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Wie Herr Horand das Lied der Sarazenin sang – Hildens Entführung – Herr Hagen erreicht die Hegelinge zu Waleis – Die Schlacht am Strande – Versöhnung der Helden – Wie Hagen Walant sein Kind mit den Kronen von dreissig Landen gekrönt sah

*

Der Abend war milde, und die Nacht kam lau. Der Wind ging in warmen Stößen und brachte den Duft des Thymians von den weiten irischen Schafweiden. Niemand ging schlafen, nicht Iren noch Hegelinge. Schwerter klirrten hier und dort im Dunkel auf, denn überall saßen oder lehnten Männer, sprachen gedämpft und langsam oder sahen zurückgelehnten Hauptes zum weitbestirnten Himmel auf. Irgendwo sang ein Nachtvogel süß, als wollte es die kleine Brust zersprengen. Da begann Herr Horand die Harfe zu schlagen.

Als er den ersten Griff tat, da schwiegen, die da Zwiesprache hielten. Als er den zweiten Saitengriff tat, da wandten den Kopf nach ihm, die da träumten.

Als er den dritten Griff tat, begann er zu singen, und wie er sang, verstummte der kleine Nachtvogel.

Zauber war auf seine Lippen gelegt. Der Wipfel der Burgesche spielte nicht mehr im Wind, wie zu Silber erstarrt hingen die Blätter im Mondschein. Der Brunnen lief nicht, und die Katze schnurrte nicht mehr, die ein Hegeling gestreichelt hatte.

Von einem Manne sang Horand, der sein Schicksal gesehen hat. Schön ist sein Schicksal, wie nur eine Jungfrau auf Erden schön ist. Sein Schicksal ist Sehnsucht. Sehnsucht ist sein Grab. Denn nie wird er sie gewinnen ... Horand schwieg.

Da war die Nacht kühl von Tau, und jäher Wind sprang auf. Der Brunnen rauschte und sprühte kalte Tropfenschauer, die Katze kratzte den Mann feuerrot über die ganze Hand, daß er das Tier fortschleuderte. Krrr – machte es böse.

Horand, der Däne, schlug den Mantel um sich und ging. Da verging auch der weiße Schein am Fenster droben – wie vom Nachtgewand einer Lauschenden. Schön-Hilde aber schlief nicht in dieser Nacht. Sie lag und horchte, ob der blonde Däne nicht wieder singen wolle, und immer, wenn der Nachtigallenschlag neu begann, stand ihr Herz still, denn sie meinte: nun wäre er es. Aber Horand sang nicht wieder in dieser Nacht und nicht in den folgenden Nächten. Und der Königstochter Herz war wirr und schwer, sie dachte nichts als Horands Lied. Es summte ihr in den Ohren, es lag ihr auf den Lippen, und doch vermochte sie es nicht zu singen und keiner der irischen Spielleute, die sie befragte.

Unter den Frauen, die Hilde dienten, war eine ihr vor allen lieb, Hildburg mit Namen, des Königs von Portugal schöne Tochter. Früher als die andern Jungfrauen alle ersah sie der Freundin Ungemach, und sie berieten nun heimlich beide, wie es wohl zu geschehen vermöchte, daß Horand wieder sänge.

Und als König Hagen eines Tages bei seiner lieben Tochter saß, da faßte sie Mut und bat ihn und streichelte zag seine Wangen: »Liebster Herr Vater, ich bitte Euch von Herzen, heißet doch Horand noch einmal für mich singen!« Hagen aber sah wohl, wie ihre Lider auf und nieder schlugen und wie schwer ihr Atem ging, und er fühlte jäh den Unmut aufsteigen, der ihn so furchtbar überkam.

»Soll ich einen fremden Fahrenden mit Fußfall zu meiner Tochter laden?« schrie er und warf krachend die Türe hinter sich zu, daß alles Geräte bebte.

