Wilhelm Jordan
Durch's Ohr
Wilhelm Jordan

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Dritter Aufzug.

Ebendaselbst

 

Erster Auftritt.

Mathilde. Die Kehle thut mir weh vom Unterricht,
Geholfen aber hat er staunenswerth.
Gewiß, ihr bester Freund erkennt sie nicht
Am Ton der Stimme, den ich sie gelehrt.
Der Mann ist wahrlich nur ein schaaler Wicht,
Der so sie doch zu seiner Frau begehrt;
Denn die Emancipirte spielt sie prächtig,
Kännt' ich sie nicht, mir wär' es selbst verdächtig.

Klara (hinter d. Scene.)
Mein Herr, sind Sie vielleicht mein künftiger Mann?

Mathilde. Sie repetirt noch ihre Redensarten;
Doch nein, sie kommt.

 
Zweiter Auftritt.

Mathilde, Klara.

Klara.                                 Potz Bbbomben und Grrranaten,
Genug charrrrmirt mit deinem Advocaten?
Der Henker hole dieses lange Warten.

Mathilde (klatscht.)
Bravissima! Das ist der rechte Ton.

Klara. Wo steckkkkt mein Brrräutigam?

(Robert öffnet die Tür.)

Mathilde.                                               Da kommt er schon.

Klara (schüchtern.)
O weh! So schnell! – Soll ich in Ohnmacht fallen?

Mathilde. Warum nicht gar!

Klara.                                   Vielleicht die Fäuste ballen
Und fragen: Herrrrr, sind Sie mein künftiger Mann?

Mathilde. Nein, setze dich und starr' ihn ruhig an.

Klara. Mir sinkt der Muth.

Mathilde.                           Den darfst du nicht verlieren.

Klara. Mir wird so dumm.

Mathilde.                           Ich werde dir souffliren.

 
Dritter Auftritt.

Vorige, Robert, Heinrich, in recht philiströsem langem Rock, etwas ausgestopft, dicke Wolken blasend aus einer unvernünftig großen Zigarre. Die Damen vorerst noch gar nicht berücksichtigend, hält er Robert eine angemessen riesige Cigarrentasche mit eben so großen Zigarren hin. Er spricht in breiter, an's Gemeine streifender Mundart.

Heinrich. So nimm, steck an und mache keine Faxen.
Havannah – bessres Blatt ist nie gewachsen.
          (macht eine linkisch familiäre Verbeugung.)
Erlauben wohl. – Bin halb nur bei Verstand
Bevor ich meinen Stengel angebrannt.
Sind keine Stinkadores – achtes Kraut,
          (gleichgültig, mit einem Ansatz zum Gähnen.)
Doch – sagen Sie – wer ist nun meine Braut?

Mathilde. (hat unterdeß Klaren ins Ohr geflüstert, was sie während des Folgenden oft wiederholt.)

Klara. (tritt zu Heinrich, besieht prüfend seine Zigarren und nimmt sich eine.)
Havannah? (herrisch commandirend)
                  Feuer!

Robert. (gibt ihr Feuer.)

Klara (nachdem sie einige Züge gethan.)
                            Scheinen wirklich ächt, –
Nur etwas schwach.

Heinrich (b. S. zu Robert.)
                                Sie schmaucht wie'n Ackerknecht.

Robert (ebenso.)
Nur nicht verblüfft.

Klara (zu Heinrich.)
                                Was stieren Sie mich an?
Sind Sie vielleicht mein künftiger Haustyrann?
Gefall' ich Ihnen?

Heinrich.                     Sie sind's? – Ganz passabel.

Klara (b. S. zu Mathilde.)
Nimm sie mir weg, sonst wird mir miserabel.

Mathilde (laut.)
Wollt ihr per Dampf mich vor die Thüre schicken?
          (nimmt Klara die Cigarre weg und wirft sie fort)
Hast heut schon sechs geraucht – ich muß ersticken.

Heinrich. Nun rasch das – Dings, den Ehepact geschrieben.

Robert. Ihr solltet doch zuerst Bekanntschaft machen.

Heinrich. Wozu? Heirathen sollen wir, nicht lieben.

Klara. Nur keinen Aufenthalt mit Nebensachen.

Heinrich. (setzt sich recht breit und ungenirt in die Mitte.)
Wohlan – wie nennen Sie mit einem Wort
Der Ehe Fundament, den ärgsten Mord?

