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Erster Act.

(Im spanischen Lager, das Innere von Pizarros Gezelt.)

Erste Scene.

Elvira. Valverde.

Elvira (in Mannstracht auf einem Ruhebette schlummernd).

Valverde (schleicht herein, betrachtet sie mit Lüsternheit, kniet endlich neben ihr nieder, und küßt ihre herabhängende Hand).

Elv. (erwacht und betrachtet ihn mit Unwillen).

Valv. Vergib der Macht deiner Reize.

Elv. O weh'! – es könnte dir endlich ein Wunder gelingen.

Valv. Und welches?

Elv. Ein Weib mit seiner eigenen Schönheit zu entzweien.

Valv. Sehr bitter.

Elv. Warum störst du meine lieblichen Träume?

Valv. Was träumtest du?

Elv. Ich sah dich hängen.

Valv. Wie lange wird Elvira meiner Liebe spotten?

Elv. Deiner Liebe? Ei wer gab dem Bastard diesen ehrlichen Namen? Unter uns, Valverde! wenn ich dich von Liebe sprechen höre, so kömmst du mir vor wie ein Taschendieb, der um eine milde Gabe bittet, und während er nach dem Beutel schnappt, Gottes Segen im Munde führt.

Valv. Was doch ein schönes Weib nicht alles sagen darf.

Elv. Was doch ein Geck nicht alles thun darf. Wer erlaubte dir, meinen Schlaf zu stören? Ist es nicht genug, daß mich in jeder Nacht die Trommeln wecken? Doch lasse ich meine Ohren lieber quälen, als meine Augen.

Valv. Geduld zu prüfen, verstehst du meisterlich.

Elv. Soll ich Pizarro von deinen Nachstellungen unterrichten?

Valv. Sage mir lieber, durch welche Zauberkraft dieser Pizarro dich gefesselt hält? – Ein wildes, stieres Auge, ein ungekämmter Bart, Heuchler in der Freundschaft, Tirann in der Liebe –

Elv. Halt! die Leichenpredigt kommt zu früh, er ist ja noch nicht todt.

Valv. Ungeschliffen und holpricht an Leib und Seele, in seiner Jugend ein Sauhirt, im Alter, Menschen wie Säue regierend.

Elv. Ha! ha! ha! vielleicht kennt er euch besser, als ihr glaubt.

Valv. Unwissender als ein andalusischer Mauleseltreiber, nicht einmal lesen und schreiben kann der Held.

Elv. Merk' es dir, guter Freund, ein Weib, das Liebe heischt, fragt wenig darnach, ob der Geliebte auch lesen und schreiben könne, denn die Liebe lies't sich nur in den Augen, und schreibt sich nur in das Herz. Tapferkeit fesselt Mädchenherzen sicherer als Gelehrsamkeit. Pizarro ficht mit dem Schwert, und du mit der Feder. Er vergießt Blut, und du nur Tinte.

Valv. Noch hat beides uns wenig geholfen.

Elv. Aber mit allen deinen Kritzeleien hätte Nugnez Balboa das Südmeer nie entdeckt; mit allen Sätzen deines Aristoteles hätten Pizarro und Almagro nie ein Schiff ausgerüstet. Du säßest noch immer im Schulstaube, und ich wäre vielleicht eine Nonne.

Valv. Es fragt sich noch, ob wir dabei gewonnen oder verloren hätten?

Elv. Klösterliche Einförmigkeit, der Schlaf eines Murmelthiers.

Valv. So seid ihr Weiber, nur Aufsehen wollt ihr machen. Ein glänzend Elend ist euch lieber als Ruh' und stilles Glück.

Elv. Weißt du, was wir am meisten hassen? die ungebetenen Schwätzer, die Gemeinspruchsprediger.

Valv. Recht, spotte nur so lange die Sonne scheint, und zage, wenn der Donner rollt. Der Augenblick ist nicht mehr fern vielleicht.

Elv. (spöttisch). Valverde ein Prophet! und worauf gründet sich deine düstere Weissagung?

Valv. Sind wir nicht in einem fremden Lande, wo uns der Tod aus jeder neuen Pflanze, aus jeder unbekannten Frucht entgegen grinzt. Wen des Feindes Schwert verschonte, den tödtet ein ungewohnter Himmelsstrich. Täglich mindert sich die Zahl der Uns'rigen.

