Henrik Ibsen
Catilina
Henrik Ibsen

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Personen

Lucius Catilina, ein adliger Römer
Aurelia, seine Gattin
Furia, eine Vestalin
Curius, ein Catilina verwandter Jüngling
Manlius, ein alter Krieger
Lentulus,
Coeparius,
Gabinius,
Statilius,
Cethegus, junge adlige Römer
Ambiorix,
Ollovico, Gesandte der Allobroger
Ein Alter
Priesterinnen und Diener im Tempel der Vesta
Gladiatoren und Krieger
Begleiter der Allobroger
Sullas Geist

Erster Akt

(An der Flaminischen Straße vor den Toren Roms. Eine mit Bäumen bestandene Anhöhe am Wege. Im Hintergrund ragen die Hügel und Mauern der Stadt empor. Es ist Abend.)

(Catilina steht auf der Anhöhe zwischen Gebüsch, an einen Baumstamm gelehnt.)

Catilina.
Du mußt! Du mußt! so drängt mich eine Stimme
Im Innersten, und ich, ich zaudre noch!
Ein Mann, dem Kraft und Mut zu wirken eigen,
Ein Mann, dem jedes hohe Ziel bestimmt,
Verliert sein Herz an zügellose Freuden
Und meint, sie täten ihm genug! Und doch!
Du willst dich nur betäuben, nur vergessen.
Zu spät! Vorbei! Dein Tag ist ohne Ziel
(Nach einer Pause.)
Wo bliebt ihr, meiner Jugend reiche Träume?
Wie sommerlich Gewölk entschwandet ihr
Und ließt ein tiefenttäuscht Gemüt zurück,
Dem nicht einmal ein Hoffnungsschein mehr lachte!
(Schlägt sich vor die Stirn.)
Verachte Dich, Du stolzer Catilina,
Verachte Dich, Du nicht gemeiner Mensch,
Den doch trotz aller Gaben eins nur lockt:
Genuß, Genuß und abermals Genuß.
(Ruhiger.)
Zwar bläst wohl eine Stunde noch wie diese
Die Aschenglut geheimer Sehnsucht auf.
Ah, schau' ich diese Stadt, das stolze, reiche,
Berühmte Rom, und seine Laster treten
Und sein Verfall, in den es längst versunken,
In übergroßer Klarheit vor mein Auge, –
Dann ruft's in meinem Innern laut und mahnend:
Auf, Catilina! Auf, und sei ein Mann!
(Abbrechend.)
Ach, ihr Gespinste schwärmerischer Schwermut,
Gebilde nur der Nacht und Einsamkeit, –
Die ihr beim ersten Laut des Lebens wieder
Hinabflieht in der Seele stummen Schacht!

(Die Gesandten der Allobroger, Ambiorix und Ollovico, kommen mit ihren Begleitern die Straße daher, ohne Catilina zu bemerken.)

Ambiorix.
Wir sind am Ziele! Seht die Mauern Roms!
Und drüber hoch und klar das Kapitol!

Ollovico.
Dies also dort ist Rom? Italiens Herrin,
Germaniens bald, – vielleicht auch Galliens einst.

Ambiorix.
Ja, nur zu wahr; so dürft' es einmal kommen;
Und ohne Schonung ist die Herrschaft Roms;
Den Unterworfnen beugt sie bis zu Boden. –
Nun, laßt uns sehn, was unser Volk erwartet:
Ob den Allobrogern ihr Recht wird, oder
Ob Übermut sie weiter kränken darf.

Ollovico.
Man wird uns Schutz gewähren.

Ambiorix.                                     Hoffen wir's;
Denn noch ist alles ungewiß und dunkel.

Ollovico.
Du scheinst in Sorgen?

Ambiorix.                       Und mit gutem Grund.
Voll Eifersucht ist Rom auf seine Macht.
Und wisse wohl, daß diesem stolzen Weltreich
Nicht Häuptlinge gebieten, wie bei uns.
Daheim befiehlt der Weise oder Krieger;
Im Rat den obersten, im Streit den größten,
Ihn kiesen wir zum Führer unsres Stamms,
Zum Richter und zum Herrscher unsres Volks.
Doch hier –

Catilina (ruft ihnen von oben zu:)
                – hier herrscht Gewalt und Eigennutz;
Durch List und Ränke wird man Herrscher hier!

Ollovico.
O weh uns, Brüder, er behorchte uns!

Ambiorix (zu Catilina.)
Ist dies bei wohlgebornen Römern Brauch?
In unsern Tälern würd' ein Mann sich schämen –

Catilina (steigt auf die Straße hinab.)
Seid ruhig; Spähen ist nicht mein Beruf;
Nur Zufall ließ mich Euer Wort vernehmen.

