Henrik Ibsen
Catilina
Henrik Ibsen

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Zweiter Akt

(Ein Saal in Catilinas Haus, mit offenem Säulengang im Hintergrund. Eine Lampe erleuchtet den Saal.)

(Catilina geht auf und ab. Lentulus und Cethegus sind bei ihm.)

Catilina.
Nein, Freunde, nein! Ihr wißt nicht, was Ihr sagt.
Ihr überfordert mich; Ihr wollt, ich soll
Den Staat verraten, Bürgerkrieg beginnen,
Mit Römerblut die Hände mir besudeln?
Das tu' ich nicht! Und ob die ganze Stadt
Mich drum verdammt –

Lentulus.                       Du willst nicht, Catilina?

Catilina.
Ich will nicht.

Cethegus.         Hast Du keine Unbill hier
Zu rächen, keinen, den Du treffen möchtest?

Catilina.
Üb' Rache, wer da will; ich tu' es nicht.
Schweigend verachten heißt wohl auch sich rächen;
So will ich's halten und nur so.

Cethegus.                                 Aha,
Wir kamen noch zu ungelegner Zeit.
Bis morgen kommst Du, Catilina, leichtlich
Auf andere Gedanken.

Catilina.                       Und warum?

Cethegus.
Die Stadt ist voll von seltsamen Gerüchten.
Man hat soeben eine Braut der Vesta
Zum Tod geführt –

Catilina (überrascht.)
                            Der Vesta? Was Du sagst?

Lentulus.
Jawohl, der Vesta. Und so mancher munkelt –

Catilina.
Was munkelt man?

Cethegus.                 Du seiest nicht so ganz
An dieser dunkeln Sache ohne Schuld.

Catilina.
Das glaubt man von mir?

Lentulus.                         Hm, was man so redet.
Nun ja, für uns, für Deine guten Freunde,
Verhalte sich's, wie sich's verhalten mag; –
Allein des Volkes Urteil lautet strenger.

Catilina (in Gedanken.)
Und ist sie tot?

Cethegus.           Das ist sie ohne Zweifel.
Ein Stündlein Aufenthalt im Frevlergrab ist
Mehr als genug –

Lentulus.             Das ficht uns hier nichts an;
Nicht darum brachten wir auf sie die Rede.
Doch hör' mich, Catilina! Wäg's genau!
Du wolltest Konsul werden; Dein Geschick
Hing an dem Faden dieser einen Hoffnung;
Der Faden ist gerissen – und was nun?

Catilina (wie vorher.)
"Selbst riefst die Rache Du auf Dich hernieder."

Cethegus.
Laß dies Gegrübel sein; es führt zu nichts.
Erweise Dich als Mann, noch winkt das Glück.
Entschließe Dich; der Freunde sind genug;
Wir fallen Dir aufs erste Zeichen zu.
Du fühlst Dich nicht versucht? Antworte!

Catilina.                                                   Nein!
Und warum wollt Ihr Euch verschwören, Ihr?
Sprecht ehrlich! Sehnt sich Euer Herz nach Freiheit?
Macht Ungeduld, Roms Größe zu verjüngen,
Euch zu Rebellen?

Lentulus.                 Nein, dies alles nicht.
Doch Hoffnung, selber groß zu werden, dünkt
Mich immer Grunds genug noch, Catilina!

Cethegus.
Und Mittel, froh sein Leben zu genießen,
Sind doch wohl auch nicht kurzweg zu verwerfen.
Mehr will ich nicht; von Ehrgeiz bin ich frei.

Catilina.
Ich wußt' es. Nur gemeine, kleine Rücksicht
Auf eignen Vorteil ist, was Euch bewegt.
Nein, Freunde, nein; da lag mein Ziel doch höher!
Wohl hab' ich durch Bestechungen versucht,
Das Konsulat an mich zu reißen, doch
Mein Plan ging tiefer, als aus solchen Mitteln
Vielleicht zu schließen war. Der Bürger Freiheit,
Des Staates Wohl war meines Strebens Endziel.
Ich ward verkannt; der Schein stand gegen mich.
Mein Schicksal will es so. Es muß so sein!

Cethegus.
Nun wohl; doch denkst Du nicht des Freundesschar,
Die Du vor Sturz und Schande retten könntest?
Du weißt, wenn wir so locker weiter ludern,
So bleibt uns bald nur mehr der Bettelstab.

Catilina.
So tut wie ich und macht beizeiten halt!

Lentulus.
Wie, Catilina – Du gedenkst Dein Leben
Zu ändern? Hahaha, Du machst wohl Spaß?

Catilina.
Es ist mein bittrer Ernst, beim Jupiter!

Cethegus.
Nun denn, so müssen wir auf ihn verzichten.
Komm, Lentulus; den übrigen zu melden,
Was für Bescheid uns ward. Wir finden sie
Vergnügt beim Wein im Haus des Bibulus.

Catilina.
Des Bibulus? Wie manche lustige Nacht
Durchschwärmt' ich nicht bei Bibulus mit Euch!
Jetzt ist es aus mit meinem tollen Leben;
Bevor es graut, hab' ich die Stadt im Rücken.

Lentulus.
Was sagst Du da?

Cethegus.               Du wolltest fort von hier?

Catilina.
In dieser Nacht, von meinem Weib begleitet,
Nehm' ich von Rom fürs ganze Leben Abschied.
In Galliens Tälern gründ' ich mir ein Heim;
Das Feld, das ich mir rode, soll mich nähren.

Cethegus.
Du willst die Stadt verlassen, Catilina?

Catilina.
Ich will; ich muß! Hier drückt mich Schimpf zu Boden.
O, meine Armut könnt' ich schon ertragen;
Doch hier in jedes Römers Blick Verachtung
Und Hohn zu lesen – nein, dies ist zu viel!
In Gallien kann ich still und abseits leben;
Vergessen werd' ich dort, was einst ich war,
Betäuben meinen Durst nach hohen Zielen
Und denken dieser Zeit wie eines Traums.

Lentulus.
Nun, so leb' wohl; und Glück sei Dein Geleit!

Cethegus.
Vergiß uns nicht, wie wir auch, Catilina,
Dich nicht vergessen werden! – Laßt uns nun
Der Brüderschar die krause Kunde melden!

Catilina.
Und bringt ihr meinen brüderlichen Gruß!
(Lentulus und Cethegus ab.)

