Henrik Ibsen
John Gabriel Borkman
Henrik Ibsen

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Zweiter Akt

Der alte große Prunksaal des Rentheimschen Hauses. Die Wände sind mit alten Gobelins bekleidet, auf denen Jagdszenen, Hirten und Hirtinnen dargestellt sind, alles in verschossenen, schwindenden Farben. An der linken Wand eine Flügeltür und weiter vorn ein Klavier. In der linken Ecke der Hinterwand eine Tapetentür ohne Einfassung. In der Mitte der rechten Wand ein großer, geschnitzter, eichener Schreibtisch mit vielen Büchern und Papieren. Gleichfalls rechts, aber weiter vorn, ein Sofa mit Tisch und Stühlen. Die Möbel sind in steifem Empirestil gehalten. Auf dem Pulte und auf dem Tische brennen Lampen.

John Gabriel Borkman steht am Klavier, die Hände auf dem Rücken, und hört Frida Foldal zu, die eben die letzten Takte der »Danse macabre« spielt.

Borkman ist ein mittelgroßer, strammer und kräftig gebauter Mann in den sechziger Jahren. Vornehmes Aussehen, fein geschnittenes Profil, durchdringende Augen. Haar und Bart sind grauweiß und kraus. Er trägt einen schwarzen, nicht mehr ganz modernen Anzug und eine weiße Halsbinde. Frida Foldal ist ein hübsches, bleiches Mädchen von 15 Jahren; ihr Gesicht hat ein wenig den Ausdruck der Müdigkeit und Überanstrengung. Sie trägt ein helles Kleid, dürftig herausgeputzt.

Das Musikstück ist zu Ende. Pause.

Borkman. Raten Sie einmal, wo ich zuerst Töne wie diese hier gehört habe!

Frida blickt zu ihm auf. Nun, Herr Borkman?

Borkman. Es war unten in den Minen –

Frida versteht ihn nicht. In den Minen – so?

Borkman. Ich bin eines Bergmanns Sohn, müssen Sie wissen. Oder wissen Sie das vielleicht nicht?

Frida. Nein, Herr Borkman.

Borkman. Eines Bergmanns Sohn. Und mein Vater nahm mich zuweilen mit hinunter in die Minen. – Dort in der Tiefe singt das Erz.

Frida. So? Das singt?

Borkman nickt. Wenn es gebrochen wird. Die Hammerschläge, die es brechen, – das ist die Mitternachtsglocke, die läutet und es erlöst. Darum singt das Erz – vor Freude – in seiner Weise.

Frida. Warum denn das, Herr Borkman?

Borkman. Es will hinauf ans Tageslicht und den Menschen dienen.

Er geht auf und ab, die Hände fortwährend auf dem Rücken.

Frida sitzt eine Weile da und wartet, blickt dann auf ihre Uhr und steht auf. Entschuldigen Sie, Herr Borkman, – aber ich muß nun leider fort.

Borkman bleibt vor ihr stehen. Jetzt wollen Sie schon fort?

Frida legt die Noten in ihre Mappe. Ich muß wohl. Sichtlich verlegen. Denn ich bin heute abend wohin bestellt.

Borkman. Wo eine Gesellschaft ist?

Frida. Ja.

Borkman. Und Sie sollen sich hören lassen da vor der Gesellschaft?

Frida beißt sich auf die Lippe. Nein, – ich soll zum Tanz aufspielen.

Borkman. Nur zum Tanz?

Frida. Ja. Man will nach dem Abendessen tanzen.

Borkman blickt sie eine Weile an. Spielen Sie gern zum Tanz? So in den Häusern herum?

Frida zieht ihren Mantel an. Wenn ich einen Auftrag bekommen kann, so –. Es gibt ja immerhin etwas dabei zu verdienen.

Borkman ausforschend. Ist das Ihr erster und einziger Gedanke, wenn Sie so dasitzen und zum Tanz spielen?

Frida. Nein. Vor allem denke ich, wie traurig es ist, daß ich nicht selbst beim Tanzen mittun darf.

Borkman nickt. Das eben wollte ich wissen. Geht unruhig auf und ab. Ja, ja, ja, – selbst nicht mittun dürfen, das ist das allertraurigste. Bleibt stehen. Eins aber wiegt Ihnen alles auf, Frida.

Frida blickt ihn fragend an. Und das wäre, Herr Borkman?

Borkman. Dieses eine: Sie haben zehnmal mehr Musik im Leibe als die ganze Tanzgesellschaft zusammengenommen.

Frida lächelt ausweichend. Ach, das ist doch noch gar nicht so sicher.

Borkman hebt warnend den Zeigefinger. Sie werden doch nicht so verrückt sein, an sich selbst zu zweifeln!

