Karl Immermann
Das Trauerspiel in Tyrol
Karl Immermann

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Zweiter Aufzug.

Im französischen Lager. Morgendämmerung.

Erster Auftritt.

Oberst Fleury und La Coste die sich begegnen.

La Coste. Wie! seh' ich recht, sind Sie es, Fleury, wirklich?

Fleury. Ich bin's, La Cost', und grüße Sie, mein Freund!

La Coste. Wo kommen Sie her?

Fleury.                                         Vom Prinz Vicekönig,
Aus Villach.

La Coste.           Und was suchen Sie bei uns?
Wenn's kein Geheimnis ist – hier ist nicht gut sein.
Freund! woll'n Sie grande misere mit uns spielen?

Fleury. Nun, sagt mir nur, ihr Kinder! was ihr machtet.
Durch Salzburg ging ich, hört, ihr wäret kaum
Vor Botzen einzuholen, mindestens
Weit über Brixen mußtet ihr hinaus sein;
Und find' euch hier gelagert in der Eb'ne
Vor Innsbruck, stumm und still, wie Tote, liegen.
Zerbrochne Adler seh' ich, und Soldaten
Verschied'ner Farb' und Nummern durch einander.
Mißmutig putzen sie beschmutzte Waffen,
Und alle Lieder, welche unsre Lager
Sonst wiedertönen, sind als wie vergessen.
Entgegen rasselt mir der trübe Zug
Der Leiterwagen, die Blessierte fahren.
Und dennoch hör' ich nichts auf meine Fragen,
Als: daß die Bauern etwas schwierig wären.
Es fiel doch wohl kein großes Unglück vor?

La Coste. Der Maßstab ist verschieden, mir scheint's groß.
Wir sind geschlagen von den Bauern, Freund!
Ich mag nicht gern auf meine Obern lästern,
Ich hasse das; mir deucht's wie Anarchie.
Doch Ihnen im Vertrauen muß ich sagen:
Den Marschall warnt' ich; wär' er mir gefolgt,
So wären wir nicht hier!
Er kennt das Volk nicht, das auf seinen Bergen
Dem Quell des Wetters näher wohnt, und das
Von Wind und Wolken manche List sich merkt.
Speckbachern, der uns all' das Unglück braut,
Hatt' er so nah', er durft' ihn nur ergreifen,
Er that es nicht!
Er zog durch diese gräßlich wilden Engen,
Durch diese grausverschlung'nen Alpenpässe,
Gemächlich dreist, als gält es, zu durchschneiden
Die Ebene von Magdeburg nach Potsdam.
Wir merkten bald, wie sehr's uns reuen mußte.
Es kamen Unglücksboten, die uns sagten,
Daß unsre detachierten Haufen fast
Bei Prutz und Laditsch aufgerieben wären.
Zugleich begann es, wie ein Scheibenschießen,
Von allen Bergen rechts und links der Straße;
Aufblickend, sahen wir die Alpen starren
Von der Tyroler bienendichten Haufen,
Bis zu den höchsten Spitzen, wo sie sich
In Wolken hüllen, nichts als Röhr' und Schützen.
Vergebens stürmten wir auf Tschitfes und auf Tschöfes.
Kein Ausweg war aus diesem grausen Netze;
Die Kugeln schlugen wie die Schlossen ein
In die Kolonnen; unsre Truppen knirschten,
Daß sie wie wehrlos Wild gemordet wurden.
Zum Rückzug mußten wir uns wenden; viel
Ging uns verloren, und so sind wir hier.

Fleury. Sie singen mir ein traurig Lied, La Coste!
Doch um so passender ist, was ich bringe
Von Seiner Hoheit; denn die Anweisung
Heißt kluge Mäßigung, vorsicht'ges Zaudern.

La Coste. Ich fürchte, diese Weisheit fruchtet nichts;
Der Herzog dankt den Marschallsstab dem kühnen,
Verweg'nen Mut und ungestümen Wagen.
Das sind die Engel, denen er vertraut,
Und andre Stimmen tönen tauben Ohren.
Hier kommt er. Schweigen wir.


Zweiter Auftritt.

Der Herzog von Danzig. Die Vorigen.

Der Herzog tritt auf.                     Wo ist der Oberst,
Den Seine Hoheit, Prinz Eugen, mir sendet?

Fleury. Ich bin's, Eu'r Durchlaucht.

Herzog.                                               Guten Morgen, Oberst!
Ich meint' es gut mit Ihnen, wollte nicht,
Daß Sie den langen Weg bis Botzen machten;
Zur Grenze ging ich Ihnen d'rum entgegen.
Zugleich erfahren Sie von einer Wette,
Die ich mit Frau Fortuna jüngst gewagt.
Ich schwur, daß ich noch scherzen wollte, wenn
Sie mir den schlimmsten Weiberstreich gespielt.
Entscheiden Sie, ob ich gewonnen habe.
Allein genug hiervon! Zu Ihrer Botschaft!
Was ist's, das Seine Hoheit mir befehlen?

Fleury. Der Sohn des Kaisers meint mit seinem Stabe,
Sie sollten, mein Herr Herzog! wenn sich nirgends
Ein Widerstand ereigne, jene Richtung,
Die erst beschloss'ne, durch das Land verfolgen;
Wenn aber sich es zeige, daß der Herd
Des Aufruhrs noch in diesem Lande glühe,
Den Fuß nicht tiefer in die Grafschaft setzen,
Vielmehr hier an der Grenze stehen bleiben,
Bis uns der Lauf der Zeit, des Schicksals Wendung
Zu fernern Schritten Anleitung gegeben.
In dieser Art
Verfuhren Seine Hoheit selbst im Süden.
Sie sandten nach dem Etsch- und Pusterthal
Den General Rusca und Graf Barraguay,
Die sich jedoch zurückbewegen mußten,
Als es in jenen Thälern kam zu Kämpfen.

Herzog. Und weshalb lautet so des Prinzen Meinung?

Fleury. Weil Seine Hoheit nah den Frieden glaubt.
Es sei nicht angemessen, sagt der Prinz, um das,
Was binnen kurzem in dem Rat der Herrscher
Uns ohne Zweifel zugestanden wird,
In ein verwickeltes Gefecht zu gehn.
Auch dämpfe man den Aufruhr am geschwindsten,
Wenn man das kleine, arme Land umstelle,
Das ohne Zufuhr von der Nachbarschaft
Nicht leben kann.
Der Stoff des Daseins werd' ihm ausgeh'n, und
Das Ungeheuer, Insurrektion,
Ersticken in den Bergen, die es zeugten,
Wenn ihm die Lust gebreche. Endlich werde –
Und nicht die letzte Rücksicht sei das – Elend
Und unnütz Blutvergießen so gespart.
Dies war'n die Gründe, die im Hauptquartier
Ich über diesen Gegenstand vernommen.