Da ward der schönen Hilde zumute, als müsse sie sterben, wenn sie Horand nicht wieder singen hören könnte. Und sie weinte so ratlos und bitterlich, daß ihr Jammer die Freundin Hildburg rührte und sie einen getreuen Kämmerer nach Horand sandte, daß er zur Nacht kommen und vor Hilde singen möge.

Als nun die Nacht kam, führte der Kämmerer Horand durch geheime Gänge bis in den Saal, darin eine einzige Fackel flammte. Da saß, verloren im halben Dunkel, das königliche Kind, voller Angst vor des Vaters Zürnen, und ihr zur Seite kniete Hildburg.

Horand neigte sich stumm und empfing stummen Gruß. Dann begann er die Harfe zu schlagen, sacht, ganz sacht, und alle, die schliefen, dehnten sich lächelnd im Traum.

Halblaut begann er zu singen, wie eine Mutter ihr Kind einsingt, und all die Zeit wandte er den Blick nicht von Hildens Gesicht, die reglos saß, mit lauschend geöffneten Augen und Lippen.

Eine Weise von Amilé sang er, die ihn eine Sarazenin einst in heißer Nacht gelehrt hatte und die kein Christenmund noch vor seinem gesungen.

Und während er sang, blühte eine Rosenknospe auf, die da im Glase stand. Und während er sang, kam die scheue Hinde aus dem Tannenwald hervor, ihr Junges neben sich, das voll heller Flecken war, als habe das Sonnenlicht sich in seinem Fellchen verfangen. Immer näher kam es heran, auf schlaksigen Beinen, und im vollen Mondlicht standen die Tiere beide, mit lauschend gedrehten Häuptern. Horand schwieg, und lange herrschte Stille in dem Saal, in dem die einzige Fackel flackte.

Schön-Hilde drehte langsam einen Reif von ihrem Finger und bot Herrn Horand den unschätzbaren Stein.

Da fiel Horand von Dänenland ins Knie, und im trüben Licht schien es, als sei er bleich wie ein Toter.

»Nicht mir ziemt dieser Ring, Frau Königin. Einen besseren Mann weiß ich; ich bin nur sein Bote. Dürfte ich dem Euren Ring bieten, so könnte seinem Herzen nichts Lieberes geschehen!«

Sprach Hilde: »Wer ist es, der solchen Diener hat?« Da stand Herr Horand von den Knien auf. Er streckte sein Lehnsschwert vor sich hin und nannte, auf dessen Griffkreuz gestützt, Hettels Namen.

»Als wir von der Heimat zogen, Königin, da hat nicht Acht uns vertrieben. Freudig fuhren wir in Hettels Dienst, und Ihr wäret es, zu deren Werbung wir fuhren. Seinen Gruß entbietet Euch mein Herr Hettel durch mich. Wolltet Ihr ihn freien, dann würden Euch dreißig gewaltige Königreiche dienen!«

Da fragte Hildens schwanke Stimme aus dem Dunkel her:

»Ist Herr Hettel so wie du, Horand?«

»Er ist tausendmal besser als ich.«

»Sieht Herr Hettel aus wie du, Horand?«

»Er ist größer und stärker als ich.«

»Singt Herr Hettel so wie du, Horand?«

»Nein, Frau Königin – denn er hat nicht den Preis dafür gezahlt wie ich.« Da losch die Fackel.

Und es schien Horand einen einzigen Augenblick lang, als ob Schön-Hildens Stimme nach Tränen klänge.

»Willst du mir einen Eid schwören, zu kommen, wann immer ich dich rufe, um vor mir zu singen, dann will ich Hettels Weib werden.«

Und Herr Horand schwor den Eid. –

Frute war es, der, als er Hildens Ring gesehen, den großen Plan schmiedete. Er hieß Herrn Irold zu König Hagen gehen und Urlaub für sie alle erbitten. Irold, der sich nach der Heimat und seinem jungen Weibe sehnte, war es nicht schwer, so helle Freude zu zeigen, wie Frute sie ihm aufgetragen hatte. Eine Botschaft ihres Herrn Hettel habe sie erreicht, vermeldete Irold – der König von Hegelingen habe sie heim entboten in neuer Gnade.

