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Vierunddreißigste Predigt.

Madame Kaudel vermuthet, daß Kaudel sein Testament gemacht habe, und wünscht »als Frau« natürlich zu wissen was darin steht.

Ja, Kaudel, ich habe immer gesagt, Du hättest Charakterfestigkeit genug, wenn Du nur wolltest, und was Du jetzt gethan hast, beweist, wie Recht ich gehabt. Manche Leute scheuen sich ein Testament zu machen, weil sie so albern sind und glauben, sie müßten gleich hinterher sterben; aber nein, da hast Du vernünftigere Ansichten, nicht wahr, Kaudelchen?

Oh Unsinn, Kaudel, Du weißt recht gut was ich meine. Du hast Dein Testament gemacht; – Kratzer hat es mir selber gesagt.

Das glaubst Du nicht? Höre, Kaudel, ist das auch recht von einem Manne, seiner Frau so etwas zu sagen? Ich weiß wohl, daß er zu sehr Geschäftsmann ist um viel zu reden, aber es giebt auch noch eine andere Art etwas zu verstehen, Kaudel, es muß nicht immer gerade in Worten sein, denn als ich ihm die Frage vorlegte, so hatte er doch, Advokat wie er ist, nicht das Herz es zu leugnen. Natürlich kann es mir sehr gleichgültig sein, ob Dein Testament gemacht ist oder nicht; ich werde dann nicht mehr leben, Kaudel, um noch etwas für mich selbst zu bedürfen. Ich werde versorgt sein – lange vorher versorgt sein, ehe Dein letzter Wille in Kraft treten kann. Nein, Kaudel, ich überlebe Dich nicht und – doch es ist thöricht von einer Frau, den Mann ahnen zu lassen wie sie an ihm hängt; denn er zieht nachher gewöhnlich seinen Vortheil daraus – mag es aber unrecht und schwach von mir sein so etwas zu gestehen, so möchte ich Dich gar nicht überleben, Kaudel – wie wäre das auch möglich. –

Nein, Kaudel; sage das nicht, ich werde mein hundertstes Jahr nie sehen, ich nicht – auch nicht Dich zu Grabe geleiten und noch einen Mann – Gott was für eine Idee, Kaudel, – wie kannst Du nur denken, daß es mir einfallen würde wieder zu heirathen. Nein – niemals. Was?

Das sagten wir Alle? Nein, Kaudel, gerade das Gegentheil. Mir ist schon der Gedanke an so etwas schrecklich, und zwar von jeher gewesen. Ja, ich weiß wohl, daß Manche wieder heirathen, doch was die für Herzen haben, begreif' ich nicht.

Es giebt aber Männer, die ihr Vermögen auf eine solche Art hinterlassen, daß ihre Wittwen, um es behalten zu können, auch Wittwen bleiben müssen. Wenn es irgend etwas auf der Welt giebt was mir kleinlich und schmutzig vorkommt, so ist es das. Denkst Du nicht auch so, Kaudel? Warum antwortest Du mir denn gar nicht, Balthasar? Sieh, so bist Du aber; so bald ich mich einmal ein Viertelstündchen vernünftig mit Dir unterhalten will, bist Du müde, Du warst niemals wie andere Männer.

Woher ich das weiß? Siehst Du, jetzt machst Du es wieder ganz auf Deine alte Art, ich darf die Lippen nicht von einander bringen, so versuchst Du schon mich abzutrumpfen. Das bin ich überzeugt, wenn es nur Mamsell Betsenberger wäre, die Dich um Etwas fragte, der würdest Du schon gehörig antworten können. – Da fängst Du wahrhaftig schon wieder an. Es ist doch sonderbar, daß ich den Namen dieser Person auch nicht einmal auf die unschuldigste Art nennen darf, ohne –

Warum ich sie nicht zufrieden lasse? O von Herzen gern, Kaudel, von Herzen gern werde ich sie zufrieden lassen. Wer möchte auch von ihr reden, ich gewiß nicht; Du bringst aber regelmäßig etwas vor, daß sie zuletzt genannt werden muß.

