Wilhelm Jordan
Durch's Ohr
Wilhelm Jordan

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Zweiter Aufzug.

Saal in einem Gasthofe. Mittelthür; zwei sich gegenüberstehende Seitenthüren, die zur Linken mit Nr. 6, die zur Rechten mit Nr. 7 bezeichnet. Vorn links ein Tisch mit Schreibzeug.

 

Erster Auftritt.

Heinrich (in der Thüre Nr. 7)
Ich habe sicher an die zwanzigmal
Bei jedem Ton, beim Klappen ferner Thüren
Hinaus gelauscht in diesen Mittelsaal.
Auf Nummer Sechs noch immer nichts zu spüren.
          (eintretend.)
Die Räumlichkeit ist wirklich wie gemacht
Zum tollen Plan, der mich hieher gebracht.
Die beiden Zimmer liegen völlig einsam –
Der Saal hier, Nummer Fünf, ist uns gemeinsam.
Hier soll sich mir der Eheknoten knüpfen,
Allein ich will, ich muß ihm nun entschlüpfen.
          (setzt sich, träumerisch sinnend:)
               Wann Zwei sich lieben
               Mit Gottesflammen,
               Geschieht ein Wunder
               Und führt sie zusammen.
          (springt auf.)
Damit dies Wunder nicht zu spät geschehe
Muß ich entfliehn der aufgedrungnen Ehe.

Wo mag Freund Robert nur so lange weilen?
Ich schrieb ihm doch, heut früh hieher zu eilen.
Eilf Uhr vorbei und die Minuten fliehn,
Kaum eine Stunde noch bis zum Termin.
Ganz unentbehrlich ist für meinen Plan
Der Freund . . . doch still, ich höre Jemand nah'n.

 
Zweiter Auftritt.

Heinrich, Robert.

Heinrich. Gottlob, du bist's.

Robert.                                 Wie geht's, mein alter Heinz?
Willkommen hier, verlorner Sohn des Rheins!
Was führt dich her? Nicht unser Karneval,
Denn der ist aus.

Heinrich.                   Er spielt in meinem Fall,
Der ziemlich närrisch ist, auch eine Rolle.

Robert. Das Factum ist, von deiner Ackerscholle
Hast du dich endlich einmal losgemacht.
Was immer dich zu diesem Schritt gebracht
Kommt im Erfolg der höchsten Weisheit gleich
Und wär' es auch der ärgste Narrenstreich.
Du, der vor Jahren allen jungen Damen
Den Kopf verdreht als Schauspieldilettant
Und doch ein boshaft scharfes Staatsexamen
Zu gleicher Zeit mit Nummer Eins bestand,
Du trocknest ein zum alten Junggesellen
Und mußt dich zwischen Vieh- und Pferdeställen
Auf einem Gute, das dich eben nährt,
Doch dafür deine beste Kraft verzehrt,
Nach solchem Anfang auf dem platten Lande
Erbärmlich fühlen wie der Fisch im Sande.

Heinrich. Noch immer besser als ein städtisch Amt
Das mich zur Aktensklaverei verdammt.
Ich bin mein eigner Herr.

Robert.                                   Dein eigner Knecht.

Heinrich. Der alte Streit. – Doch jetzt kein Wortgefecht.
Jetzt laß dir sagen, was von meinen Hufen
Trotz mancher Arbeit mich hieher gerufen.
Der Fall ist etwas kraus und wunderlich.
Gib acht und rathe mir.

Robert.                               Ich höre. Sprich,
Mein alter Heinz. Ich bin mit Rath und That
Dir gern zu Dienst als Freund und Advocat.

Heinrich. Mein Oheim starb.

Robert.                                 So darf man gratuliren?

Heinrich. Noch lange nicht.

Robert. (lebhaft.)                 Wir müssen processiren?

Heinrich. Das hälfe nichts. Des Alten letzter Wille
Ist allzubündig, trotz der tollen Grille
Daß er nicht mir sowohl, als mich vermacht;
Denn einer Frau hat er mich zugedacht.

Robert. Wer ist die Schöne?