Klara. (hat sich ihm vis-à-vis gesetzt. Mathilde und Robert stehen hinter den beiden Sesseln.)
Mitgift – mit Gift. – Und man empfiehlt uns Beiden? . .

Heinrich. Nachsicht.

Klara.                       Wann soll sich unser Loos entscheiden?

Heinrich. Nach Sicht.

Klara.                         Nach Sicht ist welcher Wechsel fällig?

Heinrich. Der Wechsel unsrer Trauungsringe.

Klara. Die Loosung stimmt.

Heinrich.                               Sie sind's.

Klara.                                                     Noch eine Frage stell' ich.

Heinrich. Drauf los.

Klara.                       Dann kommt, was ich mir ausbedinge.
Was sind Sie?

Heinrich.                 Früher war ich Mälzenbräuer;
Gepachtet hab' ich nun die Hundesteuer.

Klara (sich vergessend.)
O pfui!

Mathilde (leise.) Gib acht!

Heinrich.                           Das scheint Sie anzuekeln?
Wer Geld verdienen will, der darf nicht mäkeln.

Klara. Sie haben recht. Aus eben diesem Grunde
Sehn Sie mich nun bereit zum Ehebunde.

Heinrich. Romantik, Fräulein, hab' ich keine Spur.

Klara. Sie sparen dadurch eine harte Kur;
Denn wenn Sie mir mit Zärtlichkeiten kämen
So könnte das ein böses Ende nehmen.

Heinrich. Nur ohne Furcht! Ich liebe mein Behagen
Und niemals werd' ich Sie mit Liebe plagen.
Ein guter Wein, Havannahwohlgerüche,
Vor Allem eine ausgesuchte Küche:
Das componirt mein Ideal der Ehe.

Klara. Indem ich diese Stücke zugestehe
Beding' ich mir zwei Drittel von der Kasse.

Heinrich. Wie, zwei?

Klara.                         Wovon ich ein's verprasse
Wie's mir beliebt. Ich brauche ziemlich viel
Zum Whist, Piquet; ich liebe hohes Spiel.
Zwar trägt das Lanzknecht mir 'nen hübschen Posten
Im Winter ein, – die Herren sind galant –
Doch deckt es lange nicht die Sommerkosten;
In Baden, Homburg hat man schweren Stand;
Auch geht was drauf in Hüten, Crinolinen. –
Das zweite Drittel mag zum Haushalt dienen
Wann wir, erschöpft von unsern Einzelreisen,
Zusammen leben, das will sagen: speisen.
Versichern hör' ich, daß die Langeweile
Der Häuslichkeit am allerbesten heile
Die Nervenreizbarkeit, den Ueberdruß
Und wieder hungrig mache nach Genuß.

Heinrich. Ich bin erstaunt! Mein Urtheil wird gerechter.

Klara. Ihr Urtheil?

Heinrich.               Ueber meines Ohm's Verstand.

Klara. Was wundert Sie, Herr Hundesteuerpächter?

Heinrich. Daß er für mich so ganz die Rechte fand. –
Wenn überhaupt ein Mann von meinem Schlage
Heirathen soll, obschon er gründlich haßt
Das Ehejoch, so sind Sie ohne Frage
Die Gattin, die für ihn am Besten paßt.
Wir gehn ein Jedes seine eignen Wege . . .

Klara. Keins kommt dem Andern jemals in's Gehege.

Heinrich. Wir kennen keine uns verbotne Frucht.

Klara. Entsagen feierlich der Eifersucht.

Heinrich. Sehn uns im Jahr 'nen Monat nur, bei Tische.

Klara. Damit die Langeweile uns erfrische.

Heinrich. Man wird sich nie mit Unterhaltung quälen.

Klara. Das hieße völlig unsern Zweck verfehlen.

Heinrich. Den Zweck, uns auseinander stets zu sehnen.

Klara. Wir sind uns pflichtgetreu indem wir gähnen.

Heinrich. Mit einem Wort, wir geben uns den Eid . . .

Klara. Auf volle Freiheit und Gleichgültigkeit.

Heinrich. Wir werden ein modernes Musterpaar.

Klara. Bestellen Sie nur schleunigst den Notar.

Robert. Ich bin zu Dienst.

