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Borgia
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VI

Calixtus stirbt im Alter von achtzig Jahren.

Die Feinde der Borgia, dieser verfluchten katalanischen Eindringlinge, atmen und leben auf.

Im Palast der Orsini, die sich die Bekämpfung der spanischen Nepotenwirtschaft zum besonderen Ziel gesetzt, findet ein Fest- und Freudenmahl statt, dem Rodolfo Orsini hager und hochmütig präsidiert und an dem auch Mitglieder der Familie Colonna teilnehmen. Noch nachts empfängt der Orsini einen seiner vertrautesten Diener, einen Franzosen namens Briconnet.

Briconnet wird am nächsten Morgen in der Via Giudea erstochen aufgefunden.

Das Attentat auf Rodrigo Borgia war mißglückt. Rodrigo Borgia selbst war ihm zuvorgekommen.

Auf die Kunde des Attentats flohen viele Borgia und Spanier aus Rom und ließen ihre Häuser im Stich, die der Pöbel plünderte. Nur Rodrigo Borgia wich nicht. Mit einer Leibwache von zehn schwerbewaffneten Katalanen ging er aus und besuchte Rodolfo Orsini, sich mit ihm sehr artig über die griechischen Handschriften der vatikanischen Bibliothek zu unterhalten.

Pius II. besteigt den päpstlichen Stuhl.

Der Kardinal Rodrigo Borgia lag noch zu Bett, als man ihm die Ankunft eines päpstlichen Kuriers meldete. Julietta, völlig nackt, servierte ihm die Schokolade. Corinna, nur mit einem silbernen Schleier bekleidet, saß auf dem Bettrand.

Der päpstliche Kurier, ein achtzehnjähriger hübscher Junge aus Piemont, trat über die Schwelle des Schlafzimmers und stutzte. Er versuchte die Augen zuzukneifen.

Dann sah er angestrengt zur Decke empor. Aber auch dort fand er nackte weibliche Gestalten sich zu einem sinnlich aufreizenden Reigen schlingen, der ihn erröten ließ. Tritt näher, mein Sohn, sprach der Kardinal.

Julietta lachte.

Corinna lächelte.

Der Kurier errötete.

Seine Heiligkeit benutzt die Bäder von Petriolo? Der Kurier nickte.

Er schien sich vorgenommen zu haben, kein Wort zu sprechen.

Julietta und Corinna tuschelten zusammen und zeigten ungeniert mit den Fingern nach dem sehnigen Burschen. Der Kardinal riß den Brief auf und las:

Geliebter Sohn! Eure Eminenz!

Es ist etwa eine Woche her, daß in den Gärten des Signor Giovanni de Bichi eine Festlichkeit stattfand und eine große Anzahl als leichtfertig verschriener Frauen Sienas dort zusammenkamen, um sich in Anwesenheit Euer Eminenz Lustbarkeiten hinzugeben, die mit näherem Namen anzuführen mir meine Scham verbietet. Eure Eminenz nahmen von der siebzehnten bis zur zweiundzwanzigsten Stunde, wenig eingedenk Ihres erhabenen Amtes, an dem unchristlichen Bacchanal teil. Um die Schande vollzumachen, waren die Gatten, Brüder, Väter und Vettern der jungen Damen von der Teilnahme an dem Gelage ausgeschlossen, die Lust Euer Eminenz und einiger weniger Auserwählter nicht zu stören. – Ich vermag meiner Empörung und meinem Mißfallen kaum die geziemenden Worte zu finden. Hier in Petriolo, einem von Geistlichen und Laien in der gegenwärtigen Jahreszeit stark besuchten Bade, ist das eines Kirchenfürsten unwürdige, zügellose Betragen Euer Eminenz zum Tagesgespräch geworden. Die Kleriker schämen sich Euer Eminenz Genossenschaft, und die Laien abstrahieren von Eurem frivolen Wandel auf das Leben der Geistlichkeit insgesamt. Selbst Wir, der Statthalter Christi auf Erden, geraten in Gefahr, der allgemeinen Verachtung, dem Spott und Hohn der Welt anheimzufallen, da Wir Euer Eminenz sittenloses Gebaren zu dulden scheinen. Das Maß Unserer Nachsicht ist aber am Überlaufen, und Wir bitten Euer Eminenz ein allerletztes Mal, in sich zu gehen und Buße nicht nur zu geloben, sondern zu tun. Euer Eminenz haben einen Sitz unter den Räten des Heiligen Stuhles, wozu Euer Eminenz Klugheit, Tatkraft und Wissen Sie gewißlich befähigen. Möge aber Euer Eminenz bedenken, wie sehr die Autorität der Kirche gemindert wird, wenn ein Baumeister, ausersehen, sie zu stützen, fortgesetzt Steine aus ihren Mauern löst und endlich den Turm selbst zum Einsturz bringen wird. Euer Eminenz sind noch sehr jung, neunundzwanzig Jahre, aber nicht mehr so jung, um den ganzen Tag auf nichts als Wollust zu sinnen. Wir vermahnen Euch streng, aber väterlich und zeichnen als

Petriolo, 11. Juni 1460 Pius II.

Der Kardinal hatte mit steigendem Unmut gelesen, der sich in den Zornesfalten seiner Stirn ausdrückte. Als er geendet hatte, warf er sich in die Kissen zurück und überlegte, was zu tun sei. Er schrieb mit dem rechten Zeigefinger allerlei Zeichen in die Luft. Der Kurier folgte seinen Bewegungen und schien sie entziffern zu wollen.

Endlich fiel des Kardinals Blick auf Julietta. Er wandte sich mit einem Ruck an den Kurier:

Bist du geritten, oder hast du einen Wagen mit, mein Sohn?

Ich bin geritten, Eure Eminenz.

Schön. Man wird einen meiner Reisewagen anspannen. Du wirst im Wagen zurückfahren –

Sehr wohl, Eure Eminenz.

Mit meiner Antwort an Seine Heiligkeit – Gott selbst hat sie geformt und stilisiert – da –

Und er zeigte auf die nackte Julietta.

Wirf ihr einen Mantel um – nichts weiter – und nimm meine Antwort an Seine Heiligkeit mit dir – aber hüte dich, ihr im Wagen ein Postskriptum anzufügen. Geh mit Gott, mein Sohn.

Und zu Julietta, die kein Wort fand: Geh mit Gott, meine Tochter.


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