Als Hagen vernahm, daß die Helden ziehen wollten, da reute ihn ihr Scheiden. Wate vor allem hätte er gern in seinen Diensten sehen mögen, seit er selbst seine Schläge verspürt hatte.

Er ließ königliche Abschiedsgaben rüsten, aber Frute wich aus mit glattem Wort, und die Hegelinge nahmen auch nicht eine Spange als Gastgeschenk. Eine andere Gunst erbat Frute vor dem Scheiden. Es möge der König Hagen ihnen die Ehre tun und mit Mannen und edlen Frauen die Schiffe aufsuchen, zu sehen, wie Hegelinge übers Meer führen.

Als Hagen Walant diese Bitte gewährt hatte, da hieß Frute die schweren Weinfässer von Bord rollen und die Kufen mit Salzfleisch und Dörrfisch und Speck, und er speiste alle Armen, die an den Strand kamen.

Denn Frute wußte wohl, daß ihnen auf dieser Heimfahrt karge Fracht nötig sein werde und hastige Fahrt.

So standen die Hegelinge und vergaben Ballen warmen Tuches um ein Dankeswort, und nie ward billigerer Handel gehalten.

Am dritten Tag ließen sie vom Morgen an niemand mehr zu den Schiffen, denn da sollte König Hagen ihr Gast sein und die Königinnen.

Um die Mittagsstunde klang heller Ruf vom Mast, das war Herr Morung, der Ausschau hielt; er hatte Augen wie die Turmfalken.

In langem Zug ritten die Iren heran, wohl tausend Mann in des Königs Gefolge.

Hinter scheinendem Erz aber kam buntes Farbenglühen; das waren die Frauen, die auf Zeltern ritten.

Die Hegelinge empfingen die Gäste voll Ehrfurcht an den Schiffen.

Frute hatte mit Vorbedacht von je die Lasten so geschieden, daß immer ein Schiff Waffen und Männergerät barg, das andere aber Dinge, die Frauen lieben. So wurden die Iren zerteilt und von den Frauen geschieden, ehe sie es nur inne wurden, an Land, an Deck und auf den engen Schiffsbrücken.

Der eine hakte den eigenen Schwertgurt auf, um ein Hegelingenschwert zu proben, der andere legte den Panzer ab, um ein arabisches Waffenhemd überzuziehen, sie lehnten die Speere in den Winkel, um den Weinkrug mit beiden Händen anzufassen.

Die Frauen aber standen in Falten von entrolltem Gewebe, von arabischen Seiden, als wateten sie knietief in goldenen und purpurnen Meeren. Sie lachten und drängten sich vor den Spiegeln, und selbst Hildburg sah nicht, wie bleich Schön-Hilde war und wie schwer ihr Atem ging.

Mitten in Gewühl und Gelächter aber scholl ein Ton, als sollten die Schiffswände bersten – das war Wate, der sein Heerhorn blies.

Da taten sich Falltüren auf an allen Enden, und mit Jauchzen stiegen die Hegelinge herauf, die so viele Wochen im Kielraum ihrer Stunde gewartet hatten.

Da flogen Schätze zur Seite, keiner achtete, wohin.

Frauenstimmen gellten hoch und ziehend wie Möwenschrei, Weinen klagte, Männer fluchten nach Schwertern, Waffen klirrten, und immer wieder dröhnte Wates Horn.

Knatternd zogen die Segel auf, in die ein williger Wind sprang. Klatschend tönte Fall um Fall, denn die Hegelinge brauchten wenig ihr Schwert. Sie warfen die Iren ins Meer, Mann um Mann, wie sie ihnen verwirrt in die Arme liefen.

Hagen aber ergriff die nächste Bootsstange und hieb nieder, wen er traf, um zu Hilde aufs Schiff zu gelangen. Aber die Hegelinge lösten die Schiffsbrücke und tauften alle, die darauf fochten, zum zweiten Male. Auch Hagen Walant mußte hinab, all seine Kraft half ihm nichts gegen das Bad in den Wellen. Die Anker wurden aufgewunden, rauschend setzten die Ruder ein, und droben am Mast entfaltete Herr Morung mit Jauchzen Hettels weiße Fahne.

