Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ueber die Krankheiten der Mannschaft während der drei Jahre der Reise vom Arzte des Schiffes, Dr. Eschscholtz.

Kurzer Bericht über die wesentlichen Krankheiten der Mannschaft während der drei Jahre der Reise.

Es kann meine Absicht nicht seyn, hier jede zufällig entstandene Krankheit aufzuzählen (wozu ich nur mein in dieser Hinsicht geführtes Tagebuch abschreiben dürfte), sondern ich will der im Verfolg der Reise durch die sich entgegenstellenden äußern (entfernten) Krankheitsursachen nothwendig erfolgten Wirkungen auf die Gesundheit der Mannschaft erwähnen, und hin und wieder, wo es der Aufzeichnung nicht ganz unwerth scheint, die dawider ergriffene Verfahrungsart und die Wirkungen der angewandten Mittel hinzufügen. Mein Bestreben ging immer dahin, den herrschenden Charakter der Krankheiten in den verschiedenen oft schnell veränderten Himmelsstrichen zu erkennen. Dieses wurde aber entweder durch die geringe Anzahl der Kranken oder durch den schnellen Wechsel der Himmelsstriche und der dadurch veränderten Jahreszeiten oft erschwert und zuweilen auch unmöglich; denn kaum war die Kenntniß des gegenwärtigen Charakters erlangt, so hatte dieser auch schon sein Ende erreicht und ein anderer seine Stelle eingenommen.

Dem Schiffsarzte, dessen Publikum große Räume mit ihm schnell durchläuft, gebricht es daher oftmals sehr an der dem ansässigen Landarzte so großen Hülfe, der Bekanntschaft mit dem stehenden Charakter der gegenwärtigen Krankheiten zur Erkenntniß der Natur neu entstandener. Es wird wohl Niemand daran zweifeln, daß es mir gar nicht leid war, wenn oft nur so wenige oder unbedeutende Krankheiten statt fanden, daß aus diesen kein allgemeiner Schluß zu ziehen war. Jedoch muß ich gestehen, daß ich in der Nähe von Chili wirklich wünschte, noch einen leichten Kranken zu bekommen, um die Ursache der bei einem schwer Leidenden erfolgten Veränderungen auffinden zu können.

Erstes Kapitel.
Reise von Kronstadt bis Teneriffa.

Katarrhe und Rheumatismen.

In der Nordsee zeigten sich zuerst leichte Katarrhalfieber, Diarrhöen und rheumatische Beschwerden. Bei einem Matrosen, der als Muster des scrophulösen Habitus dienen könnte, fanden sich an mehreren Theilen des Körpers Furunkeln ein; in England war sein ganzer Rücken mit kleinen Blutschwären übersäet, und bei unserer Abreise von da nahmen sie alle Gelenke seines rechten Armes ein. Die Heilung derselben gelang sehr leicht und schnell. Ich verband bloß mit Emplast. gum. ammon. und machte die Erfahrung, daß es besser sey, dieses Pflaster zwei Tage hindurch liegen zu lassen, als es täglich zu ändern; denn nach dieser Zeit hatte sich fast der ganze Furunkel in eine große mit Blutwasser angefüllte Blase verwandelt, welche, wenn es nicht schon von selbst geschehen war, nur durch einen kleinen Schnitt geöffnet zu werden brauchte, um das Blutwasser ausfließen zu lassen. Auf die Anwendung einer Salbe löste sich bald die vorher die Blase bildende Haut ab, und die röthliche Basis des Furunkels verschwand.

Bei unserer Abreise aus Plymouth bemerkten wir mit Unwillen, daß der Schiffsschmied ganz heiser war, ohne daß er sich unter die Zahl der Kranken hatte aufnehmen lassen, noch mir davon Anzeige gethan. Er hatte nämlich während unseres Aufenthalts in Plymouth seine Schmiede auf dem Lande aufgeschlagen, und hielt sich daselbst auch gänzlich auf, wodurch er unserer Aufmerksamkeit entging. Bei genauerer Befragung erfuhr ich, daß ihm beim Husten die Brust sehr schmerze, daß er nur sehr wenig auswerfe, und daß er vorzüglich ein schmerzhaftes Gefühl im Luftröhrenkopfe habe. Am andern Tage erzählte er mir, daß er schon früher (ungefähr vor einem Jahre) an demselben Uebel gelitten, und damals Blut gespieen habe. Als ihn aber Capitain von Kotzebue darüber befragte und ihm Vorwürfe machte, seine Krankheit nicht früher angezeigt zu haben, so leugnete er das mir Gesagte, und wollte von Aderlässen gesprochen haben. Aus diesem sah ich wohl, daß er sich fürchtete zu gestehen, schon krank ans Schiff gekommen zu seyn, weil man bei der Auswahl der Matrosen jeden über seinen Gesundheitszustand befragt, und dieser sich als gesund erklärt hatte. Welche Aussicht ich für die Heilung dieser Krankheit, einer schon völlig ausgebrochenen Luftröhrenschwindsucht, hatte, wird jeder Sachkundige wissen. Die Brustbeschwerden, auf deren Hebung ich vorzüglich mein Augenmerk richtete, um der Lungenschwindsucht vorzubeugen, wurden in einer Zeit von ungefähr drei Wochen, hauptsächlich durch den Gebrauch des Opiums, gehoben. Aber die Schmerzen im Luftröhrenkopfe und die Heiserkeit blieben nicht allein, sondern nahmen immer mehr zu.

Ein großer Vortheil in Hinsicht der Diät wären für diesen Fall die in den Lehrbüchern angerathenen Seereisen gewesen, aber da findet sich wieder der schlimme Fall, daß man nicht immer zwischen den Tropen segeln kann, sondern mit der unter höhern Breiten gewöhnlichen kalten und feuchten Luft zufrieden seyn muß. Wie diese letztere auf unsern Kranken wirkte, habe ich leider erfahren.

Zweites Kapitel.
Reise von Teneriffa bis Brasilien.

Lungenkrämpfe und Gallenaffectionen.

