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Sechstes Capitel.
Die Entführung

Der Baron befand sich bei Adolphine auf der Villa. Im Laufe der Zeit hatte dieselbe ihren Einfluß so zu befestigen gewußt, daß sich Herr von Bartenstein vollständig von ihr leiten ließ. Fesselte ihn schon das Aeußere des schönen üppigen Weibes, so mußte er auch dessen geistige Ueberlegenheit anerkennen. Ohne Herz und Gemüth, ja wenn es sein mußte, erbarmungslos grausam, ließ sie nur ihren kalten Verstand walten und wußte dabei vortrefflich ihre Interessen zu wahren. In vielen Fällen, wo sich der Freiherr nicht mehr Rath gewußt hatte, war sie es gewesen, welche ihm einen vortheilhaften Ausweg gezeigt hatte.

Sie kannte recht gut seine zerrüttete finanzielle Lage, aber sie war klug genug, hierüber keinen Mißmuth zu zeigen und ließ sich sogar einige Einschränkungen gefallen, allein dies that sie nicht, weil ihr Gefühl sie dazu antrieb, dem Manne, welcher für sie sorgte, einige Opfer zu bringen, sondern weil die Klugheit ihr rieth, nicht eher mit demselben zu brechen, bis sein völliger Bankerott unzweifelhaft sei. Galt Herr von Bartenstein doch noch immer als der künftige Erbe der Gräfin und bisher hatte er auch die Mittel zu ihrem kostspieligen Unterhalt auszutreiben gewußt.

In der letzten Zeit waren dieselben allerdings nur spärlich geflossen und im Stillen hatte Adolphine bereits mitunter die Frage in Betracht gezogen, ob sie sich nicht nach einem anderen Beschützer umsehen sollte, bevor ihre Reize die nöthige Anziehungskraft verlören.

Um diese Zeit war ihr von dem Freiherrn eine Eröffnung gemacht worden, in welcher sie neue Aussichten für die Zukunft erblickte.

»Sie haben mir, theure Adolphine,« sagte dieser eines Tages, »so viele Beweise der Zuneigung gegeben und so viele Opfer gebracht, daß ich wohl berechtigt bin, ein neues von Ihnen zu beanspruchen, besonders da darin für mich das einzige Mittel liegt, für Ihre Zukunft so zu sorgen, wie Sie es verdienen.«

Die Dame horchte hoch auf.

»An meiner Bereitwilligkeit dürfen sie nicht zwei- .

sein, sprechen Sie also.«

»Nun, was würden Sie dazu sagen, wenn ich mich zu einer Heirath entschlösse?«

Diese Erklärung war doch etwas überraschend.

»Haben Sie auch nicht vergessen, daß eine Verschreibung von Ihnen über zwanzigtausend Thaler, in meinem Pult liegt, die freilich noch nicht realisirt ist?« lautete die etwas scharfe Antwort.

»Keineswegs. Aber eben durch die Comödie meiner Vermählung erhalte ich die Mittel, meine Dankbarkeit gegen Sie abzutragen.«

»Eine Comödie nennen Sie einen solchen Act? Nun in Wahrheit, ich bin auf Ihre weiteren Mittheilungen neugierig.«

Der Baron erzählte jetzt, was er in Bezug auf Sabine mit Strubs verabredet hatte und das Gesicht Adolphinens heiterte sich wieder auf. Sie begriff, daß Herr von Bartenstein ein so einfaches Mädchen, welches von den Gebräuchen der Welt nichts kannte, bald überdrüssig werden mußte und daß sie von derselben nichts zu befürchten habe, daß sie dagegen aus den Reichthümern, welche Sabine einst zufielen, die erwünschten Vortheile ziehen konnte.