Schön-Hilde stand reglos aufrecht unter ihren weinenden Frauen. Sie war weiß wie ein Totenlaken und hielt die Hände vor die Ohren gepreßt, um nicht zu hören, wie ihre Mutter nach ihr rief.

Hagen Walant raste. Er selber half mit seiner wütenden Kraft, da sie die Schiffe ins Meer schoben. Aber die leckten noch vom Winter her, das Wasser quoll hochauf durch undichte Spalten. Er erkannte wohl, daß es unmöglich war, das Meer zu befahren.

Hagen ließ die Schiffbauer im ganzen Lande mit Drohen schrecken und anlocken mit höchstem Lohn, und sie werkten sieben lange Tage hindurch, vom Morgen bis zum Abend, während Hagen hetzte und antrieb und vor Ungeduld tobte, hilflos wie ein gebundener Mann.

Als kaum die ärgsten Schäden geheilt waren, sprang Hagen Walant als erster an Bord, und sie fuhren mit aller Macht ihrer Segel und schöpften mit den Helmen Wasser, während sie fuhren. Es waren ihrer aber dreitausend irische Männer.

Seit seine Werber fortgezogen waren, hatte König Hettel Wachen an der Küste aufgestellt, die sollten sogleich ihre Wiederkehr melden. Aber Mond um Mond verging, und Hettels Herz ward schwer vor Gram, wenn er der Freunde gedachte.

Eines Nachts, als Herr Hettel im Schlafe lag, da weckte ihn ein Kämmerer, und Hettel sah einen Boten vor dem Lager knien, dem der Atem mit Keuchen ging.

Er selber habe die Schiffe zu Waleis geschaut, berichtete der Bote, und es seien alle Helden wohlauf an Bord gewesen. Und eine Jungfrau führten sie mit sich, die sei so schön, wie er niemals eine geschaut im Leben.

Da lachte Herr Hettel: »Jetzt hat alles Seufzen ein Ende! Trügst du mich nicht, du guter Bote, und lügst du mir das nicht, daß du die Jungfrau bei ihnen gesehen hast?«

»Herr König«, sprach der Bote, »ich habe sie gesehen, wie ich Euch hier sehe, und ich habe sie sagen hören, so, mit ganz dünner Stimme: ›Mir ist so bang, daß mein Vater uns noch einholt, Herr Horand.‹«

Als der Bote so mit Frauenstimme sprach, da lachte Herr Hettel sehr, und er gab dem Boten hundert Mark in Gold und berief seine Ritter mitten in tiefer Nacht, der Jungfrau entgegenzureiten.

Da begannen die Knaben mit Fackeln durch die Gänge zu eilen, und die weiße Burg Matalane strahlte vor Licht, und König Hettel saß schon lange auf seinem schnaubenden Hengst, und sosehr die Mannen auch eilten, allzulange schien es ihm, ehe sie von Hofe ritten.

Die Sonne stand schon hoch, als die Hegelinge Hettels Banner wehen sahen.

Horand richtete sich auf im Sattel.

»Nun sollt Ihr Herrn Hettel sehen, Frau Königin!« sprach er, und Schön-Hilde erhob zu ihm den bangen Blick.

Aber Herrn Horands Antlitz war wie aus Stein gehauen. Er sprang vom Pferde, warf seines Mantels Ende über seine flache Rechte, und so führte er Frau Hilde an der Hand, wie der Brauch es forderte.

Schön-Hilde sah einen Mann allen andern voraus auf sich zu reiten, der sprang nun ab und nahte schnellen Schritts.

Fragte Frau Hilde furchtsam: »Ist das König Hettel?« Aber Herr Horand antwortete nicht. Er begrüßte seinen König.

Anders war Herrn Hettels Gesicht als das des Dänen, das Hilde vertraut war, und er schien um manches Jahr älter als der Sänger.