Herzog. Kürzlich: Ist es der wörtliche Befehl
Des Oberfeldherrn, daß ich mit dem Korps
Hier stehen bleibe, wenn, um vorzurücken,
Ich ein'ge Schüss' auf die Empörer brauch'?

Fleury. Die Auslegung und Anwendung der Ordre
Ist Eurer Durchlaucht gänzlich überlassen.
Der Vicekönig folgt in diesem Punkte
Dem Helden, dessen Stern uns alle fesselt.
Der Marschallsstab macht mündig, sagt der Kaiser.
Tyrol darf uns nicht ferner mehr behell'gen.
Wie das zu machen, werden Eure Durchlaucht
An Ihrem Ort, nach bester Überzeugung,
Bei eigner Haftung anzuordnen wissen.

Herzog. Und jeder handelt nur in seinem Sinn.
La Coste, haben Sie die Meldung, die
Von Botzen an den Kaiser gehen sollte,
Noch gestern abgesandt?

La Coste.                                   Verzeihung, Fürst!
Es fehlte der Kurier – ich glaubt' – ich meinte –

Herzog. Schon wieder eine Meinung!
Nicht lieb' ich's, Oberstleutnant, daß Sie meinen,
Es habe Zeit, wenn Eile ich befahl.
Wüßt' ich das Schreiben unterwegs, so müßt' ich
Nach Botzen, wie Sie wohl begreifen werden;
Doch da es einmal unbefördert blieb,
So lassen Sie's für jetzt denn nur bewenden.


Dritter Auftritt.

Eine Ordonnanz. Die Vorigen. Nachher Donay.

Ordonnanz tritt auf.
Die Insurgenten schicken einen Boten
Und Unterhändler, der Gehör begehrt.

Herzog. Ist ihnen ihre Kühnheit leid geworden?
Was ist's denn für ein Mensch?

Ordonnanz.                                       Es ist ein Priester.

Herzog. Wie? Sollen wir mit Pfaffen unterhandeln?
Nun, laß den tonsurierten Boten vor.

Ordonnanz ab. Donay tritt auf.

Donay. Mir lege Gott, der friedliche Gedanken
An seinen Menschen liebt, des Wortes Zauber,
Das Herzen trifft und Überzeugung weckt,
Auf meine armen, redeschwachen Lippen.
Die süße Suada thron' auf ihnen, lenke
Den Sinn des großen Feldherrn, dem ich nahe.
Der Schrecken schrecklichster, wer ist er? Krieg!
Der Greuel greulichstes, was ist es? Krieg!
Es blühe Eintracht auf der Erde. Amen!

Herzog. Wer schickt dich her mit dieser Fastenpredigt?

Donay. Der zweite Brutus unsrer Alpenlande,
Der größ're, der gerecht're Aristides,
Der Sandwirt Andres Hofer von Passeyer,
Erhöht seit gestern, durch der Führer Schluß,
Und Acclamation gesamten Volkes,
Zum Oberhaupt und Herzog der Bewaffnung,
So in Tyrol, wie in dem Vorarlberg.

Herzog zu seinen Offizieren.
Die Fabel von den Fröschen wiederholt sich,
Die Jupitern um einen König baten
Und einen Klotz erhielten. – Nun, Herr Priester!
Was will denn Euer Herzog der Bewaffnung?

Donay. Sein Herz ist milde und geneigt zur Güte.
Nicht freut es ihn, zu töten deine Krieger.
Das Land Tyrol in ungefälschter Treue
Dem angestammten Herren zu bewahren,
Ist seines Mutes einz'ger Zweck und Zielpunkt!

Herzog. Ei, ich bewundre die Bescheidenheit!
So dürften wir nur still die Grafschaft räumen,
Und hätten guten Frieden dann vor ihm?

Donay. Das ist sein Sinn, du fassest, was er denket;
Hinwegzuziehen fordert er dich auf,
Ihm Innsbruck einzuräumen, und die Grenze
Mit deinen Scharen rasch zurück zu messen,
Damit wir unsern Herd für uns behalten.
Und alles rät, o Feldherr! daß du's thuest:
Denn erstlich –

Herzog.                   Spare dir das erst' und zweite,
Und was von Gründen sonst dein Mund will sagen.
Bring deinem Sandwirt den Bescheid, ich sei
Reichsmarschall Frankreichs; mit Kartätschen gebe
Ich euch von mir das Fern're zu vernehmen.

Donay. So soll die Sonne blut'ge Leichen schau'n?
Blick' um dich, alle Berge sind besetzt;
Du bist gefangen in der schmalen Eb'ne.

Herzog. Ordonnanz! Ordonnanz tritt auf.
                              Bring ihn zurück durch unsre Posten.

Ordonnanz und Donay ab.

Herzog. Wie früh ist's, meine Herr'n?

La Coste.                                               Drei Uhr passiert.

Herzog. In einer Stunde also ist es Tag.
        Zu La Coste.
Lassen Sie Reveille blasen, und die Truppen
Soll'n Brot und Fleisch empfangen und Patronen.
Sobald sie abgekocht und sich gesättigt,
Tret' in Kolonnen jedes Regiment.
Ich will in meiner Stellung mich behaupten.
Das wird die Bauern auf die Fläche locken,
Wo sie verloren sind.

La Coste. Herr Herzog! Ich erlaube mir zu sagen:
Die Truppen sind aufs Äußerste erschöpft,
Und unsre Lage ist fürwahr nicht günstig.
Sollt' es nicht besser sein, uns längs dem Inn
Zurückzuzieh'n, bis zu der Veste Kufstein,
Wo wir, an dies' uns lehnend, bessern Stand
Den Insurgenten sind zu halten fähig?

Herzog. Es ist der letzte Tag, der uns vereinigt;
Herr Oberst Fleury, ich ersuche Se. Hoheit
Mir einen andern Offizier zu senden,
Von mindrer Weisheit, größrer Folgsamkeit.

La Coste. Der Dienst des Kaisers, und das Wohl des Heeres
Lehrt mich, die Worte ohne Rückhalt sprechen.
Im übrigen, Herr Herzog! werden Sie
Mir die Genugthuung nicht weigern wollen,
Die ich für Ihre Reden fordern darf.

Herzog. Gewiß nicht, nach der Schlacht.
        Zu Fleury.
                                                                Ich will, mein Herr!
Daß Sie erfahren, was mich schlagen heißt;
Damit ich, wenn das Glück noch ärgre Launen
An mir zu üben sollt' beschlossen haben,
Doch einen Zeugen meines Sinnes stelle. –
Ich bin der Meinung, daß des Kaisers Reich
Nicht bloß auf Pulver und auf Blei sich gründe,
Vielmehr hauptsächlich auf der goldnen Ehre!
Der heil'ge Schatz, dies Vließ der tapfern Herzen
Bedünkt mich aber hier, wie in Gefahr.
Ha! soll'n wir uns von Bauern scheuchen lassen?
Mit Abscheu denk' ich's. – D'rum, weil Ehre will,
Und nicht aus Eigensinn liefr' ich die Schlacht.
Es kann mich Unglück treffen; aber nie
Werd' ich was thun, was unsern Ruhm beleidigt.
Indessen, hoff' ich, geht hier alles günstig;
Ich hab' noch dreiundzwanzigtausend Krieger,
Von deren Wangen Blässe weichen wird,
Wenn sie die Stimme der Kanonen hören.
Herr Oberst! Bleiben Sie bei mir im Treffen?

