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Achtundzwanzigste Predigt.

Madame Kaudel ist wieder glücklich zu Hause eingetroffen; dort findet sie aber natürlich Alles in der »fürchterlichsten Unordnung« – »nicht zum Ansehen« – und Kaudel greift, in bloßer Selbstvertheidigung, zu einem Buch.

Es ist doch schön, Kaudel, wenn man endlich einmal wieder in seinem eigenen Bette liegen kann. Heute Abend werd' ich herrlich schlafen.

Gott sei Dank! sagst Du? so? siehst Du, Kaudel, das war wieder eine von Deinen malitiösen Bemerkungen – ich weiß wohl was Du meinst. Aber natürlich darf ich nicht daran denken, mir es einmal bequem und angenehm zu machen, Gott bewahre, Du mußt gleich wieder dazwischen fahren und mit Deinen beleidigenden Reden umherwerfen. Wenn Du Dir etwas aus dem Hause machtest, so wärst Du nicht gleich wieder hinaus gelaufen als Du kaum erst den Fuß über die Schwelle gesetzt hattest.

Sage nur ja nicht daß ich Dich wieder hinausgetrieben hätte, sobald wir drinnen gewesen wären; ich sprach nur von dem Schmutz und Staub, Du aber, Du würdest Dich in einem Ferkelstall wohl befinden – Reinlichkeit kommt bei Dir gar nicht in Betracht.

Wie wir fortgingen, hätte ich wahrhaftig geglaubt dieser Henkeln ungezähltes Gold anvertrauen zu können, und jetzt sieh nur einmal den Teppich an. Ehe wir abreisten, war ein Tiger drinnen, aber Den möcht' ich kennen, der da noch einen Tiger herausfände. O ja – Du kannst im Bette liegen und den Tiger verwünschen, das stellt den Teppich aber nicht wieder her, sonst könntest Du meinetwegen fluchen bis morgen früh.

Du konntest in aller Bequemlichkeit ausgehen und Deinen Klub besuchen, Du weißt aber nicht wie viel Fenster zerbrochen sind. Wie viel glaubst Du wohl?

Nein, ich werd' es Dir nicht erst morgen früh sagen, heute – jetzt gleich sollst Du es wissen. Nach Margate gehen um seine Gesundheit herzustellen – ja, das glaub' ich wohl – aber meine ganze Gesundheit war in dem Augenblick fort, wo ich zum ersten Mal wieder in die Küche trat. Meiner guten Mutter Porzellankrug ist an zwei Stellen geborsten. Hinsetzen hätt' ich mich können und weinen wie ein Kind, als ich es sah. Den Krug hab' ich gekannt so lang ich denken kann.

Ich hätte ihn einschließen sollen? So – das ist Deine Theilnahme für Alles was mich angeht; ich wollte nur, es wäre Deine Punschbowle gewesen, aber Gott sei Dank, ich glaube, die hat auch einen Knacks bekommen. Und die Fenster – rathe einmal wie viel.

Es ist Dir einerlei? So? wenn sich Niemand weiter erkältete als Du, wäre auch kein großer Verlust bei der Sache; aber denke Dir nur, sechs Scheiben sind rein heraus und drei geborsten.

Das weiß ich daß Du Nichts dafür kannst, aber bin ich etwa Schuld daran? Ei da möchte man ja sein Haus lieber nie im Leben wieder verlassen – und das will ich auch – ich will auch zu Hause bleiben und dann kannst Du allein an die Seeküste reisen und dort mit Mamsell Betsenberger herumspazieren.

Höre, Kaudel, wenn Du das Kopfkissen auf eine so rohe, brutale Weise mit der Faust schlägst, so stehe ich auf. Es ist wahrhaftig höchst sonderbar daß ich den Namen der Person gar nicht mehr aussprechen darf, ohne daß Du mit dem Kopfkissen Streit anfängst. Es muß doch etwas au der Sache sein, sonst würdest Du nicht so herum fahren, ein schuldiges Gewissen braucht – nun Du weißt schon was ich sagen will. – Noch eine ganze Woche wollte sie draußen bleiben und auf einmal bekam sie einen Brief – o ja – wahrscheinlich bekam sie den Brief; natürlich. Und dann meinte sie, es würde ihr lieber sein in unserer Gesellschaft zu reisen als allein. Ja wohl – das verstand sich ja von selber – das paßte Alles so prächtig. Ich weiß aber was sie dachte, sie meinte, ich würde wieder krank, und unten in der Kajüte sein, doch trotz aller ihrer Schlauheit hatte sie sich dabei verrechnet, – so klug bin ich auch noch wie die. Ich war übrigens krank, recht krank, wenn Du es auch nicht bemerken wolltest, Kaudel; o Du hast manchmal ein Herz so hart wie ein Holzapfel.