Seine schlichten Haare waren mit Borten durchflochten und auserwählt seine Waffen, seines Mantels Stoff war köstlich, und doch war Hettel anders in seinem Wesen, als ein Mägdlein sich einen großen König träumen mag.

Herr Horand sah starr in seines Herrn Antlitz und sprach: »So löse ich Euch mein Wort, Herr Hettel!«

Und er zog langsam seine Hand fort unter der ihren.

Da wurde Hildens Hand von der Hettels ergriffen mit warmem, lebendigem Druck, und sie hörte Hettels gute Stimme: »Immer will ich Euch in Ehren halten, Frau Königin, und niemals werdet Ihr diesen Tag bereuen müssen!« Seine Arme umfingen sie fest. Von seinem Mantel eingeschlossen in einen Bezirk der Sicherheit, wie sie sie nie gekannt, empfing Hilde Hettels ersten Kuß.

Hettel und Hilde hielten im Zeltlager zu Waleis die Hochzeit, während Frutes Späher Ausschau hielten, ob Hagens Heerfahrt nicht schon heraufzöge. Und Hildens liebste Freundin, die schwarze Hildburg von Portugal, ward an Herrn Morung von Friesland gegeben mit vieler Freude.

In dieser Nacht aber sang Herr Horand ein neues Lied, schöner und schmerzlicher als alles, was er je gesungen.

Und der eine von Frutes Spähern, sagt man, hat die Waldfrau gesehen, die von Herrn Horand erlöst worden ist. Denn als die ersten weißen Mönche nach Waleis gekommen waren, da hatte die wilde Fürstin einen von ihnen an einen Stamm gebunden und Pfeil um Pfeil nach ihm abgeschossen, hell auflachend bei seinen Qualen. Und der Mönch hatte sie verflucht, zu wandern, bis sie um fremdes Leid würde weinen können. Und da sie Horands Lied hörte, da riß es ihr versteinte Tränen aus der Brust, zum erstenmal seit unzählbaren Jahren. Sie trat vor den Sänger und dankte ihm.

»Ich will dir zum Lohne Reichtum ohne Maß geben, wie die Menschen ihn erstreben!«

»Das ist recht!« lächelte Herr Horand. »Da werden sich die Armen und Kranken freuen, wenn ich ihnen nun so viel mehr zu geben habe!«

»Ich sehe, daß dich nicht verlockt, was andere begehren! So will ich machen, daß dein Ruhm wird wie die blaue Wegwarte, die an allen Wegen blüht. Überall soll man nur deine Lieder singen!«

»Das ist schade!« lächelte Herr Horand. »Was werden die armen Fahrenden beginnen, wenn keiner mehr auf ihre Weisen hört?«

»Verlockt auch dies dich nicht?« sprach die Waldfrau mit Staunen. »So laß mich dir die Hand aufs Herz legen und deinen großen Schmerz dir stillen für immer!«

Horand wich im Sprung zurück, als fliehe er, beide Hände schützend vor dem Herzen. »Übel willst du mir vergelten, nimmst du mir das einzige, was ich habe!«

Da ging die Waldfrau still von dem Sänger fort, und wo sie ging, erblühten kleine weiße Blumen unter ihren heißen Tränen.

Am Morgen kreisten die Vögel draußen mit Kreischen um die Klippen. Große Schiffe hatten sie aufgeschreckt, die da herankamen.

Und Horand, der Däne, erkannte mit Augen, die nach schlafloser Nacht brannten, Hagen Walants Zeichen in den roten Segeln.

Da stieß auch schon Späher nach Späher ins Horn. Langgezogen brüllte der Weckruf entlang der steilen Küste.

Wate führte die Irinnen in Hast auf das beste Schiff und gab sie in Morungs Hut. Er hieß ihn ins Meer steuern, damit die armen Frauen nicht zuviel des Kampfes mit Augen sähen.