Elv. Desto besser, sind wir nicht die Erben eines jeden Todten?

Valv. Da haben wir's! nur Raubsucht ist euer Zweck.

Elv. Und der deinige, Freund Valverde? – Meinst du, ich witt're den Wolf nicht, weil er das Blöcken der Schafe nachäfft? Willst du vor Weiberaugen den Schalk verbergen? Geh', geh', im ganzen Lager ist nicht einer, der so redet wie er denkt, den alten Las Casas ausgenommen.

Valv. Nenne diesen Schwärmer nicht. Er träumt von Menschlichkeit und Duldung.

Elv. Weißt du, daß es Augenblicke gibt, wo dieses Greises Träumereien mein Herz gewaltig fassen? daß ich seinen grauen Bart oft lieber küssen möchte, als deine braune Wange? daß ich Nächte hindurch schwelgen muß, um einen lästigen Eindruck zu verlöschen?

Valv. Schäme dich.

Elv. (mit einem halben Seufzer). Hätte ich diesen Alten früher gekannt, wer weiß, was aus mir geworden wäre?

Valv. Eine heilige' Schwärmerin für die sogenannte Menschheit; denn für nichts schwärmet man leichter als für Worte, die keinen bestimmten Begriff haben. Die Einbildungskraft kreißt, und der Märtirer wird geboren.

Elv. Valverde auch ein Philosoph?

Valv. Mißfällt es dir? Wohlan, laß aus den Nebelwolken der Philosophie uns herab auf die Fluren der Liebe steigen.

Elv. Sie verdorren unter deinem Fußtritt. Kurz, Freund Schleicher, wirf die Feder weg, ergreif' ein Schwert, und thu' etwas Großes, wenn Elvira dich lieben soll.

Valv. Nenne mir doch Pizarros Thaten.

Elv. Frage die alte und neue Welt. Durch eigene Federkraft schwang er vom Sauhirten sich zum Krieger empor. Als er mit einem kleinen Schiffe, von hundert Gefährten nur begleitet, Panama verließ, um eine unbekannte Welt zu erobern, da flüsterte mein Herz: ein kühner Mann! Als er auf der kleinen Insel Gallo mit seinem Degen eine Linie in den Sand zog, einem jeden erlaubte, ihn zu verlassen, der diese Linie überschreiten würde, und als nur dreizehn geprüfte Männer ihm zu folgen schwuren, an deren Spitze er sich dem Tode weihte, da sprach mein Herz laut: ein großer Mann!

Valv. Groß, wenn es gelingt; doch scheitert sein Entwurf, so nennt die Welt ihn einen Thoren.

Elv. Das Schicksal jedes Helden. Kinder sehen mit offenem Maule eine Rakete steigen, und lachen, wenn sie platzt.

Valv. Gesetzt, sie stiege auch bis in die Wolken, was hoffst du dann?

Elv. Einst Vicekönigin zu werden. Pizarro wird dies rohe Volk regieren, ich werde es bilden.

Valv. Wirklich? dann kennst du Pizarros schlauen Ehrgeiz wenig. Fährt das Glück ihn auf die höchste Staffel, so reicht er seine Hand einem Mädchen, dessen Geburt die Flecken der seinigen zudeckt, dessen Verwandtschaft bei Hofe ihm zur Schutzmauer dient; und die arme Elvira ist vergessen! vergessen alles, was sie that und litt!

Elv. Ha! dann – doch zische nur, giftiger Wurm!

Valv. Auf dieser Seite hingegen Valverde jetzt nur Geheimschreiber, doch bald vielleicht Kanzler, Elvira, seine Freundin.

Elv. Unverschämter!

Valv. Du trittst die Blume, die du pflücken könntest, um einer Frucht willen, die dir zu hoch hängt. Glaube mir, so lange dieser Alonzo de Molina den Feind in unseren Künsten unterrichtet, so lange wird Pizarro leeres Stroh dreschen.

Elv. Und so lange dieser Pizarro meine Gunst verdient, soll keine Tücke mich von ihm scheiden. Kehrt ihm Fortuna den Rücken, so reicht ihm Elvira die Hand.

Valv. Die Reue hinkt, doch sie ereilt den Thoren. – St! ich höre seine Stimme.