Auf der Rhede von Teneriffa wurde ein Matrose mit so starken Krämpfen der Lungen befallen, daß er sinnlos mit den Zähnen knirschte. Als ich beim dritten Anfalle vom Lande dazu kam, gab ich ihm eine Dosis Valeriana mit Opiumtinctur, worauf kein Anfall mehr erfolgte.

Beim Eintritt in die Tropen zeigten sich auch die Wirkungen der Hitze; noch vielmehr aber offenbarte sich die Nähe der Inseln des grünen Vorgebirges. Zuerst litt einer der Steuerleute an starken Kopfschmerzen mit bitterm Geschmack im Munde, weshalb er immerfort spie. Obgleich nach einem Brechmittel, das gut wirkte, noch einige Uebligkeit nachblieb, so wurde er doch nach drei Tagen gesund. – Gleich nach diesem wurden zwei Matrosen zu gleicher Zeit mit starken Kolikschmerzen befallen. Kaum eine halbe Stunde nachher, nachdem sie Liniment. volat. auf die schmerzhafte Stelle eingerieben hatten, brachen beide und wurden zu gleicher Zeit von einer Diarrhöe befallen. Am andern Tage waren sie, eine geringe Schwäche ausgenommen, gesund. – An diesem Tage litten mehrere Matrosen an Leibschneiden mit Diarrhöe: diesen gab ich nichts, sie wurden nur auf die Krankensuppe gesetzt. Zu gleicher Zeit hatten andere ein krampfhaftes Gefühl im Larynx mit Kopfschmerzen, die ziemlich anhaltend waren, sich aber doch bald nach dem Gebrauche der Aethertropfen verloren. Diejenigen, die sich nicht an diese Kolikgesellschaft anschlossen, litten nachher an langwierigen Koliken und leichten Gallenfiebern, die aber doch alle glücklich abliefen.

Kurz vor unserer Ankunft in Brasilien wurde ein Matrose von sehr heftigen Lungenkrämpfen befallen, die bei ihm anhaltender waren, als bei dem vor Teneriffa damit Behafteten. Er wurde auch durch Valeriana und Opium hergestellt; außerdem wusch ich ihm während des Anfalls die Brust mit Aether, worauf bald die Schmerzen vergingen und er einschlief.

Der Schmied mit seiner Schwindsucht des Luftröhrenkopfs befand sich in Brasilien anfangs recht wohl, aber bald brachten ihn die immerwährenden Regentage dahin, daß er bei unserer Abreise kaum mehr etwas hinunterschlucken konnte. Doch besserte er sich in der Folge ein wenig.

Der vor Teneriffa mit Lungenkrämpfen befallene Matrose litt auch in Brasilien noch einmal an denselben, nachdem er sich an einem heißen Tage stark durch Rudern angegriffen hatte.

Drittes Kapitel.
Reise von Brasilien bis Chili.

Rheumatismen und Katarrhe.

Bald nach unserer Abreise aus Brasilien fingen Rheumatismen und katharralische und rheumatische Fieber zu herrschen an; auch zeigte sich die entzündliche Rose an den Beinen bei zwei Matrosen. Die erstere von ihnen wurde bald zertheilt; die andere aber, acht Tage später entstanden, war langwierig, ging zuletzt in Eiterung über und wollte lange nicht heilen. Ein Matrose, der auf dem Lande in Brasilien kleine Wunden an den Füßen bekommen hatte, und ihrer Unbedeutendheit wegen meine Hülfe nicht suchte, zeigte mir jetzt die mit schwärzlichen Krusten besetzten Geschwüre. Die Krusten gingen nach dem Gebrauch der Salben leicht ab, aber heilen wollten die kleinen Geschwüre nicht. So ging es auch mit mehreren Furunkeln, die sich wieder zu zeigen anfingen, zu kleinen Geschwüren wurden und dann auf Einem Punkte der Heilung stehen blieben. Die kleinste Wunde, deren es zur Zeit der Stürme mehrere gab, heilte jetzt nicht; bis endlich nach zweitägigem klarem Wetter Alle zu gleicher Zeit gesund wurden.

Der Schmied war aber öfters so schlecht, daß er nicht schlucken konnte, und magerte sehr ab, obgleich er Bouillon und Hühnersuppen zu essen und beständig Porter zu trinken bekam. Außerdem gab ich ihm Quassia und China.

Der Schiffskoch klagte eines Abends über stechende Schmerzen in der Lebergegend, dabei hatte er ein unaufhörliches Hüsteln. Nach einigen Tropfen Opium verloren sich sogleich das Hüsteln und ein Theil der Schmerzen, und Liniment. volat. auf die schmerzhafte Stelle eingerieben, wirkte so gut, daß er am andern Tage keine Schmerzen mehr empfand.

Mit Heilung der vorhin erwähnten kleinen Geschwüre schien auch der rheumatische Charakter aufgehört zu haben; alle Kranken genaßen, außer dem Schmiede, der sich hingegen schlechter befand. Hier war es, wo ich wünschte noch einen leichten Kranken zu bekommen, um zu wissen, welchem Unheilstifter ich die Ursache seiner Verschlimmerung zuzuschreiben hätte. Aber er ging seiner Vollendung langsam entgegen! In Chili suchten wir alle seine Wünsche zu erfüllen; er bekam frische Milch zu trinken, Arbusen (oder Wassermelonen), die er gern aß, so viel er begehrte; er wurde ans Land gebracht, nahm ein warmes Bad, nach dem er sehr verlangte, und beschloß nach einigen Tagen seinen irdischen Lebenswandel.

Vor der Ankunft in Chili hatte sich ein Matrose eine Stelle auf dem Plattfuße mit siedendem Wasser verbrannt. Anfangs neigte es sich zur Heilung, aber nach einem anhaltend feuchten Wetter wurde die Wunde plötzlich schmerzhaft und es entstand der feuchte Brand. Diesem wurde wohl bald abgeholfen, aber das nachbleibende Geschwür heilte langsam und verursachte eine weiche Kniegeschwulst, die bald verging, bald wieder kam, und erst in der Nähe von Kamtschatka gänzlich gehoben ward.

In Chili wurde einmal ein Matrose, nachdem er auf dem Lande Chilischen Wein getrunken hatte, verrückt; dieses verging bald, am andern Tage hatte er nur noch starke Kopfschmerzen. Der Wein war vermutlich mit irgend einem Pflanzenstoffe, zum Beispiel mit Lobelia Tupa L., versetzt, um ihn berauschender zu machen.

