Karl Immermann
Das Trauerspiel in Tyrol
Karl Immermann

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Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Im Hauptquartier des Vicekönigs von Italien zu Villach. Vorzimmer.

La Coste. Ein Kammerdiener.

Kammerdiener. Sie heiße Elsi, soll ich sagen. Fast
Mit der Gewalt mußt' ich sie hindern, hier
Herein zu dringen. Elsi heiße sie;
Ihr kenntet sie, Ihr kenntet diesen Namen.

La Coste. Ich kenne sie nicht, kenne nicht den Namen.
Das sag' ihr wieder. Hab' sie nie gekannt.
Schlecht übst du deinen Dienst, wenn du die Ruhe
Des kaiserlichen Hauses stören läss'st.
Ins Irrenhaus das Weib! Schaff sie hinweg!
        Der Kammerdiener geht.
Das wär' zu harte Strafe unsrer Sünden,
Wenn sich die Schönen, die die Langeweile
Von ein paar müß'gen Stunden uns vertrieben,
Gleich Furien an unsern Fersen hingen.
Genug von diesem Schreck! Denk deines Auftrags.
Zu schlimmer Meldung sandte mich der Herzog
Aus diesen glatten Boden. Sagen soll ich,
Daß wir am Isel unsre Schlacht verloren,
Dem Sohn des Herrn, dem kaiserlichen Jüngling.
Er kann uns nicht verzeih'n. Er muß uns zürnen.
Der Tag ist unverzeihlich. Mich zuerst
Trifft nun sein herber Blick. La Coste, Mut!
Begegnen wir gefaßt der bösen Stunde!

Ein Page tritt auf.
Mein Herr! des Prinzen Hoheit will Sie sprechen
        La Coste geht.
Ha, der Pedant! Er hat uns oft gescholten.
Nun steht der Heuchler ohne Larve da;
Bis in das Hauptquartier verfolgen ihn
Die Weiber! Er ruft zur Thür hinaus.
                      Alter, he, bist fertig draußen?

Der Kammerdiener tritt ein.
O, junger Herr! Ihr könnt Euch gleichfalls spiegeln
An diesen Folgen böslicher Gelüste.
Mich hat's erschreckt; das mag ich Euch versichern.
Denn als sie hörte: daß er sie nicht kenne,
Sah sie, glutroten Angesichts, zu Boden,
Hob schneebleich dann das Angesicht empor,
Und fragte, stöhnend, unter Seufzern, die
Mir schnitten in das Herz: Er kennt mich nicht?
Ich wollte sie beruh'gen; aber sie,
Mich unterbrechend mit gewalt'gem Laut,
Rief, ihre Augen roll'nd: Er kennt mich nicht!
Und Zorn und unaussprechliche Verachtung
Zuckt' um den Mund. Sie wandte mir den Rücken,
Und ging. Die langen, aufgelösten Haare
Umflogen schauerlich Haupt und Gestalt.
So ging sie weg. Ich wagte nicht, zu seh'n,
Wohin sie ging.

Page                           Ein tragisches Süjet!
Sulpice, der art'ge Verse macht, soll's hören.
Gleich dichtet er, ich wette, die Romanze:
La Coste-Äneas und Dido vom Isel. Er geht.

Kammerdiener. Ruchlose Jugend! Dieser Knab' hat vierzehn,
Und spricht vom Laster, wie ein alter Sünder.
Was wird die Welt für Zeiten noch erleben!
Wohl mir! ich bin ein Greis, seh' sie nicht mehr. Ab.


Zweiter Auftritt.

Staatszimmer.

Der Vicekönig im Sessel. La Coste in einiger Entfernung vor ihm stehend. Nachher Graf Barraguay.

Der Vicekönig. Wie schmerzlich, wie erschütternd Ihr Bericht
Mich traf: mich treffen mußte, sehn Sie selbst ein
Ich will die nötigen Befehle, die
Nach diesem Unglück Ihrem Herzog werden,
Zu morgen Ihnen geben. Geh'n Sie jetzt.
Noch eins. Erklären Sie dem Herzog mündlich,
Nichts Schlimm'res könn' er thun in seiner Lage,
Als sich unmutiger Verzweiflung weih'n.
Des Kaisers Dienst erheischt Besonnenheit;
Von meiner Seite wirk' ich gern dahin,
Daß Ruh' ihm werde. Sagen Sie zu ihm:
Ich sei sein Freund, und bleib' es; werd' als Freund
Ihn, und die Sach', an Kaisers Thron vermitteln.
        La Coste entfernt sich. Der Vicekönig klingelt. Ein Page erscheint.
Ruf mir den Grafen Barraguay. Page ab.

Der Vicekönig schreibt. Nach einer Pause tritt der General Graf Barraguay ein. Der Vicekönig tritt ihm entgegen.

                                                      Soeben
Verließ mich ein Offizier des Herzogs Danzig –

Barraguay. Ersparen Eure Hoheit sich den Schmerz
Der Wiederholung.

Vicekönig.                     Wissen Sie's?

Barraguay.                                           Den Boten
Traf ich vorher, eh' er zur Meldung ging.

Vicekönig. Und wissen alles?

Barraguay.                               Alles!

Vicekönig.                                           So beklagen
Sie mit mir dieses traurige Verhängnis.

Barraguay. Der Marschall hat höchst freventlich gehandelt.

Vicekönig. O lassen Sie mich weinen, eh' ich schelte,
.Beweinen so viel Tapfrer bittern Tod!
Ich klage nicht, wenn Menschen fallen; leider
Will's unsre Zeit, will's unser Schicksal so.
Doch wenn sie in dem Kampf mit Felsen, mit
Der blinden, wütenden Natur verderben,
Unnütz verderben, dann empört sich mein Gemüt.
Daß Reichtum stets doch zur Verschwendung führt!
Weil unser Frankreich lauter Helden zeugt,
Glaubt jeder sich berechtigt, ohne Maß
Das Blut der Tapfern zu vergeuden. Wie?
Wer gab dem Herzog dazu die Erlaubnis?

Barraguay. Ich wiederhole, daß er übel that.
Doch mit Bestürzung seh' ich, gnäd'ger Prinz!
Sie selbst versunken in Betrübnis, die
Mir ungewöhnlich scheint. Was kann so sehr
Die Ruhe Ihres großen Sinnes stören?

Vicekönig. Ja, lieber Graf! ich darf es wohl gestehn.
Sie sind mein Freund, so tragen Sie mit mir.
Ich fühle mich in meinem Innersten
Verwandelt, und geheime Schrecken nagen
Mit stillem Zahne mir das kranke Herz.