Elv. Geschwind ein ehrliches Gesicht, du Tausendkünstler!

Zweite Scene.

Pizarro. Die Vorigen.

Pizarro (stutzt, da er Valverde und Elvira beisammen findet. Er betrachtet beide mit finsterem Argwohn, Valverde verbeugt sich, Elvira lacht). Warum lachst du?

Elv. Lachen und weinen, ohne eben das warum zu sagen, ist Weibervorrecht.

Piz. Ich will es wissen.

Elv. Ich will! ich will! – aber ich will nicht!

Valv. Donna Elvira spottete meiner Furcht.

Piz. Welcher Furcht?

Valv. Daß der Feind durch überlegene Menge, und von Alonzo angefeuert –

Piz. (mit bitterm Spott). Nur ein Weib, und was dem ähnlich ist, kann diesen Knaben fürchten.

Valv. Du hast Recht. Es war kindisch kleinmüthig. Er, der Lehrling unter deinen Fahnen, lehnt sich gegen den Meister auf.

Piz. An meinem Tische hat er gegessen, auf meinem Teppich hat er geschlafen.

Valv. Der Undankbare!

Piz. Ich liebte ihn. Er war mir von seiner Mutter anvertraut. Seine Mütter war ein stolzes Weib. Und in der Brust des Knaben glimmte ein Heldenfunke, den ich zur Flamme anzufachen hoffte.

Elv. Nur Mädchen erziehen Helden.

Piz. (spöttisch). Meinst du? – ich habe nie geliebt.

Elv. (empfindlich). So warst du auch nie ein Held.

Piz. (zu Valverde). Oft, wenn ich ihm von unserer ersten Fahrt erzählte, wie ich mit einer Hand voll Menschen siebzig Tage lang herumgetrieben wurde; wie Sturm und Wellen auf dem Meere, Sümpfe, Flüsse, unwegsame Wälder auf dem festen Lande, uns jeden Schritt zu Tagereisen machten; wie bald der wilde Küstenbewohner, und bald der Himmel gegen uns fochten; wie Kampf und Hunger, ein schwüles Klima und böse Krankheiten den kleinen Haufen täglich minderten, bis die Noth mich zwang, diese fluchbeladene Küste zu verlassen, und den Perleninseln gegenüber auf einem unwirthbaren Eiland mein Leben zu fristen; wenn ich ihm das alles ungekünstelt malte, dann schloß er voll Bewunderung mich in seine Arme, und eine Thräne trat in sein großes blaues Auge.

Valv. Und wessen Fuß zerstörte die hoffnungsvolle Saat?

Piz. Las Casas erschien mit seiner glatten Zunge, entrückte ihn in höhere Sphären, berauschte ihn durch Schwärmerei, und von Stund' an müht' ich mich vergebens, ihn aus seinem Wolkenschloß auf die wirkliche Welt herabzuziehen.

Valv. Er floh! und ward dein Feind? verrieth sein Vaterland?

Piz. Zuerst versuchte der thörichte Knabe die Grundsätze eines Mannes zu erschüttern. Er hing mit Thränen an meinem Halse, wollte das gezückte Schwert mir aus der Faust winden, nannte die Peruaner unsere Brüder. –

Valv. Verstockte Heiden unsere Brüder! daran erkenne ich Las Casas.

Piz. Als er sah, daß seine Thränen auf kalten Marmor fielen, da ging er zu den Feinden über, nutzte verrätherisch ihre Menge, meine Lehren, seine Kenntniß, unsere Stärk' und Schwäche, und zwang mich – ha! – zu einem schimpflichen Rückzug.

Valv. Die Rache schwebt über seinem Haupte.

Piz. Mit verstärkter Macht bin ich zurückgekehrt, und erfahren soll der Knabe, das; Pizarro lebt!

Valv. Es fragt sich nur, ob Alonzo noch lebt?

Piz. So eben hat man seinen Waffenträger gefangen. Zwölftausend ist der Feind stark. Alonzo und Rolla sind ihre Anführer. Sie opfern heute ihren Götzen. Diese Sicherheit wollen wir nutzen, und das Opfer mit Menschenblut begießen.

Elv. Ueberfall? Schlacht? Nimmst du mich mit, Pizarro?

Piz. Es geht nicht zum Ball.