Viertes Kapitel.
Reise von Chili bis Kamtschatka.

Keine Krankheiten.

Die Reise von Chili bis Kamtschatka war so glücklich für den Gesundheitszustand der Mannschaft, daß in der Zeit von viertehalb Monaten keiner an innerlichen Krankheiten litt. Einige Furunkel zwischen den Wendezirkeln und wenige Halsdrüsenanschwellungen im nördlichen nebelreichen stillen Meere waren alle Krankheiten, die sich ereigneten.

Es fehlte eigentlich nicht an Witterungen, die Krankheiten hervorbringen konnten; es gab manche Tage, an denen es beständig regnete, und auch der Uebergang aus dem heißen Klima ins kalte war ziemlich schnell und abstechend. Ich schreibe diese anhaltend gesunde Witterung der großen Entfernung vom hohen Lande fast während der ganzen langen Reise zu. Die niedern Korallen-Inseln, deren wir so viele und ganz nahe vorbeisegelten, spielen in dieser Rücksicht nicht im mindesten die Rolle eines Landes; sie bringen keine andere Temperatur, weder des Wassers, noch der Luft, hervor, dünsten keine Feuchtigkeiten aus, bewirken weder Thau noch Gewitter, und halten die Winde nicht auf.

Fünftes Kapitel.
Reise von Kamtschatka in die Beringsstraße, und von da nach Unalaschka.

Katarrhe.

Nachdem wir die Bay von Awatscha verlassen und uns ein wenig vom Lande entfernt hatten, so weilte der in dieser Jahreszeit fast immer im Meere in der Nähe des Landes herrschende Nebel nicht lange, seine unheilsame Gewalt an uns auszuüben. Anfangs brachte er nur Husten und Schnupfen hervor; nachher aber wurden diese von Heiserkeit und Schmerzen im Luftröhrenkopfe begleitet. Auch geringe katarrhalische Fieber und die Rose kamen vor. Vorzüglich mit Husten und Heiserkeit geplagt waren die neuen aus Kamtschatka mitgenommenen Leute. Diese waren es auch, von denen bald mehrere über Schmerzen in der Gegend des Zwergfells, die sich beim starken Einathmen vermehrten, klagten. Dieses selbige Uebel habe ich im Verlauf der Reise noch mehrere Male bei neuen ans Schiff genommenen Leuten, die früher nie Matrosendienst gethan, zu bemerken Gelegenheit gehabt. Man könnte diese krankhafte Empfindung für ein Symptom der Peripneumonia catarrhalis halten, wenn ein Fieber zu gleicher Zeit statt fände. Aber ich glaube bemerkt zu haben, daß dasselbe durch die ungewohnte Anstrengung beim Ziehen der Taue entsteht, indem sie oft noch mit den Händen haltend an denselben hängen, wodurch die Brustmuskeln und vorzüglich das Zwergfell stark angegriffen werden. Einige Tage Schonung läßt diesen Schmerz leicht verschwinden.

Während der ganzen Reise im Kamtschatkischen Meere und in der Beringsstraße stellten sich keine anderen Krankheiten ein, als Husten, die meistens mit hartnäckiger Heiserkeit und Schmerzen im Luftröhrenkopfe verbunden waren. Ein heisser Thee aus Chamomillen, Fliederblumen und Liquiritia des Abends getrunken, war sehr heilsam dagegen. Oft litt das halbe Commando daran, und es hörte nicht eher auf, als bis wir nach Unalaschka kamen.

Sechstes Kapitel.
Reise von Unalaschka nach Californien und von da nach den Sandwich-Inseln.

Rheumatismen und Hitzkankheiten.

Bei der Abreise aus Unalaschka fingen am andern Tage (am 15ten Sept. n. St.) auch gleich wieder die Husten an, die während der Zeit unseres Aufenthalts am Lande geruht hatten, und diejenigen, die schlechte Zähne hatten, bekamen Zahnschmerzen. Alles dieses hörte zwei Tage vor Tag- und Nachtgleiche auf, worauf sich rheumatische Schmerzen und Koliken zeigten, die aber nicht von langer Dauer waren.

In die Bay von St. Franzisco in Californien liefen wir ein, ohne Kranke an Bord zu haben. Obgleich es hier schon sehr Herbst war, und über Hitze man eben nicht klagen konnte, so wirkten doch die höhern Sonnenstrahlen auf die beiden aus Unalaschka mitgenommenen Aleuten und auf einige schwächliche Kamtschadalen mit solchem Erfolge, daß sie mehrere Tage an nervösen Fiebern danieder lagen, die aber weder von großer Heftigkeit, noch von langer Dauer waren.

Ein anderer Aleute, schon aus Kamtschatka mit uns auf dem Schiffe, litt an dem in heißen Klimaten gewöhnlichen feinen juckenden Ausschlage mit einem geringen Fieber verbunden. Dieser Ausschlag besteht aus kleinen runden, mit durchsichtiger, nicht wäßriger Feuchtigkeit angefüllten Bläschen (ohne Spitzen), die nur bei ihrem Entstehen jucken, zu welcher Zeit die Haut der ganzen Gegend röthlich ist. Im Anfange lassen sie sich durch den Gebrauch der Mittelsalze in einigen Tagen vertreiben. Werden sie aber über einige Wochen hinaus vernachläßigt, so erfordern sie schweißtreibende Mittel.

