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Eitles Leben

1.

       

»Geh auf, o Sonn'! und öffne mir die weiten
Kristallnen Tore dieser weiten Welt!
Mein Sinn ist auf den goldnen Ruhm gestellt,
Zu ihm sollst du mich unaufhaltsam leiten!

Nicht kann uns Hebe reinern Trank bereiten,
Der lieblicher uns in die Seele quellt
Und froher, als der Ruhm, die Adern schwellt
Und sichrer hilft den Abgrund überschreiten!

Der Frauen Gunst vermag er zuzuwenden
Und macht uns leicht dereinst das letzte Scheiden,
Da wir zur Hälfte nur das Dasein enden.

Er läutert besser, als die Glut der Leiden:
Wer wird, bekränzt, mit ungewaschnen Händen,
Mit Lorbeer und mit Staub zugleich sich kleiden?«

 
2.

»Seid mir gesegnet, meiner Heimat Gründe,
Die in des Niederganges Röte strahlen!
Glimmt mir die Liebe noch in diesen Talen,
An der sich neu mein kaltes Herz entzünde?

Nun schliess' ich mit dir ewig feste Bünde!
Kann ich mit einem grössern Ruhme prahlen,
Der Nachwelt schöner alle Schulden zahlen,
Als wenn ich deine Treue laut verkünde?

Du wandelst still auf trauten Schattenwegen
Mit keines Schirms bedürft'gem Schritt, du Reine!
O führe mich Ermüdeten und Trägen!

Und meinen Kranz sollst du in deinem Schreine
Zu abgelegtem Zeug und Bändern legen,
Dass nimmer er vor Augen mir erscheine!«

 
3.

Seht da den Vogel mit gerupften Schwingen!
Halb flattert er, halb läuft er hin zum Neste,
Sich einzubaun in weicher Arme Feste,
Wohin kein rauhes Lüftchen mehr soll dringen!

Doch war er frech und mochte Ruhm erringen;
Sein Reisig grünt' und blühte schon aufs beste,
In seinen Schatten lud er stolz die Gäste
Und war so recht ein Thema zum Besingen.

Nur als den Zweig dem freien Feld er raubte,
Aus Luft und Licht, darin er aufgeschossen,
Und sachte mit sich zu salvieren glaubte:

Da war der Traum bald wie ein Schaum zerflossen;
Das Reis verdorrt', das schon so nett belaubte –
Nun zieht er ab, unfertig und verdrossen.


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