Jean Paul
Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen
Jean Paul

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Drittes Kapitel

worin Würste und Galgen von strategischer Bedeutung sind

Endlich standen beide Heere einander im Angesicht . . . Aber hier ist der Ort, wo der Verfasser dieses das demütige Geständnis ablegen muß, daß er nur Levanen, Vorschulen, Titane geschrieben, und niemals Kriegsoperationen aus Mangel an Sachkenntnis, und daß folglich dieser Mangel jetzt, wo seine Federzüge an Feldzüge sich wagen sollen, ihn ungewöhnlich bedenklich machen muß, wie er den Großlausauer und Kauzner Feldzug beschreiben soll, ohne entweder sich lächerlich zu machen, oder die Helden, oder beides. Daher verspricht er auch nur Unparteilichkeit für beide Mächte, und will ohne Rücksichten bald Tiberius, bald Maria loben; indem er doch der Hoffnung lebt, daß nach ihm irgendeine Feder von Handwerk, die vielleicht mitgefochten – gleichsam aus dem Adlerflügel selber ausgezogen – der Welt diesen Krieg mit aller der taktischen und strategischen Kenntnis darstellt, ohne welche jede Beschreibung davon lächerlich ausfällt.

Beide Heere waren darüber einig, daß der ganze Erfolg der Heerschau oder des Feldzugs davon abhänge, welches von beiden zuerst sich des Galgenbergs – der übrigens nur mit einem Manne besetzt war, der noch dazu am Galgen hing – bemächtige; wer dann bei dem oder an dem Galgen war, sah ruhig dem übrigen Kriege zu, und machte, wie der Gehenkte, bloß aus Spaß noch Schwenkungen. Alle verständigen Militärpersonen, die ich noch darüber gesprochen, versicherten nun einmütig, daß die Kauzen oder Trödler viel früher 22 als die Großlausauer den Galgen, woran so viel hing, hätten besetzen können, wenn nicht unterwegs ein Unglück vorgefallen wäre, welches zum Unglück die Kauzen für ein Glück genommen. O so sehr siegt totes, aber tolles Gedärm über lebendiges, das leer ist, und elende Würste schießen sich als Feldschlangen ab, und halten ganze Heere auf! Es ist nämlich nur gar zu erwiesene Tatsache – ich kenne jeden Zeitungsschreiber, der sie zu verdecken suchte – daß die streit- und eßlustigen Kauzen auf ihrer Militärstraße grade vor eines Fleischers Hause vorbeigemußt, das brannte. Nun warf die Lohe aus dem Rauchfange alle darin hängenden Würste und Sausäcke wie Wachteln und dreipfündige Handgranaten auf die Kauzen heraus, so daß der Kern des hungrigen Heers, davon durchbrochen, sich umherstreute, um die auf sie gefeuerten Würste aufzulesen und aufzuessen, mit welchen der Rauchfang, kein Hungerturm, sondern ein Füllhorn, kaum auf sie zu spielen nachließ. Kein Kugelregen hätte die magern Trödler so aufgehalten, als es der Mannaregen von Einschiebessen tat; daher die Mannschaft, ob sie gleich dem Feinde schon drei falsche Zöpfe abgenommen hatte, doch so spät am Galgenberg anlangte, daß sie ihn von den Großlausauern schon in solchen Stellungen besetzt antraf, bei welchen wohl mehr als einem Kauzen der Mut sank, weil mit dem Galgen gerade die Hauptfestung verloren ging. Noch dazu hatten die Großlausauer – wahrscheinlich durch Bestechung – sich den Stadtschlüssel des Pförtchens zum Galgen, nämlich zur Ringmauer, die dessen Beine ziemlich hoch umgab, 24 zu verschaffen gewußt, so daß sie im Notfall den Rückzug in die Festungskasematten offen behielten; denn standen sie einmal alle unter dem Galgen, und mitten von diesem runden Mauerverhack hoch umschlossen, so war ihnen nichts anzuhaben, und alle Schneider konnten durch das Galgenpförtchen, wie in einem engen Thermopyläpasse, spartisch heraus fechten.