Elv. (empfindlich). Auch fragt' ich keinen Tänzer.

Piz. Wenn du in meiner Rüstkammer ein Schwert findest, leicht genug für eine Weiberfaust, so komm' und steh' an meiner Seite.

Elv. Wirst du mich d'rum lieber haben?

Piz. Ja, und weißt du auch warum? Das Schlachtgetümmel ist mir Bürge für deine Treue.

Elv. Du irrst. Ein Weib, das Lust hat zu betrügen, kehrt sich weder an Sturm noch Erdbeben.

Piz. Ich danke dir für die gute Lehre, und schreibe sie in mein Gedächtnis.

Elv. Du kannst nicht schreiben.

Piz» (mit einem grimmigen Blick). Elvira!

Elv. Ist es denn meine Schuld?

Piz. Du weißt, was ich nicht hören mag.

Elv. Hätte deine Amme dir ein Bein gebrochen, würdest du dich zu hinken schämen?

Piz. Genug! und nie wieder davon.

Elv. (für sich). Achilles war nur an der Ferse verwundbar.

Dritte Scene.

Diego (wird herein geführt). Die Vorigen.

Piz. Sieh' da! willkommen guter Freund!

Diego. Ach! ich unglückseliges Mutterkind!

Piz. Kennst du mich noch?

Diego. Wie sollt' ich die Blume der spanischen Ritterschaft vergessen?

Piz. Wie lange ist es her, daß du meine Küche zum letzten Mal besuchtest?

Diego. So lange, daß ich darüber zum Gerippe mich gefastet habe.

Piz. Lebt dein Herr?

Diego. Er lebt.

Elv. Wie hast du dich zu uns verlaufen?

Diego. Eure Vorposten brateten ein Spanferkel, mich lockte der Geruch.

Piz. Wie stark ist der Feind?

Diego. Zwölftausend.

Piz. Und Alonzo ist Feldherr?

Diego. Alonzo und Rolla.

Piz. Wer ist dieser Rolla?

Diego. Ein Wilder, der mit dem Satan im Bunde steht, der eine Keule schwingt, wie ich ein Lammsviertel, und das Schwert so rasch führt, wie euer Koch den Schaumlöffel.

Piz. Es soll mir lieb sein ihn kennen zu lernen. Sind er und Alonzo Freunde?

Diego. Freunde? o ja! er ist verliebt in Donna Cora.

Elv. Wer ist Cora?

Diego. Die Gemahlin meines Herrn.

Piz. Dein Herr vermählt?

Valv. Und mit einer Heidin! welch ein Gräuel!

Diego. Sie lieben sich wie ein paar gemeine Menschen.

Valv. Hat er sie getauft?

Diego. Nein, er spricht, es gäbe auch ungetaufte Tugend.

Valv. Der Bösewicht.

Piz. Ist Cora mit im Lager?

Diego. Sie und ihr Kind, nebst einem Haufen and'rer Weiber.

Piz. Das ist mir lieb. Je mehr Weiber, je leichter der Sieg. Sie weinen, sie kreischen und die Männer werden muthlos. Ist man auf eine Schlacht genistet?

Diego. Heute wird geopfert.

Valv. Dem Teufel vermuthlich?

Diego. Der Sonne.

Valv. Aber doch Menschenblut?

Diego. Früchte und wohlriechende Kräuter.

Piz. Mit Menschenblut wollen wir das Opfer begießen. Genug, Sennor Diego. Du kannst indessen in meiner Küche die Bratenwender bewachen.

Diego. Herzlich gern. Seht nur meinen magern Wanst und meine dürren Beine. Mit faulen Fischen, sauren Kirschen und Maiz- (Körner-) Kuchen haben sie mich gefüttert.

Piz. Ich sollte dich, Ueberläufer, an einen Baum knüpfen lassen.

Diego. O weh! (Zu Elvira.) Schöner junger Herr, bittet für mich.

Piz. Pack' dich fort, und dank' es deiner Dummheit, daß ich dir das Leben schenke.

Diego. Dem Himmel sei Dank, daß ich so dumm bin. (Er geht.)

Die Wache. Soll man ihn in Ketten legen?

Diego. Tölpel! lege deine Zunge in Ketten.

Piz. Gebt ihm Essen und Trinken, so wird er nicht davon laufen.