(Aurelia ist von der Seite her eingetreten, bleibt jedoch beim Anblick der Abgehenden furchtsam stehen; sobald sie draußen sind, nähert sie sich Catilina.)

Aurelia (mit sanftem Vorwurf.)
Schon wiederum die wilden Freunde hier?
O, Catilina –!

Catilina.         's war zum letzten Mal.
Ich nahm von ihnen Abschied. Jedes Band,
Das mich an Rom noch hielt, ist nun zerschnitten
Für alle Zeit.

Aurelia.           Ich packte, was wir haben,
Zusammen. Wenig ist es; doch genug
Für ein bescheiden Leben, Catilina!

Catilina (in Gedanken.)
Mir noch zu viel, der alles ich verlor.

Aurelia.
O, sinne dem nicht nach, was nicht zu ändern!
Vergiß, was Du –

Catilina.                 Ja, wer vergessen könnte
Und die Erinnrung aus der Seele reißen
Und jede Hoffnung, jeden Wunsch dazu!
Ich brauche Zeit, bis ich so weit gelange;
Doch will ich mich bemühn –

Aurelia.                                   Ich helfe Dir;
So fühlst Du minder der Entbehrung Leid.
Doch müssen wir sobald als möglich fort!
Hier lockt das Leben Dich wie ein Versucher, –
Nicht wahr, – wir reisen noch in dieser Nacht?

Catilina.
Ja, ja; noch diese Nacht, Aurelia!

Aurelia.
Ein Sümmchen, das uns noch geblieben, tat ich
In einen Beutel; es genügt fürs erste.

Catilina.
Gut, gut! Mein Schwert verkauf' ich für ein Grabscheit.
Pah, was bedeutet noch ein Schwert für mich?

Aurelia.
Du pflügst den Acker; ich bestelle ihn.
Bald werden Rosenhecken unser Haus
Umblühn und freundliche Vergißmeinnicht,
Zum Zeichen, daß die Zeit kam, da Du jede
Erinnerung wie eine Jugendfreundschaft
Begrüßen kannst, wenn sie Dein Herz besucht.

Catilina.
Die Zeit, Aurelia? Ich fürchte, Liebste,
Die liegt noch in der Zukunft fernem Grau.
(Mit leichterem Ausdruck.)
Doch, geh, mein Weib; und raste noch ein wenig.
Wir machen nach kurz Mitternacht uns auf; –
Da liegt die Stadt in ihrem tiefsten Schlummer,
Und niemand ahnt, wohin die Reise geht.
Den ersten Morgenstrahl begrüßen wir
Weit, weit von hier; im Schutz des Lorbeerhains
Gelagert auf des Grases weichem Teppich.

Aurelia.
Ein neues Dasein bricht für uns heran,
An Freude reicher, als das alte hier.
So geh' ich denn. Ein Stündchen Ruhe wird
Mich stärken. Gute Nacht, mein Catilina!
(Sie umarmt ihn und geht ab.)

Catilina (sieht ihr nach.)
Nun ist sie fort. Ah, das erleichtert mich!
Ablegen kann ich diese martervolle
Verstellung, diesen Schein von Fröhlichkeit,
Davon sich nichts in diesem Herzen findet.
Sie ist mein guter Geist. Sie würde trauern
Ob meiner Furcht. Ich muß sie ihr verhehlen.
Doch diese stille Stunde will ich einer
Betrachtung des verfehlten Lebens weihen.
Ah, dort die Lampe stört mich; Dunkel muß
Hier herrschen, Dunkel, wie in meiner Brust.
(Er löscht die Lampe aus; der Mond scheint durch die Säulen im Hintergrunde herein.)

Zu hell, zu hell noch immer. Doch gleichviel;
Der matte Mondschein paßt am Ende gut
Zu diesem halben Licht, das meine Bahnen
Einhüllt und eingehüllt, solang' ich denke.

So ist denn, Catilina, dieser Tag
Dein letzter; morgen bist Du schon nicht mehr
Der Catilina, der Du einst gewesen.
Im fernen, öden Gallien soll mein Tag
Verrinnen, weltfern wie ein Fluß im Walde.
Nun bin ich aufgewacht aus allen Träumen
Von Größe, Macht und tatenreichem Leben;
Sie schwanden fort wie Tau; mein nächtlich Herz
War ihre Heimat; niemand wußt' um sie.

Es ist nicht diese Ruhe dumpf und schwer,
Dies Abseits von der Welt, wovor mir graut.
O, könnt' ich eines Blitzes Frist nur leuchten
Und flammen wie ein Stern in seinem Fall,
Ein einzig Mal durch eine hehre Tat
Mich und den Namen Catilina schmücken
Mit Ruhm und unvergänglichem Gedächtnis, –
Ich gäbe gern im Augenblick des Siegs
Der Welt Valet, erwählt' ein fremd Gestad',
Ja, stieß' den Dolch mir selber in die Brust
Und stürbe freudig; denn ich hätt' gelebt!

Doch dieses Los ist Tod, gemeiner Tod.
Wär's möglich? Sollt' ich so vergehen müssen?
(Mit emporgestreckten Armen.)

Ein Wink, erzürnte Götter! Ist dies mein Los:
Vergessen, ohne Spur aus diesem Leben
Zu gehn?

Furia (draußen hinter den Säulen.)
              Es ist Dein Los nicht, Catilina!

Catilina (fährt zurück.)
Wer sprach da? Welche Stimme mahnt mich hier
Wie Geisterrede aus dem Reich der Schatten?

Furia (tritt in den Mondschein heraus.)
Ich bin Dein Schatten.

Catilina (entsetzt.)         Der Vestalin Geist!

Furia.
Du schrickst vor mir zurück? Wie mußt Du tief
Gesunken sein!

Catilina.             Bist Du dem Grab entstiegen,
Um mich mit Haß und Rache zu verfolgen?

Furia.
Verfolgen, sagtest Du? Ich bin Dein Schatten
Und muß begleiten Dich, wohin Du gehst.
(Sie tritt näher.)

Catilina.
Sie lebt, ihr Götter! lebt! Sie ist es selbst,
Kein Geist!

Furia.             Geist oder nicht, das gilt hier gleich;
Genug, ich folge Dir, wohin Du gehst.

Catilina.
Mit blutigem Haß!