Am vorletzten Tage unserer Abreise aus der Bay von St. Franzisko ereignete sich noch ein sehr trauriger Zufall, den ich doch nicht unberührt lassen kann, obgleich die Herzählung solcher Fälle nicht zum Zweck dieses Berichts gehört. – Einer von den drei Russen, die hier an Bord unseres Schiffs traten, schon mehr denn 50 Jahre seines Alters zählend, ein Liebhaber der Jagd, machte sich am Vormittage des vorletzten Tages unseres Aufenthalts in der Bay mit der Flinte auf, um an einem nicht sehr weit vom Präsidio entfernten Teiche wilde Gänse zu schießen. Am Nachmittage wurde er von vorbeigehenden Eingebornen des Landes hülflos auf der Erde in seinem Blute liegend und stöhnend angetroffen; diese gaben sogleich auf dem Präsidio davon Nachricht, worauf man hinging, ihn aufs Präsidium brachte und den stark verwundeten und blutenden rechten Arm mit Tüchern umwickelte. So gelangte er erst am Abende ans Schiff, wo wir die erste Nachricht von ihm erhielten. Ungefähr um Mittagszeit hatte er einen Schuß gethan; zugleich aber fiel ein Funken von der Pfanne der Flinte auf die in der Eile nicht geschlossene Oeffnung eines großen hörnernen Pulverhorns, das ihm an der rechten Seite hing. (Er war linkisch und drückte auch den Hahn der Flinte mit der linken Hand ab.) Das Pulver (ein ganzes Pfund an Gewicht) entzündete sich, sprengte das Horn, und warf den Schützen nieder, dem es am rechten Arme eine große Wunde verursachte und zugleich den Unterleib verbrannte. Die Wunde am Vorderarme war nicht gefährlich, obgleich sie über sechs Zoll lang und vier Zoll breit war: es war alle Haut mit dem Zellgewebe bis auf die Muskeln weggerissen, so daß diese ganz bloß, aber unbeschädigt dalagen. Der Kranke selbst sagte auch bei meiner ersten Besichtigung, daß diese Wunde nichts zu bedeuten habe; ich sollte nur seinen Unterleib besehen, da schmerze es ihn sehr!

Am Unterleibe war in der Regio hypogastrica an mehreren Stellen die Haut abgebrannt, aber eine tiefer dringende Wunde konnte man nicht bemerken. Der Kranke selbst war schwach und bleich, denn er hatte mehrere Stunden geblutet, bis man ihm die Wunde des Arms zum ersten Mal verband; des Schmerzes am Unterleibe wegen war er oft unruhig. Um diesen zu mildern, legte ich erweichende Mittel auf den Unterleib. Die Nacht hindurch blutete die Wunde noch viel, bis ein gegen Morgen angelegtes Tourniket dem Bluten ein Ende machte.

An diesem Tage gingen wir in die See. Den Kranken auf dem Lande zurückzulassen, schien uns grausam zu seyn, da er früher, seit der Nachricht, daß er mit uns ins Vaterland zurückkehren sollte, ganz voll Freuden war; und, zurückgelassen, die Betrübniß über die vereitelte Hoffnung sehr nachteilig auf ihn wirken würde. Ein anderer Grund, den Kranken mitzunehmen, war der gänzliche Mangel eines Arztes auf dem Lande.

An diesem und den drei folgenden Tagen milderte sich der Schmerz in dem Unterleibe nicht; der Kranke brach Speisen und Getränke wieder aus, war schwach, fing an irre zu reden; alles Zeichen, daß eine Entzündung der Gedärme statt fand, und der früh am Morgen des fünften Tages plötzlich erfolgende Tod bestätigte es.

Vor dem Anfange des Passatwindes auf der Fahrt zu den Sandwich-Inseln, bei schlechtem, regnigtem Wetter und veränderlichem Winde wurde ein Matrose mit einem vierzehn Stunden lang anhaltendem Froste befallen, worauf er wieder gesund ward. Ich hatte ihm, da der Frost in der Nacht statt fand, nur zweimal Spiritus menth. sat. gegeben.

Siebentes Kapitel.
Reise von den Sandwich-Inseln über Radack nach Unalaschka.

Keine Krankheiten.

Nun folgt wieder in meinem Tagebuche ein erwünschter leerer Zwischenraum von vier Monaten, in welcher Zeit keine innerliche, durch veränderte Beschaffenheit der Luft hervorgebrachte Krankheiten sich ereigneten.

Während unseres Aufenthalts auf der Kette von Korallen-Inseln, Radack, bei unseren Fahrten auf Böten in der von Inseln und Riffen eingeschlossenen See erfolgten, durch das beständige Spritzen des sehr salzigen Wassers Sein specifisches Gewicht war 1,0285. und durch die darauf brennende Sonne, Anschwellungen und Platzen der Lippen, so wie auch Augenentzündungen. Durch den zu häufigen Genuß der jungen Cocosnüsse entstanden bei einigen Diarrhöen.

Ich kann nicht unterlassen hier zu erwähnen, daß auf der Rückkehr von einer unserer eben angeführten Fahrten auf Böten bei ziemlich frischem Winde ein Matrose so sehr das Gefühl der Kälte hatte, daß er am ganzen Leibe zitterte und mit den Zähnen klapperte, während alle übrige eine überflüssige Wärme fühlten. Dieser Matrose, ungefähr vierzig Jahre alt, hatte früher vor dieser Reise die unter dem Volke so herrschende üble Gewohnheit, mehrere Male im Jahre sich zur Ader zu lassen. Im Anfange der Reise, als wir nach Brasilien kamen, war bei ihm wieder die gewöhnliche Zeit, Blut zu lassen, gekommen. Beide Arme in den Ellenbogengelenken wurden durch untergelaufenes Blut blau, und sein ganzer Körper litt an Mattigkeit. Statt ihn zur Ader zu lassen, erhielt er innerlich kühlende Mittel, und die Arme wurden einige Male täglich mit Spirit. Mindereri befeuchtet, worauf alles nach zwei Tagen verging. Noch zweimal überhaupt kamen diese Anfälle wieder, durch halbjährige Zwischenräume von einander getrennt, obgleich in einem sehr geringen Grade. Nachher gab es bloß Zeiten, wo er nicht recht gesund schien: er war auf einige Tage blaß im Gesichte, klagte aber nicht über irgend eine Krankheit.

Auf der Fahrt aus der heißen Zone von den Korallen-Inseln nach Norden verursachte die schnelle Veränderung der Temperatur bei vielen starke und anhaltende Kopfschmerzen in Verbindung mit Leibweh.