Barraguay. Ist's möglich? und warum, mein teurer Prinz?
Betrachten ernsthaft wir den schlimmen Fall,
Doch nicht voll Sorge. Fast unglaublich scheint,
Was mir der Offizier zugleich berichtet,
Von dieser Insurgenten wen'ger Einsicht,
Dem Mangel an Zusammenhang und Ordnung.
Was ist Tyrol? Ein Sandkorn in dem Strom
Der Ding', aus dem wir, wie die Argonauten,
Nach unentdeckten Wunderländern fahren.
Wird solch ein Stäubchen unsre Fluten trüben?
Die Wellen roll'n verachtend d'rüber hin;
Was ist dies Volk? Ein Haufen blöder Bauern,
Der weder weiß, was er, noch wie er's will.

Vicekönig. Ach! könnt' ich seh'n mit Ihrem heitern Auge!
Ich kann es nicht! – Sie wüßten's nicht? – Ich sage:
Sie wissen's wohl. Das Herz treibt Sie, das Herz
Weiß immer, was es will.
Nicht die verworrne Schlacht am Berge Isel,
Worin der Zufall, wie es scheint, befahl,
Ist, was mich fürchten macht.

Barraguay.                                     Und was noch sonst,
Was kann Eur' Hoheit sonst noch fürchten machen?

Vicekönig. Das schreckt mich, was die Sache uns bedeutet.
Gewöhnlich Mißgeschick empfang' ich ruhig.
Als uns die Kunde ward vom Tag bei Aspern,
Und wie der Erzherzog des Kaisers Stärke brach:
Ihr alle bebtet, – ich hab' euch getröstet;
Das Kriegsglück wechselt, und ein Unding ist
Ein Feldherr, der nur immer siegen soll.
Zuweilen ist es heilsam, an den Wechsel
Des Menschlichen erinnert werden; denn
Wir fühlen dann uns Menschen, und verlangen
Nicht nach den Gütern, die nur Göttern eigen.
Rollet Fortunens Kugel, nun so rollt
Auch wieder uns die helle Seit' entgegen.
Allein das hier, das ist ganz anders, das
Tritt wie ein bleich Gespenst in unsre Kreise,
Und stört den Zauber, dessen wir die Meister.

Barraguay. Noch ahn' ich Ihre wahre Meinung nicht.

Vicekönig. Wodurch denn sind wir groß geworden, Graf!
Als daß wir gingen mit dem Sturm des Volkes?
Der wehte uns den lichten Sternen zu,
Und gab uns Kräfte, unsern goldnen Tempel
Inmitten dieser mürben Welt zu bau'n.
Uns regte an ein mächtiges Bewegen,
Ein zeugender, ein frischer Lebensgeist,
Und gegenüber war nur toter Stoff,
Nur Zahlen, Uniformen, Kabinette,
Die Fürsten ohne Völker, und die Völker
Hinwieder ohne Fürsten. –
Hier aber tritt uns ja dasselb' entgegen,
Was uns getrieben. Dieses arme Volk,
In seiner Einfalt, unter seinen Pfaffen,
Ist zu derselben Mündigkeit gelangt,
Wie wir mit unserm glänzenden Verstande.
Es will auf sich steh'n, einen Willen haben.
Wer schauderte wohl nicht, wenn sich die Geister,
Die selbst wir riefen, gegen uns sich wenden!
Dies deutet eine böse Spaltung an,
Der schwangern Zeit unheimliche Geburten!
Es birst die Welt, und durch den Riß entgegen
Dräu'n uns die Larven der Vergangenheit.

Barraguay. Gedenken Sie der Umwälzungen, Prinz!
Die uns betroffen; fürchten Sie das Beispiel,
So wag' ich, nur zwei Worte zu erwidern:
Tyrol – und Frankreich! –

Vicekönig.                               Sind verschiedne Dinge,
Sehr richtig – aber deshalb um so schlimmer.
Was wir erfahren und begangen haben,
Verstehen wir, und wissen's zu behandeln!
Nicht so das Fremde. Fassen Sie die Treue,
Womit das Volk am Hause Habsburg hängt?
Den Eigensinn, das Beßre, was von außen
Zu seinem Heil ihm zukommt, abzulehnen?
Ich mind'stens fasse die Gesinnung nicht;
Doch ist sie da, hat so viel Wert und Geltung,
Als alles in der Wirklichkeit Vorhand'ne.

Barraguay. Sie sind denn doch nur Deutsche, wie die andern,
Und Deutschland wird uns nie gefährlich werden.

Vicekönig. Das gebe Gott! denn würd' es uns gefährlich,
So endet' die Gefahr in unserm Sturze.
In diesem Lande voll Geheimnisse
Reift alles heimlich, unsichtbar heran,
Und seine Schrecken sind unüberwindlich.
Wir würden uns noch voll Gesundheit wähnen,
Wenn uns der Wurm schon nah am Herzen säße.
Sie sind nachdenklich worden, Graf?

Barraguay.                                                 Ich bin's.
Es faßt den Niedern eine Todesahnung,
Sieht er den Höhern, der im Glanz des Thrones,
Der Majestät zunächst einhergeht, zittern.

Vicekönig. Zittern? Wer glaubet, daß ich zittre, Graf?
An jenem Tag, da mich der Kaiser annahm
Zu seinem Sohn, schwur ich, sein Sohn zu sein,
Als hätt' er mich im Ehebett erzeugt.
Verträgt die neid'sche Erde keine Größe,
Und ist's auch seinem Wunderbau bestimmt,
Zu stürzen, wie die alten Wunderwerke,
Will ich, mein Haupt verhüllend, mit ihm fallen.
Inzwischen aber werd' ich, ständ' der Feind
Auch trotzend auf den Höhen des Mont Martre,
Ans Glück und an die Macht des Kaisers glauben.
Wir alle werden's, weil wir all' es müssen.
Es war nur meiner Freundschaft höchstes Zeichen,
Wenn ich die Schatten meiner Seele, die,
Wie Wölkchen an dem heitern Tag, sie trübten,
Vor Ihren Blicken nicht verbergen mochte.


Dritter Auftritt.

Der Page. Vorige.

Der Page tritt auf und bringt einen Brief.
Dies Schreiben überbrachte ein Kurier soeben.
        Übergiebt's und geht.

Vicekönig. das Siegel besehend.
Der Adler und die Bienen! 's ist vom Kaiser.
        Er erbricht und liest.
Was giebt es denn?
        Er umarmt Barraguay
                                  Wir haben Frieden, Graf!

Barraguay. Frieden?

Vicekönig                   Nach manchen Schwierigkeiten ist
Zu Altenburg und Wien das Instrument
Besiegelt, unterschrieben, ausgefertigt.
O schlösse sich der Tempel nun des Janus
Auf ew'ge Zeiten!

Barraguay.                 Ja, zu wünschen wär's.
Der schönen Güter, die das Schwert uns gab
Und Kaisers Gnade, werden wir nicht froh;
Beneidet uns die überwund'ne Welt,
So weiß sie nicht, daß wir von allem dem,
Was uns gehört, und uns erfreuen sollte,
Im Grunde nichts besitzen, als den Namen.

