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Dritter Aufzug.

(Eine Straße. Links des Barons Haus, welches gegen die Zuschauer fast Fronte macht. Es hat einen Balkon. Neben demselben rechts steht ein großer Baum. Links Parterre ist ein Fenster für den Hausknecht. Des Barons Hause gegenüber steht ein Kaffeehaus. Zwischen beiden ein Buchladen, und neben dem Buchladen die Wohnung eines Fleischers.)

Erster Auftritt

Page. Stiefel.

Stief. Nun, Gott sey Dank! so weit hätten wir es gebracht. Weder Dach noch Fach, nichts zu beißen, nichts zu brechen, sollen Morgen reisen und haben keinen Heller in der Tasche. Eine recht scharmante Situation!

Page. Du irrst. Ich habe noch Pathenpfennige. Zwey seltene Dukaten.

Stief. Ja, damit werden wir weit kommen.

Page. Wer sagt Dir denn, daß ich fort will? Hier will ich bleiben.

Stief. Auf der Straße?

Page. Nichts weniger, in diesem Hause meines Onkels. Es müßte doch mit dem Teufel zugehn, wenn wir nicht irgendwo ein Schlupfloch finden sollten.

Stief. Ja, wenn wir Katzen wären, so kletterten wir durch die Dachlücken.

Page. Ey was! nur den Muth nicht verloren.
Un héros prévoit tout; l'image du danger,
Loin d'arrêter son bras, sert à l'encourager,
Il voit d'un oeil serein la mort qui l'environne,
Un grand coeur s'enhardit, où le foible s'étonne!

Stief. Davon versteh' ich kein Wort. Aber daß wir keinen hinkenden Postgaul damit bezahlen können, das weiß ich.

Page. Zum Teufel mit Deinen Postpferden! Ich gehe nicht eher von der Stelle, bis der Onkel mit den Dukaten herausrückt.

Stief. Ja, ja, es hat das Ansehn dazu. Die Thüre ist verschlossen, und wenn wir noch lange hier stehen, so sind sie kapabel, uns mit ihrem Waschwasser zu taufen.

Page. Keine Sündfluth soll mich hier vertreiben. (er klopft) He! Holla! Holla!

Stief. Er wird nicht eher ruhn, bis er Prügel bekommt.

Page. Holla! Holla!

 

Zweyter Auftritt.

Hanns am Fenster. Vorige.

Hanns. Was will der junge Herr?

Page. Mach' auf!

Hanns. Ich darf nicht.

Page. Warum nicht?

Hanns. Ich bekomme Prügel, wenn ich aufmache.

Page. Nun, was thut das?

Hanns. Ey, es thut weh!

Page. Ich gebe Dir Geld.

Hanns. Wieviel?

Page. Die Hälfte meines ganzen Vermögens.

Hanns. Behüte! Das wäre gar zu viel.

Stief. Nimm's nur, Kamerad! Es wird Dir die Taschen nicht entzwey reißen.

Page. Da nimm!

Hanns. (steckt die Hand heraus) Ein Dukaten? Ne, junger Herr, Da käme noch kein Groschen auf jeden Hieb.

Stief. (bey Seite) Bey dem sind die Prügel Scheidemünze.

Page. (sucht in den Taschen) Barbar! Da geb' ich Dir noch ein Komödienbillet in den Kauf.

Hanns. Was soll ich damit machen?

Page. Du kannst in Berlin die Donaunymphe dafür sehen.

Hanns. Gott bewahre mich vor der sündigen Comödie!

Page. Willst Du mich zur Verzweiflung bringen? Wohlan! Nimm mein ganzes Vermögen! (will ihm auch den andern Dukaten geben)

Hanns. Zwey Dukaten? Ne, junger Herr! Der gnädige Onkel jagt mich zum Hause hinaus.

Page. So blicke stolz auf ihn herab und geh!

Hanns. Wovon soll ich denn leben?

Page. Du Esel! ich versorge Dich.

Hanns. Wie denn?

Page. Ich lasse Dir täglich eine Portion Rumfordische Suppe reichen.

Hanns. Ey was Suppe! hier hab' ich Fleisch, (schlägt das Fenster zu)

Page. Hanns! Höre doch! Nur noch ein Wort.

Hanns. (am Fenster) Na! Was giebt's noch?

Page. Ich schlage Dir Arm und Bein entzwey.

Hanns. Oho!