Heinrich.                               Name, Wohnort, Stand
Sind mir zur Zeit noch völlig unbekannt,
Sonst wüßt ich längst ob meines Ohms Vermögen
Nicht seines Schützlings Fehler überwögen.
Denn arg sein muß der Erbschaft Nebenlast;
Wozu sonst diese Heimlichkeit und Hast?

Robert. Das Beneficium des Inventars
Erlaubt er doch?

Heinrich.                   Am Fuß des Traualtars.
Ich werde heute, hier, im goldnen Pfau,
Begegnen der mir zugedachten Frau.
Gefallen wir einander gegenseitig
So macht uns Niemand das Vermögen streitig;
Doch reichen wir nicht unsern Trauungsschein
Dem Stadtgericht bis nächsten Mittwoch ein,
So tritt ein Klauselparagraph in Kraft
Und macht den Ausgang äußerst zweifelhaft.

Robert. Gesetzt, die Hochzeit würde nicht vollzogen?

Heinrich. Zwei Fälle sind im Testament erwogen:
Gibt jeder Theil den andern willig frei
Dann erbt ein jeder eine Lumperei,
Fünftausend Thaler.

Robert.                           Und die Erbschaftsmasse?

Heinrich. Verfiele dann der Landesarmenkasse.

Robert. Und wenn ihr euch nur einerseits mißfiel't?

Heinrich. Wer dann mißfälltgewinnt, und wer gefälltverspielt.

Robert. Es erbt sonach . . .

Heinrich.                             Wer einen Korb erhält.

Robert. Und wer den Korb ertheilt?

Heinrich.                                           Der ist geprellt.

Robert. Woran erkennt ihr euch?

Heinrich.                                     An Zeit und Ort
Und einem festgesetzten Losungswort.

Robert. Wie lautet das?

Heinrich.                       Ich darf es Niemand sagen
Als in Erwiderung gewisser Fragen.
Ein Brief des Oheims hat mir vorgeschrieben
Im goldnen Pfau hieselbst auf Nummer sieben
Bereit zu sein, Schlag zwölf, den ersten März.

Robert. Am Aschermittwoch also.

Heinrich.                                         Eben heute.

Robert. Das ist ein Umstand, den ich dahin deute:
Es sei ein ernster Plan, kein Fastnachtsscherz.

Heinrich. So harr' ich denn der Ankunft jener Holden
Die mein Herr Ohm so kräftig zu vergolden
Nothwendig fand, um Jemand zu verführen
Sich auf den Rücken dieses Kreuz zu schnüren.
Das ist wohl klar, nur eine Sycorax
Bedurfte der Bestechung des Geschmacks.
Drum brüt' ich Pläne, wie ich selbst der Ehe
Und mir die Erbschaft dennoch nicht entgehe.

Robert. Querköpfig war sein Leben lang dein Ohm,
Er mochte niemals schwimmen mit dem Strom.
Kein Mittel schien ihm wunderlich genug,
Doch seine Zwecke waren gut und klug.
Das war gewiß nicht schlecht was ihm gefiel,
Doch freilich war der Weg zu seinem Ziel
Von allen Wegen allemal der krümmste,
Drum denk' ich ist auch hier der Schein das Schlimmste.
Und scheidend noch gefiel's dem alten Herrn
Dir, seinem Liebling, einen süßen Kern
In garstig bittrer Schaale zu verstecken:
Versuch' es nur, er wird vortrefflich schmecken.
Das Testament ist gegen die Gebräuche;
Doch muß die Braut durchaus 'ne Vogelscheuche
Deswegen sein? Ein lächerlicher Wahn!
Du selber bist ja doch kein Kaliban
Mit Eberzähnen, Borsten im Gesicht;
Und müßte das die Unbekannte nicht
Nach deiner Logik ebenfalls vermnthen?
Drum rath' ich dir, versuch' es erst im Guten.

Heinrich. Du räthst mir zu zur Heirath? Das ist neu.
Bei deiner unbedingten Ehescheu . . . .