Wovon sprach ich doch vorhin, Kaudel? ach ja, davon, wie manche Männer ihre Wittwen noch nach dem Tode kränken. Nein – meiner Ansicht nach giebt es Nichts auf der ganzen Welt, was sich an Schmutz und Gemeinheit mit einer solchen Klausel vergleichen könnte. Wenn ein Mann seiner Frau das was er ihr hinterlassen hat, noch nach seinem Tode entzieht, sobald sie wieder heirathet, und es ihr also solcher Gestalt auf wahre tyrannische Weise verbietet, so ist das grausam, oder mehr als grausam, es ist niederträchtig; ja und kommt mir fast so vor, als ob er seine Frau mit ins Grab nähme. Wie?

Du wirst das nie thun? Nein, Kaudel, das weiß ich wohl; Du bist kein solcher Mann der eine arme Frau auf solche gemeine Art, selbst noch nach dem Tode von sich abhängig macht. Ein Mann der so etwas zu thun im Stande wäre, der ließe seine Wittwe eben so gut hinter sich her verbrennen, wie es jene Ungethüme, die sich auch Menschen nennen, in Indien machen. Doch kann es mir ja gleichgültig sein wie und auf welche Art Du Dein Testament gemacht hast, Kaudel; anders wird es mit Deiner zweiten Frau werden. Was sagst Du?

Ich werde Dir nie Gelegenheit geben? O Du kennst meine Constitution nicht; nein, Kaudel, ich bin nicht die Frau mehr, die ich war. Ich sage nichts – das ist wahr – aber Du weißt nicht wie mir's manchmal zu Muthe ist, und was ich fühle. Da wir aber doch einmal davon reden, lieber Kaudel, so habe ich diese eine Bitte an Dich – wenn Du wieder heirathest –

Du heirathest in Deinem ganzen Leben nicht wieder? o sage das nicht, Kaudel, – nach den Freuden und Bequemlichkeiten die Du in der Ehe kennen gelernt hast – was seufzest Du denn so tief auf, Balthasar? nach den Freuden und Bequemlichkeiten, mußt Du sicherlich wieder heirathen.

O, Kaudel, mache Dich nicht auf solche leichtsinnige Art meineidig – den Schwur mußt Du ja brechen, das weiß ich, denn ich kenne Dich besser als Du Dich selbst kennst. – Nein, sieh' Kaudel, Alles, was ich von Dir erbitten möchte, ist nur zu Deinem eigenen Besten, da es mir doch später ganz einerlei sein kann. Alles aber, um was ich Dich bitten wollte, ist – heirathe jede, nur nicht diese Mamsell Betsen – Gut – Gut – ich will ja kein Wort weiter sagen, Alles aber um was ich Dich bitte, thue das nicht. Nach dem, wie Du gewohnt bist zu leben, und nach den Bequemlichkeiten die Du genossen hast, wäre sie keine Frau für Dich.

Natürlich kann ich weiter kein Interesse mehr in der Sache haben, denn meinetwegen könntest Du, wenn ich einmal todt bin, die Königin von England heirathen; ich trage aber nur um Deinen Seelenfrieden Sorge, Kaudel, nur um Deinen Seelenfrieden. Uebrigens will ich hier gar Nichts gegen sie sagen, Kaudel, nicht das Mindeste; sie hat zwar so etwas Flüchtiges, Leichtsinniges in ihrem Benehmen – nun das arme Ding meint's vielleicht nicht so böse, wir wollen es wenigstens hoffen und es kann immer sein, daß es, wie man sagt, so ihre Art ist, aber dennoch ist sie nun einmal so, und nach den Bequemlichkeiten die Du zu meinen Lebzeiten genossen hast, Kaudel, wäre sie nicht die Frau für Dich – Du würdest unglücklich mit ihr werden.