Vicekönig. Frankreich beschreitet nun, gleich einem Riesen,
Mit Einem Fuß das Nordmeer, mit dem andern
Das Meer von Adria. Was bleibt noch übrig?
Der Kaiser schreibt mir, das der Süd Tyrols
Zum Königreich, das ich verwalte, kommt,
Er will die Teilung und die Einrichtung
Des Landes alsobald vollzogen wissen.
Was raten Sie mir, Graf! dies auszuführen?

Barraguay. Den Trotz, den Eigensinn, den letzten Aufstand
Der Bauern, und die starre Wut der Führer
Ins Aug' gefaßt, daneben wohl erwogen,
Daß nicht ein Titelchen von Recht erübrigt,
Was ihnen zur Entschuld'gung dienen könnte,
Scheint Strenge mir so nötig, wie sie nützlich.
Soll sie das ganze Land, was ohne Zweifel
Im ganzen sie verwirket, auch empfinden,
So könnten wir die Dörfer, die hauptsächlich
Der Rebellion Vorschub gethan, verbrennen,
Die Männer aber d'raus erschießen lassen. –
Dies härtre Mittel scheint jedoch nicht rätlich,
So lang ein mildres kann zum Zwecke führen.
Die Völker und die Länder, die uns nähren,
Zerstören heißt, uns selber schaden. Also
Rat' ich, dem Haufen zu verzeih'n, und nur
Die Führer auf den Sandberg zu befördern.
Wir haben eine Liste, die sie nennt.
Vielleicht, daß Gnade eine Sonderung
Der Minderschuld'gen machte, daß wir nur
Den schlimmsten, unverbesserlichen Häuptern:
Dem Hofer, Haspinger und Speckbacher,
Nebst Teimer, Sieberer und Eisenstecken,
Straub, Fallern, Thalguter und Peter Mayer,
Die schwarze Kugel in die Urne legten.

Vicekönig. Sie glauben nicht, wie ich dergleichen hasse,
Wie Exekutionen mir zuwider.
Ich sträube mich, daran zu geh'n, obgleich
Ich wohl begreife, daß Ihr Rat vernünftig.

Barraguay. Gewiß, mein Prinz! nicht Blutdurst treibt mich an;
Notwendigkeit befiehlt's, so muß es sein.
Ein gärend Land durch Worte sänft'gen wollen,
Heißt Öl und Wasser zu verein'gen streben.
Gelingen kann's, o ja! Soll es gelingen,
Bedarf's dazu der Zeit und der Geduld.
Wenn wir Geduld auch hätten, fehlt uns doch
Die Zeit. So müssen wir's auf andre Weise
Vollbringen. Und wir nützen selbst dem Volke
Durch schleunige Entfernung alles Giftes,
Das, lassen wir's, vom neu'n die Pest entzündet.
Hart gegen ein'ge ist sanft gegen viele.

Vicekönig. Ich glaube, daß in solchem schlimmen Fall
Auch die Empfindung eine Stimme hat,
Weil der Verstand nicht rein die Rechnung löset.
Den Grafen, meinen Vater, sah ich selbst
Zum Blutgerüste geh'n, und taucht ein Tuch
Ins Blut, das durch die Bohlen tröpfelte.
Und dieser Anblick kommt mir stets vors Auge,
Wenn mir ein Todesurteil wird gebracht.
Ich schaud're dann, und meine Feder stockt.
Ich will sie selbst zu Meistern ihres Schicksals,
Zu Herren über Tod und Leben machen.
Entbieten Sie durchs Land die Amnestie,
Vergebung jedem, der die Waffen streckt,
Und laden Sie die Häupter zum Gespräch,
Vielleicht gelingt es mir, sie zu gewinnen.
Nur wenn der Gnade Ruf wird fruchtlos hallen,
Dann ist es Zeit, dann mag das Richtbeil fallen.


Vierter Auftritt.

In der Hofburg zu Innsbruck.

Nepomuk von Kolb und Donay..

Kolb. Ich heiße also Flörs von Ödenhausen?
Was aber soll ich sprechen, Priester Donay?

Donay. Du sei'st berichtet durch die dritte Hand.
Und dann benennst du einen Menschen, der
So wenig, als der Vogel Rock, vorhanden –

Kolb. Als: Rippenspeer –

Donay.                               Ja, oder wie du willst.
Von dem habst' du erfahren, der hab' dir
Erzählt und bei der Flasche zugeschworen,
Speckbacher strebe nach dem Regiment,
Und wolle Hofern in den Kerker stoßen.
Du mußt's so stellen, als ob dieser Mann
Von Speckbachern das alles selber habe.
Dann halte an, und hole seufzend Atem,
Sprich d'rauf von falschen Priestern, und wie schändlich,
Wenn's Meßgewand ein ruchlos Herz bedeckt –

Kolb. Soll ich vor dir auf Priester schmäh'n? Das wird
Dich zornig und verlegen machen, Donay!

Donay. Nein, lieber Nepomuk! es trifft mich nicht.
Melde, dir sei ein Zettel zugesteckt,
Und leg den Zettel, den wir schreiben wollen,
Vor Hofern auf den Tisch; du könnt'st nicht lesen,
Ein Kund'ger aber habe d'raus gelesen:
Daß Pater Jochem sinne, mit dem Feind
Sich zu vertragen insgeheim, die Schar,
So ihm gehorche, zu dem Feind zu führen,
Und zugesetzt, das wiss' er schon seit lange.

Kolb. Doch wird der Sandwirt mich nicht gleich erkennen?

Donay. Du mußt dich schwärzen, wie ein Köhler, Kolb!
Mit einem Pflaster dir das Auge decken,
Die Stimme fälschen, sollst auch nicht viel sprechen,
Abfragen will ich dir's, mein lieber Kolb!

Kolb. Wenn's nur gelingt!

Donay.                                 Der Zweck muß dich befeuern.
Das fromme Unternehmen krankt, weil rohe
Und wüste Männer unserm Oberhaupt
Zu nahe steh'n. Sie müssen wir entfernen,
Damit die Leitung ruhig und gedeihlich
In unsre Hände komme. Fromme Schlauheit
Trug immerdar den Preis davon. Schon Jakob
Erschlich den Segen vor dem Polterer,
Dem Esau; und Jehova schützte ihn.
Der Herr erleuchte dich mit Jakobs Weihe!

Kolb. Wo sahst du Witz bei leerem Beutel blüh'n?
Donay! ich bin erschrecklich im Verfall.
Kein Engel spricht, und alle Gläub'ger schrei'n.