»O weh uns Armen!« rief Frau Hilde. »Nun müssen wir weinen, wen immer das Schwert auch treffen mag!«

Am Strande begann der Kampf zu dröhnen. Hagen Walant war über ihnen. Er wartete nicht ab, daß sein Schiff Anker werfe. Er sprang von Bord und begann an Land zu waten, seine Gerstange in Händen. An ihm vorbei fuhren Speere wie Blitze durch die Luft, und bis zu Hilde hin erdröhnte sein Schlachtruf. Da weinte die junge Königin und wollte nichts von dem schauen, was nun geschehen mußte, sie kniete und betete laut für aller Leben, und Hildburg mit ihr und all die andern Frauen, daß ihre bangen Stimmen wie ein Chorgesang laut wurden.

Hagen hatte lange Tage seine Rache genährt, nun wollte er seinen Grimm kühlen. Sein Schwert schlug ihm den Weg, und schien ihm die Arbeit zu langsam, dann brauchte Hagen die Gerstange. König Hettel aber war im Streite nicht anders, als er im Frieden war, ruhig und voll Sicherheit, wie ein Mann sein soll. Er bahnte sich langsam den Weg zu Hagen und stand ihm voller Kraft im Kampfe. Hagen aber schlug den Schwiegersohn, den er nicht kannte, hart über den Helm. Da schrie Hilde auf und flehte Herrn Morung, er möge seinen Schutz viel lieber an Herrn Hettel wenden, und, wie von Kindheit an, zitterte sie vor dem Vater. Längst aber war Wates Schild schon über seines Herrn Haupt, und Hagen Walants Gerstange zerbrach zum erstenmal, seit er sie führte. Kraft stand wider Kraft, und ohne Schonung stritten nun die beiden Helden. Da stand rings die Schlacht, und alles scharte sich, um die Kämpfer zu sehen, die fochten, wie man nie es erlebt hatte. Als aber Herr Hettel abseits sein Haupt verband, da hörte er Hildens schwaches Rufen und fragte sogleich, was ihr Wille sei. Da beschwor sie ihn mit Weinen, bei ihrem neuen Frauentum, dem Kampfe ein Ende zu machen, der ihr solches Leid brächte. König Hettel stieg auf einen hohen Stein und rief: »Hagen! Hagen!«

Da hielt Hagen im Kampfe inne und horchte auf: »Bei Eurer Ehre, Hagen Walant, und Eurem Königtum! Lasset uns nicht noch mehr der Freunde fällen!«

Da schrie Hagen zornig – und das Blut rann von seiner Stirnwunde in die buschigen Brauen, daß er kaum mehr sah: »Wer ist der Rufer, der Feinde scheiden will?«

»Ich bin es, Hettel von Hegelingeland, in dessen dreißig Reichen deine Tochter die Krone trägt.«

Sprach Hagen sanfter: »Bist du Herr Hettel, so bist du der Schlechteste nicht, den mein Schwert bestand! Keinem üblen König dient wohl ein Mann, der Hiebe austeilt wie Wate!«

Da drängte Hettel herzu mit ausgestreckter Hand, und Hagen legte seine gewaltige Rechte darein. Hettel band den Helm ab und rief Frieden über das Schlachtfeld. Da schien es Hilde, als habe sie niemals süßeren Ruf vernommen, aber sie sah wohl, wieviel Helden wund sich hinschleppten und wie arg ihres Vaters Wunde war.

Sie nahm allen Mut zusammen und ließ Herrn Morung das Schiff zum Strande steuern. Da stieg sie aus und ging zu Wate. Denn Horand hatte ihr verraten, daß der nicht nur der Riesen Erbe gewonnen habe, schärfere Schläge auszuteilen als andere, sondern auch der Riesinnen Wissen um Heilkräuter und Wurzeln. Und sie bat Wate mit gefalteten Händen, auch ihres Vaters und der wunden Iren nicht zu vergessen.