Frida. Aber lieber Gott, wenn nun niemand davon weiß?

Borkman. Wenn Sie nur selbst es wissen, das genügt. – Wo spielen Sie denn heut abend.

Frida. Drüben bei Advokat Hinkel.

Borkman blickt sie plötzlich streng an. Hinkel, sagten Sie?

Frida. Ja.

Borkman mit einem bitteren und scharfen Lächeln. Gehen zu dem Mann Leute ins Haus? Kann der Mann Verkehr bekommen?

Frida. O ja, es sollen viel Leute hinkommen, – – habe ich Frau Wilton sagen hören.

Borkman heftig. Aber was für Leute? Können Sie mir das sagen?

Frida etwas ängstlich. Nein, das weiß ich wirklich nicht. Ja, – richtig, Herr Studiosus Borkman soll heut dort sein.

Borkman betroffen. Erhard! Mein Sohn?

Frida. Ja, er soll dort sein.

Borkman. Woher wissen Sie das?

Frida. Er hat es selbst gesagt. Vor einer Stunde.

Borkman. Ist er denn heut hier draußen?

Frida. Ja, er ist den ganzen Nachmittag bei Frau Wilton gewesen.

Borkman forschend. Wissen Sie, ob er auch hier im Hause war? Ich meine, ob er unten war und mit jemand gesprochen hat?

Frida. Ja, er war ein Weilchen bei der gnädigen Frau im Zimmer.

Borkman bitter. Aha, – dacht' ich es mir doch.

Frida. Aber noch eine fremde Dame war, glaube ich, bei ihr.

Borkman. So? Wirklich? Na ja, zur gnädigen Frau kommt ja wohl mitunter der und jener.

Frida. Wenn ich den jungen Herrn nachher treffe, soll ich ihm dann sagen, er möchte doch auch zu Ihnen heraufkommen?

Borkman barsch. Nichts sollen Sie sagen! Das will ich mir sehr verbeten haben! Die Leute, die mich zu sprechen wünschen, die sollen von selber kommen. Ich bitte niemand darum.

Frida. Nein, nein, – dann werde ich nichts sagen. – Gute Nacht, Herr Borkman.

Borkman brummt, auf und ab schlendernd. Gute Nacht.

Frida. Dürfte ich vielleicht die Wendeltreppe hinunterlaufen? Da geht es schneller.

Borkman. Ja doch! – Laufen Sie meinetwegen, welche Treppe sie wollen, hinunter. Und jetzt gute Nacht.

Frida. Gute Nacht, Herr Borkman.

Ab durch die kleine Tapetentür im Hintergrund links.

Borkman geht in Gedanken ans Klavier und will es zumachen, unterläßt es aber. Er sieht sich um in dem öden Raum und beginnt dann, auf und ab zu wandeln zwischen der Ecke am Klavier und der rechten Ecke des Hintergrundes, – ohne Ruhe und Rast, beständig hin und her. Schließlich geht er an den Schreibtisch, horcht in der Richtung der Flügeltür, nimmt schnell einen Handspiegel, besieht sich darin und bringt seine Halsbinde in Ordnung.

Es klopft an die Flügeltür. Borkman hört das Klopfen, blickt schnell zur Tür hin, schweigt aber.

Nach einer Weile klopft es wieder, diesmal stärker.

Borkman stützt, am Schreibtisch stehend, die linke Hand auf die Tischplatte und steckt die Rechte in die Brust. Herein!

Wilhelm Foldal tritt behutsam ein. Er ist ein Mann von abgearbeitetem Aussehen, gebeugter Haltung und hat sanfte, blaue Augen und dünnes, langes, graues Haar, das ihm über den Rockkragen herabfällt. Unter dem Arm hat er eine Mappe. Er hält einen weichen Filzhut in der Hand und trägt eine große Hornbrille, die er auf die Stirn hinaufschiebt.

Borkman verändert seine Stellung und blickt den Eintretenden mit einem Gemisch von Enttäuschung und Befriedigung an. Ach, Du bist es bloß.

Foldal. Einen schönen guten Abend, John Gabriel. Ich bin es, – in eigenster Person.

Borkman mit einem strengen Blick. Ich finde übrigens, Du kommst rechtschaffen spät.

Foldal. Na hör' mal, der Weg hierher ist keine Kleinigkeit. Besonders für einen, der zu Fuß gehen muß.

Borkman. Ja, warum gehst Du denn immer, Wilhelm? Du hast ja die Straßenbahn ganz in der Nähe.

Foldal. Gehen ist gesünder. Und dann spare ich auch die zehn Pfennig. – Na, ist Frida vorhin dagewesen und hat Dir vorgespielt?