Donay. Noch ein's: bring' deine Rede g'rad' heraus,
Ganz schlicht und einfach. Bösewichter kenn' ich,
Die, gleich den Bühnenschurken, schon von weitem
Durch Augenroll'n und stürm'sches Schnauben rufen:
Nehmt euch in acht, ihr Leut', hier kommt ein Schelm!
Solch kindisch Wesen kann nur Kinder foppen,
Der kluge Mann sieht dumm und ehrlich aus.
Soll Lüge trügen, muß sie Wahrheit scheinen,
Und nach Gefallen mußt du können weinen.

Kolb. Es wird schon geh'n – Ich will mich jetzt verstell'n.

Er geht.

Donay. Gelingt es mir, die Häupter zu entzwei'n,
Mißtrau'n dem schwachen Sandwirt einzuflößen,
Wird die Verwirrung immer, immer größer,
Was mir nur frommen kann; dies dumme Spiel
Von Treu' und Frömmigkeit und Bauernhelden,
Wird ohnehin zu bald ein Ende haben,
D'rum gilt's, das Wasser, so viel möglich, trüben,
Da fischen unsre Hände dann so besser.
Den blöden Nepomuk setz' ich gefangen,
Wenn er sein Werk gethan; er ist der Affe,
Der mir die Kästen aus dem Feuer holt.
Hier kommt der Sandwirt; zieh'n wir uns zurück!

Er zieht sich zurück in den Hintergrund.


Fünfter Auftritt.

Andreas Hofer tritt auf mit seinem Sohne Johann.

Johann. Im alten Rittersaal, herzlieber Vater,
Hängt's Pflock an Pflock von schönen Büchsen voll,
Das ist dir eine Herrlichkeit, mein Vater!
Mit Gold und Silber und mit Elfenbein
Sind welche ausgelegt; lieb Väterlein,
O bitte, darf ich mir nicht eine nehmen?
Das ganze Thal Passeyer staunte d'rob!

Hofer. Es darf nicht sein, mein Sohn, denn sie gehören
Mir nicht.

Johann.         So schenk' mir einen solchen Vorhang
Von schönem roten Zeug zu einer Fahne!

Hofer. Auch dieser Vorhang, Kind! gehört mir nicht.

Johann. Den Teppich da wirst du mir nicht versagen,
Ich mach' ein Zelt daraus, und wohne d'runter.

Hofer. Mein Kind, es ist mit diesem Teppich, wie
Mit jenem Vorhang und mit deinen Büchsen;
Von allem, was du siehst in dieser Burg,
Ist nichts mein Eigentum.

Johann.                                     Nun, wessen ist's denn?

Hofer. Des Kaisers, lieber Sohn; für den verwalt' ich's.
Nicht einer Nadel Wert darf ich berühren.

Johann. Ei, Vater, sag' mir doch, was hast du denn
Von deinem Stand und Regiment?

Hofer.                                                     Komm her!
Ich will dir's auseinandersetzen, Kind!
        Er setzt sich. Der Sohn stellt sich vor ihn.
Ich hab' davon: daß ich muß wachen, wenn
Die andern schlafen können; hab' davon:
Daß mir den Bissen würgt im Mund die Sorge,
Wenn andern glatt der Wein hinunter fließt;
Ich hab' davon, daß ich die Stube muß
Gedankenkummervoll taglang durchwandern,
Wenn andere schießen oder Gäule tummeln.
Sieh', Hans, darin besteht des Vaters Stand.

Johann. O Väterlein, das ist ein schlimmer Stand,
Dazu hätt' ich nicht Lust!

Hofer.                                       Mein liebes Kind,
Damit du bleiben kannst in deinem Stande,
Wenn du einmal herangewachsen bist,
Deshalb erwählte ich so schlimmen Stand.

Johann. Weißt was, mein Vater? Kehre nach Passeyer,
Da ist dein Stand viel besser, als wie hier;
Da kannst du schlafen, essen, Scheiben schießen
Nach Herzenslust. Die Mutter meint' es auch,
Ich sollt's dir sagen, wie sie mich hierher
Geschickt zu dir.

Hofer.                         Was weiß die Mutter davon?
Wenn du mit deinen Kameraden spielst,
Darfst du hinweg dann laufen, eh's zu Ende?

Johann. Nein, Vater; denn dann spielten sie mit mir
Nicht wieder.

Hofer.                   Siehst du wohl, kein Ehrenmann
Würd' wieder mit mir spielen, ging' ich weg.
Ich hab' das Spiel, das blutig ernste Spiel
Begonnen, muß es nun zu Ende spielen.

Johann. Da du mir nichts kannst schenken, lieber Vater,
So lebe wohl, ich will nach Hause geh'n.

Hofer. Bleib bei mir, Knabe, mir wird wohler sein,
Seh' ich zuweilen in dein gutes Auge;
Sollst mit mir essen und dein kleines Bett
Stell' ich in meine Kammer neben meinem.
Nicht wahr, Hans! gehst von deinem Vater nicht?

Johann. Ich bleibe bei dir, lieber, lieber Vater!

Er hängt sich dem Vater an den Hals; dieser umschlingt ihn. Ein Bedienter tritt ein und sagt Donay etwas ins Ohr. Dieser tritt vor.

Donay. Mit Schmerzen, würd'ger Oberkommandant,
Trenn' ich, durch eine Meldung, diese Scene.

Hofer küßt seinen Sohn auf die Stirne und deutet nach der Thür. Der Knabe geht.

Ein unbekannter Landmann, Namens Flörs
Aus Ödenhausen, steht im Vorgemach,
Begehrt Gehör, – er habe eine Nachricht,
Die wichtig sei – und will sie dir nur bringen.

Hofer. Was kann es sein? Mir ahnt nichts Gutes, Donay!
Wo Eisenstecken bleibt? Ich werde ruh'ger,
Wenn ich erst weiß, wie's um den Kaiser steht,
Und wie ihm unsre eigenmächt'ge Liebe
Gefällt. 's ist ein bedenklich böser Zustand!
Und Speckbacher und Pater Haspinger
Sind auch nicht, wie ich hoffte, mir zur Seite,
Ein jeder will nur seinem Sinne folgen.

Donay. Voll Trauer hab' ich oft geseh'n, wie du
Ertragen mußtest ihren Widersinn.
Von da, bis zu Verbrechen, die mein Mund
Nicht nennen mag, ist, dacht' ich oft, ein Schritt.

Hofer. Wie meinst du das?

Donay.                                   Warum besteh'n sie so
Hartnäckig d'rauf, von Mannschaft dich zu blößen?
Der eine will mit einem Teil des Landsturms
Nach Salzburg, die Franzosen dort bekämpfen,
Der andre will den Rest nach Welschland führen,
Mailand erobern, und was weiß ich mehr?
So sagen sie; man muß es freilich glauben.