Furia.                       Im Grab erlischt der Haß,
So wie die Lieb' und jegliches Verlangen,
Das Menschenbrust bewohnt. Nur Eins steht fest
In Tod und Leben und ist nicht zu ändern.

Catilina.
Und was? Sprich's aus!

Furia.                               Dein Schicksal, Catilina!

Catilina.
Das kennen nur die alles Wissenden,
Kein Irdischer wie wir.

Furia.                               Ich kenne es.
Ich bin Dein Schatten; rätselvolle Bande
Verknüpfen uns.

Catilina.               Des Hasses Bande.

Furia.                                                   Nein!
Stieg je ein Geist aus Grabesnacht empor
Mit Haß und Rachbegier? Hör', Catilina!
Ich habe jede Erdenglut dort unten
Im tiefen Strom der Unterwelt ertränkt.
Wie Du mich vor Dir siehst, bin ich nicht länger
Die Furia, die wilde, zornentbrannte, –
Die Du einst liebtest –

Catilina.                       Hassest Du mich nicht?

Furia.
Nun nicht mehr. Als ich dort im Grabe stand,
Am Scheidewege schwankend zwischen Leben
Und Tod, den nächsten Augenblick bereit,
Zum Hades einzugehn, – sieh, da ergriff
Ein Schauder mich, ich weiß kein Wort dafür;
Doch wunderlich verwandelt dünkt' ich mich;
Fort flohen Rache, Haß, die Seele selbst;
Erinnrung schwand und jedes Erdentrachten;
Nur noch der Name Catilina brannte
Mit Flammenschrift, wie einst, in meiner Brust.

Catilina.
Verwunderliches Weib! Sei, wer Du willst,
Ein Mensch, ein Schattenbild der Unterwelt, –
Es wohnt ein grauenvoller Zauber doch
In Deinem Wort, in Deinen schwarzen Augen.

Furia.
Dein Herz ist stark wie meins; und dennoch lässest
Du zag und zweifelnd jede Hoffnung fahren
Auf Sieg und Macht! Und wendest feig den Rücken
Dem Schauplatz, wo die dunkeln Pläne Dir
In Licht und Reife sich entfalten könnten!

Catilina.
Ich muß! Ein unerbittlich Schicksal will es.

Furia.
Ein Schicksal? Wozu ward Dir Heldenkraft,
Wenn nicht, solch einem Schicksal kühn zu trotzen?

Catilina.
Ich hab' genug gestritten! War mein Leben
Nicht steter Kampf? Und dieses Kampfes Früchte?
Verachtung – Schande –!

Furia.                                 Du bist tief gesunken.
Du hängst Dich an ein hoch, verwegen Ziel
Und sähst es gern erreicht – und zitterst doch
Vor jedem Hindernis.

Catilina.                       Mir bangte? Nein.
Allein mein Ziel ist unerreichbar hoch; –
Das Ganze war ein kurzer Jugendtraum.

Furia.
Du täuschst Dich über Dich, mein Catilina!
Dein Geist umschwebt dies eine Ziel noch immer;
Dein Herz ist groß, Rom zu beherrschen würdig,
Und Du hast Freunde –. Ah, was zauderst Du?

Catilina (nachdenklich.)
Ich soll –? Du rietest mir –? Mit Bürgerblut –?

Furia.
Hast Du, der Mann, nicht eines Weibes Mut?
Vergaßest Du die Römerin, die über
Des Vaters Leichnam strebte nach dem Thron?
Ich fühle eine Tullia mich; – doch Du?
Verachte Dich; verachte Dich, Du Held!

Catilina.
Verachten soll ich mich, – weil mein Gemüt
Nicht länger Herberg' wilder Ehrsucht ist?

Furia.
Du stehst an einem Kreuzweg Deines Lebens.
Hier wartet Dein ein leer und ruhmlos Dasein,
Ein Zwischending von Tod und dumpfem Schlummer;
Und auf der andern Seite schimmert Dir
Ein Herrschersitz. So wähle, Catilina!

Catilina.
Du willst mich ins Verderben locken, Weib.

Furia.
Der Würfel fällt, – und Deine Hand entschied
Des stolzen Roms Geschick für alle Zeiten.
Ein Leben wartet Dein voll Glanz und Macht;
Und dennoch schwankst Du, wagst nicht loszuschlagen!
Du ziehst in Deine Wälder, daß Dir dort
Die letzte Hoffnung sterbe, die Dir blühte.
O Catilina, weckt denn kein, kein Wort
Den Ehrgeiz mehr, davon Dein Herz einst glühte?
Soll diese Seele, zum Triumph geboren,
In öder Wildnis ungekannt verrinnen?
Zieh hin! Doch ist für immer dann verloren,
Was hier durch eine Tat war zu gewinnen.

Catilina.
Sprich weiter, weiter!

Furia.                             Endlich, welch ein Ziel:
Vor aller Nachwelt wie gebrandmarkt stehen?
Dein ganzes Leben war ein tollkühn Spiel,
Doch würd' es der Versöhnung Hauch umwehen,
Der Sage Dämmerglanz, wenn heldenhaft
Dein Geist in diesem wilden Volk erwachte,
Wenn Nachtgewölk der Knechtschaft Deine Kraft
Vor Freiheitsmorgenrot erblassen machte,
Wenn einmal Du –

Catilina.                 Genug! Du schlugest an
Die Saite, die zutiefst in mir erzittert.
Dein Wort erklang wie Widerhall von dem,
Davon mein Herze flüstert Tag und Nacht.

Furia.
So kenne ich Dich wieder Catilina!

Catilina.
Ich reise nicht! Du wecktest mir aufs neue
Der Jugend Mut, der Mannheit starkes Sehnen.
Ja, leuchten will ich dem gesunknen Rom,
Mit Schreck Euch schlagen wie des Irrsterns Schweif,
Ihr stolzen Elenden! Ihr sollt erfahren:
Ihr habt mich nicht gebrochen, war ich auch
Ein Weilchen matt vom heißen Fechten!

Furia.                                                         Hör' mich!
Was Schicksal, was die nächtlichen Gewalten
Uns heißen, müssen wir gehorsam tun.
Nun wohl! Mein Haß erlosch; das Schicksal wollt' es;
Es mußte sein. Auf, reiche mir die Hand
Zum ewigen Bunde! Nun, was zauderst Du?
Du willst nicht?

