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Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.

Stiefel und der Baron.

(Es ist Morgen geworden. Stiefel schläft im Sessel; die leere Bouteille steht neben ihm. Der Baron sitzt noch in der nehmlichen Stellung wie am Ende des Ersten Aufzugs.)

Bar. Endlich wird es Tag! Es ist nur noch ein Glück, daß wir nicht im Monde wohnen, wo die Nächte zwey Wochen lang sind. Das hätt' ich nicht ausgehalten. Der Arm ist mir ganz steif vom vielen Tippen. Der Kerl hat den Teufel im Leibe! Der Huth liegt ihm beynahe auf der Nase, und er schläft wie ein Murmelthier. Ein Paar mahl ist mirs wahrhaftig vorgekommen, als ob die Gestalt in meinem Bette schnarchte. Jetzt eben wieder! (er tippt Stiefel auf den Kopf mit seinem Stöckchen) Heda Stiefelchen!

Stief. (brummt im Schlafe)

Bar. Jetzt klang es gar wie geräuspert. (er tippt wieder) Stiefelchen! Stiefelchen!

Stief. (ermuntert sich) Was giebt es denn?

Bar. Ach Gott sey Dank! da kommt auch meine Schwester!

 

Zweyter Auftritt.

Deborah. Vorige.

Deborah. (in einem züchtigen Negligee) Gott verzeih mir meine Sünde! Was soll das vorstellen?

Bar. Da siehst Du, wozu Deine Grausamkeit einen leiblichen Bruder gezwungen hat. Die ganze Nacht hab' ich hier gesessen mit offenen Augen, wie eine Eule.

Deborah. Warum denn?

Bar. Wegen der Seufzer und Wehklagen, die sich in meinem Zimmer vernehmen ließen, und wegen der Gestalt Ja, eine Gestalt lag in meinem Bette.

Deborah. Du bist nicht wohl gescheidt.

Bar. Und Du bist überstudiert, gehörst zu den neumodischen Damen, die vor lauter Floskeln vergessen, daß sie auf der Welt sind. Fräulein Philosophin! möchtest Du doch einmahl recht in eine Geisterklemme gerathen Da! Da! hörst Du?

Deborah Was?

Bar. Ein Geräusch in meinem Zimmer?

Deborah. Ja, das hör ich; es wird Jemand darin seyn.

Bar. Kein Mensch, sag' ich Dir! Eine Gestalt und weiter nichts.

Deborah. Hahaha! Du hast recht. Eine Pagengestalt.

 

Dritter Auftritt.

Page. Vorige.

Page (tritt demüthig in die Thüre)

Stief. (zieht sich zurück)

Bar. Was? Was ist das?

Page. Ich habe die Ehre, dem gnädigen Onkel einen guten Morgen zu wünschen.

Bar. (der kaum Worte findet) Bursche! Er war in meinem Zimmer?

Page. Ach ja!

Bar. Er hat dreymahl geseufzet?

Page. Ueber Ihre Ungnade.

Bar. Und Er hat in meinem Bette geschlafen.

Page. Aus Verzweiflung; übrigens aber recht gut.

Bar. Höllenbrand! Wie ist er da hineingekommen?

Page. Als der gnädige Onkel mich verstieß, da war ich so verwirrt, so betäubt, daß ich die rechte Thüre verfehlte. Auf einmahl kam es mir vor, als sey ich in einem Gasthofe. Ohne zu wissen, was ich that, machte ich mir's kommode, löschte das Licht aus, seufzete und schlief ein.

Bar. O des verdammten Taugenichts! Was hält mich ab (Er sucht nach einem Stocke)

Deborah. Mach' nur keinen Lärm, Bruder! sonst wirst Du noch obendrein ausgelacht.

Bar. Fort, mir aus den Augen! Find' ich den Burschen wieder, so laß' ich ihn ins Zuchthaus stecken. (will gehen)

Stief. (hält seinen Huth hin) Gnädiger Herr, meinen Dukaten!

Bar. Geh zum Teufel! Von dem jungen Herrn da laß Dich bezahlen. (Er läuft in sein Zimmer)

Deborah. Vetter! wenn Er nicht bald anders wird, so fährt Er bey lebendigem Leibe zur Hölle! (folgt ihrem Bruder)

Page. I nu, die Hölle ist wohl auch so schlimm nicht, als man sich vorstellt. Ein Teufel neckt den andern, da giebts wenigstens keine Langeweile.

 

Vierter Auftritt.

Page. Stiefel.

Stief. Ist's noch nicht gefällig abzumarschiren?