Page. Ich zünde Dir das Haus über dem Kopfe an!

Hanns. Dann werden Sie lebendig gerädert. (schlägt das Fenster zu)

 

Dritter Auftritt.

Page. Stiefel.

Page. Verfluchter Kerl!

Stief. Jetzt sind wir wohl am Ende von unserm Latein? Am besten, wir laden uns als blinde Passagiers auf den Postwagen und kutschiren heim.

Page. Aber bedenke doch nur, daß wir funfzig Meilen entfernt sind. Mit zwey Dukaten kommen wir nicht einmahl blind bis nach Hause.

Stief. Man muß auf Mittel denken. Es reisen ja so manche Leute Ohne Geld. Wie, wenn Sie einen hübschen neumodischen Titel für ein Buch ausdächten, und ließen unterwegs darauf pränumeriren?

Page. Da müßt' ich ja das Buch auch schreiben?

Stief. Bewahre der Himmel! Oder kollectiren Sie für eine abgebrannte Kirche.

Page. Seh' ich denn aus wie ein Kirchenvorsteher?

Stief. Oder dringen Sie den Leuten Lotterieloose auf, wie die Braunschweiger Collecteurs.

Page. Pfuy.

Stief. Oder wir sagen, wir sind chinesische Emigranten.

Page. Willst Du nicht lieber gar mit Fleckkugeln herum reisen?

Stief. O ja, wenn es Kugeln gäbe, mit denen man die Flecken aus der Seele reiben könnte, da wär' etwas zu verdienen.

Page. Gerade umgekehrt! Dann würde Jedermann sagen: Geht zum Teufel! ich brauch' Euch nicht.

Stief. Es kommt mir vor, als ob wir schon auf gutem Wege zum Teufel wären.

Page. Stiefel! Ich habe einen Einfall.

Stief. Es wird wohl wieder was Tolles seyn.

Page. In das Haus muß ich, und sollt' ich zehn Jahr davor liegen, wie die Homerischen Helden vor Troja.

Stief. Wenn wir nur solche Posaunen hätten, wie bey Jericho!

Page. Zum wenigsten verschaffe ich Dir Luft, um dieß Briefchen an meine Cousinen zu bestellen.

Stief. Was wollen Sie denn von ihnen?

Page. Im Nothfall sollen Sie mir ihre Marktpfennige leihen; wenn ich in der Lotterie gewinne, bezahl' ich sie ehrlich wieder.

Stief. Haben Sie denn in die Lotterie gesetzt?

Page. Nein, aber komm nur!

Stief. Wohin denn?

Page. Dort im Wirthshause finden wir, was wir brauchen.

Stief. Essen und Trinken brauchen wir.

Page. In fünf Minuten soll die Kriegslist im vollen Gange seyn. (ab)

Stief. (ihm folgend) Ach, wenn nur erst mein Magen im Gange wäre.

 

Vierter Auftritt.

Baron und Hanns aus dem Hause.

Bar. Hier vor der Hausthüre war er?

Hanns. Ja!

Bar. Und wollte mit Gewalt herein?

Hanns. Er bot mir Geld.

Bar. Das schlugst Du aus?

Hanns. Da bot er mir Prügel.

Bar. Laß Dich prügeln, lieber Hanns, laß Dich windelweich prügeln; aber keinen Fuß über die Schwelle! Im Nothfall, wenn er durchaus darauf besteht, so kommst Du lieber herunter auf die Straße.

Hanns. Das werd' ich wohl bleiben lassen.

Bar. Du hast recht, denn Du bist ein dummer Kerl. Es könnt' ihm einfallen die Thüre mit Dir einzurennen. Wenn er wieder kommt, so gieb mir nur einen Wink, dann steh' ich hinter Dir.

Hanns. Sehr wohl; und wenn er dann wieder sagt; Du Esel! so sag' ich, der gnädige Herr steht hinter mir.

Bar. Tag und Nacht bleibe auf Deinem Posten, bis der Schelm abreist.

Hanns. Auch bey Nacht?

Bar. Allerdings! Der Bube ist zu allem fähig.

Hanns. Ey, bey Nacht brauchen wir keine Wache. Da hängen ja gleich in der Unterstube die alten Familienbilder, die leiden nichts Unrechtes im Hause.

Bar. Hast Du auch so was gemerkt?

Hanns. Freylich! Ich wundre mich nur, wie der Vetter Page gleich daneben hat schlafen können.