Hofer. Das sind die alten Grillen, die mich quälen!
Sie woll'n die Generale und Erob'rer
In fremden Ländern machen, und die Fackel
Des Krieges dreist zu unsern Nachbarn tragen.
Sie glauben, unsrer Sache aufzuhelfen,
Und merken nicht, daß sie verloren ist,
Thun wir nur einen Schritt aus unsern Grenzen.
Wie Abenteurer soll'n wir fernhin irren,
Damit der Abenteurer Los uns treffe.
Hierher gehören wir; hier ist die Heimat;
Weh' uns, wenn wir was weitres jemals wollten,
Als sie von fremden Füßen rein erhalten.
So weit das Recht, und weiterhin ist Unrecht!
Mit meinem Willen geht kein Schütze je
Aus unsern Marken. Wüßt' ich selber doch
Nicht, ob ich einem Schuß noch könnte steh'n,
Hätt' ich des Landes Berge hinter mir.

Donay. Es spricht Vernunft für deine Meinung klar,
Und darum muß es fast auffallend scheinen,
Daß kluge Männer, wie die beiden sind,
Die helle Stimme nicht vernehmen, mind'stens
So thun, als ob sie sich nicht überzeugen.
Es ist ein schlimmes Ding um Unvernunft;
So scheußlich widerwärtig ist ihr Anblick,
Daß wir's für eine Larve lieber halten,
Als für ein wahr und ungefälscht Gesicht.
Stets bleibe Argwohn unsrer Seele fern!
Ein schwaches, ein mißtrauisches Gemüt,
Könnt' sich verleiten, jene Thorenpläne
Aus höchstverständ'gen Plänen zu erklären.

Hofer. Sag', was du meinst!

Donay. So spräche dieses zweifelnde Gemüt:
Der würd'ge Sandwirt ist des Volkes Abgott,
Nicht wage, wer was wider ihn im Sinn hat,
Was mit dem Volke gegen seinen Willen,
Dies auszuführen, wenn das Volk bei ihm.
Zweideut'ge Dinge können nur geraten,
Sofern's gelingt, das Volk von ihm hinweg
Zu führen, ihn allein zu stellen. Dann
Gelten die Künste, die im Finstern wirken.

Hofer. Um Gottes willen, weißt du, ob geheim
Solch teuflisch schwarzes Werk wird zubereitet?

Donay. Bei dem Erlöser, nein! So helf' mir Gott,
Als ich von deinen Freunden nichts denn Gutes
Weiß und zu wissen trachte. Speckbacher
Ist stolz und heftig, aber rein und edel;
Nicht Tücke ist es, nur des Blutes Hitze,
Wenn er heraus oft sprudelt: er verstehe
Mehr zu regieren, als der arme Hofer;
Und Pater Jochem sieht zwar alles trübe,
Doch ist er nicht so voll von Kleinmut, daß
Er's ernstlich meinte, als er neulich sprach:
Wir seien doch verloren, und so müsse
Ein jeder nur auf seine Rettung denken.
Es sind ja brave Männer, wie ich meine,
Und nur zu unvorsichtig oft mit Reden!
Genug davon! – Schon reut es mich, daß ich
So frei zu dir gesprochen, als wenn ich
Mit meiner Seele Zweigespräch gehalten,
Der Geist gleicht immerdar der Gegenwart;
Ist diese wechselvoll, so schwankt auch er
Von Furcht zu Hoffnung, vom Vertrau'n zu Zweifeln.
Genug davon! – Befiehlst du diesen Boten?

Hofer. Laß ihn hier nebenan ins Kabinett.
O Gott! wann wirst du meine Qualen enden?

Sie gehen ab.


Sechster Auftritt.

Ein anderes Zimmer in der Hofburg.

Speckbacher und Joachim Haspinger treten auf.

Speckbacher. Noch einmal müssen ernst wir zu ihm reden,
Nicht dürfen wir, aus Furcht, ihn zu erzürnen,
Pflicht und Gewissen in die Schanze schlagen.
Mit unsrer Bergesschlacht ist's nicht gethan;
Den Sieg zu nützen, darauf kommt es an.
Sechs unschätzbare Wochen sind verloren;
Der Feind, von seinem Schreck erholet, hat
Das Land an allen Pässen hart umstellt.
Wie Pesterkrankte sind wir ausgeschieden
Aus aller Menschen helfender Gemeinschaft
Und atmen, wie lebendige Begrabne.
Der Sandwirt aber liegt gemächlich hier
Zu Innsbruck, hochbeschäftigt, zorn'ge Gatten
Einander zu versöhnen, und Mandate
Zu schreiben, daß die Frau'n sich zücht'ger kleiden.
Es soll mir keiner sagen, daß ich stöhne,
Wenn Hoffnung noch den Saum des Kleides zeigt.
Wir aber sind verloren, daß du's weißt,
Wenn wir nicht rasch durch kriegerischen Zug,
Nach Salzburg ich, du nach Italien,
Dem eingeschnürten Lande Luft verschaffen.

Haspinger. Es mag d'rum sein, wiewohl's nicht helfen wird,
Da Hofer starr ist, wie der Felsen, der
Ob seinem Dache hängt. Gäb' er's auch zu,
So hülf' es doch nur auf 'nen kurzen Tag,
Der unsrer Freiheit noch gefristet würde,
D'rum alles eins, wir bleiben oder geh'n.

Speckbacher. O Pater! bess're deine Rede, denn
Die Luft erkrankt, wenn ihr dein Atem solche
Entherzte Wort zuträgt, und sie steckt
Auch mich mit kalter Angst und Zweifel an.

Haspinger. Ich bin aus meinen Fugen, meinem Stande,
Der mir befiehlt, das Meßbuch umzublättern,
Und nicht im blut'gen Buch des Kriegs zu wühlen.
Solch eignes Los, so seltsame Verfassung
Vergessen wir in kühnen Augenblicken,
Allein die Zeit bringt wieder die Erinn'rung,
Und diese macht uns schwanken. In euch allen
Seh' ich ein Abbild meines eignen Zustands.
Wie passen wir mit unserm Aberglauben
Zu dem Verstande dieser klugen Zeit?
Drum werden wir verschlungen werden. Doch
So lang ihr kämpfet, kämpf' ich auch mit euch,
Nur wolle nicht, daß ich was hoffen soll.


Siebenter Auftritt.

Andreas Hofer tritt auf, verstört, mit dem Priester Donay. Die Vorigen.

Hofer. Die beiden, ha!

Haspinger.                   Da ist der Sandwirt!

Speckbacher.                                                   Wie?
Was für ein Antlitz ist das!

Haspinger.                                 Ist's ein Wunder?
Donay, sein böser Engel, steht bei ihm.

Donay. – Die beiden Argverleumdeten seh' ich.
Ein Ausbruch ist zu fürchten, hindr' ich's nicht,
Der meine Minen, eh' sie zünden, sprengt.
        Zu Speckbacher und Haspinger.
Wählt eine bess're Stunde, edle Männer!
Wollt ihr den Oberkommandanten sprechen,
Den tödlichsten Verdruß erlitt er eben,
Unfähig ist er, seht ihr, zur Beratung.

