Karl Immermann
Merlin
Karl Immermann

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Vorspiel.

Hohe Klippen und Landschaft. In der Ferne Gehöfte.

Satan und Luzifer auf den Klippen.

Luzifer. Warum, du Fürst im finstern Land,
Hast du dich einsamlich verbannt
Von unsrem wilden, bunten Fest,
In dieses kahle Felsennest?
Du hängst, gleich einer dunkeln Wolke
Von Klippen in das platte Land;
Komm, Herr, zurück zu deinem Volke,
Das bittend mich zu dir gesandt!

Satan. Bin ich der Fürst, hab' ich zu sorgen
Für unsres Reiches Dau'rbarkeit;
Das Volk denkt nur an heut und morgen,
Der Herrscher denkt der ganzen Zeit.

Luzifer. Wir sahn's, dich faßt' ein grimmig Leid,
Als bei des Sternes Helligkeit
Die Könige vom frühen Osten
Gekniet an jener Krippe Pfosten.
Der Stern, der Hüttendampf, die Lichter,
Gekrönte Stirnen, Schäfergesichter,
Die schöne Mutter, blau und rot,
Das Gold, das Stroh, der Glanz, die Not!
Es gab ein wunderlich' Gemeng',
Die Farbe kam fast ins Gedräng,
Man merkt', hier war etwas geschehn,
Was alle Tage nicht zu sehn.
Wir Kleinen schauten lachend zu,
Die Brust zerschlugest, Großer, du,
Und stießest einen Seufzer aus,
Der unsren Scherz verkehrt' in Graus.

Seitdem nun wandelst du durch Wüsten,
Hockst unterm Samum beim Getier,
Wenn wir dich, deine Knechte, grüßten,
Tritt in das Aug' die Thräne dir,
Vor der wir, gleich verzagten Zwergen,
Uns in den Eulenflügeln bergen.

Satan. Wenn Satan weint, so hat er Grund.

Luzifer. Thu' auf, o König, deinen Mund!
Dein Feuer ist es, was uns nährt,
Wir sind schon bleich und halbverzehrt.
Auf! Bleibe nicht in dir verschlossen,
Hast du nicht tausend Streitgenossen?

Satan. Es bringen Millionen Milben
Nicht einen Kieselstein vom Ort;
Und aller Sprachen alle Silben
Sind noch kein einzig zeugend Wort. –
Was ein Tyrann in Güte sagt,
Das widerruft er, wenn es behagt;
Trotz dem Tyrannen, der nicht hält,
Was er in seinem Zorn gesprochen!
Er übergab mir diese Welt,
Sie steht; er hat den Eid gebrochen.

Luzifer. Bracht' eine Jungfrau in die Wochen.
Seltsame Reise eines Gotts!
Wir hielten's wert nur unsres Spotts,
Für eines Greisen Grillenspiel.
Was ist darum zu sorgen viel?
Was kümmert uns der Thorenschwank?

Kirchengesang in der Ferne.

Satan. Die Antwort giebt dir dieser Sang.
Schließt, Felsen, euer steinern Thor,
Schnee, spreite dich als Decke vor,
Ihr Donner, brüllet rauhen Chor!
Schnee, Felsen, Donner, schützt mein Ohr!
O Erde, Tochter meiner Flammen,
Mußt du in Stöhnen rinnen zusammen?
Mein froh Metall, meine lichten Stein',
Soll euch der Pfaff am Rock entweihn?
O wilde Lust und Jugendbrunst,
O nackte Leiber, freche Kunst,
O Heldenzorn und Heldenstimm',
O todesherrlicher Königsgrimm:
Verjammert alles in stumpfes Ach,
In heil'ges, dumpfes Ungemach!
Weißt du es nun? Hast du's gewittert,
Warum dein Herrscher zürnt und zittert?
Der droben stand der Welt zu weit,
Er konnt sie mit dem Arm nicht langen,
Die unergründ'te Schlauigkeit
Ist aber jetzt ins Fleisch gegangen.
Die Menschen führt der Mensch zum Streit,
Den Teufel hält der Gott gefangen!

