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Kapitel III.
Prostitution

Wurden die öffentlichen Mädchen bei vielen Stämmen mißachtet und nur als notwendiges Übel geduldet, so war es im alten Mexiko anders. Im Telpochcalli, dem militärischen Erziehungshause, wohnte jeder junge Mann mit 2-3 Mädchen zusammen, bei denen er schlief, und die ihn sogar in die Schlacht begleiteten. Nach Sahagun durften die puellae publicae am Tlacaxipenalitzlifest sogar mit Adligen und Fürsten tanzen. Beim Tepeilhuitlfest der Tlalhuica, zu Ehren der Berg- und Regengötter, betranken sich 9- und 10jährige Mädchen und Knaben sinnlos und ergaben sich dann den gröbsten Ausschweifungen (Preuß, Pall. Fruchtbarkeitsdämonen), ebenso wird unter den Tlaxcalteken bei dem Fest im Monat Quexolli öffentliche Prostitution vorgekommen sein.

Anders war es bei den Abiponen. Von ihnen sagt der alte Dobrizhoffer: »Sie enthalten sich des Beischlafes zur Zeit des Säugens. Kindertötung und Abortation kommen vor.« In ihren Augen war außerehelicher Geschlechtsverkehr Frevel und Ehebruch unerhört.

Der Crieindianer tauscht gegenseitig seine Weiber aus, und der Pawnee vermietet sie an seine Freunde. Ist die Frau ohne sein Wissen untreu, schlitzt er ihr die Nase auf.

Die Huasteken an der Ostküste Mexikos galten den Azteken als sehr regsam in geschlechtlicher Beziehung, hohe Verehrung genoß die Tlaçolteotl, die Wollustgöttin.

Sehr naiv ist die Sitte bei manchen Stämmen, die Anzahl der besiegten Schönen zu kennzeichnen. Die Missouries zeigten durch Bündel geschälter Weidenruten die Schar der Weiber an, die sich ihnen ergeben hatten. Die Ruten waren 2-3 Fuß lang, an der Spitze gefärbt, und jede bezeichnete eine besiegte Schöne.

Andere wieder führten 5-6 Fuß lange, abwechselnd mit weißen und roten Ringen bemalte Stäbe, die dasselbe besagten. Die Mihhiruschae-Kähkarusch der Mandans waren einfach gemacht, wogegen die der Mönnitaries hübsch aufgeputzt waren. Ihre Bündel hatten in der Mitte einen längeren Stab mit Busch von schwarzen Federn, der die Favoritin anzeigte. Trug diese eine weiße Büffelrobe oder ein rotes Wollgewand, so wurde je nachdem auch noch ein Stückchen davon an der Rute befestigt.

Der Prinz von Wied schildert ein Weiberfest dieses Stammes (»Reisen in Nordamerika«). Nachdem man zwei Stunden lang geschmaust, gesungen und getanzt hatte, begann das weibliche Element seine Rolle zu spielen. Eine Frau näherte sich ihrem Manne, gab ihm Gürtel und Unterkleid, sodaß sie unter ihrem Büffelmantel nackt dastand, dann trat sie zu einem angesehenen Krieger, strich ihm über Schulter und Arm und verließ langsam die Hütte. Der Aufgeforderte folgte ihr an eine einsame Stelle in den Wald, wo er sich durch Geschenke loskaufen konnte, was aber nur bei wenigen geschah.

Nach Carver wurde die Achtung einer Frau nach der Zahl ihrer Liebhaber bemessen. Eine Nadowessierin gab 40 Kriegern ein Reisfest; während des Schmauses bot sie ihnen der Reihe nach hinter einem Schirm noch andere Genüsse.

Die gastliche Prostitution, einem Gaste Weib oder Tochter anzubieten, herrscht bei vielen Stämmen auf dem ganzen Erdteile. Die Crees (Knistenaux) in Nordamerika und die Araonas in Ecuador haben diese Sitte. Weibertausch ist üblich bei den Jívaros in Ecuador wie in Nordamerika bei anderen Stämmen, und eine regelrechte Polyandrie hat sich unter den Guatusos und Lacandonen (Rockstroh) in Guatemala wie bei kalifornischen Stämmen und in Südamerika bei den Jurúnas Brasiliens und den Guanas (Azara) in Paraguay herausgebildet, wie auch Männer mehrerer Frauen einem unbeweibten Freunde, mitunter gegen Entschädigung, eine derselben auf gewisse Zeit abtreten.