Page. Nichts weniger.

Stief. Haben Sie denn nicht gehört, daß der alte Herr sich Ihre Gegenwart verbittet?

Page. O ich habe mir die seinige oft genug verbeten; er hat sich nie daran gekehrt.

Stief. Aber unser Urlaub ist um.

Page. Leider!

Stief. Wir müssen also reisen.

Page. Höre, Stiefel, kennst Du das alte Sprüchwort nicht: Zum Reisen braucht man Geduld und Geld. Ich habe keins von beyden.

Stief. Daß Sie kein Virtuos in der Geduld sind, weiß ich längst; daß Sie aber auch kein Geld mehr haben

Page. Hättest Du auch schon längst wissen können. Die ganze Stadt ist voll hübscher Mädchen, man muß sich putzen, Cadeaux machen, reiten, fahren

Stief. Freylich! Und viel hatten wir ohnehin nicht.

Page. Also der Beutel ist leer! quod erat demonstrandum.

Stief. Ey, da kommt ja die Bitte des alten Herrn, uns fortzupacken, recht zu gelegener Zeit!

Page. Ach Stiefel! ich habe noch andere Ursachen, warum ich nicht fort mag.

Stief. Sind Sie verliebt?

Page. In's schöne Annlieschen.

Stief. So? ich dachte in Trudchen.

Page. Allerdings auch in Trudchen.

Stief. So geht das arme Kätchen allein leer aus?

Page. Wie kannst Du das glauben? Ich liebe Kätchen mit gleichem Feuer.

Stief. Alle drey auf einmahl? Nun, das muß wahr seyn, ein Pagenherz ist wie das Oelkrüglein der Wittwe zu Sarepta. Man schenke heraus, so viel man wolle, es wird doch nie leer.

Page. Du siehst also, ich kann nicht fort, denn ich muß lieben, mich lieben lassen, den Onkel prellen, die Tante foppen, meine Nebenbuhler für Narren halten, und endlich vor allen Dingen Geld, Geld! Unter hundert Dukaten kann ich den Onkel unmöglich durchschlüpfen lassen.

Stief. Er scheint eben nicht aufgelegt.

Page. Er muß.

Stief. Wie wollen Sie das anfangen?

Page. Das weiß ich selbst noch nicht; aber er wird mich nun einmahl nicht eher los. Geh, Stiefel, bleib im Vorzimmer, sey bey der Hand, wenn ich Dich brauche.

Stief. Ganz wohl! Doch mit Ausnahme. Denn wenn der alte Herr böse wird, und es käme etwa hier zu einigen Handgreiflichkeiten, so mögen Sie rufen, so viel Sie wollen, ich rühre mich nicht. (ab)

 

Fünfter Auftritt.

Page allein.

Es wäre doch schlimm, wenn ich glatter Bursche mit dem alten eckigten Onkel nicht fertig werden könnte. Es soll ihm eben so schwer werden, mich zu fangen, als ein Quecksilberküchelchen mit zwey Fingern zu erwischen.

 

Sechster Auftritt.

Trudchen. Page.

Trudch. Guten Morgen, Vetter!

Page. (trübselig) Ach schönes Trudchen! das wird wohl der letzte gute Morgen seyn, den Sie mir bieten.

Trudch. Wieso?

Page. Der Papa hat mich aus dem Hause gehen heißen.

Trudch. Warum?

Page. Der Barbar! weil ich Sie anbete.

Trudch. Guter Vetter! und Sie wollen wirklich fort?

Page. Nichts weniger, mein theures Mühmchen! wenn Sie mir nur beystehen.

Trudch. Wie kann ich das?

Page. Verstecken Sie mich!

Trudch. Wo? Allenfalls im Keller, zu dem hab' ich den Schlüssel.

Page. Prr! nein; im Keller ist mir's zu kalt, zu dunkel. Auch blieb' ich gern in der Nähe, um meinen Nebenbuhler zu beobachten. Wie wär' es, wenn Sie mich wieder ein wenig in den Schrank sperrten, und, so oft Papa den Rücken kehrt, mir Trost in meinen Kerker brächten?

Trudch. Der Schrank ist verschlossen. Papa hat gestern Abend den Schlüssel abgezogen.

Page. Wir brechen ihn auf.

Trudch. Das würde gewaltigen Lärm machen.

Page. Sollte die alte Uhr da nicht Raum genug für mich haben?

Trudch. Welch' ein Einfall?