(Klara und Heinrich stehen beide rasch auf, wenden sich zu Mathilde und Robert um und sehn sie verlegen fragend an. Mathilde und Robert zucken die Achseln.)

Mathilde (leise zu Klara.)   Es scheint, er will dich doch.

Klara (ebenso.)
Verleiden will er mir sein Ehejoch.

Heinrich (leise zu Robert.)
Die läßt nicht los. (laut.) Ein Wort zuvor mit Dir.

Robert (zu den Damen.)
Wir holen nur gestämpeltes Papier.

(mit Heinrich ab.)

Klara. Ich bin schachmatt.

Mathilde.                           Ja – Finte gegen Finte.

Klara. Was meinst du jetzt?

Mathilde.                             Wir sitzen in der Tinte.

Klara. Was nun, Mathilde?

Mathilde (mit parodirendem Pathos.)
                                    Augen oder Ohr,
Frei'n oder Nichtfrei'n, das ist hier die Frage.

Klara. So sprich doch ernsthaft!

Mathilde.                                   Lüge dir nichts vor
Und prüf' es ehrlich: wohin neigt die Waage
In deinem Herzen? Klingt das Schmeichelwort
Der letzten Nacht in dir noch siegend fort
Mit dem der Unbekannte dich bethörte?
Verlöscht, was du gesehn, das nur Gehörte?
Du mußt gestehn, er ist ein schmucker Junge,
Sein Muttertheil Verstand besitzt er auch;
Mit viel Gewandtheit braucht er seine Zunge
Und plump war nur sein ausgestopfter Bauch.
Er wußte seine Antwort wohl zu spitzen
Und diente Schlag auf Schlag mit Gegenwitzen.
Du läugnest schwerlich, daß er dir gefällt.

Klara. Ich merkt' es bald, daß er sich nur verstellt
Als er den Plumpen gab, doch, durch mein Spiel
Zum Spott gereizt, fast aus der Rolle fiel.
Es war ein Thorenstreich von beiden Seiten
Mit solcher kindisch groben List zu streiten.

Mathilde. Die Rollenwahl verdient das beste Lob,
Ihr nahmt die Schminke nur zu dick und grob.

Klara. Recht männlich edel scheint er von Gestalt
Und sein Character, das erräth man bald,
Ist ganz gewiß in seinem tiefsten Kern
Vom Gegentheil des Wesens gar nicht fern,
Das er gewählt, sich darin zu verstecken
Als beste Maske, mich zurückzuschrecken. –
Vergessen freilich kann ich nun und nie
Was diese Nacht erst wahre Melodie
In meines Lebens Wirrwarrklänge goß
Und meinem Herzen eine Welt erschloß.
Allein – gesetzt, es blieb' ein schöner Traum
Und gab' allmälig andrer Liebe Raum: –
Ist hier nicht alle Hoffnung abgeschnitten?
Du siehst, er hätte gern den Korb erstritten:
Was folgt daraus?

Mathilde.                     Daß er die Braut erprobt
Durch eine List.

Klara.                         Ach nein, er ist verlobt.

Mathilde. Ach nein? – Dies Ach, mein Fräulein, ist verdächtig;
Das Ohr wird schwach, das Auge übermächtig.
Was willst du, sprich? Noch deine Freiheit retten?
Oder gefallen dir die drohenden Ketten?
Heraus damit! – Du schweigst noch immer still?

Klara. Ach, wüßt ich selbst nur deutlich was ich will!

Mathilde. Im Irrthum bin ich schwerlich, wenn der Feind
Nicht minder mir als wir zu schwanken scheint.
Sie halten Kriegsrath, wohl des Rückzugs wegen;
Komm, daß wir uns auf's Spioniren legen.

(ab mit Klara.)

 
Fünfter Auftritt.

Heinrich, Robert, Mathilde ab und zu in der Thüre lauschend.

Heinrich. Im ersten Gang bekenn' ich mich geschlagen.

Robert. Wir müssen eben einen zweiten wagen.

Heinrich. Das geb' ich zu, mein Ohm, der alte Fuchs,
Verstand sich trefflich auf Gesicht und Wuchs;
Auch birgt ihr Köpfchen einen regen Geist,
Nur ist sie mir doch etwas gar zu dreist.

