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Fünftes Capitel.
Der Ueberfall auf der Haide.

Josua Jensen, der Geizhals, bewohnte ein altes baufälliges Haus in der Vorstadt. Dort hauste er mit seiner Tochter Sabine und mit einem kleinen halbwüchsigen elternlosen Jungen, den er zu sich genommen hatte, als derselbe eben beim Betteln ertappt, in einer Besserungsanstalt für verwahrloste Knaben untergebracht werden sollte.

Der alte Josua war ein starkknochiger Mann mit einer Habichtnase und ein paar hohlliegenden Augen, welche stets gierig und mißtrauisch umherspähten. Das Laster des Geizes und die Sucht, nach Gewinn hatten im Laufe der Zeit eine solche Herrschaft über ihn gewonnen, daß jedes andere Gefühl bei ihm vollständig erstorben war. Und doch konnte er sich rühmen, aus guter Familie abzustammen. Der Bruder seiner verstorbenen Frau, Namens Hayder, war ein geachteter und reicher Fabrikant, und diese selbst hatte, im Hinblick auf den Charakter ihres Mannes, um ihr Kind für alle Fälle sicher zu stellen, bei ihrem Tode ein Testament ausschließlich zu dessen Gunsten gemacht und die Verwaltung ihres ansehnlichen Vermögens ihrem Bruder übertragen.

Hierdurch war der Haß Josuas gegen seine Tochter angeregt worden, er betrachtete sie als die Ursache, daß ihm dies Erbschaft verloren gegangen war, er klagte sie an, daß sie ihn zum Bettler gemacht habe und behauptete, er müsse nun doppelt sparen, um sich vor dem Hungertode zu schützen. Daher kam es denn, daß Sabine und der kleine Gabriel an Allem Mangel litten und daß sich dadurch namentlich bei der Ersteren eine Erbitterung gegen den Vater einnistete, die mit den Jahren wuchs und den Wunsch bei ihr täglich lebhafter hervortreten ließ, das alte Haus, welches ihr bereits zur Hölle geworden war, um jeden Preis zu verlassen.

Vergebens war sie ihren Oheim zum öfteren darum angegangen, dieser hatte sie aus Besorgniß vor der boshaften Tücke des Geizhalses jedesmal zur Geduld ermahnt. Zuerst waren die Thränen des jungen Mädchens geflossen, und seufzend stand sie oft stundenlang an den mit starken Eisengittern versehenen Fenstern und blickte verlangend über das Häusermeer nach der Stadt, wo nach ihrer Ansicht so viele glückliche Menschen wohnten, die das Leben heiter genossen, während sie darben mußte und eine Gefangene war.

Als sich die Quälereien von Seiten ihres Vaters aber fortwährend steigerten und seine schmutzige, niedrige Gesinnung im Schelten und Toben laut wurde, wenn sie ihm zur Bestreitung der unentbehrlichsten Bedürfnisse ein paar Silberstücke abforderte, ging ihr auch das letzte Gefühl für ihn verloren und ein harter eigensinniger verbitterter Trotz trat an die Stelle der Thränen. Finster brütend saß sie am Herde, auf welchem kein erwärmendes Feuer brannte, und der kleine Gabriel hockte ihr gegenüber und rieb sich die erstarrten Hände und blickte sie nicht minder trübselig an.

»Was nutzt es mir, daß er die Kisten und Kasten voll hat,« begann Sabine, »wenn er sein einziges Kind fast dem Hungertode preisgiebt! Ha, ha,« fuhr sie erbittert fort und starrte dabei nach dem leeren Herde, »ha, ha, wie das Feuer flackert und wie es in den Töpfen brodelt!«

»Sagt lieber, wie sich die Spinnweben um dieselben ziehen,« bemerkte Gabriel, »denn manche Woche ist es wohl schon her, daß wir kein Stückchen Fleisch gekostet haben. Erst heute, als ich den Herrn anging mich nach dem Markt zu schicken, schlug er nach mir und schrie mich an und sagte, ich sei ein Tagedieb und ein Vielfraß, ich würde ihn noch bettelarm machen, und er werde sich noch genöthigt sehen, mich aus dem Hause zu jagen. Nun, ich habe schon längst gefunden, daß es besser ist, ich suche mir in einer Fabrik Arbeit und wenn ich hier, wo nicht einmal eine Ratte eine Krume Brod findet, bisher aushielt, so geschah es deshalb, Fräulein Sabine, weil ich es nicht über das Herz bringen konnte, Sie in Ihrem Kummer und Elend hier allein zurückzulassen.«

Das junge Mädchen schickte ihrem Leidensgefährten einen Blick des Dankes zu.