Der Offizier. Befehlen Sie, Herr Herzog, über mich!

Sie gehen ab.


Vierter Auftritt.

Platz vor dem Wirtshause am Berge Isel.

Andreas Hofer und Joachim Haspinger treten auf.

Hofer.* Ich hatte einen wundersamen Traum.
Dreimal warf ich das Schwert, das Ihr mir gabt,
Hinweg von mir, in einen tiefen Abgrund,
Und dreimal bracht' es mir ein Engel wieder,
Und legt' es sacht zu meinen Füßen nieder.
Soll man auf Träume wohl was halten, Vater?

Haspinger.* Nachdem der ist, der träumt, mein lieber Sohn!
Wer tags den Leib mit Speis' und Weine stopft,
Und bloß auf Eitelkeit und Wollust denkt,
Der lügt sich nachts was vor, so wie am Tag.
Wer aber still den Geist zum Herrn erhebt,
Und heimlich weint, daß er ihn nicht erreiche,
Dem nahen wohl in dem verschwieg'nen Dunkel
Die göttlichen Gestalten, deren Fuß
Zu zart ist für die sonnerhitzte Erde,
Und was das ird'sche Aug' nicht sehen kann,
Das tritt zum Geistesauge leis' heran.

Hofer. Nun, frommer Vater! Lies die Messe mir.
Ist die Kapelle weit?

Haspinger.                     Kaum fünfzig Schritte.
Sieh' dort – du siehst den Schein der ew'gen Lampe.

Hofer. Sprich auch den Segen über meine Waffen;
Sag, kommt wohl Josef Speckbacher zur Andacht?

Haspinger. Nein, der ist schon seit Ein Uhr auf den Füßen,
Und revidiert die ganze Postenkette,
Du weißt, an solchem Tag, wie heute anbricht,
Denkt er nur des Geschäftes, das der Tag bringt.

Hofer. Mich schmerzt es, daß er seinen Gott nicht ehrt.

Haspinger. Wir dürfen diesen Tapfern doch nicht schelten.

Hofer. Davor bewahr' uns Gott! – Mir wär's unmöglich,
So ungebeichtet in den Streit zu geh'n.
Denn blutig kann es werden, und für jeden
Macht ja der Tod den schwarzen Rachen aus.
Welch' eine schreckliche Verfassung wär's,
Wenn man das Blei im Busen, ohne Nachtmahl,
Mit dem Erlöser nicht versöhnt, verzweifelnd,
Der Ewigkeit entgegen schauernd läge.
Komm', Vater! reiche mir das Sakrament,
Mein Herz nach Christi heil'gem Leib entbrennt.

Sie gehen ab.


Fünfter Auftritt.

Wildmann tritt auf, mit Elsi.

Elsi. Ich bitte dich, stoß mich nicht aus dem Hause,
Bei Nacht, allein, verzweiflungsvoll, und elend!

Wildmann in die Ferne deutend.
Dahin gehörst du, ins Franzosenlager!
Siehst du den Luftkreis nicht von ihren Feuern rot?
Da ist dein Haus, und dort gehörst du hin!
Die Schuld ist offenbar, seit gestern weiß ich's,
Und dennoch ließ ich zwischen deiner Sünde,
Und ihrer Strafe, eine Nacht verstreichen.
Nicht blind, noch wütend handle ich an dir.
Was ich vollbringe, thut mir selbst am wehsten,
Doch muß es sein, und muß also gescheh'n.
Die Mitgift, die du mir ins Haus gebracht,
Steht unberührt, du weißt's, in meiner Kammer.
Du kannst nur sagen mir, wohin du sie
Geschickt willst haben, so erhältst du sie –
Und nun leb wohl, und mag dir Gott vergeben!

Elsi. Ach! denkst du Gottes noch in dieser Stunde,
So hoff' ich, werd' ich nicht verloren sein.
Folg' seinem Beispiel, übe Gnade, Mann!
Er will uns glücklich; Gott ist eitel Gnade!

Wildmann. Gerecht vor allem, und das bin ich auch.

Elsi. Die Sonne glänzt empor! Mach' es, wie sie,
Sie leuchtet über Böse, über Gute!

Wildmann. Sie brennt das Unkraut ohne Mitleid weg.

Elsi. O Himmel, giebt es nichts, was dich erweiche?

Wildmann. Nichts giebt es, Kind! was mich erweichen kann
Stell mit dem Antlitz dich gen Morgen, Elsi!
Wie lieblich spielt der rote, frische Strahl
Dir ins Gesicht! So schaust du blühend nun,
Als wie du warst, da ich um dich geworben.
Ach, Elsi! warum thatst du das mir an?
Grausame Elsi! meine Brust zerschnitt'st du.
Ich wein', und schäme mich nicht, dir's zu sagen

Elsi. Gesegnet sei'n die Thränen, die du weinst!
Du weintest nicht, wenn du noch zürnen könntest,
Nun sagt mein Herz, daß mir vergeben ist.

Wildmann. Ach! wie du irrst, du arme, arme Elsi!
Ankläger sind ja diese Thränen alle;
Denn jede ruft: Ich fließe um die Schuld,
Um die zu schwere Schuld der schönen Elsi.
Um kleine Leiden weint kein rechter Mann;
Allein so großes Leid erpreßt die Zähre
Auch aus dem Auge des Gefaßtesten.
Nun siehst du, sie verschlechtern deine Sache!
Entlaß die Hoffnung, sie betrügt dich nur!

Elsi. So ist denn alles hin!

Wildmann.                         Sieh, armes Weib!
Ich fühle mich ein schwacher, sünd'ger Mensch,
Und weiß den Spruch, daß wir nicht richten sollen;
Ich könnte dir von Herzen ja vergeben,
Und friedlich dich in meinen Wänden dulden,
Und würd' dich bitten, nur nicht mehr zu fehlen.
Doch daß du deine Ehre hast vergeudet
An meinen Feind, an unsers Landes Feind,
Das ist's, was Milde aus dem Busen weis't,
Barmherzigkeit zur Sünde macht, und Mitleid
Zur feigen Schwäche.
Denn unser Elend müssen wir bedenken,
Was nicht so groß geworden wäre, wenn
Ihr Weiber nicht in die verruchten Netze
Des schmeichlerischen Volks so leicht gegangen.
Man muß euch zwingen, fest und streng zu sein.
Mich trifft die Reihe, leider! und so thu' ich's.

Elsi. So gieb zum mindesten mein Kind mir mit!