Diego. Es lebe Don Pizarro! er kennt seine alten Freunde wieder. (Ab.)

Piz. (einen Augenblick nachsinnend). Ja, es ist beschlossen. Die Opfernden sind zu Opferthieren erkoren. Erst Kriegsrath, dann die Schlacht. Elvira entferne dich.

Elv. Warum?

Piz. Weil Männer sich versammeln werden.

Elv. Als ob ein Weib dann überflüssig wäre. Wahrlich! die Männer sind undankbare Geschöpfe, das nützlichste, was die Natur euch gab, gebraucht ihr zum Spielwerk. Ich bleibe.

Piz. Nun so bleib'! und schweige, wenn du kannst.

Elv. Ich werde denken. Der leere Kopf plaudert. Denken und schweigen sind immer beisammen.

Vierte Scene.

Las Casas, Almagro, Gonzalo, Davila und Andere treten herein.

Las Cas. Du hast uns hieher entbieten lassen –

Piz. Setze dich, ehrwürdiger Greis, setzt euch meine Freunde. Der Augenblick ist da, in welchem wir die Früchte unserer Kühnheit ernten sollen. Der Feind, in Sicherheit versunken, opfert heute seinen Götzen. Mein Rath ist: schneller Ueberfall, Tod den Bewaffneten, und Ketten den Wehrlosen.

Almag. Tod jedem Peruaner! bewaffnet oder wehrlos, das gilt gleich.

Gonz. Die Weiber und Kinder mag man schonen.

Almag. Es wäre besser, die ganze Brut auszurotten.

Valv. Zur Ehre des Glaubens!

Las Cas. Läst're nicht!

Almag. Wir haben lange genug an dieser Küste gefaullenzt.

Las Cas. Und morden nennt ihr arbeiten?

Almag. Noch sah ich keine Frucht der großen Kosten, die wir aufgewandt.

Piz. Wir leiden Mangel und die Krieger murren.

Gonz. Indessen Alonzo im Wohlleben unserer spottet.

Piz. Verräterischer Knabe!

Las Cas. Mir sagt mein Herz, daß Alonzo zwischen Menschlichkeit und Vaterlandsliebe einen schweren Kampf besteht. Almag. Dein Herz vertheidigt deinen Zögling.

Las Cas. Ja, er ist mein Zögling und ich bin stolz auf ihn.

Almag. Genug, er soll uns kennen lernen.

Piz. Des Feindes Macht wächst, die Gegend ist uns unbekannt, der Mangel reißt ein, und Zaudern erschlafft den Muth. Das einzige Mittel gegen alle diese drohenden Gefahren, ist eine Schlacht.

Alle (außer Las Casaz). Eine Schlacht! eine Schlacht!

Las Cas. Welch ein fürchterlicher Widerhall! Eine Schlacht? Gegen wen? gegen einen König, der noch vor wenig Tagen euch die Hand zum Frieden bot, gegen ein Volk, das harmlos seine Felder baut und in reiner Unschuld der Sitten den Schöpfer nach seiner Weise lobt.

Valv. Ein Heidenkönig, der der Sonne opfert, und den das Schwert vertilgen muß.

Las Gas. Ist das Blutmaß eurer Grausamleiten noch nicht voll? Diese Kinder frommer Unschuld, die euch gastfrei aufnahmen, wann haben sie genug gelitten? – Allmächtiger! dessen Donner Felsen zerschmettern, und dessen Sonne Eisgebirge schmelzen kann! leihe meinen Worten deine Kraft, so wie deine Güte meinen Willen beseelt. – Werft einen Blick auf die Millionen Schlachtopfer, von eurer Raubsucht nothlos gewürgt. Als Götter wurdet ihr empfangen, als Teufel kamt ihr unter sie! Gern und fröhlich gab man euch Gold und Früchte, ihr schändetet zum Dank Weiber und Töchter. Die Menschheit empörte sich, die Unterdrückten murrten; da richtete man Hunde ab, sie zu hetzen. Wen diese höllische Jagd noch übrig ließ, der wurde vor den Pflug gespannt, sein eig'nes Feld für euch zu ackern, oder in die Goldminen begraben, um euren nimmer satten Geiz zu sättigen.

Piz. Du übertreibst.

