Bewunderer
Schweig, dreister Wicht, was gehts dich an?

Der Spiegelmensch
Hab' ich doch meine Freude dran!
Und niemand merkt den Wolfgang-Doppelgänger.

Die Bewunderer
Will denn der Kerl noch nicht zum Teufel gehn?

Der Sohn
Laßt ihn doch gehn, er ist ein Fürzefänger!

Der Spiegelmensch
Jawohl, ich habs auf deine Verse abgesehn!
Dein Buch, mein Sohn, hat sieben Siegel.
Jedoch akustisch ist mein Spiegel!

Die Schwester stürzt herein und auf den Sohn mit einem Brief zu. Alles in höchster Spannung.

Schwarz-Drucker
Die Presse habn Sie. Wenn's nur noch gelingt,
daß jener uns zulieb vor Wut zerspringt!
Sind Sie denn aber auch schon angenommen?

Der Sohn
Wir sind. Grad hab' ich diesen Brief bekommen.

Die Schwester (noch atemlos)
Und nicht allein das! Erich Wolfgang Korngold komponiert es! Er hat gesagt, das trifft sich großartig, er war sowieso auf der Suche nach einem magischen Libretto. Ein neuer Mozart und ein neuer Werfel heißt es schon überall. Zwei Wolfgangs!

Der Spiegelmensch (mit furchtbarem Schrei versinkend)
Krrriehh!

Magische Musik

Alle (erregt durcheinander)
        Was soll denn das sein?
        Wer kann es uns deuten?
        Wie kam der herein
        zu unseren Leuten?

Schwarz-Drucker
        Er ist zersprungen!

Die Bewunderer
        Wie es magisch sich webt!

Schwarz-Drucker
        Es ist uns gelungen.

Die Bewunderer
        Er hat sich zerlebt!

Die Musik bricht jäh ab.

Schwarz-Drucker
Einer unserer Mitarbeiter hatte Gelegenheit, dabei zu sein. Wir fassen es als ein Zeichen froher Vorbedeutung auf, daß der erste Anlaß, ihn nicht mehr totzuschweigen, ein so aktueller ist und daß wir in der Lage sind, als ersten Artikel gegen ihn seinen Nekrolog zu bringen. Jetzt wird aber schon gar keine Rücksicht genommen! Wie ich unsern Chef kenne, wird er, getreu den Traditionen seines in Gott ruhenden Vaters, alles was dieser selbst und er selbst solange bei sich selbst behalten hat, nun mit umso größerer Vehemenz zum Ausdruck bringen. Genannt soll er wern! Wenn bisher noch ein Zweifel gewesen wäre – wir bringen! (Hochrufe.) Meine Herrn! Jetzt ist das letzte Hindernis für Ihre Karriere beseitigt, der Stein des Anstoßes hinweggeräumt. Jetzt ist es an Ihnen, ihn noch hinwegzuräumen und dafür einen Markstein zu setzen. Nur über diese Leiche geht Ihr Weg!

Stimme vom Schachtisch
Vermutlich hat er das alles nicht mehr mit ansehen können. Recht hat er gehabt. – Jobses – Wwwo!

Zweite Stimme vom Schachtisch
Wo er recht hat, hat er recht. – Kopses – Ssso!

Alle (singen)
        Uns ist ganz kannibalisch wohl
        als wie fünfhundert Säuen!

Der Sohn (überwältigt)
            In ewigem Angedenken!

Ich habe in seinem mystischen Erlebnis die namenlose Persönlichkeit des Wortes erfahren.

Er hat meine Gedichte gedruckt.

Was ich sagen könnte, ist ohnmächtig gegen das Ereignis, mit dem unerklärlich dieser Mann in mein Leben trat.

Denn hinter allem Essayistischen, das ich über ihn schreiben könnte, stünde gebieterisch und unverrückbar die Stunde, die meinen Planeten an den seinen bindet.

Später habe ich ihn einen Fürzefänger genannt.

Oh Mensch!

Die Bewunderer
        Wie er Gerichtstag über sich hält!
        Gott über die Welt!

Erste Mänade (zur zweiten)
        Nachbarin, euer Fläschchen!