Phallische Riten, Tänze oder andere Handlungen, welche mit den Geschlechtsteilen in Verbindung stehen, hatten meist einen gottesdienstlichen Zweck, standen in engem Zusammenhange mit Festlichkeiten und dienten zur Ausübung eines Fruchtbarkeitszaubers. So gab es eine Feierlichkeit und zwar in größerem Umfange, als man für gewöhnlich annimmt, die sich fast über das ganze Amerika erstreckte und uns über viele merkwürdige, auf andere Weise unerklärliche Gebräuche Aufschluß gibt. Sie bestand darin, daß man Blut aus den Zeugungsorganen auf Mais sprengte, der dann verteilt und unter großer Feierlichkeit gegessen wurde. Diesen symbolischen Ritus kann man durch die heiligen Gebräuche aller halbzivilisierten Nationen Amerikas wie diejenigen der Hindus und auch in der alten Welt verfolgen.

Der nach dem Tode des alten neugewählte Oberpriester der Pipils (Stoll), dessen Wahl mit großen Festen gefeiert wurde, entzog sich Blut aus Zunge und Genitalien, das er den Göttern opferte. Für die Saatopfer trugen die Pipils alle Sämereien, die sie säen wollten, in kleinen Kalebassen vor den Altar der Gottheit und legten sie der Reihe nach in ein Loch im Boden, um es dann mit Erde auszufüllen. Hierauf stellten sie eine große Feuerpfanne und verbrannten darin Kopal und Kautschuk. Die vier Teopixqui opferten Blut aus Nase und Ohren, steckten durch die Wunden Rohrstücke, welche sie vor den Götterbildern verbrannten. Zuweilen entzogen sie sich auch Blut aus Zunge und Penis, wobei sie zu den Göttern um Gedeihen ihrer Saaten flehten. Der Oberpriester nahm Blut aus Zunge, Ohren und dem Geschlechtsteil, salbte damit die Hände und Füße der Götterbilder und betete zu ihnen.

So beschnitt man, denn nichts anderes als eine Art Beschneidung im weiteren Sinne haben wir hier vor uns, in Yucatan, Nicaragua und bis zu den Völkern am Orinoko teils die Zunge, teils die Schamteile, die Totonaken an der Ostküste Mexikos Ohren und Schamteile. Die Salivas am Orinoko beschnitten die Kinder so stark, daß viele von ihnen verbluteten und starben.

Ebenso fand sich der Phallosdienst am Panuco, auch bei den alten Hopis (Makis) in Arizona mußte er ausgeübt worden sein (Preuß, Phall. Fruchtbarkeitsdämonen), wie aus der Malerei auf der Schale hervorgeht, welche in der Ansiedlung dieses Stammes, in Awatobi, ausgegraben worden ist. Auf ihr ist ein Medizintanz, um Regen und gute Ernte zu erzielen, abgebildet. Ein ähnlicher Tanz findet sich noch heute unter den Zunis.

Bei den Káua des oberen Aiarý beobachtete Koch-Grünberg den Phallostanz, in dem sie den Akt der Begattung und Befruchtung mimisch darstellten. Trotz der grotesken Bewegungen wurde der Tanz sowohl von den Tänzern selbst als auch von den Zuschauern ernst aufgefaßt. Ähnliches sah er im Stamme der Kobéua. Dort hielten die Tänzer große, aus Bast gedrehte Phallen mit Testikeln aus den roten Zapfen eines niedrigen Capoeirabaumes (a. Kobéua = yömädö genannt) mit beiden Händen an den Leib und bewegten sich zunächst im Geschwindschritt mit vorgebeugtem Oberkörper hintereinander her, wobei sie mit dem rechten Fuße aufstampften und sangen. Plötzlich sprangen die Tänzer unter heftigen Coitusbewegungen und lautem Stöhnen wild dahin, um sich schließlich in einer unregelmäßigen Gruppe aufzustellen. Sie strichen mit der rechten Hand leicht über die Phallen, klopften unter schnalzenden Lauten mit den Fingern darauf und machten unter Blasen mit der ausgestreckten Hand wehende Bewegungen, als ob sie etwas in die Lüfte zerstreuten. Es soll dies das ruckweise Ausströmen des Samens bedeuten, den sie überallhin verbreiten. So trieben es die Tänzer in jedem Winkel des Hauses, am Rande des Waldes und der nahegelegenen Pflanzung; sie sprangen zwischen die zuschauenden Frauen und Mädchen, die schreiend und lachend auseinanderstoben, sie stießen mit den Phallen gegeneinander. »Ja, sie attackierten mich (Koch-Grünberg) und Schmidt, als wir die Sache photographierten.«

siehe Bildunterschrift

Phallus-Tanz (Rio Aiary) (nach Koch-Grünberg).


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