Robert. Ei, ei, mein Freund, es scheint mir, daß du schwenkst
Und anders schon vom Plan des Onkels denkst.

Heinrich. Nicht übel finden könnt' ich seine Wahl
Wenn's besser stünd' im Punkte der Moral.
Sie gab für mich doch etwas zu genau
Die Rolle der emancipirten Frau.

Robert. Was das betrifft . . .
          (Mathilde lauschend in der Thür; er bemerkt sie.)

Heinrich.                               So sprich. Was soll dein Zaudern?

Robert (f. s.).
Soll ich nun dennoch aus der Schule plaudern?

Heinrich. Entschuld'ge sie, ich bin darauf begierig.

Robert. Und sehr, ich seh's. – Wohlan, es ist nicht schwierig
Von solchen Frau'n ein Vorbild nachzuahmen.

Heinrich. Dann wird ihr Umgang mehr als zweifelhaft.

Robert. Ach, wer hat heute nicht von solchen Damen
Ein Muster in der nächsten Nachbarschaft!

Heinrich. Ein reines Herz ist blind für alles Böse.

(Mathilde w. o.)

Robert. Wenn Ich so schmollte . . .

Heinrich.                                           Du? – Wem?

Robert.                                                                   Der Souffleuse;
          (Mathilde droht ihm mit dem Finger.)
Denn sahst du das nicht? allemal von ihr
Bei jeder neuen Wendung im Turnier
Ward deiner Gegnerin das Stichwort zugeraunt;
Doch macht das mich durchaus nicht mißgelaunt.

Heinrich. Weshalb denn auch?

Robert.                                     Je nun, der kleinste Schatten
Ist störend an der Braut dem künftigen Gatten.

Heinrich. Was soll das heißen?

Robert.                                       Daß wir Sekundanten
Hier auf Mensur uns unser Herz bekannten.

Heinrich. Die Damen vom Proceß . . .?

Robert.                                                   Sind diese Beiden.

Heinrich. Du schwanktest noch – was half dir dich entscheiden?

Robert (b. S.) Erzähl' ich's ihm? Es wäre kaum loyal.

Heinrich. Heraus damit, was lenkte deine Wahl.

(Mathilde w. o.)

Robert (b. S.) Errathen lassen darf ich was ich weiß.
          (laut.)
Weshalb willst du den Korb um jeden Preis?

Heinrich. Du kennst den Grund.

Robert.                                       So wird dein Gegenpart
Wohl Gründe haben von derselben Art.
Kurz, – nur bei einer fand ich freies Spiel
          (Mathilde macht eine eifersüchtig drohende Geberde.)
Zum Glück bei der, die mir zumeist gefiel.
          (Mathilde beruhigt zurück.)

Heinrich (unangenehm überrascht.)
So meinst du, meine – Braut – sei schon versagt?

Robert. Mich wundert, daß dir das so schlecht behagt.

Heinrich. Sie liebt 'nen Andern?

Robert.                                         Dieses Hinderniß
Für sie macht dir den Sieg, den Korb gewiß.
Drum frisch zum zweiten Gang auf die Mensur.
          (Mathilde w. o.)
Sprich unverstellt; für eine Prüfung nur
Gib dein Debut als plumper Flegel aus;
Du bötest ihr nun ehrlich Hand und Haus,
Da sie sich ganz nach deinem Wunsche zeigte.
Ihr bleibt kein Ausweg mehr als offne Beichte,
Du hast den Korb, hast mit dem Korb das Baare
Und kannst hernach beliebig lange Jahre
Gemächlich leben deinem Ohrenwahn,
          (Mathilde stutzt und schleicht hinter die Beiden.)
Von Zeit zu Zeit auf Maskenbällen walzen
Und dort versuchen – wie der Auerhahn
Die Henne lockt mit blind verliebtem Balzen –
Ob einen Wiederhall dein Lockruf weckt
Und – deine Stimme – ihre Frau entdeckt.
Wenn du dann einst als Hagestolz versauerst
Und man mich fragt, weshalb du einsam trauerst,
So sag' ich: Hört die schreckliche Geschichte:
Ihm standen seine Ohren einst im Lichte;
Betitelt ist das wundersame Märchen
»Die Macht der Stimmen oder Egmonts Klärchen.«

Mathilde (b. S.) Er ist's! Kein Zweifel mehr. Das nenn ich Glück!
Das ist ein wahres Zufallsmeisterstück. (ab.)