Der Vater
Komm zu dir, Wolfgang! Es kann ja noch alles gut wern. Schau, ich verzeih dir! (Sich zu den andern wendend) No ja, es is keine Kleinigkeit, ich erinner mich noch, wie die Demolierte Literatur erschienen is, war eines seiner ersten Kindheitseindrücke. Und heute –! Zwei Seelen wohnen nebbich in seiner Brust –

Die Bewunderer
        Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
        zu den Gefilden hoher Ahnen.

Der Vater
Komm zu dir, wo du so einen Erfolg hast! Wart – sammel dich – du kannst ihm ja die Grabrede halten! Komm zu mir, schau her, ich bin stolz auf dich und du wirst sehn, daß ich dir kein Hindernis mehr in den Weg lege. Das Milieu hier gefällt mir und ich bin schon selbst ganz in den höheren Regionen. Du – hörst du?

Der Sohn
        Ich will sterben.
        Es möchte kein Hund so länger leben!
        Drum hab ich mich der Magie ergeben.

Der Vater
Gut, sterben! Aber wozu? Du bist geweiht, so wirst du erleben!

Die Bewunderer
        Er war ein schellenlauter Tor.
        Geläutert geht er sich hervor.

Der Vater
Du bist geläutert hör ich, braucht man mehr,
kein größeres Glück könnt mir zu Ohren kommen,
du bist im Burgtheater angenommen,
daß jener starb, ist kein solches Malheur.

Die Schwester
Treib doch nicht so; machst deine Sachen schlecht.
Ich sag dirs im Vertrauen nur:
Du bist doch nun mal von der Literatur;
so sei's auch eben recht.

Der Bewunderer
Um endlich die letzte Vollendung zu finden
im süßen Erlöschen und Ausdirverschwinden!

Der Vater
Du hast Erfolg, vergiß das Leid,
der kleine Korngold – Kleinigkeit!

Der Sohn
Den Durst nach Wert in mir, ich muß ihn stillen!

Der Vater
So helfts ihm doch um Gotteswillen!

Weihrauch und Fackeln werden gebracht, letztere aber zurückgewiesen.

Ein Waschzettel (erscheint und meldet)
Diese magische Trilogie ist ein Theaterstück, gesäugt an den Brüsten Calderonscher Mystik, Molièrescher Komik, Aristophanischer Drastik und Werfelscher Tiefe.

Die Bewunderer
Die Mütter sind es! – 's klingt so wunderlich!

Der Waschzettel (fortfahrend)
Es geht über alles Dagewesene hinaus; es ist nicht das Werk eines Neutöners –

Die Bewunderer
Oho!

Der Waschzettel
– es wirkt vielmehr wie ein kühn-verwegener Schlußstein, aufgesetzt auf den breiten und hohen Dramenbau aller Vergangenheit.

Der Vater
No was willst du noch mehr? Die Tiefe hast du von Werfel. Ein gemachter Mann.

Der Waschzettel (fortfahrend)
Durch das tiefernste Menschenproblem aber und den philosophisch-religiösen Grundgedanken tritt es als Rivale höchster Dichtung auf, den Vergleich nicht scheuend.

Die Bewunderer
        Warum denn auch? Nur ungescheut,
        wer würde sich genieren,
        uns kann doch nichts passieren,
        Verleger kommt nicht von Verlegenheit.

Der entfernte Verwandte
Sie, wer sind Sie eigentlich, Sie Asisponem?

Der Waschzettel
Alles. Ein Dichter. Mehr als jeder Dichter. Ein Bekenner. Ein Aufbauer. Ein Vollender. In der ruhigen Leidenschaftlichkeit und kunstvollen Unmittelbarkeit der Darstellung selbsterlebter Phänomene und Erlebnismöglichkeiten, in der Simplizität einer durch Formeln nicht zu umgrenzenden Kompliziertheit, in der Verästelung der Empfindungen und in der Bemeisterung echt malerischer Werte zu literarischen, in der lyristischen Verdichtung zu Postulaten von unerhörter Intensität, in der wesentlichen Äußerung des Zeitgefühls auf höherer Ebene, in der lebendigsten Durchblutung der Gegenwartsprobleme zu neuer Daseinsgestaltung, in der Polarisation des funkelnd Geistigen, die dem geformten Weltbild erst die letzte Rundung gibt, in der mythischen Darstellung einer Synthese von dionysischem Individualismus und allumspannendem Weltgefühl, in der Verkündung neuer Gefühlskomplexe, in der visionären Einfühlung und im intuitiven Erfassen erhöhter Realität wie überhaupt in der zugleich individuellen und kosmischen Gedankengestaltung und Erlebnismitteilung sowie in der gefühlsmäßigen Formung des Gegebenen und Auswertung zu Ewigkeitswerten auf holzfreiem Dünndruckpapier bin ich jedem Dichter über.