Luzifer. So lang in meinem Amt es glückt,
Ist der Triumph ihm noch zerstückt.
So lang mein Sturm die Saaten knickt,
So lang meine Flamm' um Scheuren zückt,
So lang meine Flut den Deich erdrückt,
So lang meine Pest in Krampf und Beulen brütet,
Sind vor des Paradieses Rückkehr wir behütet.

Satan. Und was hast du mit Sturm, Flamm', Flut und Pest geschafft,
Bleibt aufrecht stehn des Menschen geist'ge Kraft?
Ich sage dir: Es fällt ein Schimmer
In unsre Schöpfung, und beleuchtet Trümmer!
Kannst du sie nicht mit unsren Mitteln treiben,
Was wird uns bleiben?
Was schafft'st du heut?

Luzifer.                                 Ich traf Tiberias
Mit Hunger, Kummer, Dürre, Mausefraß.

Satan. Und hörst, sie singen Lob- und Dankeslieder:
»Der Herr hat es gegeben, nahm es wieder.«
Und siehst, sie wall'n im Thal zu jenes Preis,
Dem nicht die Hölle war zu schwarz und heiß,
Der bis zum Ungeheu'r-gegürteten Kreise drang;
Und über Even selbst die Fahne schwang.
Nun, Phosphoros, du schweigst?

Luzifer.                                                 Was soll ich sagen?
Den Titan hast du selbst in mir erschlagen. –
Denn es ist wahr, es geht ein Fächeln
Auflösend übers Erdenrund,
Mit süßem, frischem, mildem Lächeln
Beschwören sie den neuen Bund.
Die alten Jubelklänge dehnen
Sich aus in feierliche Weisen,
Die Steine selbst ergreift ein Sehnen,
Zum Himmel leicht empor zu reisen.
Die Pforte reckt sich auf als Bogengang,
Um droben zu vernehmen hold Gerüchte;
Die kurze Säule wächst zum Pfeiler, schlank,
Und trügt, ein Baum, granitne Blumen, Früchte!

Satan. Da mein Vasalle singt und schwärmt,
Wer wird's den Menschen noch verdenken!

Luzifer. O Herr, ich weiß, ich bin zu lenken
Zu leicht vom Pfad, bin rasch erwärmt.
Du bist der ewig Fest' und Stäte,
Ich spiel' als Lust und Feu'r um alles,
Und seit dem großen Tag des Falles
Ich nur mit irrem Fuß auftrete.
Doch nahm ich auch den Eindruck an
Gedankenlos in meiner Bahn,
Ein Wort von dir in mir doch trifft
Des Innern urlebend'ge Schrift.
Sieh mich beschämt und reuevoll,
Sprich, was ich muß, sag', was ich soll?
Ist, großer Meister, unsre Zeit zu Ende,
So gieb es tapfer kund,
Und glaub', daß keiner sich der Deinen wende
Vom alten Bund!
Laß unsre Arm' uns ineinander schlingen!
Was wandelbar, mag er bezwingen,
Am Lichte funkle seines Lichtes Pracht,
Doch wir verschmähn's, und murren in der Nacht!

Satan. Wenn unsre Sache schon verloren wäre,
So wisse du; ich hätte stolz geschwiegen,
Und wär' mit meiner Ehre stumm gestiegen
In's Letzte, Tiefste, in die große Leere;
Und da die Welt nur ruht auf meiner Schwere,
So wäre sie mir wohl gefolgt die Stiegen,
Und seine Posse hätte dann, die hehre,
Gehaltlos in den Lüften können fliegen! –
Ich hab' gezürnt, hab's offenbart,
Das Wort bei mir zur That stets ward,
Lang war es schon in mir gestaltet,
Und dies Gespräch hat es entfaltet.
Erst schwankt die Gerte, dann wird sie steif,
Ich kocht' es in mir selber reif.
Siehst du den Hof?