Wildmann. Du weißt es hier in einer guten Zucht.

Elsi. Zum Abschied küß' ich denn den armen Wurm!

Wildmann. Dein irrer Blick darf seine liebe Unschuld
Nicht stören!

Elsi.                       Dieses ist zu viel, du wehrst
Der Mutter ihres Kindes letzten Anblick?

Wildmann. Ich will ihm sagen: Mutter sei gestorben,
Und seine Thränen mit den meinen mischen,
Und nichts als Gutes ihm von dir erzählen.
        Ein Tyroler Marsch von weitem.
Nun ist es Zeit, es muß geschieden sein!
Ich höre meiner Brüder freud'gen Reih'n.
Bald ist der Berg besetzt! die Schlacht bricht an.
Hier geht der Weg zu dem, der dich gewann.
Fahr' hin! Mein eigenes und einzeln Leid
Stirbt im Getöse dieser Festlichkeit.
Wie eine Otter schleudr' ich dich von mir;
Verrate nicht, daß ich geweint vor dir.
Die kühnen Klänge heilen meinen Sinn.
Geh' zu dem Feinde, dem du dienst, fahr' hin!

Sie gehen zu verschiedenen Seiten ab.


Sechster Auftritt.

Speckbacher. Nachher Hofer, Haspinger, Eisenstecken, Donay.

Speckbacher tritt auf.
Wo ist der Sandwirt? Hat er Zeit zu schlafen?
Die Stunde rückt heran – Pest, Tod, wo bleibt er?

Hofer tritt auf.
Wer flucht so grimmig in den stillen Morgen?
Gott grüß dich, Josef! – Ei! ein Lob des Herrn
Würd' deinem Munde just nicht schlimmer steh'n.

Speckbacher. O, lieber Vater Hofer, lassen wir's!
Der Himmel hat ein Einseh'n, und verlangt
Kein lang' Gebet in solcher Dringlichkeit.
Du siehst mich schweißbedeckt und atemlos –
Die Hälfte meiner Mannschaft war davon
Und heimgegangen; dieses Volk verläuft,
Sobald es einen Tag muß stille liegen.
Da trieb ich in der Eile, was ich konnte,
Aus allen nahen Orten mir zusammen;
Notdürftig wieder sind die Posten voll.

Eisenstecken tritt auf.
Der Marsch ist immer näher gekommen.

Speckbacher. Sind das die Deinigen, die da heranzieh'n?

Hofer. Wir werden's gleich von diesem hier erfahren.

Eisenstecken. Die Land'sverteid'ger, Oberkommandant –
Von Meran und Passeyer und Algund
Steh'n aufmarschiert an dieses Berges Hang.

Hofer. Ist alles gut imstande und komplett?

Eisenstecken. Wir haben nachgezählt, es fehlet niemand.

Hofer. So laß zweihundert Schützen vorwärts rücken,
Bis, wo die Hügel in die Eb'ne laufen,
Um, wenn der Feind sich ihnen nahen wird,
Ein leichtes Plänkeln mit ihm einzugeh'n,
Sie sollen sich, was mehr, nicht untersteh'n.
Das Hauptkorps lagert sich, wo's jetzt befindlich,
Gedeckt vom Berg und seinen Waldeshöh'n,
Und wartet, bis ich weit're Ordre gebe.

Eisenstecken ab.

Speckbacher. Eröffne deinen Plan mir, lieber Sandwirt!

Hofer. Josef! ich weiß noch nicht; es wird sich finden
Zu seiner Zeit, was mir das Beste scheint.

Haspinger tritt auf.
Gut, daß ich euch, ihr Führer! hier betreffe.
Ich sah ein Wimmeln im Franzosenlager –
Und hörte Trommeln rühren; wie ich glaube,
Stellt sich der Feind in Ordnung, giebt uns an,
Was wir von unsrer Seite thun sollen.

Speckbacher. Zum rechten Flügel eil' ich.

Haspinger.                                                     Ich zum linken.

Hofer. Ich bleibe hier im Mittelpunkt der Schlacht.
Doch, lieben Brüder! einen Augenblick
Geduld, bevor ihr euren Zorn entfesselt.
Ich warte noch der Rückkehr meines Boten,
Den ich zum Herzog der Franzosen sandte.

Speckbacher. Was? Einen Boten zu dem Feind gesandt?

Hofer. Ja sieh, der Hofer strebt nach Judaslohn,
Und will für Gold das Vaterland verraten. –
Ernsthaft: Ich ließ den Herzog nur befragen,
Ob er in Frieden heut das Land will räumen,
Wie, ohne Zweifel, morgen er es muß.

Speckbacher. Das hätt' ich nicht gethan – es gleicht der Schwäche,.
Mit solchem stolzen Feind zu unterhandeln.

Hofer. Der Himmel wende, daß wir armen Bauern
In Streit geh'n mit den Herren dieser Welt,
Wenn nicht die letzte Not es also will.
So lang ein Fingerbreit der Möglichkeit,
Daß Bitten fruchten, da ist, will ich bitten,
Und zwingen nur, wenn ich gezwungen werde

Speckbacher Wir wählten, wie es scheint, uns einen Feldherrn,
Der mehr den Frieden liebet, als den Krieg.

Hofer. Ja, meine Brüder! solchen wähltet ihr.

Haspinger. Wen sandtest du?

Hofer.                                         Den guten Priester Donay.

Haspinger. O lieber Andres Hofer, wahre dich
Vor dieser Schlange, die du leider nährest
In gutem Wahn an deiner reinen Brust;
Zu Tode sticht sie dich mit ihrer Zunge.

Hofer. Ei, Vater Joachim, welch schlimmes Wort!
Das ist ja traurig, daß ich Laie muß
Den Priester schelten um Unchristlichkeit.
Ei Vater, Vater! hebst die Hand, die noch
Glänzt vom Hochwürdigsten, das sie berührte,
Zur Stein'gung gegen deinen Bruder auf!
Der fromme Donay ist ein würd'ger Mann,
Höflich und freundlich und gelehrter Rede,
Mit Rat und mit Verstand mir hold und dienstbar;
Ich kann ihn nicht von meiner Seite stoßen,
Weil er dir mißfällt. O seid einig, Männer!
Macht mir mein schweres Regiment nicht schwerer
Durch Spann und Zwist! Wie kann der Bund gedeihen,
Wenn seine Glieder scheel und sauer seh'n?

Donay tritt auf.
Zückt eure Schwerter, hochgemute Helden!
Der kühngesinnte Feind will keinen Frieden

Speckbacher. Er haßt, was ich.

Hofer.                                             Verwarf er die Bedingung?