Page. Ich bin ja ein schlanker Jüngling, und, wenn es seyn muß, kann man mich zusammendrücken, wie einen Muff in seine Schachtel. (er öffnet den Uhrkasten)

Trudch. Aber wo sollen die Gewichte bleiben?

Page Die schneiden wir ab.

Trudch. Sind Sie toll? Dann geht ja die Uhr nicht mehr.

Page. Was schadet das? Wollen Sie einen Mann nach der Uhr? Ist es Ihnen nicht genug, zu wissen, daß ein Liebhaber in der Uhr steckt, der zu jeder Stunde des Tages, sie mag schlagen oder nicht, mit Leib und Seel' der Ihrige ist? (er schlüpft hinein)

Trudch. Aber Sie müssen ersticken.

Page. Nicht doch, das Loch da vorne (er meint nehmlich das ovale Loch, welches in der Gegend zu seyn pflegt, wo der Perpendikel hängt) wird mir mehr Luft geben, als ein verliebter Page bedarf. Ziehen Sie nur den kleinen seidenen Vorhang wieder drüber.

Trudch. Ich höre kommen.

Page. Den Schlüssel abgezogen. Fort! Fort!

Trudch. (zieht den Schlüssel ab und entfernt sich von der Uhr) Ein toller Mensch! Ach, die Liebe zu mir macht ihn so verwegen.

 

Siebenter Auftritt.

Baron. Kreuzqueer. Vorige.

Bar. Ja, Herr Schwiegersohn! wir wollen noch diesen Vormittag die Sache in Richtigkeit bringen Eine Braut ist eine reife Frucht; läßt man die zu lange am Baume hängen, so kommen die Wespen.

Kreuzq. Und die Sperlinge. Als ich von Stolpe nach Danzig reis'te

Bar. Das sollen Sie mir auf den Abend erzählen. Jetzt will ich selber zum Notarius gehen. (Er nimmt Huth und Stock)

Kreuzq. Wie wird Ihnen, mein Fräulein, da Sie das Wort Notarius aussprechen hören?

Trudch. Als ob ich mein Testament machen sollte.

Bar. Kehren Sie sich nicht an das alberne Ding! Der Ehestand ist, sans Comparaison, eine ruhende Klapperschlange. Die Mädchen hüpfen, wie die Vöglein, bezaubert immer näher, und schlüpfen ihr endlich freywillig in den Rachen.

Trudch. Eine allerliebste Beschreibung des Ehestandes.

Bar. Sey vernünftig, Gertraud! unterhalte Deinen Bräutigam mit lieblichen Worten und Geberden, bis ich zurückkomme. (will gehen) Ach! fast hätte ich vergessen es ist heute Sonnabend. Ich muß doch erst meine Uhr aufziehen.

Trudch. (bey Seite) O weh!

Bar. Nu? Wo ist denn der Schlüssel zu dem Kasten? Der Uhrschlüssel hängt ja drinnen.

Trudch. Ich weiß nicht.

Bar. Was soll das vorstellen? Der Schlüssel wird ja sonst nie abgezogen.

Trudch. Nein freylich ich weiß gar nicht

Bar. Du kommst mir ja so verlegen vor?

Trudch. Ich? Gott bewahre! Ach nun besinne ich mich, die Uhr ist schon aufgezogen.

Bar. So? Wer hat es denn gethan?

Trudch. Ich selbst; gestern Abend.

Bar. Ey, das wäre ja das Erstemahl in Deinem Leben?

Trudch. Ja ich weiß nicht, wie es mir einfiel

Bar. Wenn mir recht ist, so kannst Du ja nicht einmahl hinaufreichen?

Trudch. Ich bin auf einen Stuhl gestiegen.

Bar. So? Da hast Du Dir ja echt viel Mühe gegeben? Aber mit alledem scheint es mir doch, daß sie steht. (Er horcht auf den Schlag des Perpendikels)

Trudch. Steht sie? Ey!

Bar. Ja, sie steht; (er sieht nach seiner Taschenuhr) und zwar ist sie erst vor wenig Minuten stehen geblieben.

Trudch. Das ist kurios!

Bar. Sehr kurios!

Kreuzq. Auf meiner großen Reise von Stolpe nach Danzig

Bar. Ich bitte, Herr Schwiegersohn, lassen Sie nur dieß Kapitel erst abthun. (zu Trudchen) Da Du die Uhr aufgezogen hast, so mußt Du ja auch wohl den Schlüssel zum Kasten haben?

Trudch. Ich glaube.

Bar. So gieb ihn her!

Trudch. (sucht in der Tasche) Ich hab' ihn auf meinem Zimmer gelassen.

Bar. So hol' ihn!