Catilina.             Wollen –? Deine Augen schau ich.
Sie leuchten – wie der Blitz im Schoß der Nacht.
Nun lächeltest Du eben! Ha, so hab' ich
Mir Nemesis gedacht –

Furia.                               Wie? Sie zu schauen,
Blick' in Dich selbst. Vergaßest Du den Eid?

Catilina.
Ich denke sein; und doch erscheinst Du mir
Wie eine Rächerin –

Furia.                           Ich bin ein Bild ja
Aus Deiner eignen Seele.

Catilina (grübelnd.)         Wärst Du das?
Ich ahne, was ich doch nicht fassen kann;
Gleich wie aus Nebeln wallt's geheimnisvoll, –
Doch deut' ich's nicht. Hier ist zu tiefe Nacht.

Furia.
Nacht muß hier sein; die Nacht ist unser Reich;
Im Dunkeln herrschen wir. Komm, reich' die Hand mir
Zum ewigen Bunde!

Catilina (ungestüm.)   Schöne Nemesis,
Mein Schatten, meiner eignen Seele Bild, –
Hier meine Hand zum ewigen finstern Bunde!
(Er ergreift heftig ihre Hand; sie blickt ihn mit einem starren Lächeln an.)

Furia.
Nun scheidet uns nichts mehr!

Catilina.                                   Wie Feuer geht's
Von Deinem Händedruck durch meine Adern!
Hier rollt nicht Blut mehr, sondern heiße Lava;
Zu enge wird mir ums Gewölb' der Brust;
Vor meinem Blick wird Nacht! So soll sich denn
Ein Meer von Flammen über Rom ergießen!
(Er zieht sein Schwert und schwingt es.)
Mein Schwert, mein Schwert! Ha, siehst Du, wie es funkelt?
Bald soll sich's färben mit lebendigem Blut!
Was überfällt mich? Meine Schläfen brennen;
Ein Heer Gesichte jagt an mir vorbei.
Sieg, Rache, Leben kommt nun allen Träumen
Von Größe, Herrschermacht, Unsterblichkeit.
Mein Feldruf laute: Tod und rote Lohe!
Weh' dir, o Rom! Jetzt bin ich erst ich selbst!
(Er stürzt hinweg; Furia folgt ihm.)

(Das Innere einer schwach erleuchteten Taberne.)

(Statilius, Gabinius, Coeparius, treten zugleich mit einer Anzahl junger Römer ein.)

Statilius.
Hier, Freunde, können wir die Nacht verbringen;
Hier sind wir sicher, daß uns niemand hört.

Gabinius.
Wohlan, so laßt uns bechern, singen, schwärmen!
Wer weiß, wie lang's uns noch gegeben ist!

Coeparius.
Nein, warten wir vorerst die Botschaft ab,
Die Lentulus uns und Cethegus bringen.

Gabinius.
Ei, laß die Boten bringen, was sie wollen!
Dort bringt man Wein; den proben wir indes.
Auf, Brüder, stimmt ein lustig Lied mir an!

(Diener kommen mit Weinkannen und Bechern.)

Die ganze Freundesschar (singt:)
        Bacchus zu Ehren
        Lasset uns leeren
        Randvoller Becher
        Perlenden Kranz!
        Lasset den dunkeln
        Rebensaft funkeln!
        Preisend erhebt des
        Gottes Geschenk!

        Väterlich lächelnd
        Segnet uns Liber;
        Klar ist die Traube;
        Rausch ist der Lohn.
        Laßt uns genießen!
        Reben erschließen
        Herzen und Geister
        Fröhlicher Lust.

        Doch du vor allen
        Funkelnden Perlen,
        Klarer Falerner,
        Herrlicher Trank!
        Kraft in uns legst du,
        Mut uns erregst du,
        Heiterkeit senkst du
        Uns in die Brust!

        Bacchus zu Ehren
        Lasset uns leeren
        Randvoller Becher
        Perlenden Kranz!
        Lasset den dunkeln
        Rebensaft funkeln!
        Preisend erhebt des
        Gottes Geschenk!

(Lentulus und Cethegus treten auf.)

Lentulus.
Genug des Singens und der Lust!

Statilius.                                       Was gibt's?
Ist Catilina nicht mit Euch gekommen?

Gabinius.
Er wollte doch?

Coeparius.           Was hat er Euch erwidert?
Sprecht, sprecht! Erzählt uns alles!

Cethegus.                                         Völlig anders,
Als wir uns dachten, war sein Wort.

Gabinius.                                           Ei, ei?

Lentulus.
Er wies, was wir ihm bieten mochten, ab.
Von unsern Plänen will er nichts vernehmen.

Statilius.
Das wäre Wahrheit?

Coeparius.                   Warum will er nicht?

Lentulus.
Er will nicht, kurz und gut. Er läßt uns sitzen;
Verläßt die Freunde – und verläßt die Stadt.

Statilius.
Er uns verlassen, sagst Du?

Cethegus.                               Er verreist
Noch diese Nacht. Je nun, ich tadl' ihn nicht;
Sein Grund war triftig –

Lentulus.                         Feigheit war sein Grund!
Nun, da Gefahr droht, bricht er uns die Treue.

Gabinius.
Das nennt sich Catilinas Freundschaft!

Coeparius.                                             Nein;
Treulos und feig war Catilina nimmer!

Lentulus.
Und dennoch flieht er.

Statilius.                       Mit ihm unsre Hoffnung.
Wo fänden wir nun einen neuen Führer?

Coeparius.
Wo? Nirgends. Stehn wir ab von unserm Anschlag!

Lentulus.
Noch nicht, Ihr Freunde! Hört nun erst, wie ich
Zur Sache stehe! Was war unser Wille?
Uns zuzueignen mit Gewalt, was uns
Ein ungerechtes Schicksal weigerte.
Man unterdrückt uns; doch wir wollen herrschen.
Wir leiden Not; – Reichtum ist unser Ziel.

Viele Stimmen.
Ja, Macht und Reichtum! Macht und Reichtum gib uns!

Lentulus.
Nun wohl; wir wählten einen Freund zum Führer,
Auf den wir blindlings baun zu dürfen wähnten.
Er täuscht uns, wendet der Gefahr den Rücken.
Doch, Freunde, nicht verzagt! Er soll erfahren,
Es geht auch ohne ihn. Was mangelt uns?
Ein Mann, der kühn an unsre Spitze träte, –
Nichts andres.