Haspinger. Bist du sein Vormund?

Donay geht zu Hofer.                             Würd'ger Kommandant!
Schick, ich beschwör' dich, diese Männer weg;
Ein fürchterliches Unglück ahnet mir
Von eurem unerwarteten Begegnen.

Hofer. Laß mich!
        Er stößt ihn zurück.
                          Du meinst es gut! Mir frommt es nicht.
Entlasten muß ich mich; der Tod sitzt qualmend
Mir in der Brust! Zerspreng' die Fesseln, Herz!
Wirf deinen Gram den Mördern vor die Füße.
        Er tritt vor.
Was wollt ihr? – euch – euch mein' ich – was ihr wollt,
Frag' ich. Könnt ihr nicht reden? – Gebt doch Antwort! –

Speckbacher. Du bist nicht ruhig g'nug, um uns zu hören.

Hofer. Ruhig? – Ich wünscht' um deiner Seele willen,
Du wärst so ruhig, könnt'st so ruhig sein
Wie ich es bin! Sprecht!

Haspinger auf Donay zeigend.   Laß den Priester geh'n!

Donay steht unbeweglich.

Hofer. Der Priester bleibt! – Er ist zu schwach, um mich
Zu schützen gegen euch. Er hemmt euch nicht.

Haspinger. Zu schützen – Wie?

Donay.                                         – Am Faden hängt mein Heil! –

Speckbacher. Wir kommen, Sandwirt! dir zu sagen –

Hofer.                                                                               Halt!
Noch einen Augenblick! Ich will erst nachseh'n.
        Er geht nach der Thür und sieht hinaus.
Den Schließer also brachten sie doch nicht
Gleich mit! Es wäre auch zu ungeziemend –
Nun weiter –

Speckbacher.     Unser Elend kennst du, kennst
Auch uns're Meinung, wie's allein zu bessern.
Nicht wiederhol' ich sie, weil du sie kennst.
Zu bitten und zu dringen, sind wir da,
Uns zu gestatten, die Unthätigkeit,
Die uns verdirbt, durch Thaten zu verdrängen.
Gieb unsern Gründen endlich doch Gehör,
Und stell' das Volk zu unserem Befehl,
Daß wir vollbringen, was uns helfen kann.

Hofer. Du willst nach Norden, du nach Süden?

Speckbacher und Haspinger.                             Ja.

Hofer. Und was bleibt mir, und wo bleib' ich?

Speckbacher.                                                     Du bleibst
In Innsbruck, weil du doch einmal nicht willst
Die Grenzen überschreiten, leitest da
Das Innre und regierst an Kaisers Statt.
Hier aber brauchst du keine Truppen, Sandwirt!
Gieb uns Bescheid!

Hofer.                             Sogleich, und gründlichen!
Erst aber sag' mir, Josef Speckbacher!
Wie tief der Kerker, den du mir bestimmt?
Ich sage dir, ich werd' ein Lusten tragen,
Mich aus dem Fenster in den Inn zu stürzen;
D'rum laß mit Eisenstäben stark und eng
Jedwede Öffnung, willst du's hindern, sperr'n!

Speckbacher. Nun, Gott erleuchte mich, daß ich dich fasse!

Hofer faßt ihn bei der Hand.
Ich bin ein alter Mann, mein lieber Josef,
Und sehr empfindlich gegen dumpfe Nässe,
D'rum bitt' ich dich, gieb mir ein trocknes Stübchen,
Stoß' mich nicht hin in solch ein feuchtes Loch,
Wo gelbgefleckte Molch' auf Steinen brüten.
Du kannst das wohl noch thun für deinen Freund;
Ich sitze still und sicher, lieber Josef!

Speckbacher. Weh' uns! Der Hofer ist wahnwitzig worden.

Haspinger. Nein, nein, nein, nein! – Ein grauenhaftes Licht
Geht auf, und wirft den gelben Schein gewaltig
In eine Ecke, wo ein Sünder zittert!

Donay. – Zittr' ich? Ich zittre nicht! Vielmehr, ich bin
Gefaßt, und weiß schon den behenden Ausweg. –

Hofer zu Haspinger.
Du hast nicht recht, zu reden – du mußt schweigen,
Du bist tief unter mir und unter dem!
Der frevelt doch an mir nur, meint's vielleicht
In seinem wilden Stolze mit dem Lande
Recht wohl, und will den armen Andres Hofer,
Weil der der allgemeinen Wohlfahrt schadet
Durch seinen blöden Sinn, beiseite schieben.
Dich aber hat der ärgste Teufel, Kleinmut,
Betrogen um dein ewig Teil! Wer's Land
Verraten kann, des eignen Leibes wegen,
Der ist in meinen Augen, wie der erste,
Der Brudermörder Kain – pfui! mich ekelt's!

Haspinger. Bist du nun fertig? Hast du ausgeschäumt?
So ziemlich ist's zu ahnen, wessen wir
Verklagt sind. Wohl, ein Angeklagter darf
Den Namen seines Klägers fordern. Sage,
Wer hat uns angeklagt?

Hofer.                                     Ich kann's nicht sagen!
Ich möchte weinen, mich zu Tode weinen!
Muß ich in meinen alten Tagen noch
So niedrige Abscheulichkeit erfahren,
Und an den nächsten, an den besten Freunden!
Mich selber zu erhöh'n, und dann mich wieder
Hinabzustoßen! Aufruhr anzuzetteln,
Und dann sich feig davon zu schleichen, o!
Mein wundes Herz fliegt zwischen beiden Greueln,
Gleich einem Ball, geworfen von dem Knaben
Aus Schmutz in Schmutz, verzweifelnd hin und her!
Mir wär' es lieb, ich könnte aus der Welt geh'n. –
Verräterei ist gar zu häßlich –

Haspinger zu Donay.                       Nun,
So müssen wir uns wenden wohl an dich.
Du wirst den Kläger ohne Zweifel kennen.

Donay. – Der Streich ging fehl, man muß das Spiel jetzt ändern. –
Nicht leugnen kann ich, ehrenwerte Männer,
Daß sich ein Landmann vor den Sandwirt stellte,
Mit schwerer Inzicht gegen eure Treue
Und Lauterkeit. – Er redete bestimmt;
Doch wird sich die Beschuldigung vermutlich
Auflösen in ein Nichts, euch gegenüber.

Haspinger. Das ist die Frage. Doch sei nicht zu rasch,
Mein Bruder! Du bist gar zu arglos. Ach!
Die Welt ist schlimm! wer weiß, was hier enthüllt wird.

Donay. Mein Bruder! diesen Hohn verdien' ich nicht.
Ich geh' hinaus, und schaffe ihn zur Stelle.
– Das heißt, so weit als möglich von der Stelle. –

Haspinger. Und ich will mitgeh'n, und dir suchen helfen.