Bar. Ich wollte, seine Urgroßmutter hätte ihm den Hals umgedreht. Nu, Hanns, paß auf! und laß mir keine Mücke zum Fenster herein fliegen, ohne zu rufen: Wer da? (geht uns Haus)

 

Fünfter Auftritt.

Hanns allein.

Schon gut, schon gut! Bey Tage steh' ich meinen Mann; aber bey Nacht?– Ne, da schickt der Teufel seine Pagen aus; da bleib' ich fein im Bette. Ja, wenn ich so viel Courage hätte, wie unsre Kammerjungfer, das ist eine verzweifelte Dirne! Mit meinen eigenen Ohren habe ich die Gespenster hören in ihre Stube hinein gehen, und sie hat sich gar nichts draus gemacht. (Er geht ins Haus, verschließt und verriegelt es)

 

Sechster Auftritt.

Stiefel verkleidet mit einem Raritätenkasten. Page als Savoyard mit einer Leyer. Ein Haufen Straßenjungen folgen.

Page. (leyert von Zeit zu Zeit) Orgelum, orgeley, dudeldum dey! Schöne Rarität! Hab' Sie kesehn, schöne Rarität!

Stief. Wer zahlt! Wer zahlt! Erschaffung der Welt um zwey Dreyer, Sündfluth keht in den Kauf.

Page. (leyert) Orgelum, orgeley, dudeldumdey! Schöne Rarität!

Stief. (stellt den Kasten auf, so, daß die Löcher, durch welche man hineinsieht, gegen die Hausthüre des Barons zu stehen kommen. Die Jungen zahlen ihre zwey Dreyer und drängen sich vor die Löcher) Na Junge! Hör einmahl auf zu leyern und sag' deine Lektion auf!

Page. Im Anfang war sick alles finster
Wie su Straßburk im krosse Münster,
War sick nok alles wüst und leer,
Auch froren die Engelein kar su sehr.
Sprack liebe Gott, es werde Lickt!
Kuck' Sie hinein wie's hell umbrickt.
Wie also gleick die Element bey Vieren
Kar lustick durkeinander marschieren,
Luft, Erde, Wasser und auck Feuer,
Die kück sie Alle vor Swey Dreyer.
Orgelum orgeley! dudeldum dey!
(er leyert ein wenig)

Hanns. (macht sein Fenster auf und horcht hinaus)

Stiefel. Da kommt die Sonn kezogen,
Die Sternlein am Himmelsbogen,
Der liebe Mond seyn auk dabey,
Die Thiere macken groß Geschrey.
Adam im Paradiese
Mit neue Händ' und Füsse,
Schaut sich mit kroß Vergnügen
Kebratne Tauben fliegen,
Darf nur das Maul aufsperren,
Kebt Sie wohl ackt, Ihr Herren!

Page (leyert ein wenig) Orgelum orgeley, dudeldum dey!

Hanns. Den Teufel, das möcht' ich doch auch sehn. Zwey Dreyer lassen sich schon noch dran wenden. (Er macht das Fenster zu)

Page. Da kommt sick auk Frau Eva
O heilik Genoveva!
Sie speis' in Apfelschnitt
Mit krosse Appetitt.
Der Apfel seyn kemaust.
Der Teufel lackt in sein Faust.

 

Siebenter Auftritt.

Hanns. Vorige.

Hanns. Hört einmahl, guter Freund! Da habt Ihr zwey Dreyer! Laßt mich auch hineingucken.

Stief. Platz da, Jungens, Platz da!

Hanns. (guckt hinein)

Stiefel. Nu werd Sie schau, Nu werd Sie seh
Der Franzmann nach Egypten geh,
Da sitzen schon vor ein Landkarte
Der große General Bonaparte,
Da speisen er ein mager Supp,
Da fahren er auf ein Schalupp,
Und eh sick umkehrt eine Hand,
Steigen er in Egypt' an Land.

Page. (giebt Stiefeln ein Billet, winkt ihn und Stiefel schlüpft durch die offene Hausthüre)

Hanns. 's ist doch ein schnakisches Ding.

Page. Schau Sie die Muselmann kommen
Mit krosse Säbel keschwommen,
Da reiten der Mufti durch die Nil
Auf ein kewaltig Crocodill.

Hanns. Das ist ein Teufelskerl!

