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XXIII

Nach Florenz zurückgekehrt, begann Fra Girolamo von der großen Buhlerin Rom, vom Pfuhl alles Übels, zu predigen. Wir müssen, so verkündete er, bei uns selbst anfangen. Wir können von der Welt keine Besserung verlangen, wenn wir uns selbst nicht bessern. Wollen wir die Kirche reformieren an Haupt und Gliedern – so müssen wir mit der Reformation bei uns, bei dem Orden der Dominikaner, beginnen. Und so groß war seine geistige Gewalt, daß das Kloster San Marco und alle Dominikanerklöster Toscanas aus freien Stücken eine Reinigung der Sitten und Gebräuche unternahmen.

Fra Girolamo predigte zuerst in einer kleinen Gasse, danach auf einem Platz. Danach in der Kirche von San Marco und, als diese zu klein wurde für die Fülle der Hörer, im Dom von Florenz.

Zu seinen eifrigsten Zuhörern gehörte der junge Michel Angelo Buonarotti, ein Bildhauer seines Zeichens und Lehrling in der von Lorenzo di Medici errichteten Kunstschule. Die apokalyptischen Predigten des Frate kamen seiner melancholischen Natur entgegen. Er zeichnete am liebsten das Jüngste Gericht.

Lorenzo von Medici, il magnifico selbst, kam eines Tages, Fra Girolamo zu hören, kniff die kurzsichtigen Augen zusammen und lauschte.

Einige Wochen darauf lag er in Careggi im Sterben.

Er ließ Fra Girolamo rufen.

Ich kenne keinen wahren Mönch außer dir. Erteile mir die Absolution!

Fra Girolamo sprach: Drei Dinge mußt du haben – erstens den wahren und lebendigen Glauben, zum zweiten die Idee des ewigen Friedens und zum dritten den unbeugsamen Willen zur Verwirklichung der Freiheit.

Da sah ihn Lorenzo, der Tyrann, starr an und drehte sich zur Wand.

Ohne ihm die Beichte abgenommen und ihm Absolution erteilt zu haben, kehrte Fra Girolamo nach Florenz zurück.


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