Robert. Mein Freund, die Narrheit nur ist unbedingt.
Mein Finger wäre wohl schon längst beringt,
Wenn etwas hoch nicht meine Wünsche flögen
Nach Geist und Schönheit, Anmuth und Vermögen.
Seit Jahren schon such' ich umsonst herum;
Die reichen fand ich garstig oder dumm,
Die geistvoll schönen hatten keine Trümpfe
Und wenn einmal, auch sicher – blaue Strümpfe.
Die Wenigen, die mustermäßig schienen
Telegraphirten mir durch stolze Mienen.
Wenn dieser Mensch sich bis zu mir versteigt
Wird ihm ein grobgeflochtner Korb gereicht
Mit der Devise: »Nur ein Advocat?« –
Schon fügt' ich mich dem stäten Cölibat –
Da find ich plötzlich mehr als ich begehrte.

Heinrich. Das heißt?

Robert.                     Ich bin auf einer Doppelfährte.
In einem Rechtsstreit, den ich mit Verdruß
Nur führe, weil mein Mann verlieren muß,
Versucht' ich mit den Gegnern den Vergleich.
Zwei Damen sind es, Schwestern, ziemlich reich
Von Hause schon; gewinnen obendrein
Unzweifelhaft an zwanzig Morgen Wein
Da drüben in des Rheingaus besten Lagen –
Gerade mündig ward vor vierzehn Tagen
Die Jüngere, und welche von den Beiden
Die Jüngere sei, konnt' ich nicht unterscheiden.
Sie wohnen allerliebst, zwei kleine Stunden
Von unsrer Stadt, auf eigenem Besitz.
Ich fuhr hinaus im Auftrag meines Kunden,
Doch wenig half mir mein Juristenwitz.
Sie wußten Beide sehr genau Bescheid
Und sind vor mir nicht einen Fingerbreit
Von ihrem klaren Recht zurückgewichen.
So schieden wir denn freilich unverglichen
Was den Proceß betrifft, – doch ohne Groll,
Vielleicht auf beiden Seiten hoffnungsvoll.
Denn wann ich von der Sache mich verlor
Dann fand ich stets ein sehr geneigtes Ohr
Und Blicke spielten, die mir's fast verbürgten,
Hier hätt ich schwerlich einen Korb zu fürchten.
Zum Zaudern zwang mich einzig der Dual
Und meine Qual war lediglich die Wahl;
Doch eben itzt verändert sich die Lage:
Seit gestern zuckt das Zünglein an der Waage.

Heinrich. Nun, ein Vertrauen ist des andern werth:
Auch Ich bin von der Ehescheu bekehrt.

Robert. An diesem Haken hängt dein Widerwille?
Deßhalb ist dir die Braut 'ne bittre Pille?

Heinrich. Nie nehm' ich sie, die man mir zugedacht.
Ich liebe.

Robert.           Sprich seit wann?

Heinrich.                                     Seit dieser Nacht.

Robert. So plötzlich war es um dein Herz geschehn?
Wie heißt sie denn? Wo hast du sie gesehn?

Heinrich. Gesehen, Freund? – Ich bin darauf gefaßt
Von dir verhöhnt zu werden als Phantast.
Gesehen hab' ich freilich die Gestalt,
Auch tief empfunden ihres Blicks Gewalt,
Doch ihre Züge kennt mein Auge nicht,
Denn eine Maske deckte ihr Gesicht.

Robert. Auch du warst gestern auf der Maskerade
Beim reichen Wollenhändler Lindenburg?

Heinrich. Dort fand ich sie.

Robert.                                 Dort fiel in Galopade
Dein Herz und ging mit dem Verstande durch!

Heinrich. Der Anzug stiftet manches Maskenpärchen
Und ich, als Egmont, fand in ihr mein Klärchen.

Robert (bei Seiten.)
Wie sagt er? Klärchen? – Ei, dann ist's wohl gar.
Mit einem Egmont ging sie! – Wunderbar!
Das will ich aber doch für mich behalten;
Wer weiß es wie die Dinge sich gestalten.

Heinrich. Was mir wie Sonnenschein das Herz durchdrang
War ihrer Stimme seelenvoller Klang.
Bald sagt ich ihr, ich würde voll Vertrauen
Mein Lebensglück auf ihre Liebe bauen.
Hier meine Hand, wenn Sie dasselbe wagen
Sind wir verlobt.

Robert.                       Und ohne sprödes Zagen
Ergriff sie die so rasch gebotne – Haube?