Luzifer.                           Den großen drunten?
Das Haus scheint unter Ziegeln, bunten
Es schauet aus den Fenstern, blank.
Geräum'ge Ställe ziehn entlang
Dem Platz, die frohbemalten Mauern,
Und alles ist gebaut zum Dauern.
Der Born, gefaßt von Marmelstein,
Giebt Wasser, kalt, krystallenrein,
Im Eimer schöpfen's Magd und Knecht,
Rüstig und reinlich, schlecht und recht.
Sie tragen's hin, sie geben's der Herde,
Die schimmert, die brüllt mit lust'ger Gebärde,
Und rings um Hauses und Stalles Segen
Ist zartes, lockres Land gelegen,
Beschattet von des Gedeihens Wucht:
Am Zweig die Frucht, am Boden die Frucht!
Da ist ein rechtes Wohlbefinden
Ringsum gebreitet nach allen Winden.
Das steht, als könn' es nicht vergehn,
Man müßt' doch einmal dazu sehn!
Jetzt tritt ein stattlicher Mann in die Thür,
Er blickt aus sanften Augen herfür.

Satan. Des Hauses Besitzer ist der Mann,
Dem neuen Glauben zugethan.
Er ist von allen Zweifeln geschieden,
Ganz rund und in sich selbst zufrieden

Luzifer. Bei unserm Trotz! Welch neues Bild!
Zum Alten tritt ein Mägdlein, mild.
Die schönste Jungfrau, die ich sah
Auf meinen Zügen, hie und da!
Die Stirn thut so in Unschuld scheinen,
Daß ich mich schäme fast der meinen.
Der goldnen Locken liebes Licht
Verklärt das Milch- und Blutgesicht;
Jetzt drückt sie auf die Hand des Alten
Die Lippen, weich und rot gespalten.

Satan. Sie ist die Tochter dieses Reichen,
An Reizen mag ihr keine gleichen.
Sie ist mit Sittsamkeit geziert,
Von keinem Traume noch berührt.

Luzifer. Sie geht mit leichtem, kleinem Schritt,
Der Vater giebt ihr den Segen mit.

Satan. Zur Wüste geht sie, zum Eremiten,
Ich werd' ihr gleich den Gruß entbieten.
Ich will . . .

Luzifer.             Was willst? – Was wirst du thun?
Du schweigst. O Herr, warum schwebt's nun
Auf einmal, gleich 'nem düstern Rauch
Vor deinem großen, strahlenden Aug'?

Satan gen Himmel dräuend.
Daß uns nichts bleibt, als nachzuäffen!
Er hat das Erfinden, hat das Treffen.
Doch was ihm glückt', kann uns gelingen,
Wir wollen uns, wie Er, verjüngen.
Er war zu schwach, sie nach sich zu ziehn,
Da schuf er den Sohn, jetzt kennen sie ihn.
Der Mensch hat mit ihnen gelebt und gelitten,
In die Göttlichkeit ist er zurück dann geschritten.
Der Weg ist gewiesen, bezeichnet die Bahn,
Und alle vermögen, was Einer gethan.
So wollen wir gleichfalls uns zeugen den Erben,
Der Mensch ist nur durch den Menschen zu werben.

Luzifer. Soll ich mit sausenden, brausenden Plagen
Haus, Feld, Herde und Leiber schlagen?
Soll ich den Boden dir rotten in Angst und in Blut,
Darin gedeiht unsre Brut?

Satan.
        Du sollst das lassen!
        Des Bettlers Prassen
        Ziemet mir nicht.
        Ein König spricht,
        Was dann geschicht.

Luzifer. Soll ich mit lüsternem Flüstern umsäuseln
Dieser Maid unschuldige Brust?
Soll ich vor ihr heuchelnd und schmeichelnd kräuseln
Schemen der Lust?
Soll ich, sie rührend, verführend, leihen und weihn
Sein und Schein?