Borkman. Diesen Augenblick ist sie gegangen. Bist Du ihr nicht draußen begegnet?

Foldal. Nein. Ich habe sie seit Urzeiten nicht gesehen. Seit sie zu dieser Frau Wilton ins Haus kommt.

Borkman setzt sich aufs Sofa und deutet mit einer Handbewegung auf einen Stuhl. Setz' Dich nur auch, Wilhelm.

Foldal setzt sich auf die Stuhlkante. Danke schön. Blickt ihn schwermütig an. Ach, Du glaubst gar nicht, wie einsam ich mich fühle, seit Frida von Hause fort ist.

Borkman. Herrjeh, – Du hast doch noch genug Kinder.

Foldal. Weiß Gott, ja. Ganze fünf Stück. Aber Frida, die war die einzige, die mich so ein bißchen verstanden hat. Schüttelt schwermütig den Kopf. Die andern, die verstehen mich alle durchaus nicht.

Borkman blickt finster vor sich hin und trommelt auf den Tisch. Ja, – das eben ist die Geschichte. Das ist der Fluch, der auf uns einzelnen, auf uns auserwählten Menschen lastet. Die Masse, die Menge, – der Durchschnitt, – haben kein Verständnis für uns, Wilhelm.

Foldal resigniert. Verständnis, – das verlangt man ja nicht gleich. Mit einem bißchen Geduld, da kann man immerhin ein Weilchen warten, bis es kommt. Mit tränenerstickter Stimme. Aber Du, es gibt noch etwas Bittereres!

Borkman heftig. Etwas Bittereres als das gibt es nicht!

Foldal. O doch, John Gabriel. Ich hatte eben, – bevor ich wegging – eine häusliche Szene.

Borkman. Wieso denn?

Foldal herausplatzend. Zu Hause, da – da verachten sie mich.

Borkman fährt auf. Verachten Dich –!

Foldal wischt sich die Augen. Ich hatte es schon lange gemerkt. Heut aber kam es so recht zum Ausdruck.

Borkman nach einer kurzen Pause. Du trafst gewiß keine gute Wahl, als Du heiratetest.

Foldal. Es blieb mir doch so gut wie keine Wahl. Und übrigens, – man heiratet doch gern, wenn man so langsam in die Jahre kommt. Und so reduziert, so ganz auf den Hund gekommen wie ich damals war –

Borkman springt zornig auf. Soll das auf mich gehen? Ein Vorwurf –!

Foldal ängstlich. Aber um des Himmels willen, John Gabriel –!

Borkman. Doch, – Du denkst jetzt an das Unglück, das über die Bank hereinbrach –!

Foldal begütigend. Aber in der Geschichte schiebe ich doch die Schuld nicht auf Dich! Gott soll mich bewahren –!

Borkman brummt, indem er sich wieder setzt. Na, dann ist es gut.

Foldal. Übrigens glaub' nur nicht, daß ich mich über meine Frau beklage. Sehr gebildet ist sie ja nicht, die gute Seele, – das ist wahr. Aber es ist mit ihr doch auszukommen. Nein, Du! Die Kinder sind es –

Borkman. Konnt' es mir denken.

Foldal. Denn die Kinder, – die haben doch mehr Kultur. Und stellen darum auch höhere Anforderungen ans Leben.

Borkman sieht ihn teilnehmend an. Und darum verachten Dich die Rangen, Wilhelm?

Foldal zuckt die Achseln. Sieh mal – ich habe ja nicht sonderlich Karriere gemacht. Das muß ich ja zugeben –

Borkman rückt näher und legt die Hand auf seinen Arm. Wissen sie denn nicht, daß Du ein Trauerspiel geschrieben hast in Deiner Jugendzeit?

Foldal. Natürlich wissen sie das. Es scheint aber keinen besonderen Eindruck auf sie zu machen.

Borkman. Dann sind sie eben verständnislos. Denn Dein Trauerspiel ist gut. Das ist meine feste Überzeugung.

Foldal, dessen Gesicht sich aufhellt. Nicht wahr, es ist manches Gute darin, John Gabriel? Ach Gott, wenn ich es nur endlich schon angebracht hätte – beginnt eifrig die Mappe zu öffnen und in den Papieren zu blättern. Paß mal auf! Jetzt will ich Dir einige Änderungen zeigen –

Borkman. Hast Du es mit?

Foldal. Ja, – ich habe es mitgebracht. Es ist schon lange her, seit ich Dir es vorgelesen habe. Und darum dachte ich, es würde vielleicht eine Zerstreuung für Dich sein, einen Akt oder zwei zu hören –

Borkman abwehrend, indem er sich erhebt. Nein, nein, lassen wir das lieber für ein andermal.

Foldal. Nun ja, wie Du willst.