Donay. Sein Eid und Pflicht gebieten ihm, zu schlagen.
Der Herzog nennt es eine Ehrensache,
Mit dir in offner Feldschlacht sich zu messen,
Den er den größten seiner Feinde nennt.
Ich lüge zwar, doch angenehme Lüge
Ist besser, als unangenehme Wahrheit. –

Speckbacher. – Wozu die Heuchelei? –

Haspinger.                                               – Der list'ge Bube! –

Hofer. Wie? Hat der Feind so gut von mir gesprochen?
Nun Freunde! dann ist's Pflicht, ihm zu beweisen,
Daß ich die Meinung auch verdienen will!
Die Schatten weichen – und der Tag bestrahlt
Die Straße, die nach Östreich weis't und Wien!
Auf eure Posten, Brüder! lebet wohl!
Ich hoff', wir speisen fröhlich heut zu Nacht.

Haspinger giebt ihm die Hand.
Auf Wiederseh'n!

Speckbacher ebenso.   Auf siegreich Wiederseh'n!

Hofer. Auf Wiederseh'n vor Kaiser Maxens Stadt!

Alle gehen ab.


Siebenter Auftritt.

Schlachtfeld. Schießen. Getümmel. Angriffe.

Der Herzog von Danzig tritt auf mit La Coste. Nachher Fleury, französische Offiziere, Soldaten.

Herzog. Zwei Bataillone sollen die Besatzung
Der Brücke, die bei Volders und bei Hall
Sich übern Inn erstrecken, gleich verstärken.
Es gilt um jeden Preis, den Inn zu halten,
Und dort befehligt Speckbacher, – nicht wahr?

La Coste. So ist's.

Herzog.                 Dort gilt es Vorsicht; er versteht,
Ich hab's erfahren, gründlich sein Gewerbe.
Gehn Sie, La Coste! La Coste ab.

Fleury kommt.                 Unsre Truppen wanken
Bei Natters und bei Mutters, und der Pater
Dringt wütend gegen unsre Schanzen vor –

Herzog. Sie sind doch nicht genommen?

Fleury.                                                         Nein, noch nicht,
Doch Gen'ral Raglovich begehrt Succurs,
Er könne sie nicht länger halten, sagt er.

Herzog. Er soll sie halten. Sagen Sie ihm das.
Ein Regiment kann durch den Sumpf bei Gallwies
Den Feinden in die linke Flanke geh'n, –
Und sie am Schlosse Ambras rückwärts fassen;
Dann schieb' er seine Front im Sturmschritt vor,
Und quetsche so die Bauern dort zusammen.

Fleury. Daran hat auch der General gedacht,
Allein der Sumpf bei Gallwies ist zu tief:
Es wird entsetzlich Menschen kosten.

Herzog.                                                         Möglich –
Auch nehm' er kein französisch Regiment,
Die Sachsen oder Bayern soll er nehmen. Fleury ab.
So steht's denn auf den Flügeln, denk' ich, wohl,
Und hier im Centro werf' ich selbst den Feind.
        Mehrere Soldaten und Offiziere treten auf.
Was wollen meine Tapfern?

Ein Offizier.                               Hoher Feldherr!
Befehl zum Stürmen auf die Höh'n des Isels.
Nur dünn zerstreute Haufen der Empörer
Zieh'n, Füchsen gleich, durch das Gebüsch, und necken
Sich, einzeln feuernd, mit den Tirailleuren.
Wir schlagen sie mit leichter Müh, und haben
Die Stellung dann, die jeden Punkt beherrscht.

Der Herzog. Wie? sollte g'rade hier so wenig steh'n?
Kein Wunder wär's, denn wie ich hab' erfahren,
Befindet ihr Prophet sich auf dem Isel,
Der, im Vertrau'n auf seine Engelscharen,
Verschmäht, mit ird'scher Macht sich zu umgeben.
Wohlan, zum Sturm! Ihr kamt zur rechten Zeit,
Der Tag ist unser, wenn der Berg gewonnen.
Eu'r Feldherr setzt sich selbst an eure Spitze,
Und will das Los des letzten Reiters teilen;
Denkt eures Ruhmes, ihr beherzten Braven,
Folgt mir zum Angriff auf die Pfaffensklaven!

Mit den Offizieren und Soldaten ab.


Achter Auftritt.

Vor dem Wirtshaufe am Isel. In der Ferne Schiessen.

Andreas Hofer mit Wildmann. Nachher Fallern, Eisenstecken, die Gebrüder Rainer und Tyroler Schützen.

Hofer. Nein, Unrecht hast du, alter mürr'scher Wildmann!
Das arme, junge Weib! – Ich sage, Unrecht!
Wenn ich nun meinen Knaben, meinen Hans,
Gleich wollte in die wüste Weite jagen,
So er einmal ein kindisch Spielzeug lieber
Ansieht, als seines Vaters ernst Gesicht!
D'rum bist du ja ihr Mann und Ehevogt,
Daß du sie schützen sollst, vor Feinden, wie
Vor ihrer eignen Thorheit bösen Folgen.

Wildmann. Ich weiß nicht, wie der Zorn mich so bemeistert,
So ganz und gar mein Herz gewendet hatte.

Hofer. Der Teufel sucht sich immerdar sein Opfer.
Versöhnen müßt ihr euch; ich nehm's auf mich.

Wildmann. Ich will mir's überlegen. – Hör' das Schießen!
Woll'n wir nicht näher gehen zum Gefecht?

Hofer. Bleib, Wildmann! Das Gefecht muß zu uns kommen.
Den Freunden können wir nicht helfen; hier
Giebt's nur ein ärmlich Plänkeln an dem Berge.
Noch sieht es nicht nach 'ner Entscheidung aus.
Ich glaub', den Herzog hat sein Wort gereut.

Fallern tritt auf.
Wo ist der Sandwirt? – Herr, der Pater Jochem
Fleht dich, du woll'st ihm ein'ge Hilfe senden.
Ein Haufen Feinde, durch den Sumpf gegangen,
Hat uns im Rücken listig angegriffen.
Ein fürchterlich Gemenge ist bei Ambras,
Die Unsern wanken.

Hofer.                               Ei! was denkt der Rotbart?
Hier gilt's, daß jeder halte seinen Platz.
Ich kann von meinen Leuten nichts entbehren.
Geh' nur! Der Pater hilft sich schon allein.

Fallern. Er wird nicht glauben, Oberkommandant!
Daß du uns keine Hilfe geben willst.

Hofer. Doch, doch! er wird's, wenn er sich's überlegt.
Entweder hat er selbst sich durchgeschlagen,
Wenn du zurückkommst, oder meine Hilfe
Käm' auch zu spät. Der Pater weiß recht gut,
Daß Hofer ein tyrolisch Herz besitzt;
Doch meine Schützen brauche ich allein. Fallern ab.

Wildmann. Ich wollt', der Tag wär' um.