»Harre nur aus, Gabriel, bis ich fort bin, denn fort muß ich, es koste, was es wolle, und eines Tages wirst Du Etwas erleben, darauf kannst Du Dich verlassen! Siehe mein Kleid an« – und sie zupfte an demselben mit dem Ausdruck der Verachtung – »betrachte dasselbe und antworte mir, ist es nicht eine Schande, mich in einem solchen Lappen umhergehen zu lassen?«

»Es fällt Ihnen ja fast vom Körper und wenn jetzt ein reicher und hochgestellter Herr käme und um Sie anhielte – –«

»Still, sprich nicht davon! Wer würde sich um einen solchen Aschenbrödel kümmern und doch – habe ich nicht ein Recht, eine vornehme Dame zu werden, bin ich nicht die Erbin eines unermeßlichen Vermögens und wenn ich gute Kleider besäße, nun, ich würde gegen andere junge Mädchen gewiß nicht abstechen!«

Hierin hatte Sabine Recht. Sie war von der Natur durchaus nicht stiefmütterlich ausgestattet worden und trotz ihrer jetzigen hohlen Augen und bleichen Wangen hätte es nur eines Monats der Pflege bedurft, um die Jugendfrische wieder herzustellen. Auch ihr Herz war erst nach dem Tode ihrer Mutter so verbittert worden, früher hatte man sie als ein Kind von sanftem Herzen und großer Nachgiebigkeit gekannt.

Gabriel, dem sie als ihren Leidensgefährten stets freundlich entgegengetreten war, fühlte deshalb eine aufrichtige Verehrung für sie und auch jetzt stand er im Begriff, auf die so eben gemachten Bemerkungen etwas Tröstliches zu sagen, als sich plötzlich die kreischende Stimme des Geizhalses vom oberen Stock vernehmen ließ.

»Gott weiß, was er wieder hat,« brummte der Junge, und erhob sich zögernd.

Indem erschien der alte Mann selbst auf der Schwelle der Küchenthüre. »Du hast mich um zwei Pfennige betrogen, Gabriel,« schrie er und zog dabei ein jämmerliches Gesicht, »gieb die zwei Pfennige heraus, oder ich klage Dich der Unterschlagung an und Du sollst dann sehen, wie es Dir geht!«

»Macht was Ihr wollt,« entgegnete der Knabe, verächtlich mit den Achseln zuckend, »je eher ich von hier fortkomme, desto lieber ist es mir, aber meinen ehrlichen Namen dürft Ihr alter Filz nicht angreifen, denn das ist das Einzige, was ich besitze und der soll mir künftig durch die Welt helfen.«

»Wie,« rief Josua erbost, »Du wagst es, Deinen Brodherrn, welcher Dir Kleidung, Kost und Lohn giebt, einen alten Filz zu schimpfen!«

»Geht doch mit Eurer Kleidung und Eurer Kost,« entgegnete Gabriel wegwerfend, »und vom Lohn ist erst gar nicht die Rede! Und wenn Ihr wissen wollt, weshalb ich bisher hier ausgehalten habe, so sage ich Euch, es geschah Eurer Tochter wegen, mit der ich Mitleid fühle und die Ihr – zu Eurer Schande sei es gesagt – ebenfalls halb verhungern laßt!«

»Sie ist mit Dir gegen mich im Complot, ja ich weiß es ganz bestimmt, Ihr trachtet Beide mir nach dem Leben,« schrie Josua jetzt von Neuem, »Ihr wollt mich berauben, aber es wird Euch nicht gelingen, denn ich bin wachsam und habe meine Maßregeln gegen Diebe getroffen.«

»Aber Vater, schämen Sie sich denn nicht?« bemerkte Sabine vorwurfsvoll, mit einem kalten Blick. »Sehen Sie mich an, bin ich nicht eine Jammergestalt, gehe ich nicht fast in Lumpen? Und Sie wollen noch von Stehlen sprechen? Ist es Einer, der stiehlt, so sind Sie es selbst, denn Sie bestehlen sich um Ihre eigene Ehre und um die Achtung der Menschen.«

»Was gehen mich die Menschen an,« kreischte der Wucherer, »sie sind Alle schlecht und sie möchten den armen ehrlichen Josua an's Kreuz schlagen, blos weil er sein bischen Habe und Gut nicht verschwendet und sich für den Schweiß, welchen er vergießt, seine Procente zahlen läßt!« – Dann wendete er sich abermals an Gabriel und schrie von Neuem unter einer jämmerlichen Geberde:

»Du hast mich um zwei Pfennige betrogen, als ich Dich gestern nach dem Markt schickte – gieb mir die zwei Pfennige zurück, oder ich ziehe Dir dieselben von Deinem Lohn ab.«

Wer weiß, wie weit diese Scene noch ausgesponnen worden wäre, wenn in diesem Augenblick nicht die rostige Klingel ertönt wäre, welche durch einen Draht mit dem außerhalb der Thüre angebrachten Schellenzuge in Verbindung stand.

»Geh' und sieh, wer da ist,« rief Josua aufhorchend, seinem Lehrling zu, »und hörst Du, sei vorsichtig und lasse Niemand herein, den Du nicht kennst.«

Gabriel trat an eine kleine, einer Schießscharte ähnliche Oeffnung, lugte hinaus, und sagte nach einer Minute:

»Es ist der Advokat Strubs, der draußen steht, ich habe ihn ganz deutlich erkannt.«

Sogleich heiterte sich das mit Runzeln bedeckte Gesicht des alten Josua auf. Strubs war der einzige Mensch, dem er vertraute und welchem er Zutritt in sein Arbeitszimmer gestattete. Zugleich wußte er, daß, wenn der Sachwalter kam, es sich um den Abschluß eines Geschäfts handelte, bei dem ihm ein bedeutender Gewinn in Aussicht stand.