Heinrich. Dein Spott ist billig, doch dein Rath ist gut.
Ich will ihm folgen.

Robert (mit Ironie.)         Sei auf deiner Hut,
Indem du wirbst nicht allzusehr zu schwärmen,
Du könntest sonst wohl gar ihr Herz erwärmen.
Du bist ein hübscher Mann, du blühst von Kraft –
Die Weiber sind entsetzlich flatterhaft.
Gesetzt, sie würde plötzlich umgestimmt:
Wie, wenn sie dich nun doch beim Worte nimmt?
          (geringschätzig.)
So fern es liegt, es bleibt doch immer denkbar.

(Mathilde tritt ein.)

Heinrich (empfindlich.)
Nur unbesorgt.
          (ab.)
Robert (für sich.) Ein Trotzkopf auch ist lenkbar.
Die Kunst ist nur: errathen und sich schicken
In die Methode seiner Nicken.
Der geht nach rechts, so heftig er sich sperrt
Wofern man nur (Geste) am linken Zügel zerrt.
Nun wett' ich, er studirt schon, wie er wähle
Das flötendste Register seiner Kehle.

Mathilde. (Ist vergebens bemüht gewesen durch Winken seine Aufmerksamkeit zu gewinnen; zupft ihn am Rock; leise.)
Ein Wort, mein Lieber.

(sie sprechen leise.)

Robert.                                 Das ist köstlich!

Mathilde.                                                         Sacht! –
Wo blieb sein Ballcostume von dieser Nacht?

Robert. Hier nebenan.

Mathilde. (sagt ihm etwas in's Ohr.)

Robert.                         Er hat mir's lang und breit
Erzählt.

Mathilde.     Sie mir.

Robert.                     Wohlan, ich bin bereit.

Mathilde. Du hustest und ich niese zum Signal,
Dann treten wir zugleich in diesen Saal.

 
Sechster Auftritt.

Vorige, Heinrich, Klara gleichzeitig v. r. u. l. Mathilde zu Klara, nimmt ihren Arm und promenirt mit ihr, leise redend, um die Bühne. Ebenso Robert mit Heinrich.

Mathilde. (mit Klara im Vordergrunde ankommend.)
Er scheint mir deiner doch nicht werth zu sein.
Versuche nun dein Heil mit ihm allein.
          (ab.)

Robert. (mit Heinrich im Vordergrund ankommend.)
Ich glaube, Freund, du hast den Korb im Sack;
Es scheint, du bist durchaus nicht ihr Geschmack.
          (ab.)

 
Siebenter Auftritt.

Heinrich, Klara.

Heinrich (f. s.) So völlig sicher scheint mir das noch nicht.
Sie soll mich sehn in meinem wahren Licht.

Klara (f. s.) Was sag' ich nur? Mein Witz ist flügellahm;
Mit ihm allein vergeh' ich fast vor Schaam.

Heinrich. Mein werthes Fräulein . . .

Klara (f. s.)                                         Fänd' ich nur ein Wort
          (laut)
Mein Herr . . .

Heinrich.               Ich werfe meine Maske fort;
Ich merk' es längst, Sie haben mich durchschaut.

Klara (f. s.) Zum Herzen spricht auch dieser Stimme Laut.

(Gespannt lauschend müssen von hier an Beide in ihrem Spiel das allmälige, anfangs noch zweifelnde Aufdämmern des »Wiedererkennens durchs Ohr« darstellen.)

Heinrich. Nicht wahr, ich darf in Ihren holden Zügen
Nun ebenfalls das Eingeständniß lesen,
Wie schwer es Ihnen ward, mir vorzulügen
Das schroffste Gegentheil von Ihrem Wesen?

Klara. Verzeihn Sie mir?

Heinrich.                         Wir tragen gleiche Schuld.

Klara. Ich wußte nicht . . .

Heinrich.                           In meiner Ungeduld
Erschien mir das Vermächtniß allzuarg
Blos weil man mir den Gegenstand verbarg.

Klara (treuherzig.)
Deshalb allein? Aus keinem andern Grunde?

Heinrich. Die Frage, Fräulein, kommt aus Ihrem Munde
So treu gemeint, – im bloßen Tone liegt
Ein redlich Herz – ich fühle mich besiegt.