Hofer.                                                       Fürcht'st du dich, Alter?
Fürcht' nichts; zum Herzen Jesu hab' ich mich
Verlobt; der Herr verläßt die Treuen nicht.
Bring' einen Morgentrunk – die Luft zieht kühl –
Vom allerbesten Weine bring' den Trunk,
Und in dem großen, silbernen Pokal.
Heut ist ein Ehrentag, da muß man trinken
Den besten Wein aus seinem besten Becher.
        Wildmann geht ab.
He, Eisenstecken!
        Eisenstecken tritt auf.
                                Reit' doch 'nmal hinüber
Zum rechten Flügel, schau, was Speckbacher
Dort macht, und wie die Sachen um ihn steh'n.
Sind wohl die Brüder Rainer hier zur Hand?

Eisenstecken. Sie liegen mit den andern hinterm Berge.

Hofer. Schick', eh' du fortreit'st, mir die beiden Sänger.
        Eisenstecken geht.
        Wildmann tritt auf mit dem Pokale.
So setz ihn her! Ein kostbar Stück von Arbeit!
Er spielt im Lichte, wie ein Edelstein;
Der Kaiser und die Herren Erzherzoge
Sind hier im Silber künstlich eingegraben,
Und auf dem Deckel prangt das alte Schloß
Tyrol, nach dem wir Meraner, Passeyrer
Beständig schau'n, das uns erinnert an
Die Freiheiten, die Recht' und Privilegien
Der sel'gen, gnäd'gen Frauen Margaretha.
Ja, dächte jeder nur der alten Zeit,
Da wär's auch besser, mit den neuen Büchern
Und neuen Moden stürzte das Verderben
Über unsre Buben, über unsre Mädchen.
        Die Gebrüder Rainer treten auf.
Ei seht's! – Nun, ist die Kehle glatt und wacker?

Die Rainer. Probier's, Herr Kommandant!

Hofer.                                                             Singt mir ein Lied
Zum Zeitvertreib, die Zeit wird mir was lang.

Rainer. Was willst für ein's, Herr Oberkommandant?

Hofer. Das von der Gemse, nun! Ihr kennt's ja wohl.

Die Rainer singen.
        Ein Franzose wollte fangen
        Eine Gemse, silbergrau,
        Konnte nicht zu ihr gelangen,
        Denn das Tierchen war zu schlau,
        Wie der Wind sie vor ihm fleucht,
        Hinterher der Franzmann keucht.

Hofer. Wildmann, sing mit den Chor!
        Singt mit Wildmann und den Rainern im Chor.
        Wie der Wind sie vor ihm fleucht,
        Hinterher der Franzmann keucht!

Eisenstecken tritt auf.
Speckbacher läßt dir sagen, ganz unmöglich
Könn' er den Feind von seinen Brücken werfen.
Er habe sich verstärkt; Speckbacher hält sich,
Doch schafft er nichts. Auf Werfens Weite steh'n
Tyroler und Franzosen sich entgegen;
Ein greulich Schießen ist in jenen Bergen,
Um jeden Fuß breit Landes wird gestritten.
Du möchtest – sagt er – von dem Berg herab
Dich auf den Kern des Feindes werfen bald;
Geschäh's nicht bald, meint er, würd's übel gehn.

Hofer. Ich hab' geschworen, meinen Berg zu halten.
Kommt der Franzose mir an meinen Berg,
So soll ihm blutig werden dieser Berg.
Vorwitzig steig' ich nicht zur Eb'ne nieder.
Die Berge sind mein Haus und mein Verlaß.
Singt weiter, Kinder!

Die Rainer singen.
        Bittend streckt er seine Hände
        Nach der Felsentochter aus,
        Ach! zu mir, zu mir dich wende!
        Pflegen will ich dich im Haus.
        Doch sie lacht ihm ins Gesicht:
        Nein, dein Liebchen werd' ich nicht.

Hofer. Frisch, Eisenstecken! Mach' den Chorus voll!
        Singt mit Wildmann, Eisenstecken und den Rainern im Chor.
        Doch sie lacht ihm ins Gesicht:
        Nein, dein Liebchen werd' ich nicht.

Mehrere Tyroler treten hastig auf.

Die Tyroler. Zu Hilfe! zu Hilfe!

Hofer.                                           Was ist, was giebt's?

Die Tyroler. Die ganze Macht des Feindes, die bisher
Uns unbeweglich gegenüber stand,
Rückt, wie ein wandelnd Feuer, nun zum Berge,
Voran des Herzogs weißer Federbusch.

Andere Tyroler kommen.
Die Schützen fragen, was sie machen sollen?

Hofer. Zurück die Schützen! Und das Hauptkorps vor!
Richt's, Eisenstecken, aus! Eisenstecken ab.
                                              Wie weit sind sie?

Die Tyroler. An tausend Schritt vom Berge sind die ersten.

Wildmann. Es schießt nicht mehr. – Wie ist so schauerlich
Die tiefe Stille nach dem heft'gen Schießen!

Hofer. Ist uns der Feind noch tausend Schritte fern,
So können unser Lied zu End' wir singen.

Die Rainer singen.
        Aber jetzt ist überlistet
        Auf dem höchsten Grat das Tier.
        Und er fasset, wild entrüstet,
        An dem Abgrunde nach ihr.
        Doch sie stürzet ihre Glieder
        In den schwarzen Abgrund nieder!

Während des Gesanges hat sich die ganze Bühne mit Schützen erfüllt.

Hofer. Singt alle mit!

Alle singen.
        Doch sie stürzet ihre Glieder
        In den schwarzen Abgrund nieder!

Hofer. Und dabei bleib' es!
        Er ergreift den Becher.
                                          Auf des Kaisers Wohl
Trink' ich aus diesem blanken Ehrenbecher
        Er trinkt.
Trinkt alle d'raus, und laßt den Becher wandern.
        Er giebt ihn dem Nächsten, dieser seinem Nachbar, und so macht der Becher die Runde.
Nun sind wir, wie die Brüder eines Blutes.
        Schießen.
Ihr Freunde! es ist Zeit. Ihr flinken Buben!
Ladet die Büchsen, stürzt vom Berg herab,
Ihr muntern Reiter, streicht die Seitenpfade!
Ein Waldstrom, brausen wir auf ihre Häupter.
Bei meinem Bart! Ich möchte nirgends anders
Und niemand anders sein, als der ich bin.
Kommt, Kinder, kommt! Die Landspatronen streiten,
Auf Feuerrossen jagend, uns voran!
Dem Kaiser Heil! Es lebe Franz, der Kaiser!

Alle. In alle Ewigkeiten Östreich hoch!

Allgemeiner Aufbruch. Schiessen. Schlachtmusik hinter der Scene.


Neunter Auftritt.

Schlachtfeld. Zur Seite eine Anhöhe.

Fleury. Nachher der Herzog von Danzig, La Coste und französische Soldaten.