Las Cas. Ich übertreibe? – O wollte Gott, ich hatte schon alles gesagt! ach! was noch übrig ist, könnte Zähren aus Tigeraugen locken! Schweig Wehmuth! hinab ihr Thränen! laßt mich reden. – Man wettete, wer mit mehr Geschicklichkeit einen Menschen spalten, einen Kopf herunter hauen könne; man riß die Kinder aus der Mutter Armen, und schleuderte sie gegen Felsen. Bei langsamen Feuer bratete man ihre Anführer, und wenn ihr Geheul die Henker im Schlaf störte, so stieß man ihnen einen Knebel in den Hals. An dreizehn Galgen hing man dreizehn Indianer auf – Gott! darf ich's aussprechen! – Zu Ehre Christi und der zwölf Apostel! Meine Augen haben diese Gräuel geseh'n, und ich lebe noch! – Ihr weint, Donna Elvira? hat Euch allein mein schreckliches Gemälde erschüttert?

Almag. Weil wir keine anderen Weiber unter uns haben, als sie und dich.

Piz. Was du erzählst, trifft nicht uns. Was kümmern uns die Grausamkeiten eines Columb, eines Ovando?

Las Cas. Steht ihr nicht im Begriff, sie zu erneuern?

Valv. Und wäre es auch, noch ist es kaum entschieden, ob diese Indianer Menschen oder Affen sind.

Las Gas. Wehe euch! daß der Vater Pabst erst eine Bulle geben mußte, um euch Menschen kennen zu lehren.

Valv. Er hat uns die neue Welt geschenkt, um sie zu unterjochen, mit Hilfe der göttlichen Gnade. Worte der päbstlichen Bulle. Siehe Robertsons Geschichte von Amerika.

Piz. Genug der unnützen Worte! die Zeit verstreicht und die Gelegenheit entflieht, wollt ihr fechten?

Alle. Wir wollen.

Las Cas. O sendet mich vorher noch einmal zu den Feinden! laßt mich Worte des Friedens reden, unsere heilige Religion mit Sanftmuth predigen.

Valv. Erst laß diese Helden fechten, und unserer Lehre den Weg bahnen.

Las Cas. Mit Blut?

Almag. Du magst hernach das Blut mit frommen Thränen wegwaschen. Auf! meine Freunde! zögert nicht!

Las Cas. Gott! du hast mich nicht zu deinem Diener gesalbt, um zu fluchen, sondern um zu segnen. Doch hier wäre mein Segen Lästerung. Fluch euch Brudermördern! Fluch eurem Vorhaben! Ueber euch und eure Kinder komme das unschuldige Blut, das heute vergossen werden soll! – Ich verlasse euch auf immer, um nie wieder Zeuge eurer Raserei zu sein. In Höhlen und Wäldern will ich mich begraben, zu Tigern und Leoparden will ich reden; und wenn wir einst dort vor dem stehen, dessen sanfte Lehre ihr heute verleugnet, so zittert vor meiner Anklage! (Er will gehen.)

Elv. (in unwillkürlicher Bewegung). Nimm mich mit dir, Las Casas.

Las Cas. Bleib'! und rette Menschen, wenn du kannst. Ich vermag hier nichts mehr. Doch die Reize eines Weibes sind mächtiger, als die Beredsamkeit eines Greises. Vielleicht bist du erkoren, der Schutzengel jener Unglücklichen zu werden. (Er geht ab.)

Piz. Was wolltest du thun, Elvira?

Elv. Ich weiß nicht. Der alte Mann kam mir in diesem Augenblick so übermenschlich vor, und du, und ihr alle so tief menschlich –

Almag. Der alte Graukopf schwärmt.

Valv. Er träumt sich eine Welt wie Plato.

Piz. Er kann nicht mehr genießen, und spielt den Bußprediger.

Elv. Sagt, was ihr wollt, in mir ist Etwas, das euch widerspricht.

Gonz. Mitleid ziemt dem schönen Weibe.

Elv. Wie dem Sieger Menschlichkeit.

Piz. Recht gut, daß wir den Sittenprediger los geworden.

Almag. Wir werden weniger gähnen und mehr fechten.

Piz. Um die Mittagsstunde pflegt der Feind zu opfern, dann ziehst du Almagro dich links durch den Wald. Du Gonzalo bemühst dich, rechts den Hügel zu erklimmen. Ich gehe gerade auf ihn los. Siegen wir, so sind die Thore von Quito für uns offen.