Nein, Kaudel, das brauch' ich Dir auch gar nicht mehr zu sagen – wenn es irgend etwas auf der Welt giebt, dessen ich mich rühmen kann, so ist es meine Art mich zu benehmen, der ich mein ganzes Leben hindurch treu geblieben bin und obgleich ich weiß, daß von besonders eigenen Frauen selten so viel gehalten wird als von denen, die Alles lieber auf die leichte Schulter nehmen, so wäre es doch gar Nichts tugendhaft zu sein, wenn –

Nein, Kaudel, ich will nicht über Tugend predigen, ich thue das nie – in der That nicht. Du hast auch höchst Unrecht, wenn Du sagst, ich ginge mit meiner Tugend herum wie ein Kind mit seiner Trommel, das so viel Spektakel damit vollführt wie möglich. Ich kenne aber Deine Grundsätze. Es wird mir unvergeßlich sein, was ich Dich einst zu Betsenberger sagen hörte und ich lasse es keinesweges als Entschuldigung gelten, daß Du damals Wein getrunken hattest und nicht wußtest von was Du sprachst. Der Wein bringt die Sünden und Fehler der Männer zu Tage, wie das Feuer Fettflecken.

Was Du gesagt hast? »Tugend wäre etwas sehr Schönes bei Frauen, wenn sie nicht zu viel Spektakel damit machten; es lebten aber Frauen, die glaubten, die Tugend sei ihnen gegeben wie den Katzen die Krallen« – ja, Katzen hast Du gesagt – »um Nichts damit zu thun als zu kratzen«.

Du weißt keine Sylbe mehr davon? Das glaub' ich Dir; denn wenn Du in dem erschrecklichen Zustand bist, weißt Du überhaupt nie mehr was Du thust oder sprichst; es ist nur ein Glück daß ich es thue.

Wir wollen aber nicht mehr davon reden, Balthasar, es ist Alles vorüber und ich glaube jetzt fast selbst, daß Du es damals nicht so böse gemeint hast. Darüber bin ich nur froh, wie Du in der Hinsicht mit mir übereinstimmst, den Mann für verächtlich zu halten, der seine Wittwe zwingt nicht wieder zu heirathen. Es macht mich glücklich, daß Du so viel Vertrauen in mich setzest mir das zu sagen. – Was?

Du hättest es nicht gesagt? Aber, Kaudel; es ist doch gerade so gut, als ob Du's gesagt hättest. – Nein, wenn ein Mann sein ganzes Vermögen seiner Frau hinterläßt, ohne ihr dabei die Hände zu binden, so beweist er klar und deutlich vor aller Welt, welches Vertrauen er in ihre Liebe gesetzt hat. Er sagt den Leuten mit deutlichen Worten: »seht – solch eine Frau ist sie mir gewesen und ich weiß wie sie mich nach meinem Tode beweinen wird«. Dann natürlich fällt ihr eine zweite Heirath gar nicht ein. Wenn sie aber das Geld nur behalten darf, so lange sie Wittwe bleibt, sieh' Kaudel, dann wird sie ordentlich dazu gereizt und aufgehetzt, einen zweiten Mann zu nehmen.

Ich bin fest überzeugt, manche arme Frau ist auf diese Art nur allein aus Trotz wieder in den Ehestand hineingetrieben, was ihr sonst gar nicht in den Kopf gekommen wäre, wenn ihres Mannes Testament sie nicht dazu aufgestachelt hätte. Das liegt aber nun einmal in unserer Natur; ja ich glaube, Kaudel, wenn ich denken könnte, Du wärest zu so etwas fähig, und wenn es mein Herz bräche, ich heirathete augenblicklich wieder, nur um Dir zu beweisen, was ich für einen Charakter habe.

Freilich ist es lächerlich darüber jetzt zu reden, denn ich werde lange vor Dir heimgegangen sein, aber merke Dir was ich sage, und treibe mich mit solchem Testament nicht bis zum Aeußersten, oder ich thäte es, so wahr ich Deine Frau bin und hier im Bette liege, ich thäte es.


»Ich widersprach ihr nicht,« schreibt Kaudel, »sondern ließ sie mit der Betheuerung einschlafen.«


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