Wates Treue aber war die des Schäferhundes, der jedes neue Lamm in des Herrn Herde hütet wie den Herrn selbst. Und er sagte: »Nicht eher will ich Herrn Hagen heilen, ehe er Euch nicht vergab, Frau Königin!« Da senkte Hilde den Blick und sagte bange: »Es ist meinem Vater wohl wenig an meinem Gruß gelegen, da er nicht nach mir fragt.«

Wate ging hin, wo die Könige saßen. Aus dem Tuch, das Hagen um die Stirne trug, tropfte das Blut dick über seine Wange.

»Eure schöne Tochter, meine Frau Königin, wollte gerne Eure Wunden pflegen, Herr, wenn sie wüßte, daß Ihr sie gern sähet!«

Hagen Walant hatte in langen Nächten viel an sein Kind gedacht und gelernt, daß er nicht alles, was ihm an Bösen entgegenstand, mit der Gerstange zu besiegen vermöchte.

Es ging ein Zucken über sein Gesicht, da er sprach: »Wie sollte es mir im fremden Lande unwillkommen sein, mein liebes Kind zu grüßen?«

Da nahm Horand, der Däne, Frau Hilde an der Hand und führte sie mit Frute zu den Königen. Und als Hagen sie und Hildburg kommen sah, da sprang er vom Sitze auf und grüßte sie fröhlich und versuchte, sie die Wunde nicht sehen zu lassen. Herr Hagen wiegte sein Kind an seiner breiten Brust und fragte sie, ob sie hier schon heimisch geworden sei. Da hob Frau Hilde das Antlitz und sagte mit freiem Blick, keinen bessern Mann habe sie wählen mögen und keinen edleren.

Wate hieß die Frauen hinwegführen und nahm das Tuch von der Schwertwunde, die er selbst geschlagen. Er band eine Salbe darauf und frische Kräuter und murmelte leise Sprüche darüber. Da stand das Blut, und die Wunden schlossen sich zu.

Die Helden erachteten ein Schlachtfeld als einen üblen Herbergsort für schöne Frauen, und König Hettel lud Herrn Hagen nach Matalane, seiner Burg, mit allen seinen Mannen. Als die Helden dort ankamen, waren alle Wunden heil, deren Wate gepflegt hatte, und keine Spur verblieb, wo sie gewesen.

Hagen war durch Waleis und Hegelingeland geritten und hatte nichts gesehen als reiche Höfe und Felder, die gesegnete Frucht trugen. Er sah die weiße Burg Matalane am Meere ragen, herrlicher, als er je eine Feste geschaut, aus wohlbehauenen Quadern errichtet, mit weitumschließenden Wällen, mit hellen Fensterbogen, mit hohen Türmen, um deren wehrhafte Mauern sich grüner Efeu spann. Er sah, wie sein Kind mit der Krone von Hegelingeland gekrönt ward und mit denen von neunundzwanzig andern Königreichen. Er bat Hilde, diese Kronen so zu tragen, daß niemals böser Nachspruch ihm oder ihrer guten Mutter kränkend zu Ohren käme. Und er küßte Hildburg und bat sie, Hilde stets Treue zu halten. Zu Hettel aber sagte er, nun sei es an dem zu scheiden, denn es sei sein Wort erfüllt, das er beschworen habe, da sein Kind einen größeren König gefreit habe, als er selber sei. Da ward große Freundschaft zwischen ihm und Herrn Wate, und Hagen fuhr mit Dank und großen Ehren von Matalane und lobte den Herrn Christ, der alles so gewendet hatte.

Frau Hilde, die Königin, aber rief Herrn Horand lange nicht an den Hof, daß er vor ihr singen möge. Sie tat es erst, da ihr eine Tochter gegeben ward, die den Namen Gudrun führte. Und Herr Horand kam und kniete neben der Wiege und sang – nicht laut, nur heimlich, wie Grasmücken im Neste zwitschern. Lange sang er und ließ die starken Augen nicht von dem Kinde, das nicht schrie und sich nicht regte. Und man sagt, daß Horand drei Zauber um die Wiege wirkte: Schönheit, vor der die Helden knien – Treue, wie sie die Sänger rühmen in alle Ewigkeit – und Schmerz, wie ihn die Götter jenen gönnen, die sie lieben ...

 

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