Einige.                 Nenn uns einen solchen Mann!

Lentulus.
Und nenn' ich ihn und steht der Mann vor Euch, –
Wollt Ihr ihn dann zu Eurem Führer küren?

Einige.
Das wollen wir!

Andere.                 Ja, ja; das wollen wir!

Statilius.
So nenn ihn, Freund!

Lentulus.                   Und wär' ich es nun selbst?

Gabinius.
Du selbst?

Coeparius.   Du, Lentulus –!

Mehrere.                             Du willst uns führen?

Lentulus.
Ich will's.

Cethegus.   Und kannst Du's auch? Man muß dazu schon
Ein Catilina sein an Kraft und Mut.

Lentulus.
Mir fehlt's an Mut nicht und auch nicht an Kraft.
Nur Hand ans Werk! Wie? Oder wolltet Ihr
Nun, da es sich entscheiden kann, zurückstehn?
Jetzt oder niemals. Alles deutet auf
Ein gut Gelingen –

Statilius.               Sei's – wir folgen Dir!

Mehrere.
Wir folgen Dir!

Gabinius.             Nun ja, – wenn Catilina
Nicht mittut, wirst wohl Du der nächste sein,
Das Steuer zu ergreifen.

Lentulus.                         Nun, so hört
Wie ich mir vorzugehn gedacht. Zuerst –

(Catilina tritt eilig ein.)

Catilina.
Hier bin ich, Freunde!

Alle.                               Catilina!

Lentulus (beiseite.)                   Er!
Verdammt –

Catilina.         Wohlan, was fordert Ihr von mir?
Doch nein; ich weiß ja längst, worum sich's handelt.
Ich will Euch führen. Wollt Ihr Folgschaft leisten?

Alle (außer Lentulus.)
Ja, Catilina, ja, Du führ' uns an!

Statilius.
Man hat uns hintergangen –

Gabinius.                               Dich verdächtigt

Coeparius.
Man hat erzählt, Du wolltest fort von hier
Und unsre Sache aus den Händen geben.

Catilina.
Ich wollt' es. Aber jetzt nicht mehr; jetzt leb' ich
Nur noch für dieses eine große Ziel.

Lentulus.
Und was ist denn nun eigentlich Dein Ziel?

Catilina.
Mein Ziel liegt höher, als Du ahnen magst;
Ja, wohl, als irgend jemand ahnt. So hört denn!
Erst will ich unsrer Sache jeden Bürger
Mit Freiheitssinn gewinnen, dem des Volkes
Und Landes Ehr' und Wohlfahrt alles gilt.
Der alte Römergeist ist noch am Leben,
Sein letzter Funke noch nicht ganz erloschen.
Nun werd' er wieder angefacht zur Flamme,
So rein und leuchtend, wie er nie geloht.
Ach, allzu lange lag der Knechtschaft Düster
Auf Rom gesenkt wie eine schwarze Nacht.
Seht, dieses Reich, wie stolz es auch und mächtig
Erscheint, es schwankt und harrt nur seines Falls.
Drum muß ein Starker seine Zügel fassen;
Von Grund aus heißt es säubern hier und reuten,
Aus ihrem Schlaf die Stumpfgewordnen wecken,
Vernichten ganz der Elenden Gewalt,
Die Gift in die Gemüter streun, erstickend
Verjüngten Lebens letzte Möglichkeit!
Seht, Bürgerfreiheit will ich fördern, Freunde,
Und Bürgergeist, wie er in alter Zeit
Gewaltet hier; herauf von neuem bannen
Das goldne Alter, da der Römer froh
Sich hingab für des Vaterlandes Ehre
Und Gut und Erbe opferte fürs Volk!

Lentulus.
Du schwärmst, Freund Catilina! Das war's nicht,
Was wir gemeint –

Gabinius.                 Was, frag' ich, frommt es uns,
Solch alte Zeiten wieder aufzurichten
Mit ihrer lächerlichen Einfalt?

Einige.                                       Nein!
Macht fordern wir –

Andere.                       Und Mittel, ungebunden
Und sorgenfrei zu leben.

Viele Stimmen.               Ja, das ist's!

Coeparius.
Wie! Sollten wir um andrer Glück und Freiheit
Uns selbst gefährden?

Die ganze Schar.       Nein, wir wollen selbst
Des Sieges Früchte!

Catilina.                     Elendes Geschlecht!
Ihr wollt vom Blut der großen Väter sein?
Und wißt sie besser nicht zu ehren, als
Indem Ihr Schimpf auf ihren Namen häuft!

Lentulus.
Du wagst uns zu verhöhnen, Du, der stets
Ein Schreckbild war –

Catilina.                       Jawohl, ich leugn' es nicht;
Ich war ein Schrecken aller Guten; doch
So niedrig war ich nimmer noch wie Ihr!

Lentulus.
Halt Deine Zung' im Zaum! Das Maß ist voll.

Mehrere.
Nein, nein; wir wollen nicht –

Catilina (ruhig.)                     Ihr feige Brut, –
Ihr könnt noch irgend etwas wollen, Ihr?

Lentulus.
Nieder mit ihm!

Viele Stimmen.   Nieder mit Catilina!
(Sie ziehen ihre Dolche und dringen auf ihn ein; Catilina zieht den Mantel ruhig von seiner Brust und betrachtet die Erregten mit einem kalten, höhnischen Lächeln; sie lassen die Dolche sinken.)

Catilina.
Stoßt zu! Ihr wagt es nicht? O, Freunde, Freunde!
Ich würd' Euch achten, bohrtet Ihr den Stahl
In diese offne Brust, die Ihr bedroht.
Ist denn kein Funke Mutes mehr in Euch?

Einige.
Er will nur unser Wohl!

Andere.                           Er höhnt mit Fug.