Page. Jetzt müß' Sie fleißig kucken,
Da komm' die Mammelucken,
Mit ihre breite Messer,
Seyn karsticke Menschenfresser
Keporen in Afrika,
Die hau sick ein, Allah!
Ah! die verfluckte Mohren!
Sie nehm sick kein Raison,
Schau, schau, da hab sie schon
Ein Franzmann bey die Ohren.

 

Achter Auftritt.

Der Baron führt mit der linken Hand Stiefel bey Einem Ohr, ergreift im Vorbeygehn mit der Rechten Hannsens Ohr, führt so Beyde auf den Vordergrund der Bühne und stellt sie einander gegenüber. Heldensinn, Brennessel und Kreuzqueer sind gefolgt. Sobald der Page das gewahr wird, wirft er die Leyer von sich, schlüpft in das Haus, schließt und riegelt hinter sich zu.

Bar. (zwischen Stiefel und Hanns von denen der Letztere voll Verwunderung das Maul aufsperrt) Gehorsamer Diener!

Stief. Unterthänigster Knecht!

Bar. Sollt' ich Dir Spitzbuben nicht das Ohr vom Kopfe reißen?

Heldens. Ich will es ihm abhauen, Schwiegerpapa!

Stief. Bitte, sich beyderseits nicht zu incommodiren.

Brenn. Geben Sie mir den Kerl, ich mach' ihn zum Ochsentreiber.

Stief. Ach Gott! dazu hab' ich kein Genie.

Bar. (zu Hanns) Und Du Schurke! heißt das aufpassen?

Hanns. Ich wollte nur die Mammelucken ein Bischen sehen.

Bar. (zu Stiefel) Spitzbube! wo ist das Briefchen, das Du in der Hand hattest?

Stief. Ein Briefchen?

Bar. Ja, ja, ein Briefchen! Wo hast Du es hin praktizirt?

Stief. Lieber Himmel! ich kann gar nicht schreiben.

Bar. Eulenspiegel! Dein vermaledeyter Herr hat es geschrieben.

Stief. So?

Bar. Heraus damit!

Stief. In der Angst hab' ich's verlohren.

Bar. Du willst nicht? Herr Schwiegersohn, ziehen Sie vom Leder!

Heldens. (zieht) Potz Friedrich und Bonaparte!

Stief. Ach ja, ja; da ist es!

Bar. (liest) »Einzig Geliebte!« welche von meinen Töchtern meynt er damit?

Stief. Er sagte, ich möchte es der Ersten geben, die mir aufstieße.

Brenn. Was? Meiner Braut auch?

Stief O ja!

Kreuzq. Auch der meinigen?

Stief. Zu dienen.

Heldens. Ich will hoffen, daß er bey der meinigen eine Ausnahme machte?

Stief. Keinesweges!

Bar. Hören Sie nur, meine Herren! (er liest) »und wenn Ihr Vater, der Barbar« das soll ich seyn; »Sie hinter dreyfachen Schlössern verriegelte, so wollt' ich ihm dennoch eine Nase drehen.« Mir will er eine Nase drehn, mir »Der alte Held aus dem Einjährigen Kriege ist ein Prahlhanns« das geht auf Sie, Herr Schwiegersohn!

Heldens. Alle Wetter! Wo sind meine Pistolen?

Bar. (liest) »der sich mit mir auf dem Mantel schießen muß!«

Heldens. Auf dem Mantel? Lieber gar einander die Pistolen ins Maul stecken!

Bar. (liest) »Der Landjunker mit den großen Kuhställen« das geht auf Sie, Herr Schwiegersohn! »sollte lieber eine Schwindsüchtige heyrathen«

Brenn Potz Miekchen! was soll ich mit einer Schwindsüchtigen machen? Dummer Gedanke!

Bar. (liest) »und den lebendigen Reisekoffer« das geht auf Sie, Herr Schwiegersohn! »wollen wir in Gottes Nahmen wieder auf den Postwagen packen.«

Kreuzq. Narr! Bin ich denn nicht schon auf Reisen gewesen? Bin ich etwa nicht von Stolpe nach Danzig gereis't? Apropos! Damahls hab' ich auch einen solchen Raritätenkasten gesehen, da wurde die Welt erschaffen und sonst noch allerley. Es steht alles in meinem Tagebuche, das kein Mensch drucken will.