Ihr kommt vom Lande der Allobroger?
Ihr meint, in Rom werd' Euer Recht Euch werden?
Kehrt um! Zieht heim! Hier sind Tyrannen Herr
Und Schurken mehr denn irgendwo auf Erden.
Von "Freiheit" schallt es, "Republik" und "Recht";
Und doch, kein Bürger, der nicht rechtlos wäre,
Verschuldet tief, ein willenloser Knecht
Von Senatoren, feil um Geld und Ehre!
Längst schwand der Geist des alten Römerstaats,
Der Freisinn, den der Vorzeit Dichter singen;
Sein Leben gilt's der Willkür des Senats
Mit schwerem Gold als Gnade abzudingen.
Hier spricht der Macht und nicht des Rechtes Mund;
Der Edle sieht nur Haß auf sich gerichtet –

Ambiorix.
Doch sprich, wer bist dann Du, der uns den Grund,
Drauf unser ganzes Hoffen stand, vernichtet?

Catilina.
Ein Mann, in dem es warm für Freiheit pocht,
Ein Feind von unbefugtem Rechtsverkürzen;
Ein Freund von jedem, den man unterjocht;
Voll Lust und Mut, die Mächtigen zu stürzen.

Ambiorix.
Das stolze Römervolk –? Wie? Rede klar!
Du willst gewiß nur eitlen Argwohn wecken, –
Ist es nicht mehr, was es vor Zeiten war:
Der Schwachen Schutz und der Tyrannen Schrecken?

Catilina (zeigt auf die Stadt und sagt:)
Sehr auf dem Hügel dort, ihr Männer, drohen
Voll Herrschertrotz das große Kapitol,
Seht es im roten Abendglanze lohen
Vom Blitz des letzten Sonnenstrahls! Nun wohl!
So bricht auch Rom in Sterbeglut zusammen;
So sinkt Roms Freiheit in der Knechtschaft Nacht.
Doch bald soll eine neue Sonne flammen,
Vor deren Glut das Düster jäh erwacht.
(Ab.)

(Ein Säulengang in Rom.)

(Lentulus, Statilius, Coeparius und Cethegus treten in eifrigem Gespräch auf.)

Coeparius.
Ja, Du hast recht; es wird nur immer ärger.
Wer weiß, wie das noch alles enden mag.

Cethegus.
Wie's enden mag? Was kümmert das Cethegus!
Ich will den Augenblick genießen, will
Den Becher leeren jeder Lust – und lasse
Die Welt gehn, wie's ihr selbst am besten paßt.

Lentulus.
Wohl dem, der's kann. Mir ist es nicht gegeben,
Den Tag so ruhig nahn zu seh, an dem
Wir keiner Fordrung mehr genügen können,
Weil unser Säckel leer ward wie ein Sieb.

Statilius.
Und keine Hoffnung, daß es besser werde!
Zwar, eine Lebensweise wie die unsre –

Cethegus.
Hör' auf, hör' auf!

Lentulus.                 Mein letztes Erbstück ward
Mir heute Schulden halber abgepfändet.

Cethegus.
Genug der eitlen Klagen! Folgt mir, Freunde!
Wir zechen sie in Grund und Boden, kommt!

Coeparius.
Das wollen wir! Wohlauf, Ihr frohen Brüder!

Lentulus.
Verzeiht; dort naht der alte Manlius;
Er wird uns suchen. Hören wir ihn an!

Manlius (tritt heftig ein.)
O über diese geilen Lumpenhunde!
Gerechtigkeit – sie kennen sie nicht mehr.

Lentulus.
Was ist geschehn? Weswegen so erbittert?

Statilius.
Sind Wucherer auch Dir aufs Fell gerückt?

Manlius.
Mit nichten. Hört! Wie Ihr wohl alle wißt,
Hab' ruhmvoll ich gedient in Sullas Heer.
Ein Stücklein Acker ward mir zur Belohnung;
Und als der Krieg zu Ende, lebt' ich denn
Von diesem Feld, das kümmerlich mich nährte.
Jetzt hat man mir's geraubt! Man sagt, es soll
Des Staates Eigen eingezogen werden
Zur gleichen Teilung unter alles Volk.
Dies ist gemeiner Raub und nichts darüber!
Den eignen Wanst nur wollen sie sich mästen.

Coeparius.
So geht's mit unseren Gerechtsamen!
Was schiert sich solch ein Mächtiger um Recht!

Cethegus (munter.)
Der arme Manlius! Doch Schlimmeres
Hat mich, wie ich Euch melden will, betroffen.
Erwägt den Schaden! Meine süße Buhle,
Die Livia, gab treulos mir Valet,
Und das just, als ich meinen letzten Heller
Um ihretwillen los geworden war.

Statilius.
Du hältst kein Maß. Da darf's Dich denn nicht wundern!

Cethegus.
Maß oder nicht. Ich lass' nun einmal nicht
Von meinen Wünschen ab; sie will ich stillen
Trotz alledem, solang' ich es vermag.

Manlius.
Und ich, der tapfer stritt für jene Ehre,
Für jene Macht, womit sie nun sich blähn!
Ich werd' –! Ah, wären wir die kühne Schar
Von Waffenbrüdern noch, so wollt' ich Euch –
Doch, ach, der größte Teil von uns ist tot,
Und was noch lebt, zerstreut in allen Landen.

O, was seid Ihr, die Jungen, gegen jene!
Demütig liegt Ihr vor der Macht im Staub;
Ihr wagt nicht, Eure Ketten zu zerbrechen,
Ihr tragt geduldig dieses Sklavenjoch!