Satan. Ich muß es verneinen.
Laß das den Kleinen,
Kleinlich bemüht
Um schwaches Gemüt,
Krankes, verworrnes Geblüt!
Ich bin der Herrscher, und bin ich es noch,
Lock' ich nicht, zwing' ich das Opfer ins Joch.
Fleuch du zurück, versammle meinen Reigen,
Und setzt euch um den Thron auf erzne Stühle;
Laßt euren Sinn zu den Gedanken neigen,
Vor denen ihm selbst wird im Himmel schwüle!
Denkt die Verdammnis, denkt, was wir verloren,
Denkt, was aus unsrem Schlund emporgegoren,
Denkt, was mißlang, zersprang, verkam und wich:
So harrt auf mich!

Sie verschwinden.


Wüste. Höhleneingänge.

Candida. Placidus.

Placidus. Hätt' ich dich heut doch nicht erhofft,
Mein frommes Kind, du kamst zwar oft,
Ein flinkes Wüstentäubelein,
Und bracht'st in deinem lieben Munde
Von draußen mir gelinde Kunde;
So mocht' ich hier und draußen sein.
Doch heut ist's spät. Die Sonne glühet
Schon rot, und lange Schatten ziehet
Der kleine Tamariskenstrauch
Weit übern Sand im Abendrauch.
Schon flieht die Antilope wild,
Weil fern der Löw' im Lager brüllt,
Der Schakal steht auf jenen Hügeln,
Heim reist der Strauß mit Ruderflügeln.
Die Balsamstaude schickt den Duft,
Ihr Schlummeropfer in die Luft,
Capella fängt schon an zu funkeln,
Wie find'st den Rückweg du im Dunkeln?

Candida. Meine Ruhstatt wollt' ich finden hier.

Placidus. Hier in der Öde, Kind, bei mir?

Candida. Bei deiner Höhle liegt die zweite,
Gedeckt von Stauden, Felsgebreite.
Herberge drin der Wandrer find't,
Herberge heute drin dein Kind.

Placidus. Du Närrchen, welch ein Scherz ist das,
Ei, ruh in deinem weichen Bette.

Candida. Ich hab' mir lang gewünschet das,
O daß die Rast ich immer hätte!
Mein Kämmerlein ist dumpf und klein,
Der Sterne Licht fällt nicht hinein,
Hier ist es weit, hier ist es groß,
Der Himmel liegt dem Auge bloß,
Zu Haus ein jeder reden will,
Die Wüste weiß zu horchen still.

Placidus. Was wird der Vater dazu sagen?

Candida. Der hat es mir nicht abgeschlagen.
Ich bat ihn drum, weil er heut Fest
Mit seinen Freunden hält in Freuden,
Er weiß es schon, ich kann's nicht leiden.

Placidus. Sind denn so wild bei euch die Gäst'?

Candida. Das sind sie nicht, sie reden munter,
Doch geht's deshalb im Haus nicht bunter.
Hast du die Schnecke wohl betrachtet?
Sie ist ein Tierchen, sehr verachtet;
Ich sah sie stets mit Freuden an,
Sie lehrt uns, was man soll und kann.
Du magst sie noch so leis berühren,
Sie wird es auf der Stelle spüren;
Sie scheut sich, bebt recht inniglich,
Und schmiegt sich, zart, verschämt in sich.

Placidus. Die Schneck' ist wohl ein gutes Tier,
Doch andres Gleichnis lehrt sie dir.
Der Schnecke Häuslein ist nur schwach,
Es schirmt vor keinem Ungemach.
Der kleinste Knabe schlägt's zu Stücken,
Der kleinste Vogel kann's zerpicken.
Mein liebes Kind, du bist so jung,
Du wirst noch manches sehn und hören.
Noch Schlimmres, als des Gastmahls Prunk,
Darf deine Seele nicht verstören.
Die Welt ist da, und wir sind drin;
Wir müssen durch das Leben hin.
Wir sollen Hand und Fuß ihm geben,
Nicht schneckengleich am Boden kleben.

Candida. Und du hast dich doch selbst geweiht,
Mein Vater, ernster Einsamkeit.