Er hatte übrigens sein Haus so eingerichtet, daß es einer wahren Festung glich. Aus der Mitte der zum obern Stock führenden Treppe konnten durch eine künstliche Vorrichtung vier Stufen zurückgeschoben werden, so daß also Jemand, der in der Nacht zu ihm zu dringen versuchte, unfehlbar durch diese Oeffnung stürzen und sich aus dem mit Ziegelsteinen ausgelegten Hausflur die Glieder zerschmettern mußte; der innere Eingang zu seinem Cabinet war aber auch wieder durch ein starkes eisernes Gitter verwahrt, welches nach Belieben herabgelassen und emporgeschoben werden konnte, und endlich lauerte im Hintergrunde des kleinen Gemachs der Geizige selbst wie eine Kreuzspinne hinter einem zweiten ähnlichen Verschlage, und dort pflegte er diejenigen Personen zu empfangen, denen er Vertrauen genug schenkte, um persönlich mit ihnen zu verkehren.

Eilig hatte sich Josua nach seinem Bureau zurückgezogen, ohne freilich irgend eine Ahnung davon zu haben, daß mit Strubs zugleich der Freiherr von Bartenstein sein Haus betreten hatte und unten im Erdgeschoß weilte, um mit Sabine ein Gespräch anzuknüpfen und dieselbe für seine Absichten zu gewinnen. Von Person war ihr derselbe schon von früheren Gelegenheiten her bekannt, und im Stillen fühlte sie sich geschmeichelt, daß ein so vornehmer Herr es der Mühe werth hielt, ihr, die von aller Welt vernachlässigt wurde, seine Aufmerksamkeit zu widmen und sich achtungsvollst vor ihr zu verbeugen.

»Nun, alter Josua, wie geht es?« rief der Advokat, als er mit dem ihm eigenen cynischen Lächeln vor den Wucherer trat.

»Jämmerlich schlecht,« lamentirte dieser, »und wenn es nicht bald besser wird, so muß ich elendiglich zu Grunde gehen.«

»Nun, dann komme ich ja gerade zur rechten Zeit, um Euch vor dem Ertrinken zu retten,« bemerkte der Sachwalter. »Ich habe für Euch ein Geschäft in Aussicht, welches Euch sicher einige tausend Thaler abwerfen wird.«

Die Augen des Geizigen flackerten gierig auf. »Ist es aber auch sicher?« fragte er mißtrauisch.

»Sicher? – Was versteht Ihr darunter?«

»Nun, ich meine das Pfand. Sie wissen, ich leihe nur auf Hypothek.«

»Darüber könnt Ihr beruhigt sein, es ist ein pikfeines Geschäft.«

»Um welche Summe handelt es sich denn?«

»Um zehntausend Thaler. Eine Kleinigkeit für Euch, Josua.«

»Zehntausend Thaler! Ich werde sie mir zusammenborgen müssen, denn ich selbst besitze sie nicht.«

»Macht das, wie Ihr wollt,« bemerkte der Advokat kurz, »nur die Freundschaft bewog mich, zuerst zu Euch zu kommen. Gefällt Euch aber die Sache nicht, so wende ich mich an den alten Ezechiel, der wird mit Freuden darauf eingehen.«

»Der alte Ezechiel ist ein Lump,« rief voll Neid der Geizhals, »und ehe ich ihm einen Gewinn zukommen lasse, will ich es selbst riskiren.«

»Daran werdet Ihr, wie ich glaube, auch sehr wohl thun, denn es sind zweitausend Thaler zu profitiren.«

»Wer ist es aber, der eine so große Summe verlangt?« fragte der Alte.

»Eine Dame, deren Finanzen in bester Ordnung sind und die nur aus Gefälligkeit für einen Anderen dieses Capital aufnehmen will.«

»Nennt mir sie.«

»Nun, Ihr kennt ja die Gräfin von Plankenburg. Ihr werdet zugeben, daß für das große Gut, welches sie besitzt, die hier genannte Summe eine Kleinigkeit ist.«

»Allerdings. Ihr Besitzthum ist schuldenfrei, das weiß ich. Für wen hat sie denn das Geld bestimmt.«

»Nun, es ist gerade kein Geheimniß. Für ihren Stiefsohn, den Freiherrn von Bartenstein.«

Josua zog ein Gesicht, als wenn ihn ein giftiges Insect gestochen hätte.

»Nun, was giebts?« fragt der Advokat.

»Nichts. Mir kann es übrigens auch gleich sein, an wen die Gräfin ihr Geld fortwirft. Aber fortgeworfen ist es bei einem solchen Verschwender und ich danke Gott, daß er nicht mein Schuldner ist.«

Strubs lachte innerlich. Die ganze Geschichte war ja blos erfunden, um den Geizigen aus dem Hause zu locken und dem Baron die Gelegenheit zu geben, inzwischen seine Tochter mit aller Muße zu entführen.