Almag. Und wir begrüßen dich, Pizarro, als König von Peru.

Piz. Mitnichten, meine Freunde! Wer langsam geht, geht sicher. Ataliba bleibe Schattenkönig, ich herrsche unter ihm, vermähle mich mit seiner Tochter, und sichere mir so die Thronfolge dieses Reichs.

Gonz. Ein guter Plan.

Almag. Pizarro ist Held und Staatsmann.

Valv. (heimlich spöttisch). Nun Elvira?

Elv. Ein allerliebster Plan. Und wo bleibt Elvira?

Piz. Im Hause ihres Freundes.

Elv. Als königliche Magd? Piz. Ich gebe der Erbin von Peru, was man Prinzessinnen gemeiniglich gibt: die Hand; Elvira behält mein Herz.

Elv. Und wenn ich älter werde, machst du mich zur Hofmeisterin deiner Kinder? nicht wahr?

Piz. Du bist empfindlich, Elvira? bedenke, daß ein Thron mir winkt.

Elv. Ich empfindlich? o nein! ich ärgere mich nur, daß dieser Dickkopf weiter sah als ich.

Piz. Was soll das heißen?

Elv. O nichts! Grillenfängerei! vergib der weiblichen Schwatzhaftigkeit, sie soll die Bahn des Helden nicht länger durchkreuzen. Euch ruft Waffengeklirre. Fort! fort! ihr tapfern Männer!

Piz. Du wolltest mich begleiten?

Elv. Ei freilich. Ich will die erste sein, die dem neuen Königs-Eidam huldigt.

Fünfte Scene.

Gomez (tritt herein).

Almag. Was bringst du, Gomez?

Gom. Einen Gefangenen. Auf jenem Hügel unter Palmen fanden wir einen alten Caziken, der unser Lager zu belauschen schien. Entfliehen konnte er nicht, er ließ sich willig fesseln. Doch jedes Wort aus seinem Munde ist Bitterkeit und Hohn.

Piz. Führe ihn her. (Gomez verläßt das Zelt, und kehrt sogleich mit dem alten Caziken zurück.)

Piz. Wer bist du?

Caz. (immer sehr gelassen, aber ohne alle Prahlerei.) Wo ist der Anführer der Räuberbande?

Piz. Ha!

Almag. Bist du rasend? (Zu Pizarro.) Laß ihm die Zunge aus dem Halse reißen.

Caz. Recht, so bleibt die Wahrheit mir im Halse stecken.

Dav. (seinen Dolch zückend).. Erlaube mir, ihn nieder zu stoßen.

Caz. (zu Pizarro) Zählst du mehr dergleichen Helden unter deinem Heere?

Piz. (mit funkelnden Augen). Sterben sollst du, alter Trotzkopf! doch vorher bekenne, was du weißt.

Caz. Das that ich schon. Doch eines lernte ich von dir.

Piz. Und welches?

Caz. Daß ich sterben muß.

Piz. Durch mindern Starrsinn könntest du vielleicht dein Leben retten.

Caz. Mein Leben ist ein dürrer Baum, es ist nicht der Mühe werth, ihn zu verschonen.

Almag. Unsere Waffen können dich zum Ersten deines Volks erheben.

Caz. Mein Volk kennt den alten Crozimbo. Er war nie der letzte.

Piz. Wir gehen, euer Heer zu schlagen. Sei unser Führer durch den Wald, und wir überhäufen dich mit Schätzen.

Caz. Ha! ha! ha!

Piz. Du lachst?

Caz. Ich bin ein reicher Mann, ich habe zwei tapfere Söhne, und überdies noch manche gute That zurückgelegt.

Piz. Wie stark ist euer Heer?

Caz. Zähle die Bäume im Walde.

Almag. Wo ist die schwächste Seite eures Lagers?

Caz. Die gerechte Sache deckt es überall.

Dav. In welcher Stunde opfert ihr der Sonne?

Caz. Unsern Dank in jeder Stunde.

Piz. Wo verbergt ihr eure Weiber und Kinder?

Caz. In den Herzen ihrer Männer und Väter.

Almag. Kennst du Alonzo?