Trudch. Ich will es nur gestehen, lieber Papa, ich bekam gestern vom Nachbar eine junge allerliebste Katze geschenkt. Ich weiß aber, daß Sie die Katzen nicht leiden mögen, und da ich auch fürchtete, sie möchte mir des Nachts zu viel Lärm im Zimmer machen, so sperrte ich sie für's Erste hier ein. Aber gehen Sie nur zum Notarius, ich will die Katze gleich wieder herauslassen, und wenn Sie Ihnen mißfällt, so gebe ich sie dem Nachbar zurück.

Bar. Was das für Streiche sind! Katzen in meinem Uhrkasten! Wenn das Beest nun da (er zieht den kleinen Vorhang weg und erblickt des Pagen Gesicht) So?

Kreuzq. Ey, ey!

Bar. Ein allerliebstes Kätzchen! vom Nachbar geschenkt?

Trudch. Gnädiger Papa

Bar. Den Hals dreh' ich Dir um! Und Er, mein sauberer Vetter, was sagt Er dazu?

Page. Was soll ich sagen? Miau!

Bar. Er untersteht sich noch zu spotten?

Page. (wehmüthig) Ach ja!

Bar. Hatt' ich ihm nicht das Haus verboten?

Page. Ja.

Bar. Dießmahl soll es ihm theuer zu stehen kommen. Meine Geduld ist erschöpft. Der Kutscher und der Hausknecht sollen mir das Kätzchen herausholen und auf die Straße transportiren. Damit aber unterdessen die Fräulein Tochter dem Kätzchen nicht zu Hülfe kommen könne, so beliebe sie dem Herrn von Kreuzqueer ihren Arm zu geben.

Trudch. Gnädiger Papa!

Bar. Halt's Maul! ich bin ungnädig! Allons, Herr Schwiegersohn, führen Sie die unverschämte Dirne fort. (Als er sieht, daß Trudchen sich sträubt) Es hat nichts zu bedeuten, wenn Sie ihr auch den Arm ausrenken.

Kreuzq. Mein holdes Fräulein

Trudch. Ich folge, weil ich muß; aber ewig werd' ich den Vetter lieben!

Bar. Wir wollen Dir die jungen Katzen schon aus dem Kopfe bringen. (Alle drey ab.)

 

Achter Auftritt.

Page allein, das Gesicht vor dem Loche.

Meine Lage ist eben nicht die bequemste. Wenn ich nur die Arme rühren könnte, so wollte ich bald, wie Simson, das ganze Gebäude auseinander schmettern. He! Stiefel! Stiefel! Es wäre doch ein verfluchter Streich, wenn der Kutscher und der Hausknecht mich hier attrapirten. Stiefel! Stiefel! Der Schlingel hört nicht! O Jupiter, Du warst ja auch zu Deiner Zeit ein verliebter Schalk! Um des Pagen Ganimed willen! hilf mir aus der Klemme!

 

Neunter Auftritt.

Kätchen und der Page.

Kätch. (einen Haubenkopf in der Hand tragend, auf welchem eine Haube mit einem Schleier befindlich ist) In dieser Haube werd' ich dem kleinen Wildfang sicher gefallen. Das purpurfarbne Band zu meinen schwarzen Augen und die Lotosblume, die so imponirend herüber nickt, und das versteckte Veilchen, das zu sagen scheint: suche mich! Ach, wenn ich ihm nur ganz trauen dürfte! Wenn nur irgend ein Schutzgeist mir zuflüsterte: Er liebt Dich!

Page. Er liebt Dich.

Kätch. Ach! was war das?

Page. Die Stimme eines armen Vetters, der von Barbaren hier eingesperrt worden, weil er Muhme Kätchen liebt.

Kätch. Ums Himmelswillen! Warum? Weswegen? Wie ist das zugegangen?

Page. Befreyen Sie mich nur erst aus dem verdammten Loche, dann will ich alle Ihre Fragen beantworten.

Kätch. Herzlich gern; aber der Schlüssel steckt ja nicht im Schloß!

Page. Das ist eben der Teufel! Und der gnädige Papa ist hingegangen, Leute zu holen, um mich ganz höflich auf die Straße zu transportiren.

Kätch. Mein Gott!

Page. Der Unmensch weiß nicht, daß heut zu Tage, wo alles Griechisch ist, man die Gastfreyheit respektiren muß.

Kätch. Was fangen wir an?

Page. Haben Sie keinem Dietrich? Keine Brechstange?

Kätch. Wie käme ich dazu?