Der Operationsplan war, wie es scheint, mit Verstand entworfen. Inzwischen drangen dennoch die Trödler unter Anführung des toll seienden Premierleutnants gegen den furchtbaren Berg vor und daran auf. – Beide Generalissimi der Heere fochten von Weitem auf dem rechten Flügel; – mit Erdklößen wurde ein böses Erdfeuer gemacht; und es wurde sogar ein Frauenschneider in der Hitze des Gefechtes an den Beinen wie ein Schlitten herabgezogen. Zuletzt mußten die Großlausauer der Übermacht weichen, da der wahrhaft grimmige Premierleutnant mit gefälltem Bajonett, nämlich mit gefälltem Flintenkolben auf jeden eindrang; denn die Kauzner Übermacht bestand nicht in Menschen – obwohl nach dem alten Kriegsglauben der Belagerer zehnmal mehr sein müssen, als der Belagerten – sondern in Kräften und Mut.

Wirklich erstürmten die Kauzen den Berg; aber hier erwartete sie jener Marianische Kriegsverstand, welcher schon lange vorher den Galgenschlüssel zur Januspforte sich in die Hände zu spielen gewußt; der ganze rechte Schneiderflügel zog sich durch das Pförtchen hinter feste Mauern zurück, entschlossen, aus demselben, Schneider für Schneider, auszufallen.

25 Dennoch trat wieder der Tolle als ihr Unglücksvogel auf. Gegen ein fürchterliches Knallfeuer und eine aufgepflanzte Batterie von Flintenkolben drang er allein vor das Galgenpförtchen, faßte den Drücker an, schlug dasselbe zu und zog den Schlüssel ab. Der Kern der halben Armee war nun eingeschlossen vom Galgen, denn die Ringmauer dieses Notstalls war viel zu hoch, als daß, sogar Meister auf Gesellen gestellt, sie hätten auf den Wall heraussteigen können, um etwa von da aus etwas hinab zu tun. Anfangs schrie der ganze halbe Flügel: »Aufgemacht unsere Festung! Ist das Kriegsgebrauch und Revüengebrauch? Den Schlüssel hinein, ihr Galgendiebe!« –

Dieser Name war den Trödlern nicht gleichgültig; mehrere warfen – um vielleicht Artigkeiten und Liebe mit Krieg zu vereinen – ungeheure Steine, womit das erste Griechenland gerade die Liebe und die Grazien (nach Winckelmann) darstellte, in das Parterre noble hinein, welches, so dicht gedrängt, am Kopfe viel litt. Aus Mut feuerten wieder die Konklavisten ihre Ladstöcke in die Luft, und schossen ihren Gehenkten beinahe wie einen Fahnen- und Schützenadler ab, ohne den Feind draußen anders zu verwunden als an Ehre durch Schimpfen. Jetzt aber flogen nicht nur Verbalinjurien und Spitznamen, sondern auch die eingeflogenen Steine aus dem Bergkessel, und diese wieder gegenseitig in diesen Festungsgraben zurück; ja es ist erwiesen, daß einige Großlausauer aus Mangel an Gelassenheit und an Ladstöcken zuletzt selber Flinten hinauswarfen, um damit, statt zu erschießen, doch zu erwerfen.

26 Es ist in der Tat ein trauriges Amt, Kriege beschreiben zu müssen, worin Feindseligkeiten vorfallen, welche für Gesundheit, ja Leben der Krieger so leicht von ernsten Folgen sind. Eine einzige Galgenleiter hätte das Großlausauer Heer errettet und gehoben; dasselbe wäre daran auf die Mauer gestiegen, und hätte sich von da unter die Feinde hinabgestürzt. Jetzt aber ließen die Kauzen gar vollends die ganze Gewerkschaft und Besatzung in dieser la grande force des Galgens verhaftet zurück, und zogen davon, um zum Flügel des Fürsten Tiberius als Verstärkung zu stoßen.

Hier, wo die Fürsten selber kommandierten, hatte in der Tat lange der Sieg geschwankt, ja Maria Puer hatte durch Mehrzahl die Zunge der Wage auf seine Seite gezogen, als der Kauzenflügel gerade vom Galgen kam, und die Wagzunge ziemlich in die Mitte richtete, bis wieder das Tiberische Affenkontingent, das nach nachgemachten Gefechten dürstete, den Fürsten Maria so mit Pfoten und Prügeln umringte, daß er in Gefahr kam, von ihnen, da sie schlugen und sprangen und kratzten und nichts nach Fürsten und Heerschauen fragten, gefangen genommen zu werden – wär ihm nicht zum größten Glücke gegen das Auxiliarvieh seine Schneidersscherenflotte vom Galgenberge her zu Hilfe geflogen.

Diese machten ihn frei, und die Mächte wieder gleichgewichtig, und führten leicht den Waffenstillstand, der zum Essen nötig war, herbei, so daß beide Fürsten in einem königlichen Zelte ganz friedlich speisten. 27

 


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