Alles ist paff.

Schwarz-Drucker macht sich Notizen. Der Waschzettel nimmt unter den Bewunderern Platz. Der Sohn setzt sich zu ihm.

Stimme des Spiegelmenschen
        Ja, da sieht man's, diese dicken
        Raunzer, die im Zwielicht weinen,
        sind nun aufgetaut und zwicken
        einem Solchen in die Beine.

Alles ist entsetzt, faßt sich aber wieder.

Schwarz-Drucker
        Nur Übersatz! Er ist für uns doch Luft.
        Er war nicht.

Der Sohn
                              War nicht?? Fort! (zögert)
                                                          Er ist ein Schuft!

Bacchanten und Mänaden
        Seine Stirne flimmert im Überschwang!
        Er ist schön. Er ist jung.

Stimme aus der Garderobe         Und schlank!

Der Sohn blickt in innerster Verzückung zum Himmel. Die Bewunderer knieen. Der Waschzettel entschwebt.

Der Cousin (will ihm nach)
Bitte aber das mit dem Schlußstein sei nicht ihm gesagt, sondern mir gesagt! Ich bin der Grundstein und der Dachstein!

Schwarz-Drucker (hält ihn zurück)
Ein Markstein!

Der Onkel
Du? Wo ich gehofft hab, daß dir der Antrag, den dir Frei-Handl gemacht hat, zusagen wird? Schau dir sie alle dort an, wie sie um ihn herumstehn. Lauter Expressionisten! Schau dir sie an, wie sie dort kalkulieren. Und nur solide Geschäfte. Greif nur herein ins volle Menschenleben!

Der Cousin
Grün ist des Lebens goldner Baum.

Der Onkel
Hör schon auf mit dem Expressionismus!

Der erste Bacchant (im Hintergrund, das Notizbuch zuklappend)
Nicht zu machen!

Der Vater (erregt)
Unter gar keinen Umständen würde ich zugeben, daß er sich in ein Geschäft einläßt.

Der Onkel
        Warum, wenn er Talent hat?
        Trag vor die Offerte.
        Leinwand.

Die Tochter
        Gott wie geballt!

Der Vater
Erlaub du mir – in unserer Familie – und noch dazu wahrscheinlich ein Luftgeschäft!

Die Mänaden
        Gott wie kosmisch!

Der Onkel
Luftgeschäft? Keine Spur! Dazu hätt er zu wenig Phantasie!

Der Cousin
No und was möchte ich mit meinem Ödipuskomplex anfangen?

Der Onkel
Wird er dir auch einen Antrag machen. Da finden sich Abnehmer. Warum nicht, ein erstklassiger Komplex? Heutzutag? So viel Traumas möcht ich haben wie –

Der Vater
Nie möcht ich wollen, daß ein junger Mensch, wenn er was taugt, sich einläßt mit Geschäften. Verstiegenheiten, ausgefallene Sachen! Wird im Geschäft er heut sich was verdienen? Verdienen kann er heut nur mit der Kunst, denn nur die Kunst ist heute ein Geschäft!

Der Onkel
Du, ich bin paff über dich!

Der Vater
Was heißt das, jetzt wo er geläutert is bin ich auch geläutert! In meiner Brust wohnen auch zwei Seelen, laß mich in Ruh. Heute, an seinem Wiedergeburtstag wer' ich meinem Sohn nicht die Freud verderben.

Der Onkel
No kann man denn schon gratulieren?

Der Vater
Selbstredend, schau her, sie knien doch schon alle um ihn herum! Ich sag dir, jetzt weiß ich erst, warum ich damals den Schigan gehabt hab, ihn Johann Wolfgang zu nennen. Es stellt sich heraus, es war eine Kapitalsanlage! Schon gar zusammen mit Erich Wolfgang, wo ich doch höchstens geglaubt hab, er wird mit Verdi verdienen.