Page. Läßt sich denn das Uhrwerk oben nicht herunter heben?

Kätch. O ja!

Page.

Page. So thun Sie es geschwind, dann kriech' ich oben heraus.

Kätch. (setzt ihren Haubenkopf auf den Farotisch) Es ist mir zu hoch.

Page. So steigen Sie auf einen Stuhl!

Kätch. Aber die Gewichte?

Page. Die hab' ich schon abgeschnitten.

Kätch. (steigt auf den Stuhl) Wenn ich nur Kräfte genug habe.

Page. Ich will mit dem Kopfe nachhelfen. Ich will, ein zweyter Atlas, die Zeit auf meinem Haupte tragen.

Kätch. e (hebt den obern Kasten, in welchem das Werk ist, herunter; die abgeschnittenen Stricke von den Gewichten hängen daran herab) Das wäre geschehen; aber wie kommen Sie heraus?

Page. O, ich bin wohl eher in einem Kamin in die Höhe geklettert! (er steigt heraus) Es geht, es geht! Nur einen Tisch hier in die Nähe, daß ich den Fuß darauf setzen kann. Victoria! (er springt heraus)

Kätch. Nun müssen wir aber die Uhr wieder in Ordnung bringen.

Page. Das sey meine Sorge! Aber ganz leer darf der gnädige Papa den Uhrkasten doch auch nicht finden. Ogeben Sie mir den Haubenkopf!

Kätch. Was wollen Sie damit?

Page. Um des Kontrastes willen. Denn nichts unähnlicher auf der Welt, als ein Pagenkopf und ein Haubenkopf. (Er senkt den Haubenkopf hinab in den Uhrkasten, so daß das gemahlte Gesicht gerade vor die vorhandene Oeffnung zu stehen kommt, setzt dann das Werk wieder drauf, und bringt alles schnell in Ordnung)

Kätch. Jetzt machen Sie aber auch, daß Sie fortkommen!

Page. Ich Sie verlassen? Nimmermehr!

Kätch. Sind Sie toll? Meynen Sie durch solch' einen Schelmenstreich meinen Vater zu besänftigen? Entweichen Sie wenigstens seinem Ersten Zorne!

Page. Ich fürchte mich vor Niemand, als vor dem Amor, der aus Ihren beyden Augen Pfeile auf mich schießt.

Kätch. Die Galanterie kommt sehr zur Unzeit. Ich kenne meines Vaters Hitze und bebe für Sie.

Page. So verstecken Sie mich!

Kätch. Wohin denn? Schlüpfen Sie in den Garten.

Page. Nein, aus diesem Zimmer geh' ich nun einmahl nicht.

Kätch. Der Mensch ist rasend.

Page. (den Farotisch und die Haube, die darauf liegt, betrachtend) Ein köstlicher Einfall! Ihr Haubenkopf residirt in der Uhr?

Kätch. Leider!

Page. Und dieser alte Farotisch es geht, o wahrhaftig, es geht!

Kätch. Was hat denn nun wieder der Farotisch mit meinem Haubenkopfe zu schaffen?

Page. Schönes Mühmchen, ich liebe Sie! ich bete Sie an! Um Ihrentwillen lasse ich mich zu der niedrigsten Verkleidung herab. Kurz und gut, ich bin ihr unterthänigster Haubenkopf.

Kätch. Was soll das heißen?

Page. Das sollen Sie bald gewahr werden. (Er nimmt die Haube, setzt sie auf, schlüpft hinter den Farotisch und bückt sich so, daß sein Kopf und Hals gerade in den halbrunden Ausschnitt passen) Jetzt belieben Sie nur noch den Schleyer zu arrangiren und dann will ich den sehen, der mich nicht für einen leibhaftigen Haubenkopf halten soll.

Kätch. (deckt den Schleyer über ihn) Er ist ein toller Mensch. Was wird das für ein Ehemann werden!

Page. Seyn Sie ruhig! In der Ehe sollen Sie mir den Kopf nicht herausputzen.

 

Zehnter Auftritt.

Baron. Brennessel. Hanns. Kutscher. Vorige.

Bar. Kommen Sie, Herr Schwiegersohn! Indessen der Herr von Kreuzqueer meinem Trudchen den Kopf zurechte setzt, sollen Sie Zeuge seyn, wie ich mit dem Taugenichts umspringen werde. Den Schlüssel hat sie herausgeben müssen. Es ist eine Schande für die Familie, daß ich den Buben von Domestiken aber besser, man schneidet einen brandigen Ast vom Baume. Hanns und Peter, postirt Euch hierher, und sobald ich den Kasten geöffnet, greift hinein, zieht ihn heraus und werft ihn auf die Straße. ( Hanns und Peter stellen sich an die Eine Seite, wo die Thüre sich öffnet, der Baron an die Andere und schließt auf) Na, greift zu!