Catilina.
Führwahr. Doch seht, die Zeit ist nun gekommen,
Da Ihr der Schande Brandmal tilgen könnt.
Was hinter uns liegt, wollen wir vergessen; –
Denn eine bessre Zukunft tut sich auf.
(Voll Bitterkeit.)
Ich Tor! Der ich mit Euch zu siegen hoffte!
Weilt Siegergeist in einer Schar Gesunkner?
(Hingerissen.)
Schön hat mir einst geträumt, und große Bilder
Besuchten mich und flohn dem Blick vorüber.
Mir träumte, daß ich mich wie Ikarus
Bis unters Himmelszelt beschwingt erhob;
Mir träumte, Götter stählten mir die Hand
Mit Riesenkraft und boten mir den Blitzstrahl.
Und diese Hand ergriff den fliehenden
Und zückt' ihn nieder auf die Stadt tief unten.
Und da die rote Lohe stieg und leckte
Und Rom in brauner Trümmer Staub versank,
Da rief ich lauten und gewaltigen Rufs
Die Brüder Catos an in ihren Gräbern;
Und tausend Geister folgten meinem Weckruf, –
Und neu aus seiner Asche hob sich Rom.
(Abbrechend.)
Es waren Träume nur. Kein Gott beschwört
Vergangenheit ins Licht des Tags herauf,
Und keiner Vorzeit Geist entsteigt dem Grabe.
(Wild.)
Nun wohl, vermag ich nicht das alte Rom
Zu wecken, – unser Rom, es soll vergehn!
Bald soll'n, wo Marmorsäulen jetzt sich reihen,
Rauchsäulen wirbeln durch der Glut Gekrach;
Palast und Tempel sollen stürzen und
Das stolze Kapitol wie Staub verwehn!

Auf, schwöret, Freunde, daß Ihr diesem Werk
Euch weihen wollt! Ich tret' an Eure Spitze
Wollt Ihr mir folgen, sprecht?

Statilius.                                 Wir folgen Dir!

(Mehrere von den übrigen scheinen unschlüssig und besprechen sich flüsternd. Catilina betrachtet sie mit einem höhnischen Lächeln.)

Lentulus (mit gedämpfter Stimme.)
Am besten ist, wir folgen. Unter Trümmern
Erreichen wir am schnellsten unser Ziel.

Alle (rufen:)
Ja, Catilina, ja; wir folgen Dir!

Catilina.
So schwört mir zu bei Eurer Väter Göttern,
Daß Ihr mir treu gehorchen wollt!

Die ganze Schar (mit erhobenen Händen.)
                                                  Ja, ja;
Wir schwör'n Dir ewigen Gehorsam zu!

Catilina.
So schleicht Euch einzeln, auf getrennten Wegen,
Ins Haus zu mir. Dort harren Waffen Euer.
Ich komme nach. Ihr sollt sodann erfahren,
Wie ich mich vorzugehn entschloß. Geht nun!
(Alle ab.)

Lentulus (hält Catilina zurück.)
Ein Wort noch! Weißt Du schon, daß dem Senat
Gesandte der Allobroger gemeldet,
Mit Klagen und Beschwerden?

Catilina.                                     Ja, ich weiß es.
Sie trafen heute ein.

Lentulus.                   Ganz richtig, heute.
Wie, – wenn wir sie für unsre Pläne stimmten?
Mit ihnen wird ganz Gallien sich erheben
Und einen Sturm aufwirbeln wider Rom.

Catilina (unwillig.)
Wir sollten Bündnis suchen mit Barbaren?

Lentulus.
Ein solches Bündnis ist für uns Bedingung.
Aus eigner Kraft erwächst der Sieg uns nicht;
Wenn nicht von außen –

Catilina (lächelt bitter.)   Tief gefallnes Rom!
In dessen Mauern nicht einmal Männer,
Ein wankend Trümmerwerk zu stürzen, sind.
(Beide ab.)

(Ein Garten hinter Catilinas Haus, das zwischen den Bäumen hindurchblickt.)

(Zur Linken ein Seitengebäude.)

(Curius, Cethegus und mehrere von den Verschworenen treten, sich flüsternd miteinander besprechend, vorsichtig von rechts auf.)

Curius.
Doch ist auch wirklich wahr, was Du berichtest?

Cethegus.
Wahr, Wort für Wort. In diesem Augenblick
Ward's abgekartet.

Curius.                       Und er leitet alles?

Cethegus.
Er steht für alles. Sprich nur mit ihm selbst.
(Alle mit Ausnahme von Curius ins Haus ab.)

Curius.
Seltsame Nacht! Meine Gedanken wirbeln
Im Kreis herum! War's nur ein Traum, das Ganze?
Erlebnis oder Traum, – ich schau' erwacht,
Wohin ich schauen mag, nur ihre Züge.

(Catilina tritt von rechts auf.)

Catilina (auf ihn zu.)
Mein Curius? Wie hast Du mir gefehlt!
Ganz unerwünscht verlief mein Abenteuer
Mit der Vestalin –

Curius (verwirrt.)     So? Ei ja, gewiß!

Catilina.
Ich will mich der Erinnrung dran entschlagen.
Es war ein Abenteuer schicksalsschwanger.
(Grüblerisch.)
Man sagt ja wohl, die Furien entstiegen
Der Unterwelt, sich an der Opfer Fersen
Zu heften. O, wenn es so wäre, Freund!

Curius (unruhig.)
Wie? Bist Du ihr –?

Catilina.                   Sie war hier heute Nacht.
Jedoch genug davon. Mein Curius,
Ein wichtig Unternehmen ist im Gange –

Curius.
Ich weiß. Cethegus hat davon erzählt –

Catilina.
Wer sagt, was von den Göttern für ein Ausgang
Beschlossen ist? Mein Schicksal ist vielleicht:
Zermalmt zuvor von feindlichen Gewalten,
Mein Ziel nie zu erreichen. Nun wohlan!
Doch Du, der mir von Kind auf teuer war,
Mein Curius, Du sollst mir nicht hinein
In diesen Strudel. Deine Hand! Du bleibst
In Rom, falls ich den Angriff, was wohl möglich,
Nach andrer Stelle zu verlegen wünschte,
Und kommst erst, krönt Gelingen unser Werk.

Curius (bewegt.)
Mein väterlicher Freund! O, so besorgt!

Catilina.
Du willigst ein? So laß uns Abschied nehmen;
Nur einen Augenblick; ich komme gleich.
(Ins Haus ab.)

Curius (blickt ihm nach.)
Er liebt mich wie zuvor. Er argwöhnt nichts.

(Lentulus und andere Verschworene treten von rechts auf.)

Lentulus.
He, Curius, wir suchen Catilina.
Ist er im Garten?

Curius.                   Nein, er ist dort drinnen.
(Sie treten ins Haus.)