Heinrich. Sie sprach: gefährlich ist Ihr Wunderglaube;
Geloben wir uns nirgend nachzuspüren
Und nur dem Himmel sei's anheimgestellt
Zum zweitenmal zusammen uns zu führen
Als Bürgschaft, daß ihm unser Bund gefällt.
Wenn wir uns doch begegnen und erkennen,
Dann soll uns keine Macht auf Erden trennen.
Sie sprach's, und war verschwunden im Gewühl.
Ich aber weiß, kein flüchtiges Gefühl,
Mein Schicksal sagt mir: diese oder Keine
Was mich auch treffen möge, wird die Meine.

Robert. Heinz, bist du toll? Auf einem Maskenball
Verliebt man sich wohl für den Karneval;
Am Aschermittwoch, den wir heute haben,
Kommt der Verstand, die Thorheit zu begraben.
In Reue denkt man seiner schönen Sünden,
Man fastet fromm und wird allmälig nüchtern.

Heinrich. Ich liebe, Freund, und mit Verstandesgründen
Versuchst du ganz umsonst mich einzuschüchtern.

Robert. Mit dreißig Jahren ist man sonst vorbei
Den Klippen jugendlicher Schwärmerei.
Ein schöner Fuß, ein voller weißer Hals,
Ein feurig Auge läßt uns allenfalls
Ein wenig links vom rechten Steuerpfade
Vor Anker gehn an einem Lustgestade,
Doch hütet man sein Schiflein vor dem Strande,
Dem Ehestande.
Doch du, bisher ein kühler Hagestolz
Den keine Schönheit zur Empfindung schmolz,
Du wirst im Zweiunddreißigsten ein Thor
Der wie ein Blinder sich verliebt durchs Ohr!
Nachträglich wird der arme Narr Verstand
Erbärmlich auf die Folterbank gespannt
Und endlich macht er wirklich das Geständniß:
Ja wohl, Ich war dabei und diese Ohrverblendniß
Ist wahre Weisheit, hohe Selbsterkenntnis

Heinrich. Ich sage dir . . .

Robert.                             Du bist im Ernst verliebt?

Heinrich. Wogegen es kein schlechtres Mittel gibt
Als wohlgesetzte Predigten zu halten.
Mein Schicksal ist's.

Robert.                             So mag dein Schicksal walten.
Doch gilt es nun, die Erbschaft dir zu retten
Und dich von ihren Klauseln loszuketten.
Dein Schicksal führt gewiß zur Zeit herbei
Die holde Unbekannte Nummer Zwei;
Das aber scheint mir äußerst zweifelhaft
Ob's dir den Korb von Kummer Eins verschafft.

Heinrich. Den will ich mir auf eigne Hand erzwingen.

Robert. Ist leicht gesagt, doch wird es schwer gelingen.

Heinrich. Du weißt, ich bin kein übler Komödiant.

Robert. Was hilft das hier?

Heinrich.                             Ich zeige mich als Fant,
Als Taugenichts, als wahres Ungeheuer,
Bis ihr der Bund mit mir das Fegefeuer
Auf Erden scheint. – Was sie besonders haßt
Erforsche Du; die Maske will ich wählen
Vor welcher sie den stärksten Abscheu faßt.

Robert. Sie könnte doch die Erbschaft überzählen
Und dann so stark empfinden den Beruf
Zu welchem die Natur das Weib erschuf,
Daß sie sich sagt: ich will ihn dennoch nehmen,
Ein Tiger ist's, allein ich werd' ihn zähmen.
Komm, zeige mir des Onkels Testament;
Ich, der Jurist der alle Schliche kennt,
Ich finde doch vielleicht ein drehbar Wörtchen
Und öffne dir ein sichres Hinterpförtchen.

Heinrich. Komm, lies und hilf mir Witzeswaffen schmieden;
Dann werde hier der Freiheitskampf entschieden.

(beide ab durch Nr. 7.)

 
Dritter Auftritt.

Mathilde, Klara.

Mathilde (aus Nr. 6 herausspähend.)
Komm nur getrost, das Feld ist leer.

Klara (heraustretend.)
Mir ist so bang beklommen.