Borkman geht auf und ab. Foldal packt das Manuskript wieder ein.

Borkman bleibt vor ihm stehen. Es ist wahr, was Du vorhin sagtest, – Du hast keine Karriere gemacht. Aber das verspreche ich Dir, Wilhelm: wenn einmal die Stunde der Genugtuung für mich schlägt –

Foldal will aufstehen. Ach, wie dankbar bin ich Dir –!

Borkman mit einer Handbewegung. Du darfst sitzen bleiben. In wachsender Erregung. Wenn die Stunde der Genugtuung für mich schlägt –. Wenn sie einsehen, daß sie ohne mich nicht fertig werden können –. Wenn sie zu mir kommen, hierher, – und zu Kreuze kriechen und bitten und betteln, daß ich die Leitung der Bank wieder übernehme –! Der neuen Bank, die sie gegründet haben – und deren sie nicht Herr werden können – stellt sich an den Schreibtisch wie vorhin und schlägt sich an die Brust. Hier will ich stehen und sie empfangen! Und weit im Lande soll's gehört werden, was für Bedingungen John Gabriel Borkman stellt, um – hält plötzlich inne und starrt Foldal an. Du siehst mich so zweifelnd an! Glaubst Du etwa nicht, daß sie kommen? Daß sie einmal zu mir kommen müssen, – müssen? Glaubst Du das nicht?

Foldal. Ja, weiß Gott, das glaube ich, John Gabriel.

Borkman setzt sich wieder aufs Sofa. Ich glaube es so fest. Weiß es mit so unerschütterlicher Gewißheit, – daß sie kommen. – Hätte ich die Gewißheit nicht gehabt, – dann hätte ich mir längst eine Kugel durch den Kopf geschossen.

Foldal erschrocken. Ach, um Gottes willen –!

Borkman triumphierend. Aber sie kommen! Sie kommen schon! Gib acht! Jeden Tag, jede Stunde kann ich sie hier erwarten. Und Du siehst, ich halte mich parat, sie zu empfangen.

Foldal mit einem Seufzer. Wenn sie nur recht bald kämen.

Borkman unruhig. Ja freilich; die Zeit vergeht; die Jahre vergehen; das Leben, – nein, nein, – ich wage nicht daran zu denken! Sieht ihn an. Weißt Du, wie ich mir manchmal vorkomme?

Foldal. Nun?

Borkman. Ich komme mir vor wie ein Napoleon, der in seiner ersten Feldschlacht zum Krüppel geschossen wurde.

Foldal legt die Hand auf die Mappe. Die Empfindung kenne ich auch.

Borkman. Na ja, das heißt im kleineren Maßstabe.

Foldal ruhig. Meine kleine Dichterwelt hat für mich einen großen Wert, John Gabriel.

Borkman heftig. Ja, aber ich erst, der ich Millionen hätte haben können! Die Bergwerke alle, die ich mir erschlossen hätte! Neue Minen ins Unendliche! Die Wasserfälle! Die Steinbrüche! Handelsstraßen und Schiffahrtsverbindungen über die ganze weite Welt. Alles, alles hätte ich allein ins Leben gerufen!

Foldal. Ja, – ich weiß wohl. Du wärst vor nichts zurückgeschreckt.

Borkman preßt die Hände zusammen. Und nun muß ich hier sitzen wie ein zu schanden geschossener Auerhahn und mit ansehen, wie die andern mir zuvorkommen – und mir's vor der Nase wegschnappen, Stück für Stück!

Foldal. Du! So geht es mir auch.

Borkman, ohne ihn zu beachten. Hat man schon so etwas erlebt! Ich stand knapp vor dem Ziel. Nur acht Tage Frist, um mich zu rangieren, und alle Depositen wären wieder eingelöst worden. Alle Wertpapiere, die ich mit kühner Hand angegriffen hatte, die hätten wieder auf dem alten Platz gelegen. Um ein Haar wären die riesenhaften Aktiengesellschaften zustande gekommen. Kein einziger Mensch hätte einen Pfennig verloren –

Foldal. Lieber Gott ja, – so nah am Ziel, wie Du warst –

Borkman in verbissener Wut. Und da fiel mir der Verräter ins Genick! Gerade in den Tagen der Entscheidung! Sieht ihn an. Weißt Du, was ich für das infamste Verbrechen halte, das ein Mensch begehen kann?

Foldal. Nein, welches denn?

Borkman. Es ist nicht Mord. Auch Raub nicht oder nächtlicher Einbruch. Nicht einmal Meineid. Denn solche Taten werden doch meistens nur an Leuten verübt, die man haßt, oder die einem gleichgültig sind und einen nichts angehen.

Foldal. Nun also, John Gabriel, das Infamste –?