»Was die Leute mit ihrem Gelde thun,« sagte er, »geht uns nichts an und überdem, seit wann habt Ihr ein so zartes Gewissen? Der Baron erhält Vollmacht von seiner Stiefmutter, mit Euch zu verhandeln und das Geld in Empfang zu nehmen, natürlich werde ich auch dabei sein, um den notariellen Act anzufertigen.«

»Wo soll denn die Zusammenkunft stattfinden?«

»In dem Wirthshause auf der Haide.«

»Lieb wäre es mir,« bemerkte Josua etwas mißtrauisch, »wenn das Geschäft anderwärts abgemacht werden könnte. Der Ort liegt mir etwas einsam.«

»Der Baron liebt aber die Bequemlichkeit und deshalb werdet Ihr Euch seinen Wünschen schon fügen müssen.«

»Nun, so mag es drum sein. Ist der Tag schon bestimmt?«

»Ich werde Euch noch nähere Nachricht zukommen lassen.«

Strubs zog das Gespräch absichtlich noch etwas in die Länge, um Herrn von Bartenstein Zeit zu lassen, sich mit Sabine auszusprechen.

Als er aber bemerkte, daß der Geizige unruhig wurde, und daß das diesem angeborne Mißtrauen erwachte, empfahl er sich. Er wußte, daß ihn Josua nicht begleiten würde, denn dieser hatte stets die Gewohnheit, nach jedem Besuch, den er empfing, alle Winkel zu durchstöbern, um sich zu überzeugen, daß er auch nicht bestohlen worden sei.

Bevor beide Herren indessen wieder das Haus verlassen, halten wir uns für verpflichtet, den Lesern mitzutheilen, was inzwischen unten in der Küche vorgefallen war.

 

Der Baron hatte sich mit jener Gewandtheit und Feinheit, deren glatte Form ihm sehr wohl bekannt war, vor Sabine verbeugt, als er dieser von Strubs unter seinen vollen Titeln und Würden vorgestellt worden war. Das arme Mädchen erröthete tief, einerseits zwar geschmeichelt durch die achtungsvolle Begrüßung eines so vornehmen Herren, andererseits aber auch wieder bis zum äußersten gedemüthigt durch das Bewußtsein, in einem solchen ärmlichen abgenutzten Anzug vor diesem erscheinen zu müssen. Der ganze Groll gegen ihren Vater, dessen schmutziger Geiz sie dieser Beschämung preisgab, erwachte von Neuem in ihr und hier um so mehr, wenn sie bedachte, welche Stellung sie vermöge ihres Reichthums und ihrer sonst guten Geburt in der Gesellschaft einzunehmen berechtigt gewesen wäre.

So lange ihre Mutter lebte, hatte sie eine gute Schule besucht und nichts war in ihrer Erziehung vernachlässigt worden, so daß sie also vollkommen im Stande war, eine feinere Unterhaltung zu führen. Mit großer Klugheit half ihr indessen Herr von Bartenstein über die ersten Verlegenheiten hinweg, indem er einerseits that, als bemerke er ihr dürftiges Aeußere gar nicht, während er es andererseits an einer ausgezeichneten Höflichkeit nicht fehlen ließ, welche unter den obwaltenden Verhältnissen einen doppelt tiefen Eindruck auf das junge Mädchen machte. Vermittelst eines blanken Thalers, den er Gabriel in die Hand drückte, hatte er gleich Anfangs die Entfernung des ihm lästigen Lehrlings zu bewerkstelligen gewußt, denn dieser, welcher noch nie im Besitz einer solchen Summe gewesen war, entfernte sich sofort, als er aus den Augen seiner jungen Herrin deren Zustimmung hierzu herausgelesen hatte.

Nun ging der Freiherr mit großer Kühnheit auf sein Ziel los, denn er wußte, daß ihm die Zeit zur Erreichung seiner Absichten nur kurz gemessen war.

»Wenn ich die Wahrheit gestehen soll,« begann er mit einem entgegenkommenden Lächeln, »so kam ich mit einer tiefen Regung des Mitleids hierher, denn ich kannte die traurige Lage, in welche das grausame Verfahren Ihres Vaters Sie versetzt hat, aber nun, da ich Sie persönlich kennen gelernt habe, verlasse ich Sie nicht blos mit einem hohen Gefühl der Achtung, sondern auch mit dem innigen Wunsche, daß auch bei Ihnen mehr als eine oberflächliche Erinnerung für mich zurückbleiben möge.«

Sabine verneigte sich abermals mit tiefem Erröthen; solche Worte der Hochachtung waren ihr bisher noch nie gesagt worden.

»Jedenfalls,« fuhr Herr von Bartenstein fort, »haben Sie ein Recht, die Ihnen gebührende Stellung in der Welt einzunehmen.«

»O, mein Herr,« erwiderte die Tochter des Geizigen mit thränenumflorten Augen, »Sie sehen wohl, wie ich leide und daß ich moralisch dem Untergange bestimmt bin.«

»Wenn sich nun aber ein Retter für Sie fände?«

»Wo sollte der wohl herkommen.«

»Sabine,« fuhr Herr von Bartenstein fort, indem er dabei die Hand des jungen Mädchens ergriff und ihr mit geheuchelter Gutherzigkeit in's Auge blickte – »Sabine, vermöchten Sie wohl Vertrauen zu mir fassen?«

»O wohl!« lautete die mit zitternder Stimme abgegebene Antwort

»Auch für das ganze Leben?«

Eine neue Zukunft erschloß sich plötzlich den Blicken des armen, bisher so arg gemißhandelten Kindes. Für das ganze Leben? – Was bedeutete dies? – Sie wagte den Sinn dieser Worte nicht weiter zu verfolgen.