Mathilde. Ich sagt' es dir, das Werk ist schwer;
Doch du hast es unternommen.
Nur nicht Bedenken hinterdrein,
Jetzt muß es dir gelingen.
Du glaubst zu lieben, du willst dich befreien,
So suche den Korb zu erzwingen.

Klara. Auch ohne die Erbschaft bin ich reich –

Mathilde. Ja, wenn wir den Proceß gewinnen.

Klara. Vielleicht befreit mich ein Vergleich . . .

Mathilde. Kind, bist du denn ganz von Sinnen?

Klara. Verzichten kann ich im schlimmsten Fall,
Wenn frei nur meine Hand wird.

Mathilde. Bekannte dein Egmont vom Maskenball
Sich nicht als armer Landwirth?

Klara. Er scheint ein Pegasus im Pflug.

Mathilde. Du liebst die städtischen Sitten.

Klara. So hoch geht sein Gedankenflug . . .

Mathilde. Ihm selbst sind die Flügel beschnitten.
Das eine Wunder kann geschehn,
Das magst du gläubig erwarten . . .

Klara. Gewiß, wir werden uns wiedersehn!

Mathilde. Doch – im Gemüsegarten
Dir selber ziehen dein Suppenkraut,
Die Mägde beim Melken bewachen –
Das scheint von fern idyllisch traut
Und – würde dich elend machen.
Den Glauben der Liebe halte fest,
Doch das ist Aberglaube.
Du brauchst ein weiches, warmes Nest
Du bist eine zarte Taube.

Klara. Und soll nun doch verkappt als Falk
Erjagen eine Beute!

Mathilde. Das zarteste Weib ist etwas Schalk;
Beweise du das heute.
Ich will von meinem Ueberfluß
Dich kräftigst unterstützen. –
Probiren wir gleich den ersten Gruß,
Um Dich – vor Dir zu schützen.

Klara. Vor mir?

Mathilde.           Er, den man dir zugedacht,
Ist doch ganz gewiß kein Tauber,
Und bewährte nicht erst diese Nacht
Sich deiner Stimme Zauber?
Sprich barsch; sei heut kein sanftes Lamm;
Denn Alles wäre verloren,
Verliebte der Erbschaftsbräutigam
Sich auch in dich durch die Ohren.
Drum sprich mir nach. – Wir nehmen an (nachahmend)
Er grüße verlegen und stocke –
»Mein Herrrr, sind Sie mein künftiger Mann?«

Klara. Mein Herr, sind Sie mein künftiger Mann?

Mathilde. Das klingt wie 'ne silberne Glocke!

Klara (etwas rauher.)
Mein Herr, sind Sie mein künftiger Mann?

Mathilde. Viel rauher, mit heiserer Kehle!

Klara (möglichst schnarrend.)
Mein Herr, sind Sie mein künftiger Mann?

Mathilde. So geht's; die Tonart wähle.

Klara. So krächzen soll ich? Welche Qual!
Ich werde daran ersticken.

Mathilde. Pst! – Hörtest du nichts? – Will doch einmal
Da hinein durch's Schlüsselloch blicken. –
Was seh' ich! Da sitzt der Advocat
Der den Hang hat zu türkischen Sitten.

Klara. Der mein Verlobter durch Legat?

Mathilde (ausfahrend.)
Das müßt' ich mir ernstlich verbitten.

Klara. Ei sieh! Wie ziehst du die Stirn so kraus!
Nun hab' ich dich, du Verstockte!

Mathilde. Ich kratzte dir beide Augen aus
Wenn den dein Reiz verlockte.

Klara. Du willst ihn selbst?

Mathilde (wieder lauschend an der Thür Nr. 7 ohne auf Klara zu hören, indem sie diese nach Nr. 6 schiebt.)
                                      Er kommt, – geschwind!

Klara. Du bleibst?

Mathilde (mit Eifersucht.) Hast du was dagegen?

Klara. Nicht das Mindeste, Schwester Sausewind!
Nimm ihn – und meinen Segen.

(ab.)