Curius (geht unruhig umher.)
Wie soll ich diese wilde Sehnsucht dämpfen?
Mein Blut ist aufgewühlt und gibt nicht Frieden.
O Furia, – verwunderliches Weib!
Wo bist Du jetzt? Wann sehen wir uns wieder?

Wo blieb sie nur? Fort glitt sie, wie ein Schatten,
Als ich sie aus dem grausen Grab befreit.
Und jene dunkeln, rätselvollen Worte,
Und dieses Auge, blind zugleich und schimmernd –?
Wie? Was das Wahnwitz? Hätte Grabesgrauen
Den Sinn umnachtet ihr?

Furia (hinter ihm, unter den Bäumen.)
                                      Nein, blasser Jüngling!

Curius (mit einem Aufschrei.)
Du, Furia! Du, hier?

Furia (nähert sich.)     Bei Catilina.
Wo Er ist, hat auch Furia zu sein.

Curius.
O folg' mir, Teure! Komm! Ich bringe Dich
In Sicherheit. Wenn hier Dich jemand sähe!

Furia.
Die Toten fürchten nichts. Hast Du vergessen:
Du trugest einen Leichnam aus dem Grabe!

Curius.
Schon wieder diese Sprache! Hör' mich an!
Komm zu Dir selbst, – und folg' mir, Furia!
(Will ihre Hand ergreifen.)

Furia (stößt ihn ungestüm zurück.)
Verwegner Tor, – so flößt kein Graun Dir ein
Des Todes Tochter, die vom Reich der Nacht
Emporgetaucht auf eine flüchtige Frist?

Curius.
Ich fühle Graun vor Dir. Doch dieses Graun,
Dies Schaudern wundersam beseligt mich.

Furia.
Was drängst Du mich? Umsonst ist, was Du redest.
Ich bin des Grabes; dort ist meine Heimat;
Ich bin ein Flüchtling aus des Todes Talen;
Mit Tagesanbruch muß ich wieder heim.
Du glaubst mir nicht? Glaubst nicht, daß ich gesessen
In Plutos Halle zwischen bleichen Schatten?
Ich sage Dir, ich war dort eben noch, –
Jenseits des Flusses und der schwarzen Sümpfe.

Curius.
So nimm mich mit!

Furia.                         Dich?

Curius.                                 Ja, ich folge willig,
Geh' selbst den Weg mit Dir durch Nacht und Tod!

Furia.
Das kann nicht sein. Wir müssen hier uns trennen;
Dort darf sich Tod und Leben nicht gesellen.

Du raubst mir meine Zeit, die, ach, so knapp!
Ich habe nur die Frist der Nacht zum Handeln;
Mein Werk ist Nacht, ich bin ein Gruß der Nacht.
Doch wo ist Catilina?

Curius.                           Suchst Du ihn?

Furia.
Ihn such' ich, ja.

Curius.                   Verfolgst Du ihn noch immer?

Furia.
Was stand ich diese Nacht auf von den Toten,
Wenn's nicht um Catilinas willen war?

Curius.
Ha, dieser Wahnwitz, der Dich angefaßt!
Und doch, wie schön Du bist in Deinem Schwärmen.
O, denk nicht mehr an Catilina jetzt!
Folg' mir! Gebiete mir; ich will Dir dienen.
(Wirft sich vor ihr nieder.)
Hier bettl' ich wie ein Sklav zu Deinen Füßen
Um einen Blick! O, hör' mich, Furia!
Ich liebe Dich! Ein süß und giftig Feuer
Verzehrt mein Herz, und niemand außer Dir
Kann seine Qualen lindern –

Furia (blickt nach dem Hause.)
                                          Dort ist Licht –
Und Männer seh' ich. Was geschieht dort drinnen
Bei Catilina?

Curius (springt auf.)
                    Wieder dieser Name!
Um ihn nur dreht Dein ganzes Denken sich.
Ich könnt' ihn hassen!

Furia.                             Hätte er beschlossen,
Den kühnen Plan so bald ins Werk zu setzen,
Der ihm die Nächte stahl?

Curius.                                 Du weißt –?

Furia.                                                       Das Ganze.

Curius.
So weißt Du ja wohl auch, daß er sich an
Die Spitze des verwegnen Bunds gestellt!
Doch, ich beschwör' Dich, frage mich nicht weiter
Nach Catilina!

Furia.                   Sag' mir nur noch eins;
Dies sei die letzte Frage. Gehst Du mit ihm?

Curius.
Er ist mir wie ein treuer Vater –

Furia (lächelnd.)                           Er?
Mein Catilina?

Curius.                 Ha!

Furia.                           Der Mann, um den
Mein Denken kreist?

Curius.                           Ein Taumel faßt mich an!
Ich hass' ihn –! O, ich könnt' sein Mörder werden

Furia.
Schworst Du mir jüngst nicht zu, Du seist bereit
Mir zu gehorchen?

Curius.                       Fordr, was Du willst!
Ich dien' Dir blind, gehorch' in allem Dir, –
Nur eines: denk nicht mehr an Catilina!

Furia.
Das will ich tun, – sobald er in sein Grab
Hinabgestiegen ist.

Curius (weicht zurück.)
                            Du forderst, daß ich –?

Furia.
Du sollst kein Eisen brauchen; nur verraten,
Was er zu tun gedenkt –

Curius.                               Verräterei
Und Mord zugleich! Bedenk, er ist ja doch
Mein Vater fast und –

Furia.                             Mein Denkens Ziel!
Schwächlicher Tor! Und Du, Du wagst von Liebe
Zu reden, – und erschrickst, den Mann zu stürzen,
Der Dir im Wege steht? Geh von mir!
(Sie wendet ihm den Rücken.)

Curius.                                                   Nein;
Verlaß mich nicht! Ich bin zu allem willig!
Ein Grauen schüttelt mich vor Deinem Anblick;
Und doch, ich kann die Fäden nicht zerreißen,
Womit Du mich umgarnt.

Furia.                                   So bist Du willig?

Curius.
Was höhnst Du mich, indem Du also fragst?
Ob willig ich? Wie? Hab' ich denn noch Willen?
Dein Blick ist wie der Schlange Blick, wenn er
Mit Zauberbann sich auf den Vogel heftet,
Der angstvoll sie umflattert, immer näher
Und näher stets dem fürchterlichen Schlund.

Furia.
So geh ans Werk!