Hanns und Peter (greifen zu und holen den Haubenstock heraus)

Bar. (ganz versteinert) Was ist das?

Brenn. Potz Miekchen! Ein Haubenkopf. Hahaha!

Bar. Kann der Bube hexen?

Hanns. Soll ich ihn auf die Straße werfen?

Bar. Wie ist das zugegangen? Käthe! Rede!

Kätch. Ich weiß von Nichts.

Bar. Die Gewichte abgeschnitten, die ganze Uhr ruinirt, und mit Satans Hülfe meiner Rache entflohn!

Brenn. Hahaha! Schwiegerpapa! bey mir müssen Sie in die Schule gehen. Ich lege meinen Bauern Blöcke an die Füße, und meinen Schweinen hölzerne Kragen um den Hals, da schlüpft mir Keines durch den Zaun.

Bar. Nu, hol ihn der Teufel! Ich bin nur froh, daß ich ihn los bin. Geht! (Hanns und der Kutscher ab) Daß er nicht noch Einmahl zurückkömmt, dafür bin ich sicher; er kennt mich; ich lasse nicht mit mir spaßen.

Brenn. Guten Morgen, meine schöne kleine Braut!

Kätch. Das fällt Ihnen etwas spät ein!

Brenn. Ja sehn Sie nur, das müssen Sie mir nicht übel nehmen, das passirt mir oft. Aber in der Wirthschaft denke ich an Alles, an Heumachen und Korndreschen, an Flachsrösten und Schweinemästen.

Kätch. Vortrefflich!

Bar. Allerdings vortrefflich, auch ohne gerümpfte Nase, mein schnippisches Fräulein. Auf den schönen Gütern dieses Mannes erwartet Dich ein wahres Schäferleben.

Kätch. Nur nicht in Arkadien.

Brenn. Nein, in Pommern. Meine Güter liegen alle in Pommern. Herrliche Güter! Da wollen wir leben! Potz Miekchen! Des Morgens essen wir kräftige Biersuppe, mit Honig von meinen eignen Bienen; dann gehen wir ein wenig in den Stall und sehen, ob das liebe Vieh sein gehöriges Futter hat; dann schlend'r ich, Ihnen zu Gefallen, mit in die Milchkammer, da schöpfen wir den Rahm von den Töpfen; Nachmittags spazieren wir hinaus aufs Feld, und sehen, wie der liebe Dünger auf den Aeckern vertheilt wird.

Kätch. Das wird jährlich viel Eau de Lavande kosten.

Brenn. Keinen Tropfen. Solch Zeug taugt nicht in die Wirthschaft. Ueberhaupt werden Sie sich sehr bey mir insinuiren, wenn Sie all' den neumodischen Flatterstaat in die Plunderkammer werfen.

Kätch. (spöttisch.) O ja, ich verspüre große Lust dazu.

Bar. Er hat Recht. Es wird immer toller. Ein Spinngewebe ist dichter, als Euer Anzug. Das Gebein kann man durchschauen, und die Arme sind gar nackend bis an die Ellenbogen. Ob Euch die Seele im Leibe erfriert, daraus macht ihr Euch gar nichts, wenn nur die Eitelkeit fein warm sitzt. Und die Kopfzeuge sie kosten ein Sündengeld ist doch nicht für einen Dreyer solider Werth darinnen. Da steht so ein Ding! da sehn Sie nur einmal, Herr Schwiegersohn! (er hebt mit zwey Fingern dem Pagen die Haube vom Kopfe, der ihn zärtlich ansieht. Große Pause)

Brenn. (bricht endlich los) Potz Miekchen!

Kätch. O weh! O weh! (sie schleicht sich fort)

Brenn. He da! Fräulein Braut! Schleichen Sie doch nicht davon, wie die Katze vom Taubenschlage. (er stolpert ihr nach)

 

Eilfter Auftritt.

Baron. Page.

Bar. (der bis jetzt, mit der Haube zwischen den Fingern, ganz verblüfft stand, den Pagen anstierte und von ihm angesehen wurde) Ist Er's wirklich?

Page. (wehmüthig) Ja, gnädiger Onkel!

Bar. Er untersteht sich

Page. Ach Gott! darf ich denn in Ihrem Hause nicht einmahl ein Haubenkopf seyn?