Klara. Nicht wahr, ein andres Bild war Ihnen theuer
Und machte mich für Sie zum Ungeheuer?

Heinrich (b. S.) Die Wahrheit sagen will ich, doch dazwischen
Zur Sicherheit ein wenig Dichtung mischen.
          (laut.)
Sie haben recht. Was Ihnen widerstrebte,
Es war ein Bild, das ich aus Tönen webte.

Klara. Aus Tönen? (halb für sich) das ist mehr denn wunderbar.

Heinrich. Als ich vor Jahren in Venedig war,
Besucht' ich dort im Lauf des Karneval
Des Fürsten Lana großen Maskenball.
Die Gäste waren unbedingt gehalten
Aus ihres Volkes Dichtern die Gestalten
Sich auszuwählen; da denn durchs Gewand
Manch Pärchen gleicher Nation entstand. –
Beim ersten Tanz schon sah in dieser Art
Auch ich mit einer Deutschen mich gepaart.
Ich stellte vor Max Piccolomini,
Die Thekla sie. –
Das war uns ein Genuß schon, rings umklungen
Von einem Babel fremder Zungen,
Zu lauschen auf der Heimath süßen Laut;
Wir wurden nicht, wir fanden uns vertraut.
Denn wie verschiedne doch verwandte Saiten
Harmonisch eine Melodie begleiten,
So weckte stets im Andern jedes Wort
Zum Wiederhall den passenden Akkord,
Und wie den Eisenstab des Telegraphen
Ein Blitzstrom plötzlich füllt mit einer Kraft,
Die regungslos bisher in ihm geschlafen,
Doch nun, erwachend, hohe Wunder schafft,
So schien es uns als ob durch Zauberei
Ein Jedes plötzlich umgeschaffen sei,
So war's ein neues Wesen das wir spürten
Als unsre beiden Seelen sich berührten.
Doch stärker noch, als der Gedankentausch
Den Geist, beschlich das Ohr ein süßer Rausch.
Unnennbar mächtig drang mir in die Seele
Der wundersame Wohllaut ihrer Kehle.
Ach, – ihn zu schildern muß das Wort erlahmen.

Klara. Doch Sie verstehn die Kunst, ihn nachzuahmen.

Heinrich. Sie meinen?

Klara.                           Doch ich will nicht unterbrechen,
Ich höre Sie nur gar zu gerne sprechen.

Heinrich (durch Spiel und Ton zeigend daß er sie erkannt hat.)
Und ich – ich glaube fast, daß Sie – vor Jahren,
Mein Fräulein, einmal – in Venedig waren.

Klara (sehr verwirrt.)
Ich – in Venedig? – Gestern – Nein, den Ort
Besucht' ich nie – doch – fahren Sie nur fort.

Heinrich. So schwelgten wir, dem Tanzgewühl entgleitend
Und im Gespräch in's fernste Zimmer schreitend,
In jener höchsten, reinsten Lebenslust,
Sich reicher, edler, als man je gewußt,
Im schöpferischen Austausch der Gedanken
Am wahlverwandten Geist empor zu ranken.
Da scheint uns auch das Schwerste nicht verweigert,
Denn jede Gabe fühlt man hoch gesteigert
Vom Wunsch, des Andern Beifall zu erlangen. –
Es ist ein seelig Geben und Empfangen.

Klara. Wie Sie das Alles schön zu sagen wissen!

Heinrich. Bin ich um Ihren Beifall doch beflissen. –
Kein Leichtsinn dünkt es mir, kein leerer Wahn,
Da, wo wir solche Eigenschaften finden,
Getrost und rasch uns für die Lebensbahn
Auch nur auf Ohrenbürgschaft zu verbinden. –
Was meinen Sie?

Klara.                         Es scheint mir doch gewagt.

Heinrich. Genau, was damals Thekla mir gesagt.

Klara. Sie hatten Lust zu diesem Wagestück?

Heinrich. Ich sprach:
        Bei Dir allein ist meines Lebens Glück,
        Von Dir bekomm' ich doppelt mich zurück.
        Bei Dir allein bin ich mir selber klar,
        Bei Dir allein empfind' ich voll und wahr;
        Bei Dir allein ist reiner Sonnenglanz,
        Bei Dir allein ist meine Seele ganz.
        Bei Dir allein durchströmt mich Götterstärke
        Und Sicherheit zu jedem großen Werke.
        Bei Dir allein, bei dir allein auf Erden
        Kann ich mein Höchstes, kann ich seelig werden.