Curius.                     Und wenn ich meine Freundschaft
Für meine Liebe opferte, – was dann?

Furia.
Weiß ich nicht mehr, wer Catilina war.
Ist mein Geschäft zu Ende. Heisch' nicht mehr!

Curius.
Um den Preis sollte ich –?

Furia.                                   Du zauderst noch?
Zeigt Dir Dein schwächlich Hoffen nichts davon,
Womit ein dankbar Weib beglücken kann,
Wenn erst die Zeit –?

Curius.                         Bei allen Nachtdämonen!
Ich zaudre nicht. Der Eine scheidet uns.
So mag er fallen! Jeden Funken tilg' ich
Der Freundschaft für ihn, jedes Band zerreiß' ich!
Wer bist Du, schöner Nachtspuk? Deine Nähe
Versteinert und verzehrt mich auf einmal.
Mein Sehnen macht mir Frost, mein Schrecken Hitze,
Mein Lieben ist wie Haß gemengt mit Zauber.
Wer bin ich selbst? Ich kenne mich nicht mehr.
Eins weiß ich nur: daß ich ein andrer war,
Eh' ich Dich sah. Froh spring' ich in den Abgrund,
Um Dir zu folgen! Catilina sterbe!
Ich geh' zum Kapitol. In dieser Nacht
Ist der Senat versammelt. Eine Zeile
Verrät ihm Catilinas Werk. Leb' wohl!
(Eilig ab.)

Furia (für sich.)
Schon türmt die Wolke sich; bald zuckt der Blitz.
Dein Tag geht jäh zur Rüste, Catilina;
Mit großen Schritten nahst Du Deinem Grab!

(Die Gesandten der Allobroger, Ambiorix und Ollovico, treten aus dem Hause, ohne Furia zu bemerken, die halb verborgen im Schatten der Bäume steht.)

Ambiorix.
So wär's beschlossen denn. Es war gewagt,
Mit diesem Mann sich zu verbinden.

Ollovico.                                           Ja;
Doch da der Rat uns jede Fordrung abschlug,
Blieb uns kein andrer Weg der Rettung offen;
Und was uns wird, wenn unsre Freunde siegen,
Es wiegt den fährdevollen Kampf wohl auf,
Der unser bald nun harrt.

Ambiorix.                           So ist es, Bruder!

Ollovico.
Gewinn der alten Unabhängigkeit,
Freiheit von Rom – ist einen Strauß wohl wert.

Ambiorix.
So schnell wie möglich heißt es nun nach Hause
Und rings im Gallierland den Aufruhr schüren.
Leicht werden wir die Stämme wider ihre
Zwingherrn empören, daß sie uns vertraun
Und mit zu Catilinas Scharen stoßen.

Ollovico.
Der Kampf wird hart sein. Noch ist Rom gar mächtig.

Ambiorix.
Wir müssen's wagen. Ollovico, komm!

Furia (ruft ihnen warnend zu:)
Weh über Euch!

Ambiorix (fährt zusammen.)
                          Bei allen Göttern –!

Ollovico.                                           Horch!
Und warnt im nächtigen Dunkel eine Stimme!

Furia.
Weh über Euer Volk!

Ollovico.                     Dort steht sie, Bruder,
Der bleiche, ahnungsvolle Schatten; sieh!

Furia.
Weh über die, so Catilina folgen!

Ambiorix.
Heim! Heim! Wir fliehn! Wir brechen jedes Bündnis.

Ollovico.
Uns warnte eine Stimme; wir gehorchen.
(Schnell nach rechts ab.)

(Catilina tritt aus dem Haus im Hintergrund.)

Catilina.
Vergebne Hoffnung, Rom bedrohen wollen
Mit dieser Schar von Elenden und Feigen!
Was treibt sie? Sie gestehn's mit kalter Frechheit:
Nur Not und Raublust treibt sie, sich zu rühren.
Verlohnt sich's wohl, für solche Ziele Leben
Zu opfern? Was gewinne ich dabei!
Was fällt für mich ab?

Furia (unsichtbar hinter den Bäumen.)
                                  Rache, Catilina!

Catilina (fährt zusammen.)
Wer redet da! Wer weckt der Rache Geister
Aus ihrem Schlaf? Rang diese Stimme sich
Aus meinem Innern? Rache? Ja, dies Wort
Sei Losung mir und Feldruf! Blutige Rache!
Rache für alle Hoffnungen und Träume,
Die mir ein grollendes Geschick zertreten!
Rache dafür, daß Ihr mein Leben bracht!

(Die Verschworenen treten bewaffnet aus dem Hause.)

Lentulus.
Noch brütet nächtlich Dunkel über Rom;
's ist Zeit nun, aufzubrechen.

Mehrere (flüsternd:)               Gehn wir! Kommt!

(Aurelia tritt aus dem Seitengebäude, ohne die Verschworenen zu bemerken.)

Aurelia.
Geliebter, – bist Du hier?

Catilina. (mit einem Aufschrei.)
                                      Aurelia!

Aurelia.
Ließ ich Dich warten, sag' mir?
(Gewahrt die Verschworenen und eilt zu ihm hin.)
                                                Milde Götter!

Catilina (stößt sie zur Seite.)
Fort von mir, Weib!

Aurelia.                     Mein Catilina, – sprich!
Die Männer hier in Waffen –? Und auch Du –?
O, Du willst hinziehn –

Catilina (wild.)             Ja, beim Gott der Schatten, –
Ein lustiger Zug! Siehst Du den Stahl hier blitzen?
Heiß dürstet ihn; ich geh' – den Durst ihm stillen.

Aurelia.
Mein Traum, mein Hoffen! O, mein seliger Traum!
Und so von ihm erwachen müssen –

Catilina.                                           Schweig!
Bleib, – oder folge uns! Mein Herz ist tot
Für Klag' und Tränen. – Freunde, seht, wie rot
Der volle Mond dort in die Nacht versinkt.
Wann uns sein Rund zum nächsten Male blinkt,
Soll sich ein Flammenstrom mit wilder Macht
Hinwälzen über Rom und seine Pracht.
Und scheint er abermals um tausend Jahre
Auf Latiums Trümmerfeld, so offenbare
Nur Eine Säule noch aus Schutt und Graun
Dem Wanderer: Hier war einst Rom zu schaun.
(Er eilt nach rechts ab; alle folgen ihm.)


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