Eine Welle in einem Sturme, die unserm Schiffe den Bogsprit brach, zerschlug zu gleicher Zeit auch einem Matrosen, Peter Prishimoff, ein Bein in der Wadengegend. Ich erwähne diesen Vorfall hier nur der Schwierigkeit des Verbandes und der durch das Schaukeln des Schiffs erschwerten Einrichtung der Knochen des Beines halber, da der Sturm nach ausgeübtem Schaden noch 24 Stunden dauerte. In Schienen konnte das Bein erst am dritten Tage gelegt werden, und das nur durch die sorgsame Hülfe des Capit. v. Kotzebue, indem derselbe für die Zeit des Verbandes einen andern Cours nahm, um größeres Schwanken des Schiffes zu vermeiden. Jedes starke Schwanken war dem Kranken schmerzlich, besonders bei einem zweiten Sturme, der nach acht Tagen uns heimsuchte, da das Bein doch immer eine Bewegung hatte, obgleich man es so viel als möglich befestigte und unterstützte. Nach zwölf Tagen bei unserer Ankunft in Unalaschka konnte er doch schon mit einem Stocke gehen.

Merkwürdig ist es, daß, ungeachtet der kalten Witterung mit heftigen Winden, mit Hagel und Schnee, im Frühjahre doch Alle gesund blieben.

Achtes Kapitel.
Aufenthalt auf Unalaschka und Reise im Kamtschatkischen Meere.

Catarrhe und Bluthusten.

Während unseres Aufenthalts auf Unalaschka bei so früher Jahreszeit (im April), wo Regen, Schnee und Stürme beständig mit einander abwechselten, bei den nothwendig gewordenen Arbeiten und dem Wohnen im offenen Raume des Schiffs war es gar nicht auffallend, daß katarrhalische Fieber, Schnupfen, Husten und Heiserkeit ganz allgemein unter der Mannschaft herrschten. Die Heiserkeit ist bei solchen Umständen eine schwer zu heilende und gefährliche Krankheit, weil man Luftröhrenschwindsucht sehr zu fürchten hat. Ein Matrose, der in der Schmiede arbeitete, litt vier Wochen an vollkommener Heiserkeit, und behielt nach der Heilung noch ein ganzes Jahr hindurch eine rauhe Stimme.

Als einige Wochen nach unserer Ankunft der hiesige Lachs Salmo Lycaodon. Pallas Zoographia Rosso-Asiatica. Tom. III. pag. 370. zahlreich gefangen und der Mannschaft täglich zur Speise gereicht wurde, so entstanden häufige Diarrhöen, entweder dadurch, daß der Koch die Fische nicht hinlänglich jedesmal kochte, oder durch den zu häufigen Genuß derselben nach der langen Entbehrung frischer Speisen. Anfangs wollte ich diese Diarrhöen wie gewöhnliche, durch Erkältung entstandene, behandeln, da ich die Fische als Urheber noch nicht vermuthete, und gab gelind reizende und magenstärkende Mittel, worauf aber Kopfschmerzen und Uebligkeiten entstanden. Nun gab ich ein Brechmittel, worauf die Kranken gleich besser wurden, und magenstärkende Mittel machten der ganzen Krankheit in wenigen Tagen ein Ende. Das Brechmittel war bei dieser Art Diarrhöe durchaus nothwendig, so gering sie auch seyn mochte. Bei einem Matrosen, der an dieser Krankheit in einem sehr geringen Grade litt, hielt ich es für unnöthig, ein Brechmittel zu geben, und fing gleich mit magenstärkenden Mitteln an; aber er bekam gleich die vorhin erwähnten Zufälle, und ich mußte zu dem ersten Mittel greifen.

Bis zur Erscheinung des Lachses wurden der Mannschaft täglich frische Stockfische Gadus Wachna. Pallas Zoographia Rosso-Assiatica. Tom. III. pag. 182. in hinlänglicher Anzahl gegeben, es hat sich aber niemand über Eingeweidewürmer beklagt, obgleich die Stockfische auch hier recht reich an denselben sind, weshalb die Aleuten, welche diese Fische roh essen, dieselben in ganz dünne Scheiben schneiden, um die Thierchen zu vermeiden. Ich führe diese Thatsache nur für diejenigen an, welche der Meinung sind, daß die Eingeweidewürmer im Menschen sich erzeugen oder vermehren könnten durch den Genuß von Thieren, und vorzüglich der Fische, welche Eingeweidewürmer besitzen. Dieser Meinung ist auch mein verehrungswürdiger Vorgänger, Dr. Espenberg, in seiner lehrreichen Abhandlung über den Krankheitszustand der Mannschaft auf der Nadeshda während Capit. v. Krusensterns Reise um die Welt, die vorzüglich mir so nützliche Winke in der Behandlung der Krankheiten auf dieser Reise gab.

Die katarrhalischen Anfälle waren aber nicht, wie leicht zu denken ist, nur unter den Matrosen herrschend, sondern die Eingebornen, die Aleuten, litten ebenfalls an Heiserkeiten und Husten. Die häufigen Rheumatismen der Glieder, und vorzüglich der Bauchwirbelbeine, und die Gichtanfälle, woran mehrere im Solde der Russisch-Amerikanischen Compagnie stehende Russische Fuchsjäger litten, galten allgemein für syphilitische Anfälle. So viele Kranke ich hier sah und behandelte, so konnte ich zu dieser Zeit nichts finden, das syphilitischer Natur wäre. Hiermit will ich aber nicht behaupten, daß die Syphilis noch nicht bis hierher gedrungen sey; denn wie wäre das möglich bei der Zahl von Schiffen verschiedener Nationen, die diese Inseln seit dem Jahre 1742 besuchten? Ich wüßte auch nicht, welcher Krankheit ich eine eingefallene Nase zuschreiben sollte. Der Kranke hatte sich mit Zinnober-Räucherungen von der Syphilis, wie er sagte, geheilt; jetzt litt er, da er dem Gebrauche des Rums zu sehr ergeben war, an Gichtgeschwüren, die im Winter die Arme und im Sommer die Beine einnahmen.

Eben so wurde auch keiner von den Matrosen angesteckt von dieser Krankheit; es kam bloß vor, daß eine kleine Wasserblase erschien, die bald nach dem Gebrauche des Hydrargiri praecipitati rubri austrocknete.

Der Juni war reich an schönen Tagen, weshalb die Kranken genasen und sich alle in guter Gesundheit auf die Reise nach Norden begaben.