Bar. (zu Stiefel) Jetzt packe Dich fort, Du Kuppler! Laß Dich nicht wieder vor meinem Hause erblicken, und sage Deinem Herrchen, all' seine List und Ränke sind vergebens. Der Onkel ist auf seiner Hut. Marschiert Ihr nicht bald aus dem Thore, so laß' ich Euch prostituiren.

Stief. Ach! wenn der gnädige Herr mir Reisegeld spendiren wollten.

Bar. Fort! Marsch! ich gebe keinen Heller.

Stief. Kommt, Jungens! Orgelum orgeley, dudeldum dey! (Er packt seinen Kasten auf und geht)

 

Neunter Auftritt.

Vorige ohne Stiefel.

Bar. Meine werthen Herren Söhne! es ist gut, daß der Notarius noch heute Abend Alles in Richtigkeit bringt; denn lieber wollt' ich drey Kirschbäume vor Sperlingen hüten, als drey Mädchen vor Windbeuteln.

Heldens. Ich will mein Annlieschen schon kirre machen.

Brenn. Wenn Kätchen sich der Stallfütterung annimmt, so soll sie genug zu thun bekommen.

Kreuzq. Ich führe Trudchen auf Reisen, da lernt sie Mores.

Bar. (zu Hanns, der noch immer mit offenem Munde da steht) Nun? Was stehst Du noch immer da?

Hanns. Ich verwundre mich noch immer.

Bar. Fort! Mach' uns die Thüre auf. (Hanns geht) Kommen Sie, meine Herren, die Flasche war noch nicht leer. (Sie gehen zu Hanns, der die Hausthüre beguckt) Nun? Mach' auf!

Hanns. Der gnädige Herr haben die Thüre verschlossen.

Bar. Dummkopf! Du hast ja selber den Schlüssel.

Hanns. So muß der Wind sie zugeworfen haben. (Er versucht aufzuschließen)

Bar. Nun? wird's bald?

Hanns. Es geht nicht. Die Thüre ist von innen verriegelt.

Bar. Vermuthlich hat meine Schwester aus löblicher Vorsicht Wir müssen klopfen.

Hanns. (klopft) He! Holla! Es hört niemand.

Bar. (klopft selber) Heda! Holla!

Hanns. Alles mausetodt.

Bar. Sind die vier Mädchen taub geworden? Meine Herren, helfen Sie doch! (Alle trommeln an der Thüre) Holla! Holla!

 

Zehnter Auftritt.

Page auf dem Balkon. Vorige.

Page. Wer klopft und schreyt denn da so mörderlich?

Alle. (Prallen zurück mit offnem Maule)

Bar. Pah!

Brenn. Potz Miekchen! da ist er ja schon wieder.

Heldens. Der Bursche hat ein Pactum mit dem Satan gemacht.

Hanns. Kurios! Der Herr Page ist drinnen und wir sind draußen.

Bar. (der vor Wuth kaum sprechen kann) Sag' mir nur, Verfluchter

Page. Ach, sind Sie es, gnädiger Onkel? Worinn kann ich Ihnen dienen?

Bar. Den Augenblick laß die Thüre aufmachen, oder

Page. Sie scheinen ganz erzürnt?

Bar. Warte nur! Laß mich nur hinein kommen!

Page. So? Wenn das Ihre Meynung ist, so wär' ich wohl ein Narr, wenn ich aufmachte.

Bar. Du willst nicht aufmachen?

Page. Nein!

Bar. Willst mir mein eignes Haus vor der Nase zuschließen?

Page. Es thut mir unendlich leid; aber jeder ist sich selber der Nächste.

Bar. Ich lasse den Schlosser holen.

Heldens. Ich lasse eine Kanone aufführen.

Brenn. Wenn ich nur Einen von meinen Mastochsen hier hätte, der sollte schon die Thüre aufrennen,

Page. Probiren Sie es unterdessen.

Bar. Bursche? machst Du auf oder nicht?

Page. Ich mache nicht auf. Ich habe meinen schönen Mühmchen noch so Vielerley zu sagen, und ich weiß doch, daß Sie uns stöhren würden. Gehn Sie lieber mit den Herren noch ein Stündchen spazieren.

Bar. Unverschämter Bube! Hanns! lauf' nach dem Schlosser!

Hanns. Der Riegel ist ja vorgeschoben.

Page. Gnädiger Onkel! ich will Ihnen eine Kapitulation vorschlagen.

Bar. Schweig, Bösewicht!

Page. Erster Artikel: Es soll zwischen den kriegführenden Mächten Friede und Freundschaft auf ewige Zeiten geschlossen werden. Wir können es hinterdrein doch halten wie wir wollen.