Bar. Ein Tollkopf ist Er! den ich bey den Haaren hinausschleppen werde! (Er fährt auf den Pagen. los, der Page. duckt unter, schlüpft zwischen seinen Füßen durch in eine andere Ecke des Zimmers)

Page. Bitte, bitte, lieber Onkel!

Bar. (außer sich) Wo ist mein Stock? mein

Page. (hebt einen Stuhl auf) Onkel, ich wehre mich in aller Unterthänigkeit.

Bar. Was? Er will sich gegen seinen leiblichen Oheim zur Wehr setzen?

Page. Ja, wenn Sie's gnädigst erlauben, ich wehre mich bis auf den letzten Blutstropfen.

Bar. Teufelsjunge! Will er sich gleich aus dem Hause packen?

Page. Mein gnädiger Onkel!

Bar. Nicht?

Page. Nein, wahrhaftig nicht. Ich liebe Sie gar zu sehr; ich kann mich unmöglich von Ihnen trennen.

Bar. Warte, Bursche! Mit Dir wollen wir wohl fertig werden. (läuft wüthend davon)

Page. Es wird Ernst. Jetzt ist guter Rath theuer.

 

Zwölfter Auftritt.

Annlieschen. Page.

Annliesch. (kommt aus der Seitenthüre und will eilig nach der Mittelthüre)

Page. Wohin so schnell, mein schönes Mühmchen?

Annliesch. Ich habe einen Burschen von der Straße heraufgerufen, um einen Blasebalg von ihm zu kaufen.

Page. O bleiben Sie; ich habe Ihnen ja heute noch gar nicht gesagt, daß ich Sie liebe anbete

Annliesch. Sagen Sie mir das nachher; der Bursche läuft mir sonst wieder weg.

Page. Wo ist er denn?

Annliesch. Vermuthlich im Vorzimmer.

Page. Und so ein Blasebalg, so ein Wind, wäre Ihnen lieber, als ein ehrlicher Page, der nie Wind macht?

Annliesch. Wer sagt das? Aber kann ich Sie denn in der Küche brauchen?

Page. Ueberall können Sie mich brauchen, so lange Papa mich nicht zur Thüre hinauswirft.

Annliesch. Pfui! Was denken Sie von Papa?

Page. Ich denke, daß er eben hingegangen ist, seine Leute zu holen, um mich die Treppe hinab zu komplimentiren. Ja, schönes Mühmchen, wir sollen uns auf ewig trennen!

Annliesch. Reden Sie im Ernst? Was ist vorgefallen?

Page. Nichts auf der Welt. Ich erklärte ihm blos, daß ich ohne Sie nicht leben könnte. Was fang' ich nun an? Muß ich aus dem Hause, so sterb' ich vor Gram.

Annliesch. (bei Seite) Der arme Junge! wenn ich nur helfen könnte.

Page. Ach Gott! Da hör' ich ihn schon! Und der Kutscher, der Hausknecht das ist grobes Gesindel, das hat Fäuste und Manieren. Auf Wiedersehen, schönes Mühmchen! Aus dem Hause bringt er mich doch hol' mich der Teufel nicht! (Er läuft durch die Mittelthüre fort)

Annliesch. Warum kam ich denn eigentlich her? Der hübsche Wildfang hat mich ganz konfus gemacht.

 

Dreyzehnter Auftritt.

Baron. Heldens. Hanns mit einem großen Besen. Annlieschen.

Heldens. Potz Friedrich und Bonaparte! Schwiegerpapa, ich mache ein Ragout aus dem Knaben.

Bar. Wo ist er geblieben?

Annliesch. Wer?

Bar. Der saubre Vetter?

Annliesch. Ich hab' ihn nicht gesehen.

Bar. Ist er nicht wieder hier irgendwo versteckt?

Annliesch. Sie scheinen sehr aufgebracht, lieber Papa? Was hat denn der Vetter gethan?

Bar. Alles hat er gethan! Alles!

Heldens. Alles nun wohl nicht, denn er hat den Einjährigen Krieg nicht mitgemacht.

Bar. Sein Glück, daß er sich skisirte.

Heldens. (schwingt die Fuchtel) Ich hätt' ihn zu einem Pudding gehauen.

Annliesch. Wenn er nehmlich still gehalten hätte.

Heldens. Was denken Sie, Fräulein Braut? Mir muß man still halten. Ich habe ganz andre Leute vor mir gehabt, Croaten und Panduren! Fünf Campagnen hab' ich im Einjährigen Kriege mitgemacht, und wenn ich kam, so lief keiner davon!