Der erste Eintritt in die nebelreiche See brachte wie gewöhnlich gleich Husten hervor, der aber von geringer Bedeutung war.

In der Nähe der St. Lorenz-Insel, und vorzüglich nahe am Eise, welches an der NO Küste der Insel die Oberfläche des Meeres bedeckte, wirkte die plötzlich kalte Luft so nachdrücklich auf die durch einen Stoß auf das Brustbein, im Sturme des Aprils dieses Jahres, geschwächte Lunge des Capit. von Kotzebue, daß derselbe an heftigen Lungenkrämpfen mit Ohnmächten litt, und sogar beim Husten Blut auswarf, aber nur in sehr kleiner Quantität. Eben so schädlich wirkte der niederschlagende Gedanke, daß durch diese Krankheit die Ausführung alles Vorgenommenen und des höchsten Ziels der Reise vereitelt wurde; denn zur Erhaltung der Gesundheit war es nothwendig, diese kalte Gegend eiligst zu verlassen und am Lande in Ruhe die Genesung abzuwarten.

Zu gleicher Zeit wurde ein Matrose mit heftigem Bluthusten befallen, der schon vor dieser Reise auf einem großen Kriegsschiffe von einer Rae aufs Verdeck, und zwar auf die Brust gefallen war, wobei er schon damals Blut gespieen hatte. Auch während dieser Reise litt er oft an Brustschmerzen, denen immer durch schwächende Mittel abgeholfen werden mußte. Von dieser Zeit an ward er von allen schweren Arbeiten ausgeschlossen.

Während der Fahrt von der St. Lorenz-Insel nach Unalschaka herrschten Rheumatismen noch recht häufig.

Neuntes Kapitel.
Reise von Unalaschka zu den Sandwich-Inseln und von da über Radack zu den Marianen.

Hüftweh und Hitzkrankheiten.

Bei unserer Ankunft auf Unalaschka wurden drei Matrosen vom Hüftweh befallen, das Anfangs in Schmerzen längs dem ischiadischen Nerven bestand; nach einiger Zeit verließ der Schmerz diesen Ort, und setzte sich in die Wade, welche verhärtet wurde, und zog das Bein krumm, indem die gemeinschaftliche Sehne des M. Psoas magni und Iliaci interni sich zusammenzog und hart wurde. Nach langem Gebrauch, sowohl innerlicher Mittel, als auch äußerlich reizender Salben, endigte sich das Uebel mit einem Serum absondernden Ausschlage, der die ganze Wade und das Knie bedeckte; dieser Ausschlag heilte bald.

Auf der Fahrt zu den Sandwich-Inseln litten zwei Aleuten und einige Matrosen durch die Hitze. Die ganze Krankheit bestand aber nur in Kopfschmerzen und allgemeiner Schwäche; durch Cremor tartari wurden diese Uebel bald gehoben.

Von den Sandwich-Inseln bis Radack hatten wir sehr heiße Tage, weshalb Viele durch häufigen Schweiß und durch Baden mit dem sehr salzigen Meerwasser an einem feinen, rothen und sehr juckenden Ausschlage an verschiedenen Theilen des Körpers litten.

In der Gegend der Koralleninseln hatten wir öftere Regen und Windstöße, worauf ein Matrose mit Rheumatismus in beiden Beinen befallen und ein anderer mit Hüftweh behaftet wurde. Dieses Hüftweh war Anfangs bloß mit Schmerzen in den Kniehöhlen verbunden, nachher ging es aber in allgemeinen Rheumatismus über. Die Anfangs verkürzte und verhärtete Sehne des großen Psoasmuskels und des Iliaci interni gab allmählig durch Salben nach; auf dem Fußblatte aber und an der untern Seite des Vorderarms fanden sich kleine hart angeschwollene Drüsen ein, die nur bei ihrem Entstehen empfindlich waren. Der Kranke hatte sich diesen Rheumatismus beim Baden auf dem Bogsprit zugezogen, wo er das Wasser am Leibe durch den Wind abtrocknen ließ.

Bald darauf wurden zwei andere Matrosen mit Rheumatismus in den Bauchwirbelbeinen befallen, welches sehr schmerzhaft war, indem jede Beugung des Körpers Schmerz verursachte. Sie hatten sich das Uebel ebenfalls beim Baden auf dieselbe Weise, wie der Vorige, zugezogen.

Zehntes Kapitel.
Reise von den Marianen zu den Philippinen, und Aufenthalt auf Luzon.

Gallenkrankheiten und Inoculation der Kuhpocken.

Kurz nach der Abreise von Guahn fingen Koliken zu herrschen an, wie sie in der Nähe der Inseln des grünen Vorgebirges statt fanden. Bei Einigen ging die Kolik in Diarrhöe über, und endigte sich auf diese Weise bald; Andere aber wurden mit Kopfschmerzen, Uebligkeiten und Leibschneiden befallen, brachen auch häufig. Zu diesem Falle hilft kein Brechmittel, sondern die Mittelsalze sind am angebrachtesten.

In der Nähe von Luzon im Chinesischen Meere kamen katarrhalische Fieber und Rheumatismen vor, wegen des starken Thaues, der oft schon vor Sonnenuntergang fiel.

Unser erstes Geschäft bei der Ankunft in der Bay von Manilla war, uns nach dem Zustande der Pocken auf dieser Insel zu erkundigen, denn die fünf Aleuten am Bord unseres Schiffs hatten die Pocken noch nicht gehabt, wie diese Krankheit überhaupt noch nicht zu den Russisch-Amerikanischen Besitzungen gedrungen ist. Einer der Kamtschadalen bat auch, daß man ihn inoculire, da er die Pocken noch nicht gehabt hatte, obgleich sie ihm zweimal eingeimpft worden waren. Ein Arzt in Cavite, der wöchentlich in der umliegendes Gegend die Kuhpocken inoculirte, schickte uns zwei Kinder der Tagalen mit den Pocken. Da der Verlauf der Kuhpockenkrankheit abnorm von dem in Europa war, so halte ich es nicht für überflüssig, denselben hier anzuführen. Dem Verlaufe nach sollte man sie für unächte halten, aber ihrer Natur nach waren sie den ächten sehr nahe. Der Spanische Arzt versicherte mich, daß die Kuhpocken, die er bei den Tagalen inoculire, eben so wie in Europa ihre Stadien hielten.