Borkman mit Nachdruck. Das Infamste ist, wenn ein Freund das Vertrauen des Freundes mißbraucht.

Foldal etwas bedenklich. Ja, aber hör' mal –

Borkman auffahrend. Ich sehe Dir an, was Du sagen willst. Das trifft aber nicht zu. Die Leute, die ihre Wertpapiere auf der Bank hatten, die hätten alles zurückbekommen. Auf Heller und Pfennig! – Nein, mein Lieber, – das Infamste, was ein Mensch begehen kann, das ist, wenn er die Briefe seines Freundes mißbraucht, – wenn er das der Öffentlichkeit preisgibt, was einem einzigen nur anvertraut war, unter vier Augen, wie zugeflüstert in einem leeren, dunkeln, verriegelten Zimmer. Der Mann, der zu solchen Mitteln greift, der ist durch und durch vergiftet und verpestet von einer mehr als schurkischen Moral. Und einen solchen Freund habe ich gehabt. – Und der hat mich zerschmettert.

Foldal. Ich ahne schon, auf wen Du anspielst.

Borkman. In meinem ganzen Wandel war keine Falte, die ich ihm nicht enthüllt hätte. Und dann, als der Augenblick gekommen war, da richtete er wider mich die Waffe, die ich ihm selber in die Hände gegeben hatte.

Foldal. Ich habe nie begreifen können, warum er –? Allerdings munkelten die Leute damals mancherlei.

Borkman. Was munkelte man? So sage es. Ich weiß ja nichts. Ich wurde ja doch gleich – isoliert. Was munkelten die Leute, Wilhelm?

Foldal. Du hättest Minister werden sollen, hieß es.

Borkman. Die Stellung wurde mir angeboten. Aber ich habe abgelehnt.

Foldal. Da standst Du ihm also nicht im Wege.

Borkman. O nein, – aus dem Grunde verriet er mich nicht.

Foldal. Ja, dann begreife ich wahrhaftig nicht –

Borkman. Dir kann ich es schon sagen, Wilhelm.

Foldal. Nun?

Borkman. Es war – so eine Art Weibergeschichte, weißt Du.

Foldal. Eine Weibergeschichte? Aber John Gabriel –?

Borkman abbrechend. Ja, ja, ja, – reden wir nicht mehr von den alten, dummen Geschichten. – Minister freilich wurden wir beide nicht.

Foldal. Aber er kam in die Höhe.

Borkman. Und ich stürzte in den Abgrund.

Foldal. O, welch fürchterliches Trauerspiel –

Borkman nickt ihm zu. So fürchterlich fast wie Deines, wenn ich es mir recht überlege.

Foldal arglos. Ja, mindestens so fürchterlich.

Borkman lacht leise. Aber von einer andern Seite betrachtet, ist es doch auch wieder eine Art Komödie.

Foldal. Komödie? Das?

Borkman. Wie es sich jetzt entwickeln will, – ja. Denn nun paß mal auf –

Foldal. Also?

Borkman. Als Du kamst, da fandest Du Frida nicht mehr hier.

Foldal. Nein.

Borkman. Nun, während wir beide hier sitzen, spielt sie zum Tanz bei dem Mann, der mich verriet und stürzte.

Foldal. Aber davon hatte ich ja keine Ahnung!

Borkman. Ja, sie nahm ihre Noten und ging von hier in – in das Haus dieser Herrschaften.

Foldal entschuldigend. Ja, ja, das arme Kind –

Borkman. Und rat einmal, wem unter andern sie aufspielt?

Foldal. Nun?

Borkman. Meinem Sohn.

Foldal. Was!

Borkman. Ja, was sagst Du dazu, Wilhelm? Mein Sohn ist heut abend dort in den Reihen der Tänzer. Darf ich da nicht von einer Komödie reden?

Foldal. Aber dann weiß er sicherlich nichts.

Borkman. Was weiß er nicht?

Foldal. Er weiß sicherlich nicht, auf welche Art er – dieser – na –

Borkman. Nenn ihn nur ruhig beim Namen. Jetzt alteriert es mich nicht mehr, wenn ich ihn höre.

Foldal. Ich bin überzeugt, Dein Sohn kennt den Sachverhalt nicht, John Gabriel.

Borkman sitzt finster da und klopft auf den Tisch. Er kennt ihn, Du, – so wahr ich lebe!

Foldal. Sollte man es aber dann für möglich halten, daß er in dem Haus verkehrt?

Borkman schüttelt den Kopf. Mein Sohn sieht wohl die Dinge mit andern Augen an als ich. Ich möchte darauf schwören, daß er auf der Seite meiner Feinde steht! Er meint jedenfalls, wie sie, der Advokat Hinkel hätte nur seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit getan, als er hinging und mich verriet.