Speckbacher ihn aufhaltend.
Bleib' Joachim! Erst jetzt läßt mich Erstaunen,
Das meine Zunge band, die Worte finden!
Du thust mir keinen Schritt, ich thue keinen,
Um dies erbärmliche Gespinst der Lüge,
Das uns umstricken soll, entzwei zu reißen.
        Zu Donay.
Bleib' oder geh', such' oder suche nicht,
Dich kenn' ich nun, ich kenne dein Gesicht!
        Donay geht hinaus.
        Auf Hofer deutend.
Auch diesem Manne hab' ich nichts zu sagen.
Wenn ich werd' angeschuldigt, daß zu rasch
Ich auf den Feind gestürzt, daß zu viel Menschen
Dabei geopfert worden, oder wenn
Der Pfarrer bei dem Bischof mich verklagt,
Daß ich um Ostern nicht zur Beichte ging,
Dann will ich mich verteid'gen. Aber wenn
Der Freund vom Freunde fürchtet bösen Anschlag,
Dann schweig' ich still, und muß es gehen lassen.

Haspinger. Das Mißtrau'n kommt mir wie ein Nebel vor,
Der alle Dinge unserm Blick verändert.
So scheint dem Sandwirt Pater Haspinger,
Der, von der Vorzeit Herrlichkeit entzündet,
Aus seinem Kloster schritt, der alten Kirche
Die Stätt' in diesen Bergen zu bewahren,
Und aus den Trümmern stritt untadelig,
Ein feiger Schurke, der von dannen schleicht!

Hofer. Wie Pfeile dringen eure Wort' in mich!
Seid ihr unschuldig, meine lieben Brüder?
Ich glaub', ihr seid's. Ich bitt' euch, laßt's mich finden!
Der Unbekannte, Flörs aus Ödenhausen,
Kann lügen, aber mein Gefühl lügt nicht,
Das, ein verjagtes Kind, zurück sich schmeichelt.

Donay tritt auf.
Der, den ich suchte, war nicht anzutreffen.

Haspinger. Ich glaub' es wohl, mein würd'ger Bruder Donay!

Donay. So ist der Kläger denn nicht zu gestellen. Ab.

Hofer. Und wo kein Kläger ist, da ist kein Richter!
Kommt an mein Herz, ihr auserwählten Freunde!
Vergebt mir meinen Argwohn, o! ich litt
Weit schwerer doch, als ihr; mir brach das Herz,
Die lieben, lieben Freunde falsch zu wissen.

Haspinger. Laß gut sein, Hofer!

Hofer.                                             Könnt ihr mir verzeih'n
Die bösen Reden, die ich euch gegeben?

Speckbacher. Es war im Zorn; die Stunde sei vergessen.

Hofer. Allein ich litt wahrhaftig mehr, als ihr.

Speckbacher. Still denn davon! – Geschäfte gehen vor.
Erinn're dich, weshalb wir sind gekommen.
Laß mich nach Salzburg, den nach Welschland geh'n.

Hofer. So soll der Tag denn doch verdorben sein!
Allein, ich will mich fassen. – Seht, ihr Kinder!
Das geht nicht, und das soll nicht sein. Nichts davon!

Speckbacher. Ist's möglich, da du unsre Gründe kennst? –

Hofer. Und ihr kennt meine Gründe. Wohl, so hebt sich's.

Speckbacher. Des Landes Unglück auf dein Haupt! Wir sind
Verloren, wenn wir müßig liegen bleiben.

Hofer. 's ist möglich! – Doch wir fallen hier als Männer.
Was einem Manne, der sein Hausrecht schützt,
Im Hause widerfährt, ist ehrenvoll.
Doch stürzt er mit dem Schwerte vor die Thür
Und sucht den Widersacher draußen auf,
Ergreifen ihn List, Zufall, Mißgeschick,
Und wie die Teufel heißen, so die Werke
Der Menschen in ihr Gegenteil verstellen.
Wir sterben, muß es sein, wie reine Opfer,
Auf die Gott selber wohlgefällig schaut,
Nicht wie die Räuberbienen, die gefräßig
Nach fremden Stöcken schwärmen. Schweiget also!
Es ist mein letztes Wort in dieser Sache.

Speckbacher. Ich seh', du bist unbeugsam. Und so stelle
Ich mich auf meine eignen Füße wieder.
Der Landsturm aus dem Zillerthal ist mein.
Willst du kein andres Volk mir anvertrau'n,
Führ' ich die Mein'gen mindestens nach Salzburg.

Hofer. Das wirst du nicht; denn ich verbiete dir's.

Speckbacher. Ha, Tod und Teufel!

Hofer.                                                 Ruhig, lieber Josef!
Du siehst, ich bin's, und also bleib du's auch.

Haspinger. Steht nicht, wie Wetter, o verkehrte Männer!
Die Stirnen dunkelfaltend an einander!
Hört einen Priester, höret einen Freund!
Macht uns nicht zum Gespött des stolzen Feindes,
Tilgt Zwietracht! Soll der Fremde recht behalten,
Der sagt: Der schlimmste Widersacher sei
In unserm eignen Lager unter uns!

Hofer. Sprich das zu dem, der diesen Zwist begann.

Speckbacher. Das sag' ich auch.

Hofer nach einer Pause.                     Vielleicht kann ich den Knoten
Auflösen; hört mich an, und merkt mein Wort.
Ihr habt das Schwert der Herrschaft mir gegeben.
Ich nahm es zaudernd; denn ich dünkte nie
Mich höher als ich bin. Nehmt es zurück!
Ich leg' mein Regiment vor eure Füße,
Frei ist es; hebt es auf, und gebt es dem,
Den ihr für würd'ger achtet, es zu führen.
Ich scheide gern davon; denn seit der Stunde,
Da ich mit euch vor Innsbruck traf zusammen,
Hatt' ich nicht einen frohen Augenblick.
Der erste werd' ich sein, der eure Wahl
Durch unterwürf'ge Huldigung bestätigt.

Speckbacher. Wer meint das? Und wer will das?

Hofer.                                                                       Nun wohlan,
So will ich auch, daß ihr gehorchen sollt,
Wie ich, an eurer Statt, gehorchen würde.
So lang' ich das Kommando führe, werde
Ich seine Würde zu erhalten wissen.
Ich bin ein frommer Mann, und höre gern
Auf guten Rat; doch aber muß zuletzt
Mein Wort und Wille stets den Ausschlag geben.
Wer mir von diesen Auswand'rungen spricht,
Der hat den Kerker, daß ihr's wißt, verwirkt,
Und wer sich untersteht, nur einen Mann
Mir eigenmächtig aus dem Land zu führen,
Den laß ich – helf' mir Gott! – und wär's mein Bruder,
Vor seinem eignen Volke niederschießen!