Der Onkel
No und Johann Paul war vielleicht keine Idee?

Der Vater (von oben herab)
Das wird sich erst zeigen müssen. Vielleicht wird er auch geläutert. Jedenfalls kann ich dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß mein Sohn sein Rigorosum nicht gemacht hat. Wo wär er heute!

Der Sohn
Wie das? Du willst mit dem vertrackten Jus mich nicht mehr herrisch aus den Träumen jagen? Wie? Du erlaubst, daß ich dem Genius erlaube, mich in meine Welt zu tragen? Und fortan zu beseligterm Genuß darf ich mich in das Grenzenlose wagen? Wie immer sich das Leben auch verteure, zum Elixier wird mir die Vatersäure!

Der Vater
No also, siehst du, du bist doch mein Sohn!
Und was mir auffällt, ist dein neuer Ton.

Der Sohn
Ja apropos, ich wollte nur noch sagen:
Es kann die Spur von meinen Erdentagen
nicht in Äonen untergehn.

Der Vater
Jetzt glaub ichs selbst. Man wird ja doch da sehn.

Der zweite Bacchant (nimmt den Sohn beiseite)
Hören Sie, Sie haben doch jetzt schon einen Namen – Ich könnte Ihnen den Stoff für den stärksten Film der Gegenwart geben, der bisher da war – Ich will nur eine Beteiligung – Ich bin durch einen puren Zufall dazugekommen, aber verraten Sie mich nicht – Es würde Ihnen besser liegen wie manchem andern, ich will keinen Namen nennen – Es ist nämlich, da wern Sie spitzen, das Leben Buddhas!

Schwarz-Drucker
Meine Herrn! Da alles den besten Fortschritt nimmt, da die freudigen Ereignisse, deren Zeugen wir waren, die Wiedergeburt und ein Todesfall, die Lebensgeister allseits in die Höhe gebracht haben und das Problem Väter und Söhne zugunsten der letzteren gelöst ist, so möchte ich vorschlagen, daß die Jugend, die sich ja längst schon das Tanzrecht erobert hat, von dieser Eroberung auch den entsprechenden Gebrauch mache. (Die Paare ordnen sich zum Laotse-Marsch.) In Anbetracht dessen, daß die verschiedensten Stile bereits vermählt und alle Richtungen, die ich hier vertreten sehe, schon verschmolzen sind, so daß auf diesem Gebiete eigentlich gar keine Überraschung mehr möglich ist –

Franz Blei in der Tracht eines Abbés und mit der Kappe eines Rotgardisten tritt in größter Eile auf und ruft
Es lebe der Kommunismus und die katholische Kirche!

Allgemeines Hoch! Bacchanten und Mänaden umringen den Rufer. Faune heben ihn auf den Schultern empor.

Der Onkel
Die Kirche hat einen guten Magen.

Der entfernte Verwandte
Und so was muß man hier erleben!
Ich möcht ihm das Kappl herunterschlagen.

Der Vater
Es muß auch solche Käuze geben.

Die Bacchanten
Wir wissen, es kann uns nix gschehn.
Man wird doch, man wird doch da sehn.

Dann tritt Ruhe ein. Leise magische Musik hebt an. Blei geht auf Chloe Goldenberg zu und löst ihr den goldenen Gürtel. Sie sagt:

Ich bin so mied.

Blei tritt zum Sohne und spricht:

Der jüngste bist du der Wiedergeburt,
Drum nimm hier des Amtes goldenen Gurt!
Um endlich die letzte Vollendung zu finden
im süßen Erlauschen und Ausdirverschwinden.
    (stark)
Nimm denn!

Der Sohn versucht den Goldgürtel anzulegen. Franz Blei und Brahmanuel Leiser neigen sich vor ihm. Die Musik schweigt.

Der Großvater schlägt die Augen auf und sagt

Oi.

Alle (durcheinander)

Was hat er gesagt?

Franz Blei

Die heilige weltumspannende Silbe.

 

Indem die sechsundzwanzig Schmöcke ungerührt und mildgrinsend hockenbleiben

Fällt der Vorhang.

 

Zum Erstenmal vorgetragen in Wien am 6. März 1921



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