Foldal. Aber, du lieber Gott, wer sollte ihm denn die Sache in dem Lichte geschildert haben?

Borkman. Wer? Vergißt Du denn, wer ihn erzogen hat? Zuerst seine Tante – seit seinem sechsten oder siebenten Jahr. Und später dann – seine Mutter!

Foldal. Ich glaube, Du tust ihnen unrecht in dem Punkt.

Borkman auffahrend. Ich pflege keinem Menschen unrecht zu tun! Ich sage Dir, sie haben ihn gegen mich aufgehetzt, eine wie die andere!

Foldal nachgiebig. Na ja, ja, – dann wird es wohl so sein.

Borkman erbittert. O, diese Weiber! Das Leben verleiden und verstören sie einem! Verpfuschen unser ganzes Schicksal, – unsern ganzen Siegeslauf.

Foldal. Du, nicht alle!

Borkman. So? Nenne mir eine einzige, die etwas taugt!

Foldal. Nein, das ist es eben. Die wenigen, die ich kenne, die taugen nichts.

Borkman höhnisch. Was hat es dann für einen Nutzen, daß es solche Weiber gibt, – wenn man sie nicht kennt!

Foldal mit Wärme. O doch, John Gabriel, es hat einen Nutzen. Denn ist es nicht ein herrlicher und erhebender Gedanke, gleichwohl da draußen, um uns her, in weiter Ferne irgendwo das wahre Weib zu wissen?

Borkman mit einer ungeduldigen Gebärde. Aber so hör' doch auf mit Deinem Dichtergewäsch!

Foldal blickt ihn tief gekränkt an. Dichtergewäsch – so nennst Du meinen heiligsten Glauben?!

Borkman mit Härte. Ja, ich bin so frei! Und wenn Du nicht weiter gekommen bist in der Welt, so liegt der Grund eben darin. Wolltest Du nur solche Sachen lassen, so könnte ich Dir noch auf die Beine helfen, – Dich in die Höhe bringen.

Foldal innerlich kochend vor Erregung. Ach, das kannst Du doch nicht.

Borkman. Ich kann es, wenn ich nur wieder zur Macht gelange.

Foldal. Damit hat es sicherlich noch seine guten Wege.

Borkman heftig. Bist Du etwa der Meinung, die Zeit würde nie kommen? Antworte mir darauf?

Foldal. Ich weiß nicht, was ich Dir antworten soll.

Borkman steht auf, kalt und vornehm, indem er mit einer Handbewegung zur Tür hindeutet. So bist Du hier überflüssig.

Foldal schnellt auf. Überflüssig –!

Borkman. Wenn Du nicht glaubst, mein Schicksal werde sich wenden –

Foldal. Aber ich kann doch nicht glauben, was gegen alle Vernunft ist! – Du müßtest doch rehabilitiert werden –

Borkman. Weiter! Nur weiter!

Foldal. Mein Examen habe ich freilich nicht gemacht; – aber so viel habe ich doch zu meiner Zeit gelernt –

Borkman schnell. Unmöglich, meinst Du?

Foldal. Es liegt kein Präzedenzfall vor.

Borkman. Braucht es auch nicht für Ausnahmemenschen.

Foldal. Das Gesetz kennt solche Rücksichten nicht.

Borkman hart und absprechend. Du bist kein Dichter, Wilhelm.

Foldal faltet unwillkürlich die Hände. Sagst Du das in vollem Ernst?

Borkman abweisend, ohne ihm zu antworten. Wir beide vergeuden nur die Zeit miteinander. Das Beste ist, Du kommst nicht mehr.

Foldal. Du willst also, daß ich gehe!

Borkman ohne ihn anzusehen. Ich habe Dich nicht mehr nötig.

Foldal sanftmütig, indem er seine Mappe nimmt. Na ja doch – das mag schon sein.

Borkman. Die ganze Zeit hast Du mich also belogen.

Foldal schüttelt den Kopf. Habe nie gelogen, John Gabriel.

Borkman. Hast Du nicht ewig Hoffnung und Glauben und Zuversicht in mich hineingelogen?

Foldal. Es war keine Lüge, solange Du an meinen Beruf glaubtest. Solange Du an mich glaubtest, solange glaubte ich an Dich.

Borkman. Wir haben uns also gegenseitig betrogen. Und am Ende uns selber betrogen – einer wie der andere.

Foldal. Aber ist das denn im Grunde nicht Freundschaft, John Gabriel?

Borkman mit einem bittern Lächeln. Gewiß, ja, betrügen, – das ist Freundschaft. Da hast Du recht. Die Erfahrung habe ich schon einmal gemacht.