Placidus. Auf meiner Scheitel sechzig Jahre,
Auf deinen Wangen sechzehn Lenze,
Auf meinem Haupte keine Haare,
Um deine Schläf' der Locken Kränze!
Dem Krieger Recht zur Ruh erwarben
Die kümmerlich geheilten Wunden;
Die Falten meiner Stirn sind Narben,
So ich in manchem Strauß gefunden.

Candida. Ist dir's so übel denn ergangen?

Placidus. Laß das, mein Kind, es ist vergangen.

Candida. Wie mitten in der sand'gen Fläche
Das grüne frohe Plätzchen liegt!
Hier sprießen Blumen, quellen Bäche,
Und rings der Staub, der taube, fliegt.

Placidus. Sie sagen, einst war die Wüste Meer,
Eilande aber die Oasen!
Da wich in die Ferne das große Meer,
Und stehen blieben die kleinen Oasen.
In ewiger Wandlung ist das Ungemeine,
Und am Orte bleibt nur das Geringe, das Kleine.
Drum sind die Menschen auch immer sie;
Die Schiffe fahren nun weit von hie,
Aber mit andrem Schiffe reist
Jetzt des Menschen nimmer müßiger Geist.
Durch der Einöde weiße Rippen,
Durch die meilengedehnten, heißen Klippen
Schreitet der Kamele schlurrender Zug,
Die War' auf dem Rücken, zu Handel und Trug.
Die Tiere schrein, sehn sie die Siedelei,
Und dann hält's hier, trinkt's, und dann zieht's vorbei.

Candida. Dein Gärtlein ganz von Lilien blinkt,
Hast du die Lilien so lieb?

Placidus. Ich habe zu ihnen rechten Trieb.
Die schöne Blume wiegt und schwingt
Sich auf dem Halme, wundereigen,
Im Kelch ist so ein heil'ges Schweigen.
Man kann sie nicht zu Kränzen binden,
Wie Rosen, dann ist's um sie gethan,
Doch nachts ob ihrem Kelche zünden
Sich seine leichte Flämmchen an. –
's ist Abend, und schon näßt der Tau;
Da du es, Candida, beschlossen,
Rüst' ich dir in der Höhle Bau
Das Lager von Moos und Kräutersprossen. Ab.

Candida.
    O daß ich schwebte auf dem Stengel,
Die leichte luftgenährte Blume!
Daß meine Seel', ein spiel'nder Engel,
Aufflammte zu des Kelches Ruhme!

    O daß den Fuß mir nicht mehr drückte
Die rauhe, kieselharte Erde!
O daß mein Auge nicht mehr blickte
Auf Scherz und Schmerz, Lust und Beschwerde!

Satan tritt ein.

Satan. Ich grüß' dich, Jungfrau, mit des Eifers Gruß.

Candida. Wer bist du Ungetüm?

Satan.                                             Der Herr vom Muß.
Bald wirst du mehr von meinen Thaten wissen,
Im Sklavendienst für ein gewalt'ges Müssen.

Candida. Ich weiß von dir und deinen Thaten nichts,
Entsetzlich Scheusal schrecklichen Gesichts.
Ja wachse nur! Frech wachse bis zum Monde,
Wir fürchten nicht mehr dich, nicht deine Fronde!

Satan. Ich bin der König und du bist die Magd;
Und deine Blüte meinem Gaumen behagt.

Candida. Ich bin die Magd des Herrn, und in dem Bade
Des Jordans fand ich eines andern Gnade.

Satan. Dies Wasser trocknet ab mein siegend Feu'r.

Candida. Weich du blasphemisch Ungeheu'r!

Satan. Ich konnte mich in bunten Kleidern schwingen,
Geliehne Bitten lassen dir erklingen.
Doch rauh und ungestüm, gekleidet schlecht,
So wirbt der Herr, denn das ist Herrenrecht.
Drum durch den Dampf des Rachens ruf' ich dir:
Vor morgen frühe schon gehorchst du mir.
Denn weil du schön und lieblich, keusch und rein,
Drum eben sollst du meine Buhle sein!
Noch bist du Maid, doch morgen bist du Weib,
Und Satan segnet dich an deinem Leib. –
Auf, brodle, Naphtha, aus der Tiefe Schatz!
Auch wir bezeichnen der Verkünd'gung Platz.