Ich machte bei vier Aleuten und bei dem Kamtschadalen nur einen Stich, bei dem fünften Aleuten aber zwei, weil ich mich auf den ersten Stich nicht verlassen konnte. Am zweiten Tage waren die Impfstellen bloß etwas roth; am dritten Tage waren sie schon etwas röther. Bei dreien der Aleuten hatten sich diese Stellen schon etwas erhoben und eine gelbliche Farbe angenommen, an deren Rande sich ein kleines erhabenes Knötchen befand, das mit Eiter gefüllt zu seyn schien. Diese drei Kranken waren den andern immer in einem Tage voraus, und einer von ihnen fühlte schon an diesem Tage einen stechenden Schmerz durch den Arm bis in die Achseldrüsen. – Am vierten Tage bildeten die Impfstellen bei den drei eben erwähnten Aleuten hohe, länglichte und eckige Figuren, welche Eiter enthielten. Bei den beiden andern Aleuten waren die Stellen blos etwas erhaben und gelb; bei dem Kamtschadalen blos roth. – Am fünften Tage waren bei allen Aleuten die erhabenen Stellen schon ganz in Eiterung, die Mitte vertieft und mit einer kleinen röthlichen Kruste nach der Form und Größe des Stichs bedeckt. Die drei ersten Aleuten hatten Schmerzen in den Achseldrüsen, und einer von ihnen auch noch Kopfschmerzen. Bei dem Kamtschadalen war heute auch die Röthe der Impfstellen verschwunden.

Am sechsten Tage befand sich bei den Aleuten rund um die Pocken ein rother, zwei Linien breiter, erhöhter Rand, die Achseldrüsen waren bei allen angeschwollen. An diesem Tage inoculirte ich den Kamtschadalen noch einmal mit zwei Stichen, da die vorige Impfstelle schon ganz zugeheilt war. Nur bei einem der Aleuten, und zwar bei dem jüngsten, war die Lymphe noch zum Impfen tauglich. Doch auch dießmal sah ich gleich voraus, daß es vergeblich sey, da sich die Lanzette nicht gut unter die Haut schieben ließ. Der Ausgang war auch eben so, wie das erste Mal, so daß ich ihn nach drei Tagen schon entließ.

Zu gleicher Zeit impfte ich auch einem zweiten Kamtschadalen die Kuhpocken ein, den man ebenfalls zweimal vergeblich in Kamtschatka inoculirt hatte. Drei Tage nachher hatten sich die Impfstellen stark erhoben, waren roth und verursachten Jucken: das war aber auch ihre höchste Blüthe, denn am andern Tage waren alle Symptome verschwunden und kehrten nicht wieder. Er beruhigte mich mit der Nachricht, daß die beiden frühern Versuche der Inoculation in Kamtschatka auf dieselbe Weise abgelaufen wären.

Am siebenten Tage hatte sich der rothe Hof der Pocken bei den Aleuten noch mehr erweitert und die ganze Gegend herum war hart. Am achten Tage hatte sich der Hof in Hinsicht seiner Größe und Röthe etwas verringert; am neunten hatte derselbe und die Anschwellungen der Achseldrüsen stark abgenommen; auf den Pocken hatte sich bei Allen eine kupferfarbene Borke gebildet. Von diesem Tage an nahmen die Borken täglich an Umfang zu und der rothe Hof ab. Am dreizehnten Tage löste sich bei allen die Haut von dem Hofe ab und die Ränder der Borken hoben sich; am 15ten und 16ten Tage fielen alle Borken ab. Am 19ten Tage der Krankheit waren Alle gesund.

Beim Ausladen des Schiffes litten mehrere Matrosen durch die Hitze im untern Raume des Schiffes so sehr, daß sie sehr heftige Koliken bekamen.

Ulcus syphiliticum in glande duobus praeteritis diebus comitatum ulceribus frontalibus angustis semicircularibus lichenoideis: omnia hydrargyro curata expulsaque, etsi per longum usitato.

Elftes Kapitel.
Reise von Luzon bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung.

Nervöse Fieber. Masern. Fluxus Pancreatis.

Gleich bei der Ausfahrt aus der Bay von Manilla entstanden durch die starken Nachtthaue in der Nähe des hohen Landes gleich katarrhalische und rheumatische Fieber.

Die Durchkreuzung des Aequators in der Nähe oder zwischen den verschiedenen Inseln Ostindiens hatte dießmal gar keinen nachtheiligen Einfluß auf den Gesundheitszustand der Mannschaft; es litt nicht einmal jemand durch die Hitze, woran wohl die meist immer frischen nördlichen Winde und der Mangel an Windstillen Ursache waren.

Nach dem Austritte aus den südlichen Tropen und nach dem Verluste des südlichen Passatwindes erregte der erste begegnende kühle Südwind mit Veränderung der Temperatur von 23 bis auf 18 Grad Wärme nach Reaumur mancherlei Krankheiten: alle Tage wurden Matrosen mit Fiebern befallen, die mit starken Kopfschmerzen und großer Schwäche des Körpers begleitet waren. Die Schwäche wurde zuweilen noch durch Diarrhöen, welche außerdem auch allein für sich vorkamen, stark vermehrt.

Zu gleicher Zeit bekamen die zwei jüngsten Aleuten die Masern; der eine zwei Tage früher als der andere. Sie litten zuerst an starken Kopf- und Halsschmerzen, auch hatten sie Schmerzen im Zahnfleische und Gaumen. Diese Symptome ließen beim Ausbruche schwärzlich violetter Flecken über den ganzen Körper in ihrer Stärke nach. (Die sonst bei den Europäern rothen Flecken waren bei den Aleuten, die eine schwärzliche Netzhaut haben, schwärzlich violett.) Die feinen Borken lösten sich schon am zweiten und dritten Tage ab; der erste Kranke genaß am dritten, und der andere am vierten Tage der Krankheit.