Foldal richtet den Blick auf ihn. Also nicht zum Dichter berufen. Und das konntest Du mir so unbarmherzig sagen.

Borkman in etwas weicherem Ton. Nun, ich bin ja doch nicht sachkundig auf dem Gebiet.

Foldal. Mehr vielleicht als Du selber ahnst.

Borkman. Ich?

Foldal leise. Ja, Du. Denn sieh mal, ich habe selbst meine Zweifel gehabt, – dann und wann. Den grauenvollen Zweifel – ob ich nicht mein Leben verpfuscht habe um einer Einbildung willen.

Borkman. Wenn Du an Dir selbst zweifelst, dann stehst Du auf schwachen Füßen.

Foldal. Darum war es für mich ein Trost, herzukommen und mich aufzurichten an Dir, der den Glauben hatte. Nimmt seinen Hut. – Aber jetzt bist Du ein Fremder für mich.

Borkman. Du für mich auch.

Foldal. Gute Nacht, John Gabriel.

Borkman. Gute Nacht, Wilhelm.

Foldal links ab.

Borkman steht eine Weile da und starrt auf die Tür, die sich in zwischen geschlossen hat, macht eine Bewegung, als ob er Foldal zurückrufen wollte, besinnt sich aber anders und fängt an, auf und ab zu gehen, die Hände auf dem Rücken. Darauf bleibt er am Sofatisch stehen und löscht die Lampe aus. Es wird halbdunkel im Saale. Bald darauf klopft es an die Tapetentür links im Hintergrund.

Borkman, der am Tisch steht, fährt zusammen, dreht sich um und fragt mit lauter Stimme: Wer klopft da?

Keine Antwort; es klopft zum zweitenmal.

Borkman bleibt stehen. Wer ist da? Herein!

Ella Rentheim, eine brennende Kerze in der Hand, erscheint in der Tür. Sie trägt dasselbe schwarze Kleid wie zuvor, den Mantel lose über die Schultern geworfen.

Borkman starrt sie an. Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir!

Ella macht die Tür hinter sich zu und nähert sich. Ich bin es, Borkman.

Sie stellt die Kerze aufs Klavier und bleibt dort stehen.

Borkman steht wie vom Blitz getroffen da, starrt sie unverwandt an und flüstert halblaut: Ist das – ist das Ella? Ist das Ella Rentheim?

Ella. Ja. – »Deine« Ella, – wie Du mich in früheren Zeiten nanntest. Einstmals. Vor langen – langen Jahren.

Borkman wie oben. Ja, Du bist es, Ella, – ich seh' es jetzt.

Ella. Kannst Du mich wiedererkennen?

Borkman. Ja, jetzt fange ich an –

Ella. Die Jahre sind herb und hart mit mir umgesprungen, Borkman. Findest Du nicht?

Borkman gezwungen. Du hast Dich etwas verändert. So auf den ersten Blick –

Ella. Die dunkeln Locken, die über den Nacken herabfielen, die habe ich nun nicht mehr. Die Locken, die Du einst so gern um Deine Finger geschlungen hast.

Borkman schnell. Richtig! Jetzt seh' ich es, Ella. Du hast Deine Frisur verändert.

Ella mit traurigem Lächeln. Ganz recht – die Frisur ist es.

Borkman ablenkend. Ich wußte übrigens nicht, daß Du in unserer Gegend seist.

Ella. Ich bin auch eben erst angekommen.

Borkman. Warum diese Reise, – jetzt zur Winterzeit?

Ella. Das werde ich Dir sagen.

Borkman. Willst Du etwas von mir?

Ella. Auch von Dir. Ehe wir aber davon reden, muß ich weit zurückgreifen.

Borkman. Du bist gewiß müde.

Ella. Ja, ich bin müde.

Borkman. Willst Du Dich nicht setzen? Dorthin, – aufs Sofa.

Ella. Danke schön. Ich muß mich wirklich setzen.

Sie geht nach rechts und setzt sich in die vordere Sofaecke. Borkman steht am Tisch, die Hände auf dem Rücken, und sieht sie an. Kurze Pause.

Ella. Es ist unendlich lange her, seit wir zwei uns gegenüber gestanden haben, Aug' in Auge, Borkman.

Borkman finster. Lange, lange ist es her. Viel Furchtbares liegt dazwischen.

Ella. Ein ganzes Menschenleben liegt dazwischen. Ein verspieltes Menschenleben.

Borkman blickt sie unwirsch an. Verspielt!

Ella. Ja, verspielt. Für uns beide.

Borkman in kaltem Geschäftston. Ich erachte mein Leben noch nicht für verspielt.

Ella. Nun gut, – aber mein Leben?

Borkman. Daran bist Du selbst schuld, Ella.