Lentulus.
Bei allen Göttern! Klingt sein Wort auch kränkend, –
Er ist nicht ganz im Unrecht, wenn er schilt.

Cethegus.
Nein, nein; gewiß; ich stimme völlig zu.
Doch wie zu Werke gehn? Das ist die Sache.

Lentulus.
Ja, wahrlich! Allzulang' ertragen wir
Die Unterdrückung. An der Zeit ist's, Bande
Zu brechen, drein uns Ungerechtigkeit
Und Herrschaft hat verwirrt wie in ein Netz.

Statilius.
O, ich versteh' Dich, Lentulus! Doch siehe,
Dazu bedarf es eines starken Führers
Voll Mut und Einsicht. Und wo wäre der?

Lentulus.
Ich kenne einen, der uns führen könnte.

Manlius.
Du denkst an Catilina?

Lentulus.                       Just an ihn.

Cethegus.
Ja, Catilina wär' vielleicht der Mann.

Manlius.
Ich kenn' ihn wohl, war seines Vaters Freund,
Mit dem ich manche Schlacht zusammen kämpfte.
Sein Kleiner mußte in den Krieg ihm folgen.
Schon damals war der Knabe nicht zu halten;
Doch seltne Gaben regten sich in ihm;
Sein Sinn war hoch, sein Mut unwandelbar.

Lentulus.
Wir dürfen hoffen, ihn bereit zu finden.
Ich traf ihn heute Abend tief verstimmt.
Er brütet über einem dunklen Anschlag;
Er hatte längst ein tollkühn Ziel vor Augen.

Statilius.
Er strebt seit langem nach dem Konsulat.

Lentulus.
Wiewohl umsonst; denn seine Feinde haben
Gewaltig wider ihn im Rat gedonnert;
Er war zugegen, selbst, und voller Wut
Verließ er den Senat, auf Rache sinnend.

Statilius.
Dann geht er wohl auf unsern Vorschlag ein.

Lentulus.
Ich hoffe. Doch zunächst erwäg' ein jeder
Den Plan bei sich. Der Zeitpunkt ist uns günstig.

(Alle ab.)

(Im Tempel der Vesta zu Rom.)

(Auf einem Altar im Hintergrunde brennt eine Lampe mit dem heiligen Feuer.)

(Catilina, begleitet von Curius, taucht vorsichtig zwischen den Säulen auf.)

Curius.
Wie, Catilina, – hierher führst Du mich?
In Vestas Tempel!

Catilina (lachend.)   Wahrlich; wie Du siehst!

Curius.
Ihr Götter, welch ein Leichtsinn! Heut noch erst
Hat Cicero im Rat auf Dich gewettert;
Und dennoch kommst Du –

Catilina.                               Mahne mich nicht dran!

Curius.
Du bist gefährdet und verhöhnst den Feind –
Indem Du blind in neues Unheil rennst.

Catilina (munter.)
Mich reizt der Wechsel. Ich besaß noch niemals
Einer Vestalin Herz, das streng bewachte.
Wohlan, vielleicht begünstigt mich das Glück.

Curius.
Was sagst Du da? Unmöglich! Dies ist Scherz.

Catilina.
Ein Scherz? Gewiß, – wie's all mein Lieben ist;
Doch Ernst ist trotzdem, was ich eben sagte.
Beim letzten Schauspiel sah ich auf dem Marktplatz
Der Priesterinnen feierlichen Aufzug.
Der Zufall wollte, daß ich ihrer eine
Mit raschem Auge streifte, – während ihres
In meines sank. Es drang mir durch die Seele.
Ah, diesen Ausdruck in dem Aug', den schwarzen,
Ich sah ihn nie bei einem Weib zuvor.

Curius.
Ich glaub's. Doch sag', was folgte weiter drauf?

Catilina.
Zum Tempel hab' ich Eingang mir verschafft
Und mehrmals sie gesehen und gesprochen.
O wie verschieden sind nicht dieses Weib
Und meine Gattin.

Curius.                     Und Du liebst sie beide
Zugleich? Fürwahr, das kann ich nicht verstehn.

Catilina.
Absonderlich. Ich fass' es selber nicht.
Und doch, ich liebe, wie Du sagst, sie beide.
Doch wie verschieden ist nicht diese Liebe!
Aurelia ist sanft und stimmt gar oft
Mit milden Worten ruhig mich und gütig; –
Bei Furia –. Geh! geh! dort kommen Schritte.
(Sie verbergen sich zwischen den Säulen.)

Furia (tritt von der andern Seite her auf.)
Verhaßte Hallen, Zeugen meiner Leiden,
Heim all der Qual, dazu mein Herz verdammt!
Welch eine Welt sah dieses Herz schon scheiden
Von Traum und Hoffen, – heißer bald entflammt
Als dort der Lampe Glut, und bald von Schauern
Geschüttelt! O, welch fürchterliches Los!
Was kerkert mich in dieses Tempels Mauern?
Welch ein Vergehen läßt in seinem Schoß
Mich jedes warme Jugendglück entbehren,
Im Lenz des Lebens jede reine Lust?

Doch keine Träne soll mein Aug' entehren;
Nur Haß und Rache kenne diese Brust.