Haspinger. 's ist weit mit uns gekommen! – höre auf!
Ein Bote nahet, den wir lang erwartet;
Ich sehe Eisenstecken atemlos.

Speckbacher. Nun endlich!

Hofer.                                     Gott sei Dank! Der kann was bringen,
Was uns erleuchtet und die Not beendet.

Haspinger. Sein Angesicht glänzt nicht von froher Zeitung. –
Er strebt hieher, er kommt, schon ist er da!


Achter Auftritt.

Eisenstecken. Die Vorigen.

Speckbacher. Was bringst du?

Hofer.                                           Sag' ein Wort, wie geht's dem Kaiser?

Eisenstecken. Ich hab' den Kaiser nicht gesprochen.

Hofer.                                                                                 Wie?
Den Kaiser nicht gesprochen? Und mein Auftrag?

Eisenstecken. Dein Auftrag war unnötig. Vierzehn Stunden
Von Kaisers Lager kehrt' ich wieder um.

Hofer. Du Gott! Weshalb?

Haspinger.                         O meine Ahnung!

Speckbacher.                                                   Jesus!

Eisenstecken. Stöhnt, wie der Hirsch, der angeschoss'ne, ächzet,
Wie Rosse, die der Sommerhitz' erliegen,
Brüllt, gleich dem beilgetroffnen Stiere! Wollt
Ihr in den Tönen reden, die uns eignen.
Pflückt alle Blumen von den Hüten! Werft
Sie in das Grab der tapfern Toten! Reißt
Die Federn ab, und streut sie in die Winde! –
's ist Friede! –
Und alles bleibt, wie es zuvor gewesen.
Wir haben Zeit und Hoffnung, Müh' und Freude
Verloren, Kampf verloren, Blut und Wunden
Verloren, Haus und Hof und Land verloren!
Die Grafschaft ist zerrissen in drei Fetzen;
Zu Bayern kommt der eine, zu Illyrien
Der andre, und der dritte kommt zu Welschland!

Speckbacher und Haspinger sind, ihr Haupt verhüllend, in Sessel gesunken.

Hofer. Hast du was Schriftliches darüber?

Eisenstecken.                                               Nein!
Sagt' ich es nicht? Sobald mir das Gerücht
In Klagenfurt die Nachricht zuposaunt',
Kehrt' ich verzweifelnd um.

Hofer. Das Gerücht kann lügen.

Eisenstecken.                               Dieses kann nicht lügen;
Das ganze Volk, vom Höchsten bis zum Tiefsten,
Sagt's, weiß es.

Hofer.                       So, das ist was andres freilich.
Das ganze Volk? Versteh' mich wohl! das ganze?
Nicht etwa einzelne? So Zungendrescher?
So Müßiggänger, die die Zeit mit Lügen
Zu töten pflegen?

Eisenstecken.             Kannst du denn noch zweifeln?
Es steht ja in der Zeitung schon.

Hofer.                                                   Die Zeitung
Ist ein treuloses, wind'ges Fabelblatt.

Eisenstecken. Welch' andere Beglaub'gung willst du noch?

Hofer. Des Kaisers, meines Kaisers Hand und Siegel.
Wenn Er, der uns zum heil'gen Kampf gemahnt,
Zur Ruh' uns mahnt, urkundlich, daß wir's lesen,
Dann ist's gewiß, gewiß, gleichwie der Ruf,
Der einst am jüngsten Tag die Welt zerschmettert.
Doch eher nicht. Indessen müssen freilich,
Wenn es das ganze, ganze Volk schon sagt,
Vorläufig wir's so nehmen, als sei's wahr.

Speckbacher richtet sich auf.
Wahr? Was ist wahr? Wo blüht auf Erden Wahrheit?
Schien unser Mut nicht, unsre Hoffnung wahr,
Und jede Regung dieses heißen Sommers?
Und doch war alles Lüge! Alles! Alles!

Haspinger steht auf.
Die Welt ist in erschrecklicher Verwirrung!
Das holde Wort, das süßeste auf Erden,
Das Friedenswort, das alte Greise sonst
Verjüngt, und sie die Krücken werfen läßt,
Tönt unsern bangen Ohren greulicher,
Als der Verdammung ew'ger Richterspruch.

Speckbacher zu Hofer.
Leb' wohl, Andres! Mich siehst du schwerlich wieder!

Haspinger. Leb', Andres, wohl! Bis auf das andre Leben!

Hofer. Bleibt bei mir, Brüder! Wohin strebet ihr?

Speckbacher. Ich werfe mich ins Zillerthal, und will
Erst mit dem letzten Mann das Thal verlieren! Er geht.

Haspinger. Ich steige in des Klosters Gruft, und möge
Die tiefre Gruft mich Müden bald empfangen! Geht.

Hofer. Halt! ach, sie hören nicht! Ich bin allein,
Und muß allein das arme Volk vertreten.
        Trompeten.
Was wollen die Trompeten?

Eisenstecken.                             Ein Franzose
Steigt auf der Treppe vor dem Schloß empor.

Hofer. Geh', Eisenstecken! sag dem Volke an,
Was du erfahren; daß es wissen möge,
Wie unsre Sachen steh'n. Verständ'ge Männer
Soll'n sie mir schicken; ich will meine Meinung
Durch die verkünden lassen. Eisenstecken ab.
                                                Nun, was will
Der Franzmann? Zwar, ich kann es mir wohl denken.


Neunter Auftritt.

Ein französischer Offizier tritt auf. Volk dringt ihm nach. Hofer.

Offizier nach dem Volke gewendet.
Wollt ihr mich morden, wißt, so fällt für mein Haupt
Ein Dutzend Köpfe.
        Er tritt näher.
                                  Meines Prinzen Hoheit
Schickt mich zu euch Empörern, und verkündet:
's ist Friede, wie ihr wißt; ringsum ist Friede;
Nur ihr in euren Bergen führet Krieg
So gegen göttliche, wie menschliche Gesetze.
Verwirrung, Unordnung herrscht unter euch;
Das Elend keucht in Dörfern und in Städten.
Dies euer jammernswürdig Schicksal mehr
Als unser klares Recht betrachtend, hat
Der Prinz, in Vollmacht seines hohen Vaters,
Euch mit dem Auge angeseh'n der Gnade.
Er beut Vergebung euch, wenn ihr sofort
Dem Landesherrn, der euch bestimmt ist, folgt,
Die Waffen niederlegt und euch zerstreut.
Das Nähere hierüber festzusetzen
Und seine Willensmeinung zu vernehmen,
Befiehlt er euch, ihm Abgeordnete
Nach Villach in sein Hauptquartier zu senden.
Bedenkt euch kurz, denn kurz ist meine Zeit.

Hofer. Und kurz kann ich hierauf die Antwort geben:
Ich komm', als Haupt des Volkes, selbst nach Villach.

Der Offizier geht. Hofer bleibt unter dem Volke stehen.

 


 


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