Ella mit einem Ruck. Und das sagst Du!

Borkman. Du hättest sehr wohl glücklich werden können ohne mich.

Ella. Glaubst Du?

Borkman. Wenn Du selbst nur gewollt hättest.

Ella bitter. Ich weiß allerdings, ein anderer stand mit offenen Armen bereit –

Borkman. Aber Du hast ihn abgewiesen –

Ella. Das habe ich getan.

Borkman. Einmal übers andere hast Du ihn abgewiesen. Jahraus, jahrein –

Ella höhnisch. – jahraus, jahrein habe ich das Glück abgewiesen, willst Du sagen?

Borkman. Du konntest sehr wohl auch mit ihm glücklich werden. Und dann wäre ich gerettet gewesen.

Ella. Du –?

Borkman. Ja, dann hättest Du mich gerettet, Ella.

Ella. Wie meinst Du das?

Borkman. Er hat geglaubt, ich steckte hinter Deiner Ablehnung, – Deinen ewigen Weigerungen. Und da nahm er Rache. Denn das konnte er so leicht, – weil er ja doch die rückhaltlosen, vertrauensseligen Briefe von mir alle in Händen hatte. Davon machte er Gebrauch, – und da war es mit mir aus, – fürs erste wenigstens. Siehst Du, an alledem bist Du schuld, Ella!

Ella. Ei, sieh mal an, Borkman, – am Ende liegt wohl die Sache so, daß ich in Deiner Schuld stehe.

Borkman. Wie man es nimmt. Ich weiß recht wohl, was ich Dir alles zu verdanken habe. Du erwarbst den Hof hier in der Versteigerung, das ganze Gut. Du stelltest das Haus mir und – und Deiner Schwester ganz und gar zur Verfügung. Du nahmst Erhard zu Dir, – und sorgtest für ihn in jeder Beziehung –

Ella. – solange es mir erlaubt wurde –

Borkman. – es Dir von Deiner Schwester erlaubt wurde, ja. Ich habe mich in diese häuslichen Fragen nie hineingemischt. – Ja, wie gesagt, – ich weiß, welche Opfer Du mir und Deiner Schwester gebracht hast. Du konntest es aber auch, Ella. Und Du darfst nicht vergessen, daß ich es war, der Dich in den Stand gesetzt hat, es zu können.

Ella empört. Da bist Du gewaltig im Irrtum, Borkman! Mein innerstes Gefühl, meine warme Zuneigung für Erhard, – und auch für Dich, – das war es, was mich dazu antrieb.

Borkman unterbricht sie. Liebe Ella, lassen wir Gefühle und derlei Dinge aus dem Spiele. Was ich sagte, war natürlich so gemeint: wenn Du so handeltest, wie Du getan hast, so war ich es, der Dir dazu die Möglichkeit gegeben hat.

Ella lächelt. Hm, die Möglichkeit, die Möglichkeit –

Borkman feurig. Jawohl, die Möglichkeit! Als, die große, entscheidende Schlacht geliefert werden sollte, – als ich weder Verwandte noch Freunde schonen konnte, – als ich zu den Millionen, die mir anvertraut waren, greifen mußte und auch griff, – da verschonte ich alles, was Dein war, Dein' ganzes Hab und Gut, – obwohl ich darüber hätte verfügen und es verwenden können – wie alles übrige!

Ella kalt und ruhig. Das ist ganz richtig, Borkman.

Borkman. Allerdings. Und deshalb – als sie kamen und mich einsteckten, – da fanden sie denn auch Dein ganzes Besitztum unangerührt im Gewölbe der Bank.

Ella richtet den Blick auf ihn. Ich habe oft darüber nachgedacht, – warum verschontest Du eigentlich alles, was mir gehörte – und nur das allein?

Borkman. Warum?

Ella. Ja, warum? Sag' mir das.

Borkman hart und höhnisch. Du denkst vielleicht, ich tat es, um etwas in der Reserve zu haben – wenn die Sache schief gehen sollte?

Ella. Ach nein, – daran dachtest Du zu der Zeit sicher nicht.

Borkman. Niemals! Ich baute felsenfest auf meinen Sieg.

Ella. Aber warum denn eigentlich –?

Borkman zuckt die Achseln. Du lieber Gott, Ella, – es ist nicht so leicht, sich auf Beweggründe zu besinnen, die an die zwanzig Jahre zurückliegen. Ich erinnere mich nur: wenn ich da einsam herumging und im stillen mich mit den gewaltigen Unternehmungen trug, die ich ins Werk setzen wollte, dann war mir zumut, wie es etwa einem Luftschiffer zumute sein muß. In den schlaflosen Nächten war es mir, als ob ich einen Riesenballon füllte