»Nun?« fragte der Freiherr in einem noch einschmeichelnderen Tone.

Sabine hob jetzt den Kopf, blickte den Fragesteller erröthend an und erwiderte:

»Der Sinn Ihrer Worte ist für mich zu räthselhaft, als daß ich Ihnen eine Antwort darauf zu geben vermöchte.«

»Ueberraschend mögen dieselben für Sie sein,« bemerkte Herr von Bartenstein, »aber ihre Deutung dürfte Ihnen doch unmöglich schwer fallen, und für die Redlichkeit meiner Absichten kann ich Ihnen einen Bürgen stellen; der Advokat Strubs, welcher Ihnen ja zur Genüge bekannt ist, wird dieselben bestätigen.«

Noch immer stand das junge Mädchen sinnend da.

»Fühlen Sie denn nicht das Verlangen, dieses Haus zu verlassen und sich der schmählichen Fesseln, welche Sie tragen, zu entledigen?« fragte der Freiherr weiter.

Bei dieser Bemerkung erwachte plötzlich der ganze Haß Sabinens gegen ihren Vater; alles, was sie durch ihn entbehrt und gelitten, trat vor ihre Seele und mit vor Zorn aufflammenden Augen erwiderte sie:

»Glauben Sie denn, daß ich auch nur einen Augenblick Bedenken tragen würde, dieser Hölle den Rücken zu kehren, wenn es auf irgend eine anständige Weise geschehen könnte?«

»Nun, wenn sich nun ein redlicher Mann fände, welcher bereit wäre, Sie an den Altar zu führen?«

Das war zu deutlich gesprochen, um mißverstanden zu werden. Die Brust Sabinens hob sich. Frei, geehrt und geachtet – sie war ja reich genug, um einen solchen Antrag für möglich zu halten.

»Dieser Mann bin ich,« fuhr der Baron fort, »und mit tausend Eiden schwöre ich es Ihnen, daß Sie an meiner Hand glücklich sein sollen. Freilich wird es von Ihrer Seite hierzu eines heroischen Entschlusses bedürfen.«

»O, an Muth gebricht es mir nicht,« platzte das junge Mädchen heraus.

»Sie werden einsehen, daß die Einwilligung Ihres Vaters nie zu erlangen sein wird.«

»Nein! Sein Herz ist von Stein; er opfert mich seinem Götzen, dem Geiz.«

»Sie müssen also mit mir entfliehen.«

Sabine zuckte zusammen.

»Was thut das,« bemerkte unser Bekannter., »wenn Sie drei Stunden darauf die Baronin von Bartenstein sind.«

In diesem Augenblick hörte man Strubs Stimme, welcher Josua verließ.

»Ueberlegen Sie!« rief der Freiherr, »und wann kann ich mir die Antwort holen?«

Sabine zögerte.

»Spielen Sie nicht mit Ihrem Glück,« drängte Bartenstein. »Bestimmen Sie den Tag und die Stunde unseres Wiedersehens.«

»Nun denn, übermorgen des Abends um neun Uhr, wenn der Vater zu Bett ist.«

Verwirrt und mit schuldbewußtem Gesicht entfernte sich die Tochter des alten Josua rasch unter einer kurzen Verbeugung, während der Baron ihr triumphirend nachblickte.

»Nun, wie weit kamen Sie mit ihr?« fragte der Advokat mit seinem gewöhnlichen cynischen Grinsen.

»Das Vögelchen sitzt in der Schlinge, die Schätze der alten Kreuzspinne sind mein.«

»Dann gratulire ich Ihnen; ich denke, wir können zufrieden sein, solche Geschäfte macht man nicht alle Tage.«

Beide verließen das unheimliche Haus, während der Geizhals, nichts Schlimmes ahnend, sich oben an seinem Gelde weidete.


Watt hatte sich seit der Flucht seiner Frau im verstärkten Maße dem Trunke ergeben. Er war auch zu wiederholten Malen in der Gesellschaft eines verdächtigen Subjectes gesehen worden, welches sich seit einiger Zeit in der Gegend umhertrieb. Der Waldhüter leugnete zwar, hierüber zur Rede gestellt, seine Bekanntschaft mit dem Strolche, es gab aber Leute, welche mit Bestimmtheit behaupteten, den Letzteren zu verschiedenen Malen bei Nachtzeit die Behausung desselben betreten gesehen zu haben. Man flüsterte sich allerhand in die Ohren, wobei über die Vergangenheit Watts eben kein günstiges Urtheil gefällt wurde; da man aber wußte, daß Herr von Bartenstein ihn beschützte, überdem gegen ihn auch keine besonderen Thatsachen vorlagen, so begnügte man sich damit, hinter seinem Rücken Vermuthungen laut werden zu lassen, die man eben nicht offen auszusprechen wagte.