Klara (b. S.) Betrügst du mich, mein Ohr? Ich möchte schwören
Von ihm die Stimme dieser Nacht zu hören.

Heinrich. So sprach ich damals. Nur von ferne rauschte
Die Ballmusik und keine Seele lauschte.
Da wir in einer Fensternische standen,
So sahen wir mit silbernen Guirlanden
Vom vollen Mond die leisen Athemwogen
Der schlafenden Lagune weit umzogen.
Ihr Auge schweifte träumend in die Ferne
Zum eben aufgegangnen Morgensterne;
Dann traf es mich. Des Meeres Wiederschein,
Der Liebesstern warf seinen Glanz hinein;
So war's erfüllt vom reinsten Himmelslicht –
Mir war, als müßt' ich meine Hände falten –
Da sprach sie, leise flüsternd, ein Gedicht . . .

Klara. Das haben Sie doch ganz gewiß behalten?

Heinrich.
        Wann Zwei sich lieben
        Von ganzem Herzen,
        Die müssen ertragen
        Der Trennung Schmerzen.

Klara.
        Wann Zwei sich lieben
        Aus tiefster Seele,
        Die müssen glauben
        An Himmelsbefehle.

Heinrich.
        Wann Zwei sich lieben

Klara.
        Mit Gottesflammen

Heinrich.
        Geschieht ein Wunder

Klara.
        Und bringt sie zusammen.

Heinrich. Mir scheint es, daß dies Wunder jetzt geschieht!
Sie wissen's auch?

Klara.                             Ein altbekanntes Lied.
Doch weiter, weiter! Ihre Thekla meinte?

Heinrich. Wenn ein Beschluß des Himmels uns vereinte
So werde sich's gewiß noch einmal zeigen;
Sie müsse Namen, Wohnort mir verschweigen,
Sie wolle mich, ich solle sie nicht schauen;
Zwei volle Jahre sollten wir vertrauen
Daß eine Fügung uns zusammenbringe.
Wir wechselten darauf Erkennungsringe . . .

Klara (f. s.) Er ist's!

Heinrich.                 Und gaben uns zuletzt das Wort
Am Schluß des zweiten Jahres an diesem Ort
Zur Zeit des Karneval uns einzufinden
Um uns zu lösen – oder auch zu binden.

Klara (b. S.) Er ist's, er ist's! – Ich muß mein Glück verstecken;
Denn ich auch will ihn jetzt ein wenig necken.
          (laut.)
Wie's scheint passirt auf jeder Maskerade
Was mir ein Wunder schien! – Es ist doch schade.

Heinrich (f. s.) Sie merkt noch nichts!

Klara (f. s.)                                           Jetzt hart, mein Herz, dann – Gnade.
          (laut.)
Sie haben sich bis heute nicht getroffen?

Heinrich. Nein, nicht – bis heute – doch nun darf ich hoffen.
Was meinen Sie?

Klara.                         Sie fürchten ganz gewiß,
Ich bleibe Ihres Glückes Hinderniß.
Mathilde mag mich eine Thörin schelten, –
Nur mein Gefühl soll mir als Richtschnur gelten.
Ich wäre schlecht, wenn mich die Habsucht triebe
Zum Bund mit Ihnen ohne meine Liebe.

Heinrich (verblüfft.)
Was sagen Sie? (f. s.) Was fällt ihr plötzlich ein?

Klara. Sie denken doch von mir wohl gar zu klein.
Ich wüßte nicht, was ihre Neigung hemmt.

Heinrich (glühend.) So darf ich . . .?

Klara.                                                 Geiz ist meiner Seele fremd.
Ich fühle nur, daß Ihnen Dank gebührt
Für die Erzählung die mich tief gerührt.
Zum Zeichen, daß Sie mir mit Recht vertrauten,
Daß Sie in mir mit wahren Herzenslauten
Auch wahlverwandte Saiten angeschlagen,
Bin ich bereit, freiwillig zu entsagen.
Auch ohne diese Erbschaft kann ich leben . . .
          (setzt sich an den Tisch und nimmt die Feder.)

Heinrich. Was thun Sie?