Was sagst Du? Gute Nacht, Liebchen? ja wohl – Du kannst sehr zärtlich sein – sehr; wie alle Männer, wenn es ihren Zwecken zusagt. Wie kann ich aber schlafen, wenn ich den ganzen Kopf voll Haussorgen habe? Die Kaminvorsetzer erholen sich im Leben nicht wieder. Die Messer habe ich noch nicht gezählt, aber daß die Hälfte fehlt, darauf bin ich vorbereitet.

Nein, Kaudel, ich glaube nicht immer das Schlimmste und quäle mich auch nicht stets vor der Zeit mit unnützen Sorgen, das ist aber mein Dank daß ich mich um das Deinige bekümmere und mir die Sache zu Herzen nehme. Eine schlechte Frau will ich sein wenn in den Gardinen nicht Spinnen sitzen wie die Muskatnüsse groß. Keinen Besen hat der ganze Platz gesehen seit ich fort bin. Ob ich aber im Haus nicht Alles oberst zu unterst kehre, wenn ich morgen früh aufstehe, das wollen wir einmal erleben.

Nach meinem Eingemachten zu sehen hab' ich noch nicht einmal das Herz gehabt, denn wenn die Thür auch verschlossen war, so bin ich doch fest überzeugt daß sie mir darüber gewesen sind. Ja wohl, Du kannst jetzt in Deinem Bette das Eingemachte und die Gurken verwünschen und vermaledeien, sonst aber macht kein Mensch größeren Spektakel darum, sobald sie nur einmal auf dem Tische fehlen. – Ich hoffe übrigens zu Gott daß sie auch im Weinkeller gewesen sind, damit Du doch wenigstens erfährst wie mir zu Muthe ist. Und die arme Katze – Was?

Du hassest Katzen? Ja wohl – natürlich, weil es mein Liebling ist, darum hassest Du sie. Wenn die Katze nur reden könnte.

Das ist gar nicht nöthig? Nöthig? was meinst Du damit, Kaudel? – Wenn die Katze nur reden könnte, sag' ich, die würde es erzählen wie sie betrogen ist. – Das arme Ding das. Ich weiß freilich wo all' das Geld hingekommen ist, das ich für ihre Milch zurückgelassen habe; ich weiß es.

Was hast Du denn da, Kaudel? ein Buch? was? Wenn ich Dich nicht schlafen lasse, willst Du wenigstens lesen? Nun das ist noch schöner, wenn das nicht eine Frau aus den Tod beleidigen heißt – Bücher mit in's Bett zu nehmen. Da möcht' ich denn doch wissen was die Ehe eigentlich ist – Aber Du darfst nicht lesen, Kaudel, darauf kannst Du Dich verlassen – nicht so lange ich die Kräfte habe aufzustehen und das Licht auszublasen.

So behandelst Du also Deine Frau? o ja, um das was in Büchern steht, darum kümmerst Du Dich, für das aber, was um Dich herum vorgeht und Dich interessiren sollte, da hast Du ein Herz wie ein Stein. Ich möchte nur wissen was es für ein Buch ist. Was?

Milton's verlorenes Paradies? Das hab' ich mir doch gedacht, daß es irgend so ein Wisch wäre den Du vorgesucht hast, um mich zu kränken und zu beleidigen. Ein schönes Buch um im Bett darin zu lesen; und ein recht respektabler Mann war der auch, der es geschrieben hat.

Was ich von dem weiß? Mehr als Du glaubst. Ein prächtiger Mensch das, o ja, mit seinen sechs Weibern.

Er hatte keine sechse, nur drei? Nun, und ist da ein Unterschied? Aber natürlich mußt Du ja seine Partei nehmen. Die armen Frauen mögen es schrecklich genug bei ihm gehabt haben. Uebrigens, Kaudel, scheint es mir fast, als ob Du seinem Beispiel folgen wolltest, sonst würdest Du doch nicht seine Schriften –

Drei Weiber – um Gottes willen? Nun höre, Kaudel, wenn da Jemand »um Gotteswillen« zu sagen hätte, so wären es immer erst noch die Frauen. Du solltest mir aber kommen und mich so behandeln, wie der die behandelt hat. Du solltest mir kommen. – Dichter – ja wohl – ein Gesetz sollte gegeben werden, daß keine von denen andere Frauen haben dürften, als auf dem Papier. Der liebe Gott sei den armen Kreaturen gnädig, die sich ihr ganzes Lebenlang an solche Gesellen binden. Es geht ihnen wie den Motten mit einem Licht – Apropos – bei den Lichtern fällt mir ein, daß die Lampe im Vorsaal total ruinirt ist. Aber das – Hörst Du mich, Kaudel? Kaudel! willst Du nicht antworten? Und weißt Du denn wo Du bist, Kaudel? Was?

Im Garten von Eden? Bist Du? so? bann will ich Dir nur sagen daß Du dort zu solcher Zeit, in der Nacht, gar Nichts zu suchen hast.


»Und damit,« schreibt Kaudel, »kletterte sie ans dem Bett und löschte mein Licht aus.«


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