Catilina (tritt hervor.)
Und nährst Du auch für mich kein andres Feuer,
Kein lieblicheres, schöne Furia?

Furia.
Ihr Götter! Du, Verwegner, wieder hier?
Du fürchtest nicht –?

Catilina.                     Ich kenne keine Furcht.
Ich liebte immer, der Gefahr zu trotzen.

Furia.
O, meine eigne Sehnsucht sprichst Du aus;
Und diesen Tempel hass' ich um so bittrer,
Weil seine Mauern mich so gut beschirmen –
Zu sicher nur vor jeglicher Gefahr.

O dieses leere, tatenlose Treiben,
Dies Leben, matt wie letzte Lampenglut!
Welch enger Tummelplatz für all die Fülle
So weiter Ziele und so heißer Wünsche!
Erdrückt zu werden zwischen diesen Wänden!
Hier friert das Blut, hier lischt die Hoffnung aus,
Hier schleppt der Tag sich müd' und träg zu Ende,
Und kein Gedanke zielt auf eine Tat.

Catilina.
O Furia, Du machst mein Herz erbeben.
Mir ist, Du maltest meine eigne Welt
Mit Flammenschrift und jedes hohe Streben,
Das ungeduldig mir die Seele schwellt.
So fühl' ich's auch an diesem Herzen nagen;
Wie Deins – vom Hasse – wird er hart wie Stein;
Wie Dir ward jede Hoffnung mir zerschlagen,
Und meiner harrt umsonst ein Ziel – wie Dein.

Und doch verberg' ich mein Entbehren stumm,
Und niemand ahnt, was heimlich in mir lodert.
Sie höhnen und verachten mich, – die Wichte;
Sie fassen nicht, wie heiß das Herz mir pocht
Für Recht und Freiheit und für alles Edle,
Was irgend eines Römers Sinn bewegt.

Furia.
Ich wußt' es! Deine Seele taugt zu meiner
Wie keine sonst! So ruft es laut in mir
Mit einer Stimme, die nicht irrt noch trügt.
So komm denn! Komm, gehorchen wir der Stimme!

Catilina.
Was meinst Du, meine schöne Schwärmerin?

Furia.
Komm, laß uns fliehen weit von diesem Ort,
Ein neues, bessres Vaterland zu finden.
Hier wird der Geist geknechtet und sein Flug,
Hier löscht Gemeinheit jeden reinen Funken,
Bevor er Himmelsfittiche empfahn.
Komm, laß uns flüchten; siehe, Freigesinnten
Winkt alle Welt als Heimat aufgetan!

Catilina.
O, wie Du mich bezauberst und verlockst –

Furia.
Auf, nützen wir die Stunde! Legen wir
Gebirg' und Meere zwischen uns und Rom!
Weit, weit von hier erst hemmen wir die Flucht.
Ein Schwarm von Freunden wird sich um Dich scharen;
In fernen Landen baun wir unser Haus;
Dort herrschen wir; dort soll sich offenbaren:
Nie zog ein Paar zu größern Taten aus!

Catilina.
Wie schön! Doch fliehn? Warum aus Rom entfliehn?
Es kann auch hier der Freiheit Flamme wachsen;
Es winkt auch hier ein Feld zu Tat und Handlung,
So groß, wie's Deine Seele nur begehrt.

Furia.
Hier, sagst Du? Hier in Rom, in dieser Stadt
Der Sklavenseelen und der Volksverräter?
Ach, Lucius, gehörst auch Du zu denen,
Die nicht erröten, denken sie der Väter?
Wer nahm es einst, wer nimmt es heute ein?
Ein Volk von Helden einst – und heut von Knechten
Und aber Knechten –

Catilina.                       Spott' auch Du noch mein!
Doch wisse, – könnt' ich mit dem Schicksal rechten,
Noch einmal Rom in Glanz und Freiheit schaun,
Ich stürzte mich mit Freuden in den Abgrund
Wie Curtius –

Furia.                 Dir glaub' ich, Dir allein;
Dein Auge brennt; Du hast nicht bloß geprahlt.
Doch geh; bald nahen sich die Priesterinnen;
Zu dieser Zeit versammeln sie sich hier.

Catilina.
Ich gehe; doch, um bald zurückzukehren.
Ein Zauber fesselt mich an Deine Seite; –
Solch stolze Art wie Deine sah ich nie.

Furia (mit einem wilden Lächeln.)
Versprich mir Eins; und schwöre mir zu halten,
Was Du versprichst. Willst Du, mein Lucius?

Catilina.
Was wollt' ich nicht, was Furia verlangte!
Mein Herz ist Dein; was soll ich Dir versprechen?

Furia.
Vernimm! Obwohl ich hier gefangen lebe,
So weiß ich doch, es weilt in Rom ein Mann,
Dem Feindschaft ich bis in den Tod geschworen
Und Haß noch übers schwarze Grab hinaus.

Catilina.
Und nun –?

Furia.             Nun schwöre mir, mein Todfeind soll
Dein Todfeind werden. Willst Du, Lucius?

Catilina.
Ich schwör' es Dir bei allen großen Göttern!
Geschworen sei's bei meines Vaters Namen
Und meiner Mutter Seele –! Furia,
Was faßt Dich an? Dein Auge lodert wild,
Und marmorn ist Dein Antlitz wie der Tod.