In einer Nacht, in welcher es regnete und stürmte, klopfte der verdächtige Mensch abermals an das Fenster des Waldhüters.

»Was giebt es?« knurrte dieser, obgleich er recht gut wußte, wer Einlaß begehrte.

»Mache auf Caspar! Teufel, glaubst Du denn, daß es ein Vergnügen ist, in solch' einem Wetter bis auf die Haut naß zu werden?«

»Du wirst noch so lange machen, bis man Verdacht schöpft,« brummte unser Bekannter, schob aber doch den Riegel zurück.

Der Eintretende war ein untersetzter, stämmiger Kerl mit einem ausgeprägten Galgengesicht.

»Hole vor allen Dingen erst einmal die Schnapsflasche hervor,« sagte er, sich schüttelnd. »Nun, Camerad, ich glaube gar, Du wirst widerspänstig? scheint Dir ja verdammt schwer zu fallen, einem alten Freunde einen Schluck zu reichen.«

»Durchaus nicht,« murmelte Caspar und setzte das Begehrte auf den Tisch, »aber lieb wäre es mir, wenn Du bei Deinen Besuchen etwas vorsichtiger zu Werke gingest, denn die Leute hier sind mir nicht grün und je weniger sie uns beisammen sehen, desto besser.«

»Unbeschadet unserer Freundschaft, Bruderherz. Ist es nicht so?«

»Natürlich. Darüber haben wir uns ja schon ausgesprochen.«

»Hast auch Deine guten Gründe dazu. Als wir noch zusammen im Walde pirschten … Na, über die Geschichte ist ja längst Gras gewachsen, aber ich stand ja nur dreißig Schritte von Dir, als Du den Förster niederschossest.«

»Halte Deinen Mund!« rief Watt und warf dem Sprecher einen grimmigen Blick zu.

»Na, beruhige Dich nur, es war nicht so böse gemeint. Hier thue mir Bescheid – ich kenne Dich, Du hast Dir vorher immer erst Courage trinken müssen, wenn es an's Geschäft gehen sollte, und ein Geschäft giebt's, denn deswegen bin ich eben hier.«

Caspar horchte hoch auf, während er sein Glas mit einem Zuge leerte.

»Lass' hören,« sagte er, denn unwillkürlich erwachte seine alte Raublust.

»Nun, Du kennst doch drüben das Wirthshaus, auf der Haide?«

»Was giebt's dort?« fragte Watt, den Kopf emporrichtend.

»Ein Gast ist heute daselbst eingekehrt, der es schon der Mühe werth ist, daß man ihm die Federn rupft.«

»Still! sprich leise! wen meinst Du?«

»Ei, wen Anders, als den alten Josua, den Geizhals. – Ich sah ihn selbst eintreten, den schäbigen Burschen und ich wette, daß er eine hübsche Summe bei sich führt.«

»Jedenfalls. Aber wie kommen wir ihm bei, er ist verdammt vorsichtig.«

»Dafür lass' mich sorgen. Er wird doch die ganze Nacht nicht wachen, und Niemand versteht es besser, eine Fensterscheibe ohne Geräusch einzudrücken, als Du.«

Der Forsthüter kämpfte unentschlossen mit sich.

»Es ist mir fast zu gefährlich,« murmelte er.

»So geh' zum Teufel, Du feige Memme,« rief der Andere. »Hast Dich doch sonst vor einem Einbruch nicht gescheut. Ein Geldgeschäft ist es sicher, was die alte Nachteule, der Jensen, abzumachen hat, und ich wette, daß er eine gute Anzahl Banknoten bei sich führt.«

»Wie lange haben wir noch Zeit?«

»Um Mitternacht brechen wir auf; es ist eine Arbeit von einer halben Stunde.«

»Gut. Macht der alte Geizhals Lärm, so würgen wir ihm die Kehle zu.«

»Ein Griff von meiner Hand und die Luft zum Schreien wird ihm vergehen,« grinste der Vagabunde, den Arm erhebend und mordgierig seine fünf Finger ausspannend.

Caspar stürzte ein neues Glas Branntwein hinunter. »So! nun fange ich an warm zu werden; hole der Teufel den alten Josua!«

»So mache Dich fertig.«

Watt begab sich in das Nebenzimmer, kehrte aber schon zehn Minuten darauf zurück. Er trug jetzt einen alten zerlumpten blauen Kittel, und sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt.

»So gefällst Du mir,« rief sein Spießgesell, »denn ich sehe, daß Du das alte Handwerk noch nicht vergessen hast.«

So verdorben und schlecht der Waldhüter auch war, so regte sich bei ihm doch in diesem Augenblick noch einmal das Gewissen. Er dachte an seinen Schutzgeist, an Susanne, und unwillkürlich murmelte er:

»Wäre sie bei mir geblieben, ich glaube, ich hätte es nicht gethan.«

Aber schon stand er mit seinem Gefährten im Freien und unmittelbar darauf schritten Beide vorsichtig über die mit Nebel bedeckte Haide.

»Reiche mir noch einmal die Flasche,« bemerkte Watt.