Bar. Ich glaube, der Bube spottet noch?

Page. Keinesweges. Zweyter Artikel: Paul von Husch entsagt allen seinen Eroberungen, erhält aber dagegen eine Indemnisation von hundert Dukaten.

Bar. Hundert Stockprügel!

Page. Wollen Sie das nicht, so empfehle ich mich schönstens, und eile, die Besatzung zur tapfern Gegenwehr aufzumuntern. (zieht sich zurück)

Bar. Hanns! hole mir ein Beil. Uf! ich ersticke vor Wuth! Oder warte das währt mir Alles zu lange. Meine werthen Herren Schwiegersöhne, sollten wir fünf baumstarke Männer nicht Kraft genug haben eine Thüre einzurennen?

Heldens. Ey warum das nicht?

Brenn. Wo ich mit meinem Kopfe einstoße

Kreuzq. Auf meiner Reise von Stolpe nach Danzig

Bar. Reisen Sie zum Teufel! aber jetzt helfen Sie mir die Thüre einsprengen.

Hanns. Es wird aber Alles morsch entzwey brechen.

Bar. Und wenn das ganze Hans davon einstürzte! Allons! Frisch drauf los! (Alle lehnen sich gegen die Thüre) Besser! noch besser! (die Thüre bricht ein) Paff! da liegt sie! Nun warte, Herr Vetter! (ab)

Heldens. Jetzt marschiren wir durch die Bresche. (ab)

Hanns. Nun mag ich's auch mit dem Pagen nicht theilen. (Alle ab)

 

Eilfter Auftritt.

Page, Annlieschen auf dem Balcon.

Page., Der Teufel! Es wird Ernst.

Annliesch. Um Gotteswillen, Vetter! sie sind schon auf der Treppe.

Page. Hat nichts zu bedeuten: ich retirire mich en bon ordre. (er steigt auf den Baum)

Annliesch. Sie werden den Hals brechen.

Page. (im Herabsteigen) Die Liebe wird mich schützen.

Annliesch. Er ist glücklich herunter. Adieu! Adieu! (ab)

Page. Nun wollen wir den Spaß doch vollends abwarten. Den Rücken hab' ich ja frey.

 

Zwölfter Auftritt.

Baron und Hanns mit großen Knütteln auf dem Balcon. Page unteu.

Bar. Wo ist er? wo hat er sich verkrochen?

Page. Ganz gehorsamer Diener!

Bar. (ihn erblickend) Nu, so schlag das Donnerwetter drein!

Hanns. Der kann mehr, als Brod essen.

Page. Treppe oder Baum, das gilt einem flinken Pagen gleich.

Bar. Baum? He, Hanns! der Baum soll umgehauen werden, heute noch, hörst Du?

Page. Was hilft das Alles, lieber Oheim? Sie werden mich doch nicht los, wenn Sie mir nicht hundert Dukaten Reisegeld vorstrecken.

Bar. Um mir den Satan vom Halse zu schaffen, wollte ich wohl endlich in einen sauern Apfel beißen

Page. Beißen Sie, lieber Oheim, beißen Sie!

Bar. Welche Sicherheit kann Er mir stellen?

Page. Ich schreibe Wechsel so viel Sie wollen.

Bar. Seine Wechsel sind Wische. Wovon kann Er mich wieder bezahlen?

Page. Sobald ich mündig werde, fange ich einen Prozeß gegen Sie an, wegen des Guthes, das meiner Mutter gehörte; den Prozeß gewinne ich, und dann bezahl' ich Sie bey Heller und Pfennig.

Bar. Mit meinem eignen Gelde? Warte, Bursche! Wir haben noch Polizey in der Stadt, die soll Dir den Muthwillen dämpfen. (ab)

 

Dreyzehnter Auftritt.

Page allein.

Fort ist er! – so geht es nicht. – Aber gehen muß es doch, es sey auf welche Art es wolle; denn ohne Geld kann ich doch nun einmahl nicht reisen. Soll ich wieder hineinschlüpfen? Die Thüre ist zerbrochen aber jetzt ist der Feind noch in Allarm. Wir müssen temporisiren. Bis jetzt war ich Hannibal, nun will ich einmahl den Fabius Cunctator spielen. Wahr ist's, es liegen mir gar zu viel Feinde auf dem Halse, und ich steh' allein; denn Stiefel ist nicht zu rechnen. Ich werde mir doch wohl Allirte suchen müssen. Es mag drum seyn. Da ich die Mädchen doch nicht alle drey heyrathen , so will ich lieber gar keine haben. Ja ich will sie den drey Officieren geben und meinen Seegen dazu.