Mathilde. Es ist heraus. – Die Regung schien mir flüchtig;
Kaum aber dünkt mir möglich der Verlust,
So werd' ich wild, und, wahrhaft eifersüchtig,
Verrath' ich was ich selbst noch nicht gewußt. –
Ihn nehmen? – Will ich denn?– Mir scheint, ich will. –
Warum auch nicht? – Doch wenn das Codicill
Des Testaments dem Advocaten gälte
Und ich mich zwischen ihn und Klara stellte? –
Je nun, mit Klärchen kann ich mich vergleichen;
Sie muß ihm dann im Korb die Erbschaft reichen –
Drei Fuß hoch macht' ich einen Freudensatz
Erschiene leibhaft jetzt ihr Ohrenschatz.
Wenn Er nur paßt in ihres Traumbilds Rahmen,
So sagen seine Augen sicher Amen.
Man kommt. – Ich bin gefaßt auf alle Fälle.
Jetzt wachsam, während ich mich schreibend stelle.

(setzt sich an den Schreibtisch.)

 
Vierter Auftritt.

Mathilde, Robert, ein Papier in der Hand aus Nro. 6; thut als ob er lese und Mathilde nicht bemerke.

Robert. Wahrhaftig, eine von den beiden Schwestern;
Doch scheint sie nicht die Witzige von gestern.

Mathilde. Er ist getäuscht. O Puder, habe Dank!
Noch zieht er nicht die Silberborte blank.

Robert. Auf alle Fälle hilft sich dieser Kopf noch:
Als Orden bind' ich mir das Ding in's Knopfloch. (Thuts.)
So reicht es ihr anstatt der Hand die Brust
Und – ist sie's doch, – so hab' ich's doch gewußt.

Mathilde. Der Pfifficus! Doch mich betrügt er nicht.
Der Schwester gab ich eben Unterricht:
Nun red' ich selber Baß, ihn einzuschüchtern
Und vorderhand ein wenig zu ernüchtern!

Robert. Es ist Mathilde. – Wie die Augen funkeln!
Mein armes Herz! – denn Doppelgluth verbrennt es.

Mathilde. Nur über Eines bin ich noch im Dunkeln:
Ist Er der Bräutigam des Testamentes?
Wir wollen sehn. Ich fühl' ihm auf den Zahn.

Robert. Es ist die schöne Gegnerin von neulich!

Mathilde. (erhebt sich; laut, mit verstellter Stimme).
Sieh da, sieh da! Es ist mir ganz erfreulich,
Herr Advocat, daß Sie . . .

Robert (f. s.).                               Sie hegt den Wahn,
Ich sei der Bräutigam.

Mathilde.                             . . . daß Sie der Mann sind . . .

Robert. So wären Sie die Dame, der man's ansinnt
Dem Unbekannten ihre Hand zu reichen?

Mathilde. Ich hoffe, daß wir diesmal uns vergleichen.

Robert (b. S.).
Wenn ich nun lustig mit dem Strome schwämme,
So wäre Heinz erlöst von Herzensnöthen.
Doch dann geht ihr – und mir die Erbschaft flöten.
Wie helf' ich mir heraus aus dieser Klemme?

Mathilde. Mein Herr, Sie schweigen?

Robert (auftragend).                             Träum' ich wirklich nicht?

Mathilde. Sie zaudern? Leisten Sie vielleicht Verzicht?

Robert. Ich dürfte wirklich hoffen, daß Ihr Herz . . .

Mathilde (laut auflachend).
Mein Herz? Warum nicht gar!

Robert.                                           Sie treiben Scherz . . .?

Mathilde. Nur keinen eitel übereilten Schluß!
Als ob man wollen könnte, wo man muß!
Ich war gefaßt auf einen alten Gecken,
Selbst einen Krüppel nahm ich, schlimmsten Falles;
Sie sehn doch just nicht aus um Spatzen zu erschrecken;
Das ist mir lieb – das aber ist auch Alles.

Robert. Sehr schmeichelhaft. (b. S.) Sie ist's; doch meine Silberborte
Behalt' ich noch; denn Witz von dieser Sorte
Ernüchtert mich.

Mathilde.                   Viel Geld und ein Gemahl
Ist mein Bedarf. Man ließ mir keine Wahl
Und mit dem Tänzer, den man mir beschied,
Will ich so gut es geht durch's Leben walzen.

Robert (b. S.). Die hat gesunden Heirathsappetit!
Der meine wird mir dadurch sehr versalzen.