Furia.
Ich weiß es selber nicht. Ein Feuerstrom
Durchbraust mich. Schwöre! Schwör den Eid zu Ende!

Catilina.
Gießt aus, Gewaltige, auf diesen Scheitel
All Euren Groll, laßt Eures Zornes Blitz
Erschlagen mich, wenn meinen Eid ich breche:
Sein böser Dämon will ich ewig sein!

Furia.
Genug; ich glaube Dir; das war Erlösung.
In Deiner Hand weilt meine Rache jetzt.

Catilina.
Sie soll ihn treffen. Doch nun sag' mir auch,
Wer ist Dein Feind? Und was war sein Verbrechen?

Furia.
Am Rand des Tibers, weit vom Lärm der Stadt,
Stand meine Wiege, war mein stilles Heim.
Die beste Schwester lebte dort mit mir,
Als Kind schon ausersehn zum Dienst der Vesta.
Da kam ein Lüstling unsern Frieden stören,
Er sah die junge, keusche Priesterin –

Catilina (überrascht.)
Der Vesta –? Nun –?

Furia.                             Und schändete das Mädchen.
Sie suchte sich ein Grab im Tiberstrom.

Catilina (unruhig.)
Du kennst den Mann?

Furia.                               Ich sah ihn nie im Leben.
Vorbei war alles, da mir Botschaft wurde.
Doch seinen Namen kenn' ich nun.

Catilina.                                         Wohlan!

Furia.
Man kennt ihn weit; er lautet – Catilina.

Catilina (fährt zurück.)
Was sagst Du? O, entsetzlich! Furia –!

Furia.
Bemeistre Dich! Was fehlt Dir? Du erbleichst.
Mein Lucius, – ist dieser Mann Dein Freund?

Catilina.
Mein Freund? Nein, Furia, – nicht fürder mehr.
Ich hab' verflucht – mit ewigem Haß verdammt –
Mich selbst.

Furia.               Dich selbst! Du – Du bist Catilina?

Catilina.
Ich bin es.

Furia.           Du entehrtest Silvia?
Ha, so hat Nemesis mein Flehn erhört;
Selbst riefst die Rache Du auf Dich hernieder!
Weh, Missetäter, über Dich!

Catilina.                                 Wie funkelnd
Dein Auge starrt! Wie Silvias Gespenst
Erscheinst Du mir beim matten Lampenschein!
(Er eilt hinaus; die Lampe mit dem heiligen Feuer erlischt.)

Furia (nach einer Pause.)
Ja, nun begreife ich. Vor meinen Blicken
Zerriß der Schleier, und ich schau' in Nacht.
Haß war es, was in meiner Brust entbrannte,
Da ihn zum ersten Mal mein Auge sah.
Ein seltsam Grauen; eine blutige Flamme!
O, er soll fühlen, was ein Haß wie meiner,
Ein ewig gärender, ein nie zufriedner,
Ausbrüten kann an Rache und Verderben!

Eine Vestalin (tritt auf.)
Geh, Furia; Du wachtest nun genug;
Ich werde nun –. Doch, heilige Göttin Vesta, –
Was seh' ich! Weh Dir, weh! Die Flamm' erlosch!

Furia (verwirrt.)
Erlosch? So blutig hat sie nie gelodert;
Die lischt nicht aus.

Die Vestalin.           Ihr Ewigen, was ist das?

Furia.
Des Hasses Glutmeer lischt so leicht nicht aus!
Die Liebe, ja, die sproßt in einer Stunde –
Und stirbt die nächste; doch der Haß –

Die Vestalin.                                       Ihr Götter,
Dies ist ja Wahnwitz!
(Ruft hinaus:)           Kommt! Zu Hilfe! Hilfe!

(Vestalinnen und Tempeldiener eilen herbei.)

Einige.
Was ist geschehn?

Andere.                     Die Vestaflamm' erloschen!

Furia.
Doch die des Hasses, die der Rache brennt!

Die Vestalinnen.
Fort, fort mit ihr, zu Urteil und Gericht!
(Sie führen sie in ihrer Mitte ab.)

Curius (tritt hervor.)
Zum Kerker führt man sie. Von dort zum Tode.
Nein, bei den Göttern, nein, das darf nicht sein!
Soll sie, die stolzeste von allen Weibern,
Lebendigen Leibs begraben, schimpflich enden?
O, niemals hab' so seltsam ich empfunden!
Ist dies wohl Liebe? Liebe, ja, das ist's.
Ich werde sie befrein! – Doch Catilina?
Verfolgen will sie ihn mit Haß und Rache.
Hat er der Widersacher nicht genug?
Darf auch noch ich der Feinde Zahl ihm mehren?
Er war zu mir so wie ein ältrer Bruder;
Zu schirmen ihn gebeut mir Dankbarkeit.
Allein die Liebe? Was gebeut mir sie?
Und sollte er, der kühne Catilina,
Vor eines Weibes Anschlag zittern? Nein; –
Zum Rettungswerk in dieser Stunde noch!
Mut, Furia; ich zieh' Dich aus der Gruft
Ans Leben wieder, – gält's auch meines selbst!
(Schnell ab.)