Bei einem Matrosen, einem Tataren, der zuerst an Kopfschmerzen litt, stellte sich nach zwei Tagen Diarrhöe mit blutigen Abgängen ein, die anderthalb Tage dauerten, worauf eine geringe Diarrhöe nachblieb. Die Kopfschmerzen ließen zu selbiger Zeit nach. Nach zwei Tagen aber wurde er am Nachmittage mit einem starken Fieber, Leibschneiden mit vermehrter Diarrhöe und Schmerzen in der Magengegend befallen. Am andern Tage war er sehr schwach, hatte Stuhlzwang und mit Blut vermischte Schleimabgänge. Am Nachmittage stellte sich das Fieber wieder mit vermehrtem Leibschneiden ein und dauerte die ganze Nacht hindurch mit starkem und häufigem Stuhlzwange. Am dritten Tage kehrten dieselben Uebel wieder, aber schon in einem etwas geringeren Grade. Genuß von Speisen erregte Uebligkeiten und Erbrechen. Ich hielt diese Krankheit für Bauchfluß ( Fluxus coeliacus) und gab daher reizende und stärkende Mittel, die aber das Uebel nicht verbesserten, sondern verschlimmerten. Das zu gleicher Zeit auf den Unterleib eingeriebene Linimentum volatile that bessere Wirkung, da es abführte. Ich entschloß mich daher, dem Kranken Fructus Tamarindorum als gelindes Abführungsmittel zu geben, wornach er sich augenscheinlich besserte, nur war er sehr schwach; sobald ich ihm aber irgend ein stärkendes Mittel geben wollte, so wurde er nach der ersten kleinsten Dosis gleich wieder so krank, als er es vor acht Tagen gewesen. Ich fuhr daher mit der Tamarinde fort, indem ich sie ihm immer seltener gab. Am Nachmittage des 21sten März, zur Stunde des Vollmondes, fühlte er Seitenstiche, nach welchem Tage er sich besser befand. Noch schwach an Kräften und Appetit kam er in der Tafelbay an.

Zwölftes Kapitel.
Reise vom Vorgebirge der guten Hoffnung nach Kronstadt.

Fluxus Pancreatis. Gallenfieber. Katarrhe.

In der Tafelbay bei einem Sturmwinde mit sehr trockner Luft wurde der Tatare wieder mit Schmerzen und Härte in der Magengegend, mit Uebligkeiten und Erbrechen und mit Stuhlzwang befallen, wobei schleimige mit Blut vermischte Abgänge statt fanden. Zu gleicher Zeit litt ein anderer Matrose (derselbe, der im Kamtschatkischen Meere mit Bluthusten behaftet war) an demselben Uebel, welches ich für Fluxus Pancreatis halten muß. Bittere und magenstärkende Mittel vermehrten nur das Uebel, ich nahm daher meine Zuflucht zu der Tamarindenfrucht, wornach täglich die Härte in der Magengegend und die Uebligkeiten abnahmen und der Stuhlzwang bald aufhörte. Der letztere Matrose befand sich beim Anfange des SO Passatwindes schon so gut, daß er ohne Nachtheil magenstärkende Mittel nahm und in kurzer Zeit darauf genaß.

Der Tatare aber konnte noch nicht frei von Uebligkeiten werden und eben so wenig stärkende Mittel vertragen; daher wirkte, da er bei unserer Annäherung zur Insel St. Helena noch schwach war, die Nähe des Landes auf ihn sehr unvortheilhaft. Dieselbe Wirkung hat die Insel Ascension; beide Male fühlte er einen Tag vor und einen Tag nachher vermehrte Uebligkeiten und Schmerzen in der Magengegend. Nachher besserte er sich allmählig bis zum Ende des SO Passates, der uns nur zum Aequator brachte. Von hier an wurde er wieder schlechter; an einem Tage brach er einen Spuhlwurm aus; ich gab ihm eine Abführung, um den im Unterleibe angehäuften Schleim abzuführen. Als er sich hiernach etwas besserte, so fuhr ich mit Tamarinden fort, bis wir die Breite der Cap Verdischen Inseln erreichten, worauf die Luft besser ward, indem der NO Passat nicht mehr so nahe vom Lande kam und der Kranke sich augenscheinlich besserte; auch der zu dieser Zeit eintretende Vollmond trug wohl zu seiner schnellen Besserung bei! Nach einigen Tagen, da er keine Uebligkeiten mehr hatte und ein Stechen in der ganzen Magengegend empfand (welches ich schon früher bei ihm als ein Zeichen der Besserung bemerkt hatte), so versuchte ich ihm Tinctura valerianae ammon. mit einem Tropfen ol. menthae pip. zu geben, wornach er sich recht wohl befand. Da er früher gewöhnlich dann Uebligkeiten hatte, wann er Appetit bekam, so erhielt er täglich eine Stunde vor dem Mittagsessen ein Glas Wein. China und bittere Mittel machten endlich seiner dreimonatlichen Während dieser drei Monate waren wir immer in der Nähe von Afrika, von Madagaskar bis zu den Cap Verdischen Inseln, gesegelt. Krankheit ein Ende; doch konnte er einige Wochen hindurch nicht stark auf den Boden treten, weil jede Erschütterung des Körpers ihm Schmerzen in der linken Seite verursachte.

Während des NO Passates im Süden der Cap Verdischen Inseln litten einige Matrosen an beständigen Uebligkeiten mit Erbrechen; ein Brechmittel half nichts; aber eine gehörig wirkende Abführung machte der Krankheit bald ein Ende. Einer von diesen Kranken brach sieben Tage hindurch, so daß ich das Brechen öfters mit Arzeneimitteln stillen mußte.

Im Englischen Kanals litten Viele an Heiserkeiten ohne Husten, Andere an Diarrhöen.

*

Zum Beschluß will ich noch anführen, daß während der drei Jahre der Reise

1) keine ansteckende Krankheiten geherrscht haben;

2) daß wir der salzsauren Räucherung nie bedurft haben, da die Schiffsmannschaft in dem obern luftigen Raume wohnte, und

3) daß sich nie eine Spur von Scorbut gezeigt hat, wovon die Ehre den Ausrichtern und dem Vollführer dieser Expedition gebührt.


 << zurück