Sie reichte daher dem Baron mit einem entgegenkommenden Lächeln die Hand und erwiderte:

»Unter diesen Umständen kann ich Ihnen nur rathen, die sich Ihnen darbietende Gelegenheit zu ergreifen, denn wir werden Beide daraus Vortheil ziehen.«

»Und es regt sich bei Ihnen keine Spur von Eifersucht?«

Die Dame zuckte mit Selbstbewußtsein die Achseln. »Hat sich denn Ihr Geschmack auf einmal so verschlechtert?«

»Sie haben Recht, Sie können mir durch Niemand ersetzt werden. Aber hier handelt es sich ja auch nur um des alten Josua Schätze. Das Mädchen ist nur das Mittel zum Zweck; ist dieser erreicht, so schiebt man es bei Seite Wollen Sie unter diesen Bedingungen meine Verbündete sein?«

Adolphine schlug in die ihr dargebotene Hand. »Weshalb denn nicht, will das Gänschen auf den Leim gehen, so ist das seine Sache, zeigt es sich später eigensinnig, so giebt es ja Mittel, dasselbe zur Vernunft zu bringen.«

Zwei finstere, Unheil verkündende Blitze schossen aus den Augen der Dame und diabolisch zuckte es um deren Mund. Der Freiherr aber, froh so leichten Kaufes davongekommen zu sein, küßte seiner Geliebten dankerfüllt die Hand und versicherte nochmals, daß er bei dieser Heirath ihr Wohl in erster Reihe im Auge halte.

 

Acht Tage waren nach dieser Unterredung verflossen, und wie wir den Lesern bereits im Eingang dieses Capitels mitgetheilt haben, befand sich Herr von Bartenstein bei Adolphine. Die Nacht war bereits ziemlich weit vorgerückt und die Menschen hatten sich meist schon in die Häuser zurückgezogen. Der Freiherr war mit einer gewissen Eleganz gekleidet, er hatte sogar eine weiße Binde angelegt.

»Das Kostüm steht Ihnen nicht übel,« scherzte die Dame.

»Verteufelt bräutigamsmäßig, nicht wahr? Ein wahrer Carnevalsscherz, der mich zum Lachen zwingt.«

»Und ich als Brautjungfer – das hat auch seine komische Seite.«

»Und der würdige Strubs, der Alles anstiftete, als zweiter Zeuge. Ha, ha!«

»Und des alten Josua Leichenbitter-Gesicht, wenn er bei seiner Rückkehr das Nest leer findet.«

»Gerade jetzt muß er in dem Wirthshaus auf der Haide angekommen sein. Nun, Strubs mag sehen, wie er mit ihm fertig wird.«

»Aber ich denke derselbe soll bei der Trauung zugegen sein?«

»Das wird er auch. Er benutzt die Eisenbahn und legt den Weg in zwei Stunden zurück, während der Geizhals dazu einen Tag braucht.«

Der Baron sah bei diesen Worten nach der Uhr. »Es wird Zeit, daß ich gehe,« bemerkte er, »Sie werden also so freundlich sein und das Mädchen auf kurze Zeit hier aufnehmen?«

»Nun, sie muß sich doch umkleiden, um bräutlich erscheinen zu können.«

»Sobald dies geschehen, fahren wir direct nach meinem Gute, der Geistliche ist unterrichtet und wird uns in der Kirche erwarten.«

Herr von Bartenstein entfernte sich. Adolphine aber warf sich auf die Ottomane, ballte die kleine Faust und rief:

»Diese Frau ist mir verfallen; ihre Vernichtung soll mein Werk sein!«

 

Als sich der Baron dem Hause des Geizigen näherte, sah er sich vorsichtig um und erst, nachdem er bemerkte, daß die Straße völlig menschenleer sei, trat er an die Thüre und setzte die rostige Klingel in Bewegung.

Der kleine Gabriel, welcher Sabinens Vater ebenfalls haßte und verabscheute, war von der Letzteren in das Geheimniß eingeweiht worden und schadenfroh hatte er sich die Hände bei dem Gedanken gerieben, welche Verwünschungen und Flüche der alte Jensen ausstoßen würde, sobald er bei seiner Rückkehr die Flucht seines Kindes in Erfahrung brächte. Er selbst wollte ihm zuerst hiervon Mittheilung machen; das sollte, nach seiner Absicht, die Rache sein, welche er für jahrelange Mißhandlungen und Entbehrungen an seinem Peiniger zu nehmen gedachte. Sabine hatte ihm zudem einen Brief an ihren Oheim eingehändigt, in welchem sie diesem ihre Vermählung mit dem Freiherrn anzeigte und ihn bat, Gabriel Beschäftigung bei sich zu ertheilen. Dieser war also für den Entführungsplan vollständig gewonnen und als jetzt bei der Stille der Nacht in dem unheimlichen Hause der zitternde Ton der Glocke sich hören ließ, beeilte er sich, dem Baron die verschlosssene Hausthüre zu öffnen.