(Ein Saal im Hause Catilinas.)

Catilina (tritt auf, heftig und unruhig.)
"Ha, so hat Nemesis mein Flehn erhört;
Selbst riefst die Rache Du auf Dich hernieder."
So scholl es drohend von der Schwärm'rin Lippen.
Verwunderlich! Es war vielleicht ein Wink,
Ein Zeichen dessen, was die Zeiten bringen.
So weiht' ich denn mit hohem Eid mich selbst
Zum blutigen Rächer meiner eignen Untat.
Ah, Furia, ich fühl' Dein Flammenauge
Mir Todesahnung in die Seele senken!
Hohl dröhnt im Ohr mir Deine düstre Rede;
Und Tag um Tag will ich des Eids gedenken.

(Während des Folgenden tritt Aurelia ein und nähert sich ihm, ohne von ihm bemerkt zu werden.)

Catilina.
Doch, Torheit, um dies ungereimte Zeug
Sich noch zu kümmern; – denn es ist nichts andres.
Auf bessern Wegen kann mein Grübeln gehn,
Und größre Ziele warten meiner Gaben.
Die Zeit bedarf der Männer mehr und mehr;
Ihr heißt es jede letzte Kraft bewahren.
Doch Zweifel wirft und Hoffnung mich umher –

Aurelia (ergreift seine Hand.)
Und darf Aurelia nicht den Grund erfahren?
Darf sie, was diese teure Brust durchtost,
Aus wildem Aufruhr nicht in Frieden singen?
Darf sie nicht nahn mit einer Gattin Trost
Und dieser Stirn Gewölk zum Weichen bringen?

Catilina (sanft.)
Mein Weib Aurelia, wie gut und treu!
Allein wozu das Leben Dir verbittern?
Warum mit Dir die dunkeln Sorgen teilen?
Du littst durch meine Schuld der Pein genug.
Auf meinem eignen Nacken tragen will ich,
Was mir das feindliche Geschick bescherte, –
Den ganzen Fluch des unheilvollen Bundes,
Der starke Seelenkraft, sehnsüchtigen Drang
Nach ungemeiner, großer Tat verknüpft
Mit niederm Los, das jeden Aufschwung hemmt.
Wie? Sollt' auch Dir zu langem, tiefem Zug
Die bittre Schale meines Schicksals schäumen?

Aurelia.
Zu trösten ist des Weibes Recht und Fug.
Wohl kann sie nicht wie Du von Größe träumen.
Doch wenn der Mann sich stolzen Plänen weiht,
Und all sein Lohn Enttäuschung nur und Kummer,
So naht sie sanft ihm und voll Zärtlichkeit
Und wiegt sein Herz in langentwöhnten Schlummer.
Und er begreift, daß auch sein stilles Heim
Der Freuden hat, die dort im Lärm nicht blühen.

Catilina.
Wie recht Du hast; wie fühl' ich es so tief!
Und doch, ich mag den wilden Rausch nicht missen.
Ewige Unrast gärt im Busen mir;
Und nur des Lebens Taumel kann sie stillen.

Aurelia.
Und ist Aurelia Dir nicht genug,
Vermag sie nicht, die Stirne Dir zu glätten,
So öffne treuen Worten doch Dein Herz,
Liebreichem Trost von Deines Weibes Lippen.
Und kann sie Deinen heißen Drang nicht stillen,
Und kann sie Deiner Träume Flug nicht folgen,
Vermag sie doch zu teilen, was Dich drückt,
Hat Kraft und Mut, die Last Dir zu erleichtern.

Catilina.
So höre denn, Aurelia, was mich
In dieser Tage Lauf so tief verstimmte.
Du weißt, ich suchte längst das Konsulat –
Doch ohne Glück. Du kennst es ja, das Ganze:
Wie Stimmen mir zu werben ich mein Geld
Vergeudet hab' –

Aurelia.                 O, nicht, mein Catilina;
Es schmerzt mich –

Catilina.                   So verdammst auch Du mein Tun?
Welch bessres Mittel hatte ich zu wählen? –
Umsonst verschleuderte ich Hab und Gut;
Nur Spott und Schande heims' ich dafür ein.
Jüngst im Senat hat mich mein Widersacher,
Der ränkevolle Cicero, vernichtet.
Mein Leben malte seine kluge Rede,
So schreiend, daß mich selber Schauder packte.
In jedem Blicke las ich Schreck und Graun,
Mit Abscheu nennt ein jeder meinen Namen;
Der Nachwelt wird mein Bild erscheinen einst
In einer wüsten, fürchterlichen Mischung
Von Zügellosigkeit und Niedrigkeit,
Von Hohn und Haß auf alles, was da edel.
Und keine Tat wird dann mich reinigen
Und niederschlagen, was man frech gelogen!
Ein jeder wird mich sehn wie jener dort –

Aurelia.
Doch ich, mein Gatte, seh' Dich nicht wie er.
Ob alle Welt Dich auch verdammen mag,
Ob alle Schimpf auf Deinen Namen häufen,
Ich weiß, Du hehlst im innersten Gemüt
Der Keime, die da bergen Blüt' und Frucht.
Doch hier, wo jederzeit nur Unkraut stand,
Ist keinem Keim emporzublühn verliehen.
Komm, fliehen wir dies lastervolle Land!
Was bindet Dich? Warum noch hier verziehen?