 

Vierzehnter Auftritt.

Stiefel schleicht herbey. Page.

Stief. Sind Sie glücklich wieder heraus?

Page. Dummer Esel, warum hast Du Dich denn bey den Ohren kriegen lassen?

Stief. Ich kann mich ja nicht unsichtbar machen.

Page. Wenn nur Dein Witz nicht immer unsichtbar bliebe. Ein Reitknecht bey einem Pagen und weiß sich nicht besser zu helfen!

Stief. Nehmen Sie sich nur in Acht, daß Sie nicht zwischen zwey Feuer kommen, denn ich sehe da oben die drey Herren Officiere aufmarschiren, die Sie aus dem Korbe gestochen haben. Ich denke, wir machen, daß wir fortkommen.

Page. Feige Memme! Die Herren kommen mir eben recht, ich habe etwas mit ihnen zu reden.

Stief. Da will ich nicht stöhren. (Er zieht sich furchtsam in den Hintergrund)

 

Funfzehnter Auftritt.

Berg. Busch. Thal. Vorige.

Berg. Sieh, sieh, da steht ja wohl der saubre Herr Page.

Busch. Jetzt Revange, Herr Bruder!

Thal. Dießmahl, junger Herr, sollen Sie uns nicht entschlüpfen.

Page. Meine Herren, das ist auch gar nicht meine Absicht. Ich war im Gegentheil eben auf dem Wege Sie zu suchen.

Berg. Wirklich?

Busch. Ein Nothschuß.

Thal. Was wollten Sie denn bey uns?

Berg. Vermuthlich das Trinkgeld holen?

Page. Keinesweges. Ich bin uneigennützig und wollte Ihnen blos Glück wünschen.

Busch. Wozu?

Page. Mit vieler Mühe ist es mir endlich gelungen, meine drey Muhmen zu überzeugen, daß sie keine bessern Männer auf der Welt finden werden, als Sie, meine Herren!

Thal. Will der junge Herr uns wieder zum Besten haben?

Page. Hören Sie mich doch nur aus! Daß ich selber ein wenig in meine schönen Mühmchen verliebt war, will ich gar nicht läugnen, und so lange ich Hoffnung hatte, war ich mir freylich der Nächste. Aber jetzt, da drey verdammt vierschrötige Bräutigams angekommen sind

Alle Drey. Was?

Page. Und ich also doch leer ausgehe, so gönne ich sie Ihnen lieber, als den einfältigen Landjunkern. Darum hab' ich beschlossen, daß noch heute Abend Ihre Verlobung seyn soll.

Berg. Sie haben beschlossen? Das ist allerliebst.

Busch. Wollen Sie etwa Komödie mit uns spielen?

Page. Warum nicht? Ein wenig. Wir wollen aber gleich beym vierten Akt anfangen, und im fünften werden die Heyrathen vollzogen. Ich rechne freylich dabey auf Ihre Hülfe.

Thal. Wenn es Ernst wäre

Page. Für's Erste müssen wir die Nebenbuhler aus dem Hause schaffen, dann hab' ich das Uebrige schon im Kopfe.

Berg. Junger Herr, wenn Sie Wort halten, so haben Sie drey arme Teufel glücklich gemacht.

Busch. Und drey wackere Männer sich zu Freunden erworben.

Thal. Wenn es aber wieder so ein Pagenstreich ist

Page. Meine Herren, ich bin in Ihrer Gewalt! Wenn ich Sie dießmahl anführe, (zu Berg) so schlage ich mich mit Ihnen auf Pistolen. (zu Busch) mit Ihnen auf den Hieb; (zu Thal) und mit Ihnen auf den Stoß. Kommen Sie nur mit aufs Kaffeehaus, da will ich Ihnen meinen Plan entwickeln. Courage, Messieurs!

    Il est beau de tenter des choses inouïes,
Dût-on voir par l'effet ses volontés trahies.
Je brave les dangers, la mort, l'enfer, la loi:
Vou - s'il y faut périr - périssez avec moi!

Alle in das Kaffeehaus.

 

Ende des dritten Aufzugs.

 


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