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Waldfrevel

   

Seht den Schuft am Waldessaum
Mit gewandten Sprüngen fliegend,
Einen jungen Eschenbaum
Auf den breiten Schultern wiegend!
Hat die Axt, die er gestohlen,
Vornen in den Stamm geschwungen,
Weit noch hinter seinen Sohlen
Kommt der Wipfel nachgesprungen.
Wie er heimlich lacht und singt,
Dass das Herz im Leibe springt!

Und die Dirne kommt daher
Mit geschnittnen Weidenruten;
Von der Last, die drückend schwer,
Stehn die Wangen ihr in Gluten.
Und der Bursche wirft die schwere
Bürde beider in den Graben,
Beide springen nach, als wäre
Dort ein Nest voll Glück zu haben.

Wo ein kleiner Freudenquell
Tief im Erlengrunde fliesset
Und die Silberadern hell
Durch das samtne Moos ergiesset,
Wirft der schlanke Dieb sich nieder
Mit der Dirn' im braunen Arm,
Löst ihr hastig Tuch und Mieder,
Und er flüstert liebewarm,
Dass sein brennend Herz erklingt,
Wie die Nuss im Feuer singt:

"Schätzchen, o du kommst mir just,
Dass ich meine Schätze grabe,
Wieder einmal meine Lust
Am verborgnen Reichtum habe!
Zeig' mir der Korallen Schein
An dem frischen roten Munde,
Gib mir schnell mein Elfenbein,
All das fein gedrehte runde!"
Wie der Has im Kohle springt
Ihm das Herz und singt und klingt!

"Lass mich wägen all mein Gold,
Deines Haares schwere Güsse!
Lass mich zählen meinen Sold,
Zähle mir ein Hundert Küsse
Blank und bar auf meine Lippen,
Weil uns kein Verräter lauschet!
Lass mich von dem Weine nippen,
Der mich armen Schelm berauschet!

Nun verhüll' die Herrlichkeit
Mit den Lumpen, mit den Fetzen,
Dass kein Auge ungeweiht
Spähen kann nach meinen Schätzen!
Dieses Tuch um deine Haare
Dreimal, viermal sorglich winde,
Dass die goldne Schimmerware
Ja kein Strahl der Sonne finde!"

Gleich ist drauf die Dirn' davon
Durch den dunkeln Wald gesprungen,
Wieder hat der Bursche schon
Seinen Eschenbaum geschwungen;
Wie die Beine rasch ihn tragen
Mit dem langen schwanken Raube!
Einen grünen Siegeswagen,
Schleift die Kron' er nach im Staube.
Wie die Grill' im Grase springt
Ihm das Herz und singt und klingt!


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