Fleury tritt verwundet auf.
O Mißgeschick, o dummes Spiel des Zufalls!
Von hundert Meilen komm' ich her, zu fallen
In dieser argen, wüsten Bauernschlacht;
O Ruhm! O Ehre! Eurem Wort gehorcht' ich
Mein Leben lang, und nun gebt ihr zum Dank
Mir nicht einmal den Tod auf eurem Felde.
Vernimm denn meine letzte Bitte, Schicksal!
Und laß mich sterben, eh' die Bauern kommen,
Mit meiner Schwäche tölpelhaft zu prahlen.
        Er sinkt nieder.
        Französische Soldaten treten fliehend auf.
Wer kommt da? Landesleute? Steht und sprecht!

Einer. Es ist nicht Zeit, zu steh'n!

Fleury.                                             Sind wir besiegt?

Ein andrer zum ersten.
Mach' fort! Mach' fort! Der Tag ist um und hin!
Das Ungeheu'r, der Sandwirt kommt uns nach.
Wir sind verloren; Flucht ist uns're Rettung.

Fleury. Nehmt, Kameraden, einen Wunden mit!

Der erste. Nicht Zeit, nicht Zeit! Du würdest uns beschweren.

Gehen ab.

Fleury. O Scheusal Eigennutz! Wie schwarz bist du!
So lieg' ich hier denn, ein verlorner Mann!

Der Herzog tritt auf.
Welch eine Satansmacht treibt diese Menschen!
Ich muß mich ernstlich fragen, ob ich wache?
Hätt' ich nur Truppen von dem rechten Flügel,
Nur einen Boten an den Raglovich!

Fleury. Mich kannst du nicht zum zweitenmale senden!

Herzog. Wer seufzet dort? Was? Doch nicht Oberst Fleury?

Fleury. Noch Oberst Fleury, bald ein Haufen Staub.
Ich hab' den Tod im Leib', verfluchter Tag!
Verfluchte Schlacht!

Herzog. Spar deinen Atem zu was Wichtigerm!
Wie steht's bei Ambras?

Fleury. Bald werden Flücht'ge kommen, dir's zu sagen.
        Stirbt.

Herzog. Auch dort, auch dort? So brich herein, Verderben!
        Französische Soldaten treten fliehend auf.
Halt! Woher kommt ihr?

Einige.                                   Antwort't nicht!

Andre.                                                                 Von Ambras!

Herzog. Soldaten, steht! Eu'r Feldherr will es, steht!
Wir wollen diesen Haufen –

Alle.                                             Hört ihn nicht!
Fort! Flieht! Aus den verruchten Bergen fort!
Will er den Weg uns sperren, stoßt ihn nieder!

Gehen in wilder Flucht ab.

Der Herzog. O Volk, des Höchsten, wie des Tiefsten fähig!
O Abscheu! O Bewund'rung deiner Zeit!
Löwen und Hasen! Adler und Sperlinge.

La Coste tritt auf.
Zurück nach Innsbruck! Retten Sie sich, Herzog!
Der Sandwirt ist im Augenblick heran,
Und uns're Krieger halten nicht mehr stand!

Herzog. Ich bitte Sie auf meinen Knie'n, La Coste!
Erklären Sie mir dieses grause Wunder.
Alte Soldaten führ' ich; was umstrickt
Uns denn mit diesem Netz von Furcht und Schreck?

La Coste. Das Erdreich kämpft zu grimmig uns entgegen!
Die Feinde kennen jeden Maulwurfshügel,
Aus jeder Felsenritze gähnt der Tod –
Dies, und Gespenstergrau'n vor jenen Räubern
Lähmt Arm und Fuß der tapfersten Soldaten.

Herzog. O, hätt' ich Sie gehört!

La Coste.                                     Nichts mehr davon!
Ich achte, ich bewundre Sie, mein Fürst!
O Gott! Verlieren wir nicht unsre Zeit.
Ich höre die Tyroler.


Zehnter Auftritt.

Andreas Hofer. Tyroler. Vorige.

Hofer Erscheint mit Gefolge auf der Anhöhe.
                                    Liebe Brüder!
Nun fahret unsre sechs Kanonen auf,
Und schießt mit Macht in die gelösten Glieder!
Es soll von denen, die mit mir sich schlugen,
Das ist mein ernster Wille und Befehl,
Kein ganz Gebein zum Rand des Stromes kommen.

Er geht mit den Tyrolern ab.

Herzog. Wer sagt, daß dieses Ungeheuer träg ist?
Er ras't, wie wütend Gift in unsern Adern.

La Coste. Das ist der Faulen Art, wenn sie im Gang.
O kommen Sie, eh' das Geschütz hier einschlägt –
        Kanonenschüsse.
Nutzlos ja opfern Sie sich.

Fliehende Franzosen. Einer trägt einen Adler.

Herzog.                                     Gebt den Adler!
Er glüht vor Scham in Euren feigen Händen!
        Er entreißt dem Träger den Adler. Die Franzosen entfliehen.
Den Adler schleudr' ich in der Feinde Haufen,
Verhüll' das Haupt, und weih's den untern Göttern;
Altrömisch will ich enden –

La Coste.                                   Fort nur! fort!

Herzog. Ich bitte Sie, wie soll ich leben, Freund!
Nach diesem Tag? Nun ist das Kleeblatt voll;
Nun schreibt zu Villeneuve und zu Dupont
Die Schmach den Namen des Lefebvre auf.
Sind Sie ein Freund und Waffenträger mir,
Erzeigen Sie den letzten Dienst dem Feldherrn;
Hier ist der Busen! Stoßen Sie mich nieder!

La Coste. In Kaisers Namen, in des Heeres Namen,
Dem Fassung Eure Durchlaucht schuldig ist,
Fordr' ich Sie, Herzog! auf, sich zu beruh'gen.
Schon sind wir abgeschnitten; List muß helfen!
Hier liegt ein toter Reiter; ziehen Sie
Von dem den Mantel an, so kennt Sie niemand.
        Er bekleidet den Herzog mit dem Reitermantel.

Herzog. So recht! So recht! Ha, Schicksal! du bist witzig;
Des letzten Reiters Los, schwur ich, zu teilen,
Und borge nun den Mantel gar von ihm!

Sie gehen ab.


Eilfter Auftritt.

Ebene vor Innsbruck.

Nepomuk von Kolb tritt auf mit dem Kapitän Raynouard, der entwaffnet ist.

Raynouard. Wenn ihr von Kriegsgebrauch und Völkerrecht
Was wißt, so darfst du mich nicht töten, Mensch!
Ergeben hab' ich mich – das ist schon schlimm;
Mein Leben mußt du schonen – laß mich los!

Kolb. Der Krieg ist ungebräuchlich – was Gebrauch?
Wir sind kein Volk, d'rum haben wir kein Recht.
Wir sind 'ne heil'ge, gottgeweihte Rotte!
Für meine Sünden muß ich Buße thun.
Die Engel sagen mir: Schieß diesen nieder,
Das wird ein wohlgefällig Opfer sein
Dem zornigen, dem eifrigen Jehova!
Nicht publice fällst du in dieser Schlacht,
Privatim schlachtet dich der Nepomuk!