Bar. Hanns, gieb Du wohl Acht, laß mir den Burschen nicht wieder über die Schwelle!

Hanns. Der Kutscher hat mir den Stallbesen geliehen, da will ich ihn schon fegen.

 

Vierzehnter Auftritt.

Page. Vorige.

Page. (als Blasbalgmacher, in einen weiten Rock geknüpft, einen heruntergeschlagenen Huth in das Gesicht gedrückt, einige Blasebälge auf dem Rücken hängend und einen großen Blasebalg in der Hand) Met Verlöf, myne Herrn!

Bar. Was willst Du Bursche?

Page. Dat gnädige Frölen hatt mi geropen.

Annliesch. Ach, das hatt' ich ganz vergessen! Ja, lieber Papa, wir brauchen nothwendig einen neuen Blasebalg.

Bar. Was geht das mich an? Dergleichen muß nicht hier in meinem Wohnzimmer abgehandelt werden. Fort! hinaus!

Page. Wat meent he denn Herr? Dat man de Püstermacker achter'n Tun findet.

Bar. Geh zum Teufel mit Deinen Blasebälgen!

Page. De Düvel ward mi keene abköpen. Dem sind se to lütge, um syn Füer met antupusten. Kiek' He man her, sind süß schöne Püster, se macken ju Wind, noch beeter, als en Keerl de jümmer achten de Frunt seten hett. (er bläst auf Heldensinn)

Heldens. Bursche! bleib' mir vom Leibe!

Page. Bruucken se keenen Wind? Dat is doch süß Allmanns-Koop. Nümmes kann et missen. Ahn Wind kann de Grapen am Füer nich koocken; dat Mehl tum Brod kümmt von de Windmöhl; en Haasen up ju Tisch könnt ju mit de Windbücks scheeten; de Orgelpipen möten Wind hebben, süß gaht nümmes in dat Gottes Huus; de schmucken Frölens bym Tanz maacken Wind mit de Föger und de Junker mit't Muul. De Versemacker brucken Wind am Nyjahrstage und de Avisenschriewer alle bott. Well ji fryen, min Herr, ahn Flausen geht ju keen Deeren int't Nett. Well ju en Boock schriewen, met i wedder Flausen macken, süß waar ji nicht geröhmt, ji ja ock by Hofe ward alle Jahr en Hupen Wind verbruckt. Met Wind kennt ji dat Fewer koriren, kinnt macken Getränk för schwangre Fruuens, dat Söt tum Coffee, Supp ut Knacken, Geld ut d' Lotterie, Caffee ut Cichorien, ja man met Wind stigt ji in de grote Windkugel tu de hiligen Engelgens hinup, oder breckt dat Genick as jen Franzos. Yi sehn darut, dat de Püstermacker nich achter'n Tun jung woren sind.

Heldens. Der Bube hat den Teufel im Leibe!

Page. Kommen Se, gnädig Frölen, kommen Se na de Keeck, da wöll wi de Püster versöcken, und dann wöll wi öbber den Pryß woll enig waren.

Bar. Halt! das Ding kommt mir verdächtig vor. Laß Er sich doch einmahl recht besehen, mein witziger Herr Blasebalgmacher.

Page. (weicht aus) O perre mi nich so nahe up't Lief, dat kennen sellen die groten Lüde verträgen.

Bar. Mache der Herr keine Umstände, oder ich will ihm einen Sturm vorblasen, der ihn zum Thore hinaus wehen soll. (Er erreicht ihn und reißt ihm den Huth weg) Dacht' ich's doch! Schon wieder der vermaledeyte Page!

Annliesch. Ach der Vetter!

Heldens. (schwingt den Stock.) Ist er das? Heraus, mit der Fuchtel!

Bar. Hanns! Peter! werft ihn aus dem Hause!

Page. (retirirt sich hinter Annlieschen und bläst aus seinem Blasebalge Wind, so viel er kann hervor) Wer mir zu nahe kommt, ist ein Kind des Todes! Gnädiger Onkel! ich bitte um freyen Abzug, oder ich beschwöre den Geist meiner Mutter, sich alle Abend in Ihr Bett' zu legen, und Sie mit off'nen Armen zu empfangen.

Bar. Hu! hu! Was der Bube für gräßliche Gedanken hat! Laßt ihn laufen!

Page. (küßt Annlieschen schnell) Auf Wiedersehn, schönes Mühmchen! (indem er geht und bläßt) Platz da! Platz da! (ab)

Heldens. Potz Friedrich und Bonaparte!

 

Ende des zweyten Aufzugs.

 


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