Mathilde. Sie bleiben stumm?

Robert.                                     Sie sind auf falscher Fährte.
Ein Andrer ist's dem Sie das Loos bescheerte.

Mathilde. Und dieser Andere?

Robert.                                     Denkt ganz genau
Wie Sie: er will das Geld – und nimmt die Frau.
Er war gefaßt auf eine böse Sieben
Und wird in Sie sich jedenfalls – verlieben.

Mathilde (milder).
Und Sie sind nicht ein bischen eifersüchtig?

Robert. Mein Traum war schön, doch leider allzuflüchtig.

Mathilde (mit natürlicher Stimme).
Wann fing er an?

Robert (Nachdem er sie einen Augenblick angestaunt).
                            Erst jüngst, mit unserm Streit.

Mathilde. Und er entwich?

Robert.                               Vor Ihrer – Deutlichkeit.

Mathilde (zärtlich)
Sie dürfen weiter träumen – wenn Sie wollen.

Robert. Ein wenig unsanft ward ich aufgeweckt.

Mathilde. Verstockter Mensch! Wir spielen; – gleiche Rollen!
Sie merken's nicht, daß ich Sie nur geneckt?
Recognosciren wollten Sie; – ich auch,
Ich klopfte nur noch schlauer auf den Strauch.

Robert. Nicht Sie sind die Vermächtnißbraut?

Mathilde.                                                           Behüte!

Robert. Und hoffen darf ich doch auf Ihre . . .

Mathilde. (rasch einfallend mit voriger verstellter tiefster Stimme). Güte.
          (schelmisch.)
In Gnaden will ich Ihnen das gestatten,
Empfind' ich auch von Liebe keinen Schatten;
Die Schwester zu befrei'n vom Bräutigam
Geb' ich mich hin als treues Opferlamm.

Robert (ihre Hand ergreifend, feurig).
Und – ohne Mitleid führ' ich's zum Altare.

Mathilde (sich losmachend.)
Erst bringen wir das Hauptgeschäft in's Klare,

Robert. Das Hauptgeschäft ist dies: Ich nehme Sie beim Worte:
Erkennen Sie dies Streifchen Silberborte?

Mathilde. Zu spät, Herr Diplomate, viel zu spät!
Wer Nasen drehen will bekommt sie selbst gedreht.
Ihr Ohr und Auge hat Sie bös geäfft! –
Doch schweigen wir von uns und schreiten zum Geschäft.

Robert. Ich bin bereit. – Wie steht's mit Ihrer Schwester?

Mathilde. Der Werber ist Ihr Freund?

Robert.                                                 Mein allerbester.

Mathilde. Wie alt ist er?

Robert.                           Genau in meinen Jahren.

Mathilde. Ein Mann von Geist?

Robert (besinnt sich einen Augenblick.) Er – hat schon viel erfahren.

Mathilde. Im Punkt der Liebe . . .?

Robert.                                           Völlig abgebrüht.

Mathilde. Ein Practicus?

Robert.                             Kein Funke von Gemüth.

Mathilde. Doch viel Verstand?

Robert.                                       Zu viel – für einen Narren.

Mathilde. Hat er Geschmack?

Robert.                                     In Rheinwein und Cigarren.

Mathilde. Sinn für Kunst?

Robert.                               Die hat er nie begriffen.

Mathilde. Benehmen?

Robert.                         Linkisch oder ungeschliffen.

Mathilde. Gesundheit?

Robert.                           Etwas leidend – an der Milz.

Mathilde. Character?

Robert.                       Unter uns, er ist ein Filz.

Mathilde. Er liebt das Geld?

Robert.                                   Und würd', um nur zu erben,
Entschlossen um das ärgste Scheusal werben.

Mathilde. Man kann den Busenfreund nicht besser wählen;
Er sollte nur noch silberne Löffel stehlen.

Robert. Sie zweifeln?