Raynouard. Ich bin dem Tode hundertmal begegnet,
Und habe nicht gebebt; doch jetzo graut mir,
In diesem Winkel, in der Hand zu sein
Der aberwitz'gen Bestie!

Kolb spannt den Hahn.
Herr Gott! sieh diesen gegenwärt'gen Franzmann,
Der deine Kirche und den Papst nicht achtet,
Den schieß' ich jetzt zu deinem Preise nieder,
Und hoff', daß du dafür die Kassenreste,
Die ich als Steuerkontroleur gemacht,
Mir jenseits nicht in's Defizit wirst schreiben.
        Zu Raynouard.
Knie nieder – sprich nun auch dein fromm Gebet!
Empfang den Schuß dann meiner tapfern Flinte!
        Er legt auf ihn an.


Zwölfter Auftritt.

Hofer. Eisenstecken. Wildmann. Viele Tyroler. Vorige.

Hofer. Hier wären wir! – Was machst da, Nepomuk?
Warum willst du den Wehrlosen erschießen?
Hat er etwas Verruchtes ausgeh'n lassen,
Das seinen Tod heischt?

Raynouard.                             Eines Menschen Stimme! –
Rett' mich aus seinen Fäusten, alter Mann!
Nichts that ich, als mich leider fangen lassen.
Er will mich töten ohne allen Grund,
Und führte Reden, die ich nicht verstehe.

Kolb. Ein Rache-Engel fordert's, Fürst und Graf!

Hofer. Verfluchter Tollkopf und nichtswürd'ger Schurke,
Mit diesen Schlägen jag' ich dich von mir!
        Er schlägt ihn.
Pack dich, und laß dich nicht mehr vor mir sehen!
        Nepomuk entflieht.
Solch Schuft! Solch Esel! Mir den Tag verderben!
Den schönen Tag! – Allein, er ist's nicht wert!
Der Augendreher! Der Abscheuliche!
        Zu Raynouard.
Beruh'ge dich, mein lieber, junger Mann,
Du fielst nicht unter wilde Menschenfresser;
Landleute sind wir, die auf Ehre halten.
Führt ihn hinweg, behandelt ihn recht wohl;
Gebt Wein und Speise ihm – er ist ganz blaß.
Nun faß dich, armer Jung'! – sollst bei mir wohnen.
        Raynouard wird abgeführt.
Wir könnten jetzt Viktoria schieß'n, Brüder!
Der Herzog hat's bekommen, wie er's brauchte;
Wenn wir nur erst von unsern Freunden wüßten.

Eisenstecken. Da kommt der Pater Jochem freudenrot.


Dreizehnter Auftritt.

Haspinger. Nachher Speckbacher. Vorige.

Haspinger. Gelobt sei Jesus Christ! Laß dich umarmen!

Hofer. Steht's gut? Steht's gut?

Haspinger.                                   Die Freude macht mich stammeln.
Ich jagte sie nach einem blut'gen Kampf,
Und trieb sie deinen tapfern Rotten zu.

Speckbacher tritt auf.
Wenn ihr euch küßt, nehmt auch Speckbachern auf
In eurer Arme Knoten – er ist's wert.
Sandwirt! Du hast ein tüchtig Werk gethan.
Der Kern der Feinde, den du kühn geschlagen,
Warf sich in wilder Hast auf jene Brücken,
Mit deren Schützern ich nicht fertig ward.
Da ward ein Strudeln, eine Unordnung,
Nicht konnte die Besatzung sich erwehren
Des Andrangs von den eignen Ihrigen.
Die Brücken brachen; meine Kerle schossen
Als wie die hellen Teufel auch darunter,
Und was nicht schwimmen konnt', ertrank im Inn.

Hofer. Mit wieviel Opfern zahlen wir den Tag?

Eisenstecken. Wir haben, in so weit sich's sagen läßt,
Zweihundert Tote und Verwundete,
Darunter leider einen edlen Mann,
Den Grafen Josef Mohr. – Er fiel und starb
Im Angesicht des Vintschgau's, den er führte.

Hofer. Ruh' seiner Seel' und christliche Bestattung!
Den teuren Leichnam bringt im Trauerzuge
Der gnäd'gen, hochgebornen Gräfin Witwe.
Ruh' ihm und allen, ewiges Gedächtnis!

Speckbacher. Die Feinde büßten ein viel Tausende!
's ist gräßlich, wie das Feld von Leichen starrt!
Darunter Ordenskreuz' und hohe Häupter;
Ich selbst sah tot den Oberst Graf Max Arco.
Sechzehn Kanonen, viele Fahnen, Adler
Wird man dir bringen, – kurz, die Schlacht ist ruhmvoll,
In alle Zeiten hin glorreich gewonnen!
Auch will der Herzog einen Stillstand haben
Von einem Tag, um aus dem Land zu weichen, –
Nach Salzburg strebt er mit den Überresten!

Hofer. Wenn ich bedenke diesen goldnen Sieg,
Der uns Unwürd'gen unverdient geworden,
Recht wie ein Weihnachtskindlein, klar und strahlend,
Und lacht uns groß mit Glanzesaugen an,
So ist mein Herz der Freud' und süßen Lust
Nicht mächtig, und zu eng für das Gefühl,
Und in die Thränen bricht das Jauchzen aus! Er weint.

Speckbacher. Nimm dich zusammen, denn du steh'st vorm Volk!

Hofer. Ich brauche mich der Thränen nicht zu schämen;
Es weint wohl außer mir manch guter Mann.
Nun, Eisenstecken, auf!
Sobald du dich geruht, versuch' die Füße,
Und geh' nach Comorn in des Kaisers Lager.
Vermelde Seiner Majestät Respekt
Von Ihrem treuen Sohn Andreas Hofer,
Und allem Volk Tyrols und Vorarlbergs.
Berichte, was du hier gesehen hast;
Und sag' dem Kaiser,
Die grau und grünen Buben von Tyrol –
Sie hätten eine wackre Jagd gehalten
Auf seinen großen Feind, am Berge Isel.
Und sag' dem Kaiser,
Wenn keine Festung und kein Dorf mehr sein,
So wolle doch Tyrol ihn nicht verlassen,
Und solle, wenn er das ehrwürd'ge Haupt
Vor seinen Drängern kläglich flüchten müsse,
Zu uns sich wenden; denn wir würden ihn
Mit unsern Leibern decken,
Und stürben eh'r, als daß wir ihn verließen.
Das alles sag dem Kaiser, Eisenstecken!
        Eisenstecken ab.
Wir andern aber ziehen morgen ein
Zu Innsbruck. Gehen etliche voran!
Mit allen Glocken soll'n sie läuten, und
Zu dem Tedeum alles fertig machen!
Das Land ist frei, und daß es frei gewesen,
Raubt keine Not, die kommen mag, dem Herzen.
Was weiter anzuordnen, späterhin!
Heut Lust und Freud'! Herr Gott, dich loben wir!

 


 


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