Caz. Ob ich ihn kenne? ihn, den Wohlthäter unserer Nation?

Piz. Wodurch verdient er diesen Namen?

Caz. Er ist euch in keinem Stücke gleich.

Almag. Unsinniger! rede mit Ehrfurcht.

Caz. Ich rede die Wahrheit mit Gott, was soll ich denn mit Menschen reden?

Valv. Du kennst Gott nicht.

Caz. (seine Arme ausbreitend, mit frommer Zuversicht). Ich kenne ihn!

Valv. Wir bringen euch die einzige wahre Religion.

Caz. Sie ist in unser Herz geschrieben.

Valv. Ihr seid Götzendiener.

Caz. Laßt uns den alten Glauben, der uns froh leben und heiter sterben lehrte.

Dav. Verstockte Brut!

Caz. Junger Räuber! wir rauben kein fremdes Eigenthum.

Dav. Schweig oder zitt're!

Caz. Ich habe nie vor Gott gezittert, warum vor Menschen? warum vor dir? du weniger als Mensch!

Dav. (den Dolch zückend). Kein Wort mehr, heidnischer Hund! oder ich stoße dich nieder.

Caz. Stoß zu! damit du doch zu Hause prahlen kannst: ich habe auch einen Peruaner ermordet.

Dav. (ihn niederstoßend). So fahre zur Hölle!

Piz. Was thust du!

Dav. Kannst du seine Schmähungen länger dulden?

Piz. Soll er ohne Martern sterben?

Caz. (der sich tödtlich verwundet fühlt). Junger Mensch! du verlierst eine schöne Gelegenheit, leiden zu lernen.

Elv. Ihr seid Unmenschen! – (Sich zu ihm kauernd.) Armer Greis!

Caz. Ich arm? – so nahe meinem Glücke? – meine Gattin winkt – die Sonne lächelt – Gott bess're euch – und segne euch – (Er stirbt.)

Elv. Valverde! stirbt der Christ schöner?

Valv. Ihn stärkte des Satans Macht.

Piz. Schleppt den Leichnam fort! – und du, Davila, nie wieder so voreilig!

Dav. Vergib, mein Blut empörte sich.

Piz. Folgt mir, Freunde! ein jeder auf seinen angewiesenen Posten. Ehe der Gott der Peruaner sich in's Meer senkt, stürzen wir die Mauern von Quito. (Ihm folgen Almagro, Davila, Gonzalo und Gomez.)

Sechste Scene.

Valverde. Elvira.

Valv. Nun, schöne Elvira? meine Hoffnung wächst mit Pizarros Uebermuth.

Elv. O mir ist wunderlich zu Muthe! – Dieser schauderhafte Wechsel von Scenen der Grausamkeit – dieses unverschämte Bekenntniß des Ehr- und Habsüchtigen –

Valv. Wirf dich in meine Arme!

Elv. Weh' mir, wenn dein Arm meine letzte Zuflucht bleibt!

Valv. Traust du mir nicht Kraft zu, einen Dolch mit Sicherheit zu führen?

Elv. Von hinten ja! Wie theuer verkaufst du einen Mord?

Valv. Nur um einen hohen Preis, dir aber leicht zu zahlen.

Elv. Leicht? du irrst. Doch Rache kauft ein beleidigtes Weib nie zu theuer. Geh', laß mich allein, du sollst von mir hören.

Valv. Der Dolch ist geschliffen, der Arm gezückt. Ein Wort, und er blutet zu deinen Füße». (Geht ab.)

Elv. Nein! auch wenn Mord in meiner Seele stünde; nicht diese Rache! nicht dieses Werkzeug! Pfui der Gemeinschaft mit diesem Elenden! Wenn Pizarro mich verstößt, mich, die ihm Tugend und Ehre opferte – Dann – Mich verstößt? – (Mit Würde.) Ich verstoß' ihn. Was liebt ich denn an ihm? seine Größe! Er ist ein kleiner Mensch geworden – weg ist meine Liebe! Doch halt' – Geschieht denn alles, was ein Mann beschließt? – Der Ehrgeiz baut Kartenhäuser, und die Liebe haucht sie um. – Prüfe ihn noch einmal, Elvira, und findest du ihn deiner unwerth, so verachte ihn! und tritt ihn in den Staub, aus dem er sich aufschwang. (Ab.)


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