Eine Flamme aus dem Boden. Satan verschwindet.

Candida. War dies ein Traum?
Nein, hier geschah's! – Noch glaub' ich's kaum.
Hier stand er, brannt' er, schrie vor Wut,
Daß deine Kinder, o mein Heiland, wurden gut!

Placidus tritt ein.
Nun Candida!

Candida.               O Vater!

Placidus. Was ist? Verwandelt glänzt die Wang'

Candida. Glänzt sie? Nun denn! . . .

Placidus. Ward dir alleine hier so bang?

Candida. Ich hab' die Bangigkeit
Weit weg gebannet,
Mich hat die Herrlichkeit
Hoch überspannet!

Placidus. Das Lager ist fertig, zur Ruh' zu gehn,
Diese Worte kann ich nicht verstehn.

Candida. Weil dir verschlossen ist
Der Schrein der Tugend!
Trat nicht zu Jesu Christ
Der Feind versuchend?

Placidus. Hilf Herr! Was soll das wilde Singen
Von den geheimnisvollsten Dingen?

Candida. Die Jungfrau steht im Schutz
Der höchsten Mächte,
Drob schäumt voll nicht'gem Trutz
Der Uralt-Schlechte!
Weissagung geht herfür
Aus Jungfraunmunde,
Einhorn, das flücht'ge Tier,
Folgt, gleich dem Hunde;
Das Boot versinket nicht
Darin sie fähret;
Sündern wird, die sie spricht,
Verzeihn gewähret.

Placidus. Bitt selber, daß dir werde verziehn.
All', was wir haben, ist geliehn,
Und brauchen wir's, wie unser Eigen,
Wird sich der rechte Besitzer zeigen.
Dem Hochmut folgt sogleich die Straf',
Gut' Nacht! Beschirmet sei dein Schlaf.

Candida. Stets wird den Geistern, scheu,
Das Wunder fehlen,
Doch ewig zeugt sich's neu
Den heil'gen Seelen!
Fällt nicht ein Licht herab
Auf meine Scheitel?
Öffne dich, süßes Grab!
Die Erd' ist eitel.

Sie geht in die Höhle.

Satan tritt ein.
Mit Fehlern macht man mir zu schaffen viel,
Doch reinste Reinheit ist mir nur ein Spiel.
        Er blickt zur Höhle.
Schlafend? Sie hält die Hände klein gefalten.
Trennt euch! So! Dieser Zauber wär' gespalten.
Im Taumel schlug sie nicht einmal das Kreuz,
Wehrlos Gewand beschützt wehrlosen Reiz.
Fall ab, Gewand, wie Zunder! Herb, frisch, kalt
Erscheinest du, jungfräuliche Gestalt!
Verbrauchtes Land gebieret nur den Zweifel,
In unberührter Erde wirkt der Teufel.
Fließt, Nebel, aus der fahlen Wolke Riß,
Und deckt dies große Werk der Finsternis!

Nacht und Nebel, die die ganze Gegend bedecken

Kirchengesang in der Ferne
        O sanctissima,
        O piissima,
        Dulcis virgo Maria!
        Mater amata,
        Intemerata,
        Ora, Ora pro nobis!

Die Nebel fallen. Morgen.