Catilina.
Ich sollte weichen, sollte fort von hier?
Verraten meine stolzesten Gedanken?
Der Sinkende, ob ohne Hoffnung auch,
Hält fest doch noch an den zerbrochnen Planken.
Und schlingt das Wrack die nasse Gruft hinab,
Und rettet nichts ihn mehr in weiter Runde, –
Die letzte Planke mit der letzten Kraft
Umklammert er und geht mit ihr zu Grunde.

Aurelia.
Doch lacht ihm gastlich eine Küste zu,
Mit grünen Wäldern längs den weißen Wellen,
Da schwellt ihm Hoffnung neu die sieche Brust;
Er strebt den Hainen zu, den hohen, hellen.
Dort ist es schön; verbannt sind Lärm und Hast;
Die Flut selbst dämpft den Schall, wie süß erschrocken;
Dort legt er seinen müden Leib zur Rast,
Und kühler Abend fächelt ihm die Locken
Und jagt ihm jede Sorgenwolke fort,
Daß ihm die Pulse fest und freudig schlagen;
Und er verweilt und findet Ruhe dort
Und Schutz nach den vergangnen schweren Tagen.
Nur ferner Widerhall vom Lärm der Welt
Vermag in sein behaglich Heim zu dringen,
Ein Laut, der ihm den Frieden nicht vergällt,
Der ihm nur heller läßt die Seele klingen;
Er mahnt ihn leis an die entschwundne Zeit
Voll wilder Freuden und zerschellter Pläne;
Und doppelt preist er seine Einsamkeit
Und weiht den Ehren Roms nicht eine Träne.

Catilina.
Du redest Wahrheit; und ich folgte Dir
Vielleicht noch heut hinweg aus Lärm und Wirren; –
Wenn Du mir eine solche Stätte wüßtest,
Da wir in Ruh' und Stille leben könnten?

Aurelia (froh.)
Du wolltest, Catilina! O des Glücks,
Der Wonne mehr, als diese Brust kann fassen!
So sei's denn! Komm! Wir ziehn noch diese Nacht
Von dannen –

Catilina.           Doch wohin, wohin denn, Liebste?
Nenn mir den Fleck, da sorglos ich mein Haupt
Zur Ruhe legen dürfte!

Aurelia.                           Wie Du redest!
Vergaßest unsern kleinen Landsitz Du,
Wo meine Kindheit schwand, und wo wir später
In unsrer Liebe erstem, jungem Glück
So manchen muntern Sommertag verbrachten?
Wo ward ein Wiesengrund so grün erschaut?
Wo lud ein Wald Dich mit so kühlem Gruße?
Sieh, wie die weiße Villa uns nun traut
Aus dunklen Bäumen winkt zu stiller Muße!
Dort wollen wir im holden Zeitvertreib
Ländlicher Freuden Seit' an Seite schalten,
Dort soll erheitern Dich ein zärtlich Weib
Und küssen Dir hinweg die bösen Falten.
(Lächelnd.)
Und trittst mit einem Arm voll Blumen Du
Herein zu mir, an Deiner Herrin Rocken,
So jubl' ich meinem Blumenfürsten zu
Und drück' ihm grünen Lorbeer in die Locken!
Doch Du erbleichst? Wie Du die Hand so hart
Mir drückst! Wie Deine Blicke mich durchdringen!

Catilina.
Ertrag's, daß Deine Lust zu schanden ward; –
Denn ich vermag Dich nicht dorthin zu bringen.
Ich kann es niemals mehr!

Aurelia.                               Du machst mir angst!
Allein, nicht wahr, Du scherzest, Catilina?

Catilina.
Ich scherzen! Wär's, o wär's doch nur ein Scherz!
Doch jedes Wort von Dir, gleich einem Pfeile
Durchbohrt es diese tiefgequälte Brust,
Der keine Ruhe je das Schicksal gönnt.

Aurelia.
Ihr Götter! Sprich! Was meinst Du?

Catilina.                                           So sieh her!
Hier ist Dein Landgut, hier Dein Glück der Zukunft!
(Er zieht einen Beutel mit Gold hervor und wirft ihn auf den Tisch.)

Aurelia.
Du hast verkauft, o –?

Catilina.                       Alles, ja, verkauft.
Und das zu welchem Zweck? Um zu bestechen –

Aurelia.
Nicht mehr, nicht weiter! Laß uns nicht begrübeln,
Was nicht zu ändern mehr; es schafft nur Leid.

Catilina.
Mich martert zehnmal mehr Dein stilles Dulden,
Als selbst ein Schmerzensschrei von Deinen Lippen.

(Ein alter Soldat tritt auf und nähert sich Catilina.)

Der Soldat.
Vergib, o Herr, mir, daß ich noch so spät
In Deine Wohnung trat, unangemeldet.
Sei mir nicht gram –

Catilina.                   Was führt Dich in mein Haus?