»Ist Alles bereit?« fragte dieser, als er eingetreten war.

»Alles! Sie finden das Fräulein hinten im Zimmer.«

Mehr mit dem Gesicht eines Einbrechers, welcher vor Begierde brennt, sich der von Josua angehäuften Schätze zu bemächtigen, als mit der Miene eines zärtlichen Liebhabers, der das Verlangen hegt, die ihn erwartende Braut zu begrüßen, eilte er auf dem schmalen dunklen Gange vorwärts, nachdem er dem Lehrling den Auftrag gegeben, einen Fiaker herbeizuholen. Er war aber in der Verstellungskunst zu erfahren, um sein Antlitz nicht noch im richtigen Augenblick der Lage, in der er sich befand, anzupassen. Der Hohn verschwand ans seinen Zügen und eine zärtliche Theilnahme trat an dessen Stelle. So erschien er vor dem jungen Mädchen, welches ihn mit ängstlichen und verwirrten Blicken erwartete.

»Meine theure Sabine!« rief er, und ergriff deren Hand.

»O Gott, was stehe ich im Begriff zu thun!«, seufzte diese.

»Muth!« flüsterte der Baron, »ich begreife, daß Ihnen ein solcher Schritt schwer fällt, aber Ihre Selbsterhaltung gebietet Ihnen denselben. Zudem gehen Sie ja einer glücklichen Zukunft entgegen und jedenfalls werden Sie eine geachtete Stellung in der Welt einnehmen.«

»Werde ich mich hierin auch wirklich nicht täuschen, wird Ihre Liebe mir immer zur Seite stehen?«

»Ich schwöre Ihnen dies als Mann von Ehre. Gewiß, ich will nur Ihr Wohl. Sind Sie bereit?«

Ein leises »Ja!« drängte sich über die Lippen der Befragten, während Herr von Bartenstein Mühe hatte, ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken.

»So kommen Sie!«

Zitternd ergriff Sabine den ihr dargebotenen Arm und krampfhaft klammerte sie sich an denselben, als suche sie in dem Augenblick, wo sie bei Nacht und Nebel heimlich das Haus ihres Vaters verließ, eine Stütze für die Zukunft. So traten Beide in's Freie. Vor dem Hause hielt bereits der Fiaker und Gabriel machte sich bereit, den Schlag des Fuhrwerks zu öffnen

»Nach der Villa draußen vor dem Thore,« rief der Baron dem Kutscher zu.

»Lebe wohl, Gabriel,« sagte Susanne und reichte diesem die Hand, »lebe wohl, und wenn es mir gut geht, so sollst Du nicht vergessen werden, darauf kannst Du Dich verlassen.«

»Gott segne Sie, Fräulein,« rief der Leidensgefährte unserer Bekannten und preßte gleichzeitig seine Hand fest zusammen, denn der Freiherr hatte ihm, in einem Anfall von Großmuth, ein Goldstück in dieselbe gedrückt.

Der Wagen rollte fort, Herr von Bartenstein befand sich in der besten Laune, denn nunmehr glaubte er ein Recht zu haben, sich bereits als im Besitz der Schätze des Geizigen zu betrachten. Er schmeichelte Sabine nach Kräften, wobei er seine ganze Liebenswürdigkeit entfaltete, und so gelang es ihm wirklich, das junge Mädchen schließlich in eine ruhigere Stimmung zu bringen.

Als Beide in dem Landhause anlangten, beschlich die Tochter des alten Jensen abermals ein Gefühl der Traurigkeit und der Scham. Herr von Bartenstein führte sie in einen kleinen, mit allem Luxus ausgestatteten Salon, in welchem sich bereits Strubs und Adolphine befanden. Die Letztere rauschte ihr in einer schwerseidenen Robe und mit einem kostbaren Geschmeide geschmückt entgegen. Sabine schlug verlegen die Augen zu Boden; in ihrem dürftigen abgetragenen Kleide betrachtete sie sich, dieser Frau gegenüber, fast wie eine Bettlerin. Aber wer war dieselbe, sie hatte sie ja noch niemals gesehen? Diese Frage, welche sich ihr unwillkürlich aufdrängte, erledigte unmittelbar der Baron.