Placidus tritt aus seiner Höhle. Er trägt Lilien in der Hand.
Die Nacht war wild und träumerisch,
Gottlob, da lacht der Morgen frisch!
Ein dichter Nebel, die Aussicht hemmend,
Lag um die Höhlen, giftbeklemmend.
Ich hab' mein Lager so bereitet,
Daß es von West nach Ost sich breitet,
Damit der Sonne jüngstes Licht
Mir fällt sogleich ins Angesicht;
Heut sah ich nicht das erste Feu'r,
Die Dünste webten einen Schlei'r.
Ich hatte einen bösen Schlummer,
Mir träumte von der Jugend Kummer,
Und alte Schuld, die längst verblich,
Hob ihren Finger gegen mich.
Da ist es mir denn nun vergolten,
Wie hab' ich nicht das Kind gescholten,
Statt geistlich mit ihr durchzuwachen,
Mild, mildes Licht ihr anzufachen!
Wir sind denn leider einmal so;
Wir dünken uns auf dem Berge froh,
Und unser höchstes, größtes Bezeigen
Ist nur ein stetes, mühsel'ges Steigen. –
        Er betrachtet die Lilien.
Die armen Lilien hat der Wind
Auch abgebrochen über Nacht;
Es blüht die Lilie auf geschwind,
Geschwinder hat's der Wind gewacht.
Die allgemeine Zerstörung trifft
Die Segensblume, die Blume voll Gift!

Candidas Stimme.
Wehe! Wehe! Ach mir Armen! Hölle, sind das deine Wehen?
Ach, was ist, was ist, o Grausen! dem zertret'nen Wurm geschehen?

Placidus.
Welche Töne! Welche Stimme! Rufte dort nicht Candida?

Candida tritt auf.
Weiche Gott in deine Tiefen! Nur der Teufel bleib' uns nah!

Placidus.
Heilige des Himmels! Thörin! bist du rasend und besessen?

Candida.
Miß das Menschliche! Ich aber will mich an mir selbst ermessen.

Placidus.
Was ist denn geschehn?

Candida.                                 Ich weiß nicht! Aber du, du wisse das:
Diese Erd' ist nicht von Erde! Dieser Boden ist von Glas;
Und ich schaue durch zum Abgrund! Und da sitzt ein tapfrer Riese,
Auf dem Thron, erbaut von Schmerzen, in der ew'gen Qualenwiese,
Und die düstern Helden sitzen ringsumher auf Stuhl und Bank,
Und die Hölle singt dem Kön'ge einen schönen Lobgesang!
Und die Mauer seh' ich ragen von jahrtausend alten Sünden,
Und zahllose Seufzer wehen, die nicht konnten Ruhe finden.
Dieses herrliche Gebiete schließet ein der Strom der Greu'l,
Im Unendlichen dann ball'n sich ungebor'ne Sündenknäul.
Deine Frevel, alter Heuchler, mehren auch der Tiefe Schätze,
Denn ich seh' sie, und du glaub es, denn dir sagt es eine Metze!
Warum trägst du diese Lilien? Tote Furienangesichter,
Wollt ihr spotten? Ich zertret' euch, leichenernste Sittenrichter!
        Sie entreißt ihm die Lilien und zertritt sie.
Fluch dem Himmel! Fluch der Erde! Allem Fluch, was Leben heißt!
Du allein, mein starker Bräut'gam, sei gelobet, sei gepreist!

Placidus.
Ewiger, mein Mund verstummet. Du erkennest deine Wege,
Und du weißt, was ich anbetend stumm zu deinen Füßen lege.

Candida.
Ich zerbrech' in meinem Jammer, doch die Stücke kittet neu
Lust an dem, was ich erlitten, und zur Wonne wird die Reu'!
Hätt' ich mich noch selber, gäb' ich wieder doch mich so verloren,
Aber freilich wünscht' ich lieber, daß ich nimmer wär' geboren!
Giebt es nichts denn, was mich festhält in dem weiten Ring der Zeit?
Ach, die Thräne! Ja, du Thräne! letzter Freund der Sterblichkeit!
O so fließet meine Thränen! sendet, meine Augen, sendet
Aus das ungeheure Elend in den Bach, der nimmer endet!
Lös't euch, meine jungen Glieder! Werdet Zähren, Fleisch und Bein!
Ach, vielleicht sind dieses Wassers Fluten wieder klar und rein.
Wenn die Seele, abgewaschen, in die Flut dann niedersinket,
Ist's ein See, der in dem Thale zwischen Halmen glänzt und blinket,
Und die Wogen fragen schüchtern dann zum Himmel aus, dem blaun:
Willst du dein geliebtes Antlitz bald in meinem Spiegel schaun?

 


 


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