Klara.                               Schriftlich will ich's Ihnen geben.

Heinrich. Was denn?

Klara.                         Den Korb, den Sie so sehr ersehnen.

Heinrich (enttäuscht,) Ich bin so frei, den – höflichst abzulehnen.

Klara. Das hilft gewöhnlich nichts. – Nur keine Ziererei;
Nicht Großmuth ist's – auch Ich bin nicht mehr frei.

Heinrich. Was sagen Sie? Nicht frei?

Klara.                                                   Mich bindet freilich
Fast nur ein Wunsch – allein er ward mir heilig
Durch Sie – durch Ihre rührende Geschichte.

Heinrich (f. s.)
Das fehlte noch! (laut) Nein, Fräulein, Ich verzichte.

(Robert hustet, Mathilde niest hinter der Scene.)

Klara. Die Freundschaft holt sich draußen den Katarrh.
          (wendet sich nach Nr. 6.)

Heinrich. Hier thut's die Liebe! – O – ich Doppelnarr!
          (wendet sich nach Nr. 7.)

 
Achter Auftritt.

Vorige, Mathilde als Klärchen, Robert als Egmont, Masken vorhaltend, gleichzeitig von rechts und links.

Klara (zu Mathilde.)
Was fällt dir ein?

Heinrich (zu Robert.)     Was sind das für Marotten?

Klara. Verräthst du mich?

Heinrich.                           Du willst mich noch verspotten?

(Mathilde und Robert wehren sie mit einer Handbewegung ab und nehmen die Mitte. Beide sprechen das Folgende mit grell chargirter Sentimentalität.)

Mathilde. Der Anzug stiftet manches Maskenpärchen.

Robert. Ich bin dein Egmont.

Mathilde.                                 Ich dein treues Klärchen.

Robert. Mein süßes Klärchen, gib mir deine Hand.

Mathilde. Wie pocht dein Puls mit meinem wahlverwandt!

Robert. Wie klingt so wunderlieblich deine Stimme!
Dich ewig hören ist mein einziger Wunsch.

Mathilde. Mir ist als ob ich in Entzücken schwimme;
Dein Wort berauscht mich wie Champagnerpunsch.

Robert. Dein Mündchen ist ein wahrer Honigkrahn.

Mathilde. Ich esse mit den Ohren Marzipan.

Robert. Sei mein, ich liebe dich ganz unermeßlich!

Mathilde. Allein gesetzt, ich wäre furchtbar häßlich?

Robert. Natur ist nie so lügnerisch, daß Kröten
So wunderhold wie Nachtigallen flöten.
Die Tonart hat ein Engel nur im Hals.

Mathilde. Gespräche freilich sind der Ehe Salz.

Robert. Durch's Auge lieben – nichts ist abgeschmackter.

Mathilde. Der Kehlkopf nur verräth uns den Character.

Robert. So nimmst du mich?

Mathilde.                               Wir sind in Eins zerflossen.

Robert (d. Maske abnehmend.)
Nun habt ihr wohl genug an unsern Possen?

Heinrich (den Ring aus der Tasche ziehend.)
An Ihren Finger also paßt der Ring?
Sie haben meinen?

Klara (ihm den seinigen gebend.)
Und Sie – Sie sind – mein lieber Sonderling?Die Worte »mein lieber Sonderling« müssen genau ebenso gesprochen werden wie A. I., Auftritt 5.
Und Ihr Geschichtchen spielt nicht in Venedig?

Heinrich. Und Ihre Hand, Ihr Herz sind dennoch ledig?

Klara. Mein Herz? – nur allzuvoll!

Heinrich.                                         Von wem?

Klara.                                                               Sie fragen?

Heinrich (indem er sie zärtlich an sich zieht.)
Du sollst es mir in's Ohr ganz leise sagen,
Daß es dem Ohr die Eifersucht benimmt;
Denn von den Augen fühlt sich's überstimmt.
Du bist so schön – ich mußte Dich verlassen
Um – Dich wie jetzt für immer zu umfassen.

Klara.
            Wann Zwei sich lieben
            Mit Gottesflammen
            Geschieht ein Wunder
            Und führt sie zusammen.

Heinrich. Was meinst du, Robert, bin ich noch ein Thor?

Robert. Das Glück der Liebe fandet ihr

Alle.                                                         Durch 's Ohr.


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