»Nein,« entgegnete der Andere, »wenn man so Etwas thut, wie wir zu thun im Begriff stehen, muß man seine fünf Sinne beisammen halten und nöthigenfalls auch schnell auf den Beinen fortkönnen.«

 

Der alte Josua war mit einem mürrischen, verdrießlichen Gesicht im Haidekrug eingekehrt. Man kannte ihn dort schon von früheren Gelegenheiten und machte mit ihm wenige Umstände, da man wußte, daß bei dem Geizhals nichts herauszuschlagen war und er jedesmal selbst um den niedrigen Preis des Schlafgeldes noch feilschte. Ohne daher besondere Notiz von ihm zu nehmen, wies man ihm ein kleines Zimmer an, und kümmerte sich nicht weiter um ihn. Mißtrauisch wie er war, durchsuchte er jeden Winkel, leuchtete mit dem Licht unter das Bett, klopfte schließlich an die Wände, um sich zu überzeugen, daß auch keine heimliche Thüre angebracht sei.

Als er hierüber beruhigt war, langte er ein Stück grobes trockenes Brod hervor, schenkte sich ein Glas Wasser ein und begann mit anscheinend gutem Appetit in dieser Weise sein Abendbrod zu verzehren. Es war aber schon spät und die Reise hatte den alten Mann ermüdet, er fühlte also das Bedürfniß, sich zur Ruhe zu begeben.

Bevor er jedoch seine Schlafstätte suchte, sicherte er sich gegen einen möglichen Ueberfall noch durch eine besondere Vorrichtung. Er band sich eine Schnur um das rechte Handgelenk, an welcher eine Schelle hing, während er das andere Ende des Bindfadens mit dem Fenster so in Verbindung brachte, daß, wenn dasselbe geöffnet wurde, die kleine Glocke nothwendig Lärm machen und er selbst aufgerüttelt werden mußte. Nachdem er diese sinnreiche Einrichtung getroffen, legte er einen Revolver auf den vor dem Bett stehenden Tisch, schob seine Brieftasche unter das Kopfkissen und hüllte sich, auf diese Weise einigermaßen beruhigt, in die Bettdecke.

Der Schlaf des Geizigen war ein sehr unruhiger und mehrere Mal griff er mechanisch nach der in seiner Nähe liegenden Waffe. Er bedauerte jetzt, das Nachtlicht nicht brennen gelassen zu haben, wovon er nur durch die Furcht abgehalten worden war, dafür etwas bezahlen zu müssen. Schließlich übermannte ihn doch die Müdigkeit und die leisen regelmäßigen Athemzüge deuteten seinen ziemlich festen Schlaf an.

Es war Ein Uhr, als Watt mit seinem Spießgesellen vor dem einsam gelegenen Hause-anlangte. Eine finstere Nacht begünstigte ihr Unternehmen. Beide kannten die Localitäten genau und wußten, daß oben nur ein Gastzimmer vorhanden war, sie konnten daher nicht fehlen. Wie es auf dem Lande meist zu sein pflegt, standen allerhand Ackergeräthe umher, darunter auch eine Leiter. Caspars Gefährte gab diesem einen Wink, dieselbe herbeizuholen.

»Du mußt hinauf und die Scheibe eindrücken,« flüsterte er.

Unser Bekannter ließ ein leises Knurren hören.

»Mache keine Umstände und zeige, daß Du noch etwas vom Handwerk verstehst. Ich folge Dir auf dem Fuße nach.«

»Hast Du Pechpflaster?«

»Freilich. Der Alte darf nicht schreien, ich werde ihm damit ein Schloß vor den Mund legen.«

Behutsam kletterten Beide die Sprossen hinauf. Oben angekommen, horchten sie. Alles war still, nichts regte sich im Zimmer. Im nächsten Augenblick steckte der Waldhüter den Arm durch die geräuschlos zertrümmerte Scheibe und schob den Fensterriegel zurück.

»Nun frisch hinein,« flüsterte sein Genosse, »in zehn Minuten ist die Sache abgemacht.«

Bereits steckte Watt den Kopf und die Schultern in das Gemach, als der verrätherische Ton der Schelle laut wurde. Beide Strolche stutzten. Aber schon war auch Jensen aus seinem Schlafe erwacht, und zwei dunkle Gestalten am Fenster erblickend, ahnte er sogleich, um was es sich handelte. Es mangelte ihm nicht an Muth und wenn es darauf ankam, seine Schätze zu vertheidigen, kannte er keine Gefahr. Mit einer Elasticität, die man seinem Alter kaum zutrauen durfte, war er aus dem Bett, im nächsten Augenblick hatte er nach dem Revolver gegriffen und unter dem Rufe: »Diebe! – Mörder!« feuerte die Waffe auf's geradewohl ab.

Getroffen war freilich von den zwei Einbrechern keiner, aber der Schuß hatte doch seine Wirkung gethan. So behende, wie es die Finsterniß erlaubte, suchten sie zur Erde zu gelangen, um das Weite zu gewinnen.

Watts Spießgesell gelang solches auch, dieser selbst aber glitt in der Hast aus und stürzte zur Erde. Als er sich wieder aufrichten wollte, faßte ihn eine kräftige Faust beim Kragen und wie er bestürzt emporsah, blickte er in das grinsende Gesicht des Advokaten.