»Frau Adolphine Schönemann,« bemerkte er vorstellend, »eine Dame, welcher ich meine ganz besondere Hochachtung zuwende und an die ich Ihnen nur rathen kann, sich mit vollem Vertrauen anzuschließen.«

»Ja, meine Theure,« rief diese und zog Sabine an ihre Brust, »wir Alle kennen das traurige Loos, dem Sie bisher verfallen waren, und wünschen Ihnen dazu Glück, daß Ihre Wahl auf einen so edlen Mann gefallen ist. Wollen Sie mich Ihrer Freundschaft würdigen, so wird mich dies glücklich machen und mein Bemühen soll es gewiß stets sein, Ihnen uneigennützig mit Rath und That beizustehen.«

Das junge Mädchen war zu unerfahren, um dem Gedanken Raum zu geben, daß sich hinter diesen entgegenkommenden Worten Heuchelei und Lug verbergen könnten, es senkte daher schüchtern den Kopf und erwiderte:

»Wenn Sie mich Ihrer Theilnahme werth halten wollen, so wird mich dies äußerst glücklich machen, denn die Welt ist mir gänzlich fremd und ich bedarf also der Unterstützung.«

»Ich glaube es wird Zeit, daß wir aufbrechen,« bemerkte der Freiherr, seine Uhr ziehend.

»So kommen Sie, meine Liebe,« sagte Adolphine mit einem gewinnenden Lächeln und zog unsere Bekannte mit sich fort, »zunächst müssen Sie doch bräutlich geschmückt werden und ich bitte, daß Sie mir erlauben, Ihnen dabei behilflich zu sein.

»Wie finden Sie die Komödie,« fragte der Baron, sich an den Advokaten wendend, als er sich mit diesem allein befand.

»Nun, ohne etwas Taschenspielerei geht es einmal in der Welt nicht ab, inzwischen sind Sie der Erbe des alten Josua geworden und das Uebrige ist ja Nebensache.«

»Das meine ich auch,« lautete die Antwort, »ist der Zweck erreicht, so legt man die Maske ab.«

Inzwischen erschien Sabine nach einer Viertelstunde an der Seite ihrer neuen Beschützerin. Sie trug jetzt ein schweres, weißes mit Spitzen besetztes Atlaskleid und in ihrem dunklen Haar war ein Myrthenkranz befestigt. Feine Handschuh bedeckten ihre Hände und zierliche Schuhe umschlossen ihren von Natur feinen Fuß. Eine ganz andere Erscheinung erblickte jetzt der Baron; mit den kostbaren Kleidern schien auch die Haltung Sabinens eine andere geworden zu sein.

Das lüsterne Auge des Freiherrn musterte ihre Gestalt und befriedigt ergriff er ihre Hand, küßte dieselbe und sagte verbindlich:

»Ich wußte es ja, daß Sie alle Anlagen besitzen, eine vornehme Dame zu repräsentiren, ich wünsche mir nochmals Glück zu Ihrem Besitz und nun, meine Herrschaften, denke ich, daß es Zeit ist, aufzubrechen, denn der Geistliche erwartet uns vor dem Altar.«

Mit einer entgegenkommenden Verbeugung bot er seiner nunmehrigen Braut den Arm und führte sie nach der bereitstehenden Equipage. Strubs und Adolphine folgten, indem sie heimlich spöttische Blicke mit einander austauschten.

Sabine verhielt sich während der Fahrt schweigend, der feierliche Act, welchen sie zu begehen im Begriff stand, erfüllte sie mit tiefem Ernst und einer ungewohnten Beklommenheit, und so sehr sie von ihrem Vater auch gequält worden war, in diesem Augenblick bat sie ihn doch in ihrem Innern recht innig wegen des Schrittes, den sie gethan hatte, um Verzeihung und flehte zu Gott, daß er dessen Herz rühren möge, um später eine Versöhnung mit ihm möglich zu machen.

Wir wollen übrigens den Leser nicht mit den Ceremonien der Trauung unterhalten, Thatsache war, daß die Tochter des Geizhalses nunmehr ein Recht hatte, sich als Gattin des Freiherrn zu betrachten und daß dieser sie von der Kirche aus anscheinend sehr zufrieden in sein Haus als dessen künftige Gebieterin einführte und sie als solche auch dem Dienstpersonal vorstellte.