Der Soldat.
Ein demütig Gesuch. Nicht wahr, o Herr,
Du hörst es an? Ich bin ein armer Mann,
Der seine Kraft der Ehre Roms geopfert.
Nun bin ich schwach und kann nicht länger dienen
Und rostig hängt zuhause mein Gewaffen.
Die Hoffnung meines Alters war mein Sohn;
Er nährte mich mit seiner Hände Arbeit.
Ach, Schulden halber sitzt er nun gefangen.
Und keine Rettung –. Hilf mir, hilf mir, Herr!
(Kniend.)
Ein kleines Scherflein nur! Von Haus zu Haus
Bin ich geirrt; doch jede Tür war zu.
Ich weiß kein Mittel mehr –

Catilina.                               So sind sie, ja!
Da hast ein Bild Du von des Volkes Not.
So lohnt man es den tapfern alten Kriegern.
Man weiß nichts mehr von Dankbarkeit in Rom!
Es war einmal, da hätt', gerechten Zorns,
Ich sie gestraft mit Schwert und roter Lohe;
Doch sanfte Red' hat jüngst mein Ohr vernommen;
Mein Sinn ist kinderfromm; ich will nicht strafen;
Wer Sorgen lindert, ist ja auch ein Täter.
Da, Alter; – zahle Deine Schuld mit Dem!
(Er reicht ihm den Beutel mit den Goldmünzen.)

Der Soldat (erhebt sich.)
O, guter Herr; Ihr scherzt nicht bloß mit mir?

Catilina.
Nein, Alter; löse Deinen Sohn nur aus!
(Der Soldat schnell ab.)

Catilina.
Ein besserer Gebrauch, nicht wahr, mein Weib,
Als zu Bestechungen und Stimmenkauf!
Wohl ist es schön, des Bösen Macht zu brechen;
Doch still erwies'ner Trost belohnt sich auch.

Aurelia (wirft sich in seine Arme.)
O, reich ist Deine Seele noch und edel!
Jetzt kenn' ich meinen Catilina wieder!

(Ein unterirdisches Grabgewölbe mir einer frisch zugemauerten Öffnung hoch oben an der Rückwand. Eine Lampe brennt mit mattem Schein.)

(Furia, in langem, schwarzem Gewande, steht in lauschender Stellung in dem Grabgewölbe.)

Furia.
Es hallt und dröhnt. Es donnert wohl da droben.
Es schallt zu mir bis in mein Grab hinab.
Doch dieses Grab selbst ist so still – so still!
So ist mein Los denn ewig stumpfe Ruh'?
Darf ich auch hier nicht auf verschlungnen Wegen
Mich weiter suchen, wie's mich stets gelock?
(Nach einer Pause.)
Ein seltsam Leben war's; ein seltsam Schicksal.
Ein Meteor, kam alles und verschwand.
Er sah mich. Eine dunkle Zaubermacht,
Ein innrer Einklang zog uns zueinander.
Die Rachegöttin zog's zu ihrem Opfer;
Doch jähe Strafe traf die Rächerin.
(Wiederum Pause.)
Nun ist es droben hell. Entfern' ich mich
Unmerklich von den Wohnungen des Lichts?
O, wohl mir, wär' dem so, wär' dies Verweilen
Im Schoß des Grabs im Grund nur eine Flucht
Auf Blitzesfittichen hinab zum Hades,
Wär' ich schon nahe bald dem breiten Styx!
Dort schlägt die Welle bleischwer ans Gestade;
Dort rudert Charon lautlos seinen Kahn.
Bald bin ich dort. Dann will ich still mich setzen
Ans Fergenhaus und fragen jeden Geist
Und flüchtigen Schatten, der vom Reich des Lebens
Leichtschreitend sich dem Totenflusse naht,
Und fragen jeden Geist, wie Catilina
Es treibt im Chor der Lebenden dort oben,
Und fragen jeden Geist: hielt er den Eid?
Und leuchten jedem Toten mit der Fackel,
Der schwefelblauen, ins gebrochne Aug',
Und forschen, ob's nicht etwa Catilina.
Und kommt er endlich, geb' ich ihm 's Geleit,
Und beide fahren wir zusammen über,
Betreten beide Plutos stillen Saal.
Selbst noch als Schatten folg' ich seinem Schatten;
Wo Catilina ist, muß Furia sein!
(Nach einer Pause, matter.)
O, wie die Luft so schwül und dumpfig wird,
Und schwer und schwerer jeder Atemzug.
So näher' ich mich denn den schwarzen Sümpfen,
Wo träg der Strom der Unterwelt sich wälzt –
(Sie lauscht; man hört einen dumpfen Lärm.)
Ein leiser Schall? Wie Ruderschlag, so klingt es.
Das ist der Toten Ferge, der herankommt,
Mich abzuholen. Nun – ich harre seiner.

(Die Steine in der frisch vermauerten Öffnung brechen auseinander. Curius wird hinter ihnen sichtbar; er winkt ihr.)

Furia.
Gegrüßt sei, Charon! Bist Du schon bereit,
Ins Haus des Todes mich als Gast zu führen?
Ich harre Deiner!

Curius (flüsternd:)   Schweig; – ich rette Dich!


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