»Gut herausgeputzt, alter Freund,« lachte dieser, indem er den sich Sträubenden noch immer festhielt, »nun sehe ich doch, daß das Reisen bei Nacht auch sein Gutes hat – fatal, sehr fatal, nicht wahr, daß mich der Zufall gerade jetzt hierher führen mußte?«

»Herr,« stöhnte der Waldhüter, indem er sich dabei wie ein Wurm krümmte, »Herr, macht mich nicht unglücklich! Verlangt von mir, was Ihr wollt, aber laßt mich laufen!«

»Sicher seid Ihr mir immer,« bemerkte Strubs schadenfroh, »denn jeden Augenblick liegt es in meiner Macht, Euch wegen Einbruch anzuklagen. Doch da Ihr Euch so gut auf's Einsteigen versteht, so könnte ich Euch am Ende in einer gewissen Sache verwenden und damit wäre dann die fatale Geschichte dieser Nacht ausgeglichen.«

»Ich will Alles thun, was Sie verlangen,« sagte Watt, »nur lassen Sie mich laufen.«

»Es handelt sich um einen Brief des verstorbenen Gemahls der Gräfin, in dessen Besitz sich der Hausmeister derselben, der alte Bruns befindet. Ihr müßt ihn für mich stehlen.«

»Gut, ich werde es thun.«

Indem erschien Josua am Fenster und schrie aus Leibeskräften:

»Haltet die Kerle fest – bindet ihnen die Hände auf den Rücken – schießt ihnen eine Kugel durch das diebische Herz! …«

»Lauft zum Kukuk,« flüsterte der Sachwalter, sein Opfer loslassend – »dieser Tage kommt zu mir, ich werde Euch Eure Instructionen ertheilen,« und während sich Caspar dies nicht zweimal sagen ließ und in der Finsterniß verschwand, wendete sich Strubs zu dem Geizhals und sagte:

»Haltet endlich Euren Schnabel, Ihr alter Rabe, denn bereits ist das ganze Hans in Bewegung. Was giebt es denn, daß Ihr wie ein Zahnbrecher in die Nacht hinein schreit?«

»Wer seid Ihr?« fragte Josua.

»Nun erkennt Ihr denn meine Stimme nicht? Ich bin Strubs, Euer Freund Strubs – wird Euch das genügen?«

»Komm herauf! Die Pest über die Galgenvögel! Ich werde eine Klage auf Schadenersatz gegen den Wirth anstrengen.«

»Ihr seid ein alter Narr,« lachte der Advokat und stieg die Treppe hinauf. »Nun Josua,« fuhr er fort, als er diesem jetzt gegenüber stand und die Schnur mit der Glocke betrachtete – »kunstvoll genug war Eure Vorrichtung und ich sehe, man kann wirklich von Euch noch Etwas lernen.«

Dieser war sehr übler Laune. »Die Gräfin muß es mir bezahlen! Die Gräfin muß es mir bezahlen, was ich an meiner Gesundheit Schaden gelitten!« rief er, »ich mache das Geschäft jetzt nicht unter fünfzig Procent.«

»Nun, wir wollen sehen; vorläufig könnt Ihr Euch wieder zu Bett legen, denn die Gefahr ist jetzt vorüber.«

»Wißt Ihr das genau?« bemerkte mißtrauisch der Geizige. »Nein, der Gebrannte scheut das Feuer und ich halte es für besser, auch noch weiter auf meiner Hut zu sein.«

Damit kleidete er sich vollends an und setzte sich dann, den Revolver in der Hand, an's Fenster, indem er in die Nacht hinein spähte.

»Macht, was Ihr wollt,« sagte der Advokat, »ich bedarf der Ruhe. Laßt Euch also nicht die Zeit lang werden, Freund Josua. Morgen gehen wir an's Geschäft und ich denke, Ihr werdet damit zufrieden sein.«

 

Am anderen Tage warteten jedoch Strubs und Jensen vergebens auf das Erscheinen des Herrn von Bartenstein. Der Advokat lachte innerlich, denn er wußte ja, daß der Geizige blos aus dem Grund hierher gelockt worden war, um dem Freiherrn Zeit zu geben, seine Pläne auszuführen. Nach Kräften suchte er die Ungeduld Josuas zu zügeln und dessen Aufenthalt nach Möglichkeit zu verlängern. Als dieser sich nicht mehr halten lassen wollte, bemerkte er trocken:

»Ich glaube nun auch selbst, daß der Baron nicht mehr kommen wird; Ihr werdet also am besten thun, vorläufig wieder in die Stadt zurückzukehren.«

»Und wer bezahlt mir meine Reisekosten?« rief der Geizhals »Ich werde dem Freiherrn eine Rechnung zusenden und er soll sie mir bezahlen, ja bei Gott, er soll sie mir bezahlen, wenn es noch Gerechtigkeit im Lande giebt!«

»Thut das,« erwiderte der Advokat spöttisch, »setzt Euch mit dem Baron auseinander; ich denke, das wird das Beste sein.«

Brummend verließ Jensen das Wirthshaus, während ihm Strubs mit einem höhnischen Lächeln nachblickte.



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