Mathilde (höchst ernsthaft.) Das ist's, was mich Wunder nimmt,
Wie sehr Ihr Freund zu meiner Schwester stimmt.
Er – Hypochonder, – sie – 'ne Nervenschwache,
Er – Grobian – und sie ein keifender Drache;
Er – Filz – und ihre Habsucht geht so weit
Daß sie zu zwölf Procent auf Pfänder leih't
Und, wann wir eine Soirée besuchen,
Ein Frühstück spart durch eingesteckten Kuchen.
Man sieht ihr das schon an der Nase an,
Die gleicht dem Schnabel eines Pelikan;
Man meint, sie wolle beißen wann sie lacht.
Zur Furie fehlen ihr nur Schlangenlocken;
Sie reitet jährlich zur Walpurgisnacht –
Ich selber sah's, – zu Besen auf den Brocken.

Robert (lachend).
Das nenn' ich einmal gründlich aufgeschnitten.

Mathilde. Sie zweifeln? Ei, das muß ich mir verbitten.
So wahr, als Sie gemalt nach der Natur,
So wahr entwarf ich keine Karrikatur.

Robert. Ich öffne mein Visir. Sie sind zu fein.

Mathilde. Sie merken's endlich? Also – reinen Wein!

Robert. Wozu Verrath, wo wir uns gegenseitig
Errathen?

Mathilde.         Liebt ihr Freund nicht anderweitig?

Robert. Die Gegenantwort nehm' ich aus der Frage:
Auch Ihre Schwester ist in dieser Lage.

Mathilde (drohend.)
Doch wenn Sie das dem Freunde hinterbrächten . . .

Robert. So würden Sie mit gleicher Waffe fechten.

Mathilde. Gar opferwillig sind verliebte Thoren.

Robert. Die Erbschaft ginge Beiden dann verloren.

Mathilde. Und das darf nicht geschehn.

Robert.                                                   Dasselbe mein' ich.

Mathilde. Wohlan, in diesem Punkte sind wir einig.

Robert. Da doch nur Eines erben kann von Beiden . . .

Mathilde. Das heißt, sofern sie unversöhnlich scheiden . . . .

Robert. Ist kein Vergleich, ein Korb nur unser Ziel.

Mathilde. Sie geben mir, ich Ihnen freies Spiel.

Robert. Und daß die Karten in der Gegenhand . . .

Mathilde. Auch falsche sind verschweigt der Secundant.

Robert. Es gilt. Gerecht vertheilt sei Licht und Wind . . .

Mathilde. Und Sieger bleibe wer den Korb gewinnt.

Robert. Ich hole meinen bitter zum Turnier.

Mathilde. Wir harren sein in stolzer Kampfbegier.

Robert. Ein lustig Lanzenbrechen, wenn ich weiß,
Mir selber winke doch der höchste Preis.

Mathilde. Der höchste ist ein voller Korb; zum zweiten
Könnt' ich ein leeres Körbchen zubereiten
Im Fall der Türke von verwichner Nacht
Nichts abgelegt vom Türken als die Tracht.
Als Ganzes will ich, ohne Nebenschatten,
Ganz, ganz allein die Seele meines Gatten;
Ja, nun und nimmer denk' ich's einzuräumen
Daß er mich halb sieht selbst in seinen Träumen.

Robert (sehr ernsthaft).
Ja – das ist schlimm! Das kann ich nicht geloben.

Mathilde (hitzig.)
Nicht? – Dann ist hiemit Alles aufgehoben.

Robert. Ja, sehn Sie, Theuerste . . .

Mathilde.                                         Will nichts mehr wissen!

Robert. Mein Herz war gestern scheinbar nur zerrissen.

Mathilde. Benutzen Sie Ihr Herz wozu Sie wollen,
Getrocknet hängen Sie es meinethalben
Ans Dach zum Nest für Sparen oder Schwalben.

Robert. Erst hören Sie mich an bevor Sie grollen;
Denn bleibt es gleich mit meiner Pflicht beim Halben,
Sie haben dennoch keinen Grund zum Schmollen:
Du kannst und sollst mein ganzes Glück auf Erden
Doch höchstens meine bessre – Hälfte werden.
          (reicht ihr die Hand.)

Indem ihm Mathilde versöhnt mit schalkhaft zärtlichem Lächeln die rechte Hand reicht, ihm aber erst mit dem Finger der Linken droht, dann einen neckischen Schlag gibt und in seine Arme sinkt,
fällt der Vorhang.


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