Eine Zofe meldete sich, um die Befehle der gnädigen Frau in Empfang zu nehmen und Herr von Bartenstein stellte in der artigsten Weise seiner Gattin den einen Flügel des Schlosses zur Disposition. Im Stillen freilich lachte er über das bethörte Opfer und bald sollte es der armen Sabine klar werden, in wessen Hände sie gefallen war.

 

Als sich Gabriel in dem unheimlichen, verfallenen Hause allein befand, schien eine eigenthümliche Stimmung über ihn zu kommen. Die Trennung von Sabine erfüllte ihn offenbar mit großem Schmerz und der Gedanke, daß der schmutzige Geiz des Vaters ihre Flucht veranlaßt habe, rief im verstärkten Maße seinen ganzen Groll gegen den Wucherer wach. Zunächst machte sich derselbe in einer boshaften Freude bemerkbar. Wie besessen hüpfte er bald auf dem einen, bald auf dem anderen Beine, schlug mit den Armen um sich und rief, daß es durch die öden Räume laut wiederhallte:

»Hurrah, das Nest ist leer, Du alter Rabe, und vergebens wirst Du Deine heisere Stimme ertönen lassen, um Dein Kind zurückzurufen! Hurrah, Du hast sie vertrieben, nachdem sie in Noth und Elend verkommen ist! Geschieht Dir schon recht, Du wucherisches Ungeheuer – hast Manchem das Letzte genommen und das Herz aus dem Leibe gerissen, kannst Dir nun selbst die grauen Haare ausraufen, über den Fluch, welchen Dein gottloses Treiben auf Dich herabgerufen!«

Nach diesen Auslassungen setzte sich der Lehrling an den Herd und verächtlich scharrte er mit der Feuerzange in dem erkalteten Aschenhaufen.

»Gegen zehn Uhr kann er zurückgekehrt sein,« murmelte er, »und die Zeit, welche mir noch bleibt, will ich benützen, um nun auch einmal ein lustiges Leben zu führen! Ja, alter Josua, hier ist Geld –blankes Gold, und damit will ich ein Abschiedsmahl halten, daß alle Ratten und Mäuse neidisch aus ihren Schlupfwinkeln auf mich blicken sollen.«

Mit diesen Worten schlüpfte Gabriel zum Hause hinaus und kehrte bald darauf mit einer langen Wurst und einem Kruge schäumenden Bieres zurück. Ohne sich weiter zu besinnen, griff er nach dem ersten besten Meubel, zertrümmerte dasselbe und bald flackerte ein helles Feuer auf, über welchem der Lehrling mit heißhungrigen Blicken sich sein leckeres Mahl zurecht machte.

Denn lecker war es für ihn, der bisher nur verschimmelte Brodkrusten zu kosten bekommen hatte. Mit einer Gier, die sich bei jedem Bissen, den er in den Mund steckte, unverkennbar kund gab, verschlang er das ungewohnte Gericht und verfehlte dabei nicht, dem Inhalt des Kruges in gleicher Weise zu entsprechen. Als er endlich das letzte Stückchen aufgezehrt hatte, schob er die leere Pfanne zurück, wischte sich behaglich die Lippen und murmelte:

»So! Nun weiß ich doch auch einmal, wie Jemand zu Muthe ist, wenn er sich ordentlich satt gegessen hat, und jetzt will ich dem alten Josua eine Botschaft verkünden, daß ihm die Ohren davon in aller Ewigkeit gellen sollen! –«

Mit einem Gesicht, welches Schadenfreude und Bosheit ausdrückte, trat er in's Freie, indem er die Hausthüre nur lose anlehnte. Er selbst verkroch sich in der Nähe desselben hinter einem Steinhaufen und hockte dort lauernd, wie ein unheimlicher Kobold. Endlich ließen sich die schweren Tritte Jensens vernehmen, der hastig seiner Wohnung zueilte. Schon war er an dem Versteck Gabriels vorüber, als dieser ihn laut bei seinem Namen rief.

Bestürzt stockte der Fuß des Geizhalses und grimmig ballte er die Faust, denn sein scharfes Gehör hatte die Stimme seines Lehrlings erkannt.

»Hinein mit Dir, Du Taugenichts!« schrie er – »heißt das das Haus hüten, Du Natter, Du Teufelsbrut, wenn Du absichtlich den Dieben den Eingang öffnest? –«

»Hört Josua,« höhnte Gabriel von seinem Versteck aus, »ich will Euch eine Nachricht mittheilen, welche Euch das Blut in den Adern stocken machen wird. Der Baron von Bartenstein hat Eure Tochter entführt, Eure Schätze sind Euch gestohlen worden und Ihr alte Ratte seid inzwischen in die Falle gegangen und habt auf der Haide auf einen guten Fang gelauert, während man unterdessen hier in aller Bequemlichkeit aufräumte – ha, ha, wohl bekomm's Euch, alte Blindschleiche, und sehet zu, wie Ihr jetzt zurecht kommt! –«

Mit einem Wuthgeheul stürzte der Wucherer nach seinem Hause, das Schlimmste ahnend.

»Mein Geld, mein Geld!« schrie er, und Angst und Schrecken malten sich in seinen verzerrten Zügen. »Sabine, wo bist Du? – Sei verflucht, Du undankbare Dirne! … Bestohlen, beraubt! … ja, ja, ein höllisches Complot haben sie gegen mich geschmiedet, zum Bettler …«

Hier verstummte plötzlich der alte Josua und gleichzeitig vernahm man einen Angstruf, der schwere Fall eines Körpers wurde hörbar und diesem folgte wieder ein Stöhnen und Aufseufzen. Was hatte sich ereignet? – In blinder Hast, seiner Sinne nicht mehr mächtig, nur an seine zusammengescharrten Schätze denkend, war der Wucherer im Finsteren die Treppe hinaufgestürmt und hatte dabei gänzlich vergessen, daß von ihm bei seiner Abreise drei Stufen derselben ausgehoben worden waren, um sich gegen einen Einbruch desto besser zu schützen. Erst als sein Fuß durch die Luke trat, ward er sich der Gefahr bewußt, aber bereits war es zu seiner Rettung zu spät und schon im nächsten Augenblick lag er mit zerschmetterten Gliedern unten auf der gepflasterten Hausflur und wand sich im Todeskampf.

 

So fanden ihn am andern Morgen Leute, welche die halb offenstehende Thür in's Haus gelockt hatte. Einstweilen wurde die Wohnung verschlossen und die gerichtliche Untersuchung eingeleitet.

Mit tiefer Betrübniß empfing der Fabrikant Hayder die Nachricht von dem schrecklichen Ende seines Schwagers, noch bestürzter aber war er, als ihm Gabriel am andern Morgen den Brief Sabinens überreichte, in welchem ihm diese ihre Flucht und ihre Vermählung mit dem Freiherrn anzeigte. Herr Hayder war ein in jeder Beziehung achtenswerther Mann, welchen das Treiben des alten Jensen stets mit dem größten Widerwillen erfüllt hatte, während er mit seiner Nichte das tiefste Mitleid fühlte, ohne dabei jedoch bei dem Starrsinn und der Feindschaft des Vaters etwas Wesentliches zur Verbesserung ihrer Lage beitragen zu können.

Im höchsten Grade niedergeschlagen, stützte er den Kopf in die Hand, als er den Tod seines Schwagers und die Flucht seiner Nichte erfuhr.

»Das ist der Fluch der bösen That,« murmelte er, »aus solch' einem Treiben konnte niemals Segen entspringen! Und Sabine? – Ich fürchte, daß ihr an der Seite eines derartigen Menschen, wie der Baron ist, noch bitteres und hartes Unglück bevorsteht; möge der Himmel geben, daß ich mich geirrt habe und ich wünsche von ganzem Herzen, daß meine Prophezeihungen nicht in Erfüllung gehen!«

Als nächster Verwandter des alten Jensen wurde er hinzugezogen, als das Gericht zur Aufnahme der Hinterlassenschaft desselben schritt. Auch Strubs erschien, mit einer Vollmacht des Herrn von Bartenstein versehen, um im Namen Sabinens die Erbschaft ihres Vaters in Besitz zu nehmen. Der Fabrikant kehrte dem Anwalt stolz den Rücken und würdigte ihn kaum eines Wortes, denn er kannte dessen unmoralische Handlungsweise und seine kalte berechnende Hinterlist. Er war überzeugt, daß dieser Mann bei der Entführung seiner Nichte die Hände mit im Spiel gehabt habe und daß die Heirath lediglich zu dem Zweck geschlossen worden sei, um sich der Schätze Josuas zu bemächtigen.

Auch dann fühlte er sich noch nicht beruhigt, als er einen Brief von Sabine erhielt, in welchem diese ihm mittheilte, daß ihr Mann sie mit Achtung behandle und daß sie sich in ihrer neuen Lage glücklich fühle.

Hayder schüttelte den Kopf und meinte, es würde doch zu früh sein, wollten diese Leute schon jetzt offen mit ihren Plänen hervortreten. Von dem hinterlistigen, schleichenden Charakter des Barons war ein ganz anderes Verfahren zur Erreichung seiner Zwecke zu erwarten; es standen ihm hierzu ja so viele Mittel zu Gebote, daß er zu Gewaltthätigkeiten gar nicht zu schreiten brauchte. Auch moralisch konnte man Jemand vernichten, das wußte der Fabrikant, und gerade das fürchtete er in diesem Falle.

Dennoch schrieb er an seine Nichte in einem sehr herzlichen, doch vorsichtigen Tone, wünschte ihr in ihrer Ehe alles Glück und bat, stets auf seine warme Theilnahme zu rechnen, wenn sie derselben bedürfen sollte.

Die Schätze, welche der Geizhals hinterlassen hatte, waren sehr verschiedener Art. Alles aber fand man wohl verwahrt, hinter Schloß und Riegel. Da Herr von Bartenstein wußte, was hier zum Vorschein kommen würde, so hatte ihn ein gewisses Gefühl des Anstandes abgehalten, persönlich zu erscheinen. Strubs dagegen lächelte häufig in seiner gewöhnlichen boshaften Weise, wenn außer den baaren Summen und Schuldverschreibungen auch Kästchen mit Edelsteinen, Gold- und Silbergeschirr zum Vorschein kamen. Auch die Verschreibungen, die der Freiherr dem Verstorbenen eingehändigt, kamen zum Vorschein; vergebens forschte aber der Oheim Sabinens nach einem Testament, ein solches war nicht vorhanden und dem Fabrikanten drängte sich nunmehr die Gewißheit auf, daß es Herrn von Bartenstein gelingen würde, sich in den unbeschränkten Besitz der sehr bedeutenden Hinterlassenschaft zu setzen, wenn man nicht dessen Gattin bewegen könne, durch einen besonderen gerichtlichen Act sich die Verwaltung ihres Vermögens vorzubehalten.

Als er mit dem Advokaten hierüber sprach, lachte ihm dieser gerade in's Gesicht und meinte, ob er denn glaube, daß sein Client, der Baron, so kurzsichtig gewesen sei, eine so wichtige Sache zu übersehen. Schon unmittelbar nach der Trauung habe die Baronin in einem besonders zu diesem Zweck angefertigten Document ihren Gemahl zum unbeschränkten Verwalter und Theilnehmer ihres Vermögens bestimmt.

Hayder senkte nach dieser Erklärung den Kopf und antwortete nur durch einen tiefen Seufzer. Er dachte an das mütterliche Erbe seiner Mündel und beschloß auf Mittel und Wege zu sinnen, um derselben wenigstens dieses zu sichern und der Habgier des Freiherrn zu entziehen.

 

Die Bestattung des Wucherers fand in aller Stille am Abend statt. Anfangs hatte Sabine den Entschluß gefaßt, derselben beizuwohnen, aber diesem hatte Herr von Bartenstein sich entschieden widersetzt, es war zu einem scharfen Wortwechsel zwischen den beiden Gatten gekommen, und bei dieser Gelegenheit flossen die ersten Thränen in Sabinens Ehe. Nur so viel erlangte sie, daß ein Geistlicher dem Sarge folgte, aber was sollte dieser dort sagen? Ein stilles Gebet war Alles, was ihm die Pflicht auferlegte, und über diese hinauszugehen, verbot ihm sein Gewissen.

Mit finsteren Blicken starrte die Menge, welche sich unaufgefordert als Leichengefolge eingefunden hatte, auf das Grab und während sich über demselben die Erde wölbte, hörte man manche Verwünschung, die dem Verstorbenen auch hier noch nachgesandt wurde.

Schmerzlich erschüttert trat der Fabrikant den Heimweg an, ihm folgte in einiger Entfernung der kleine Gabriel, der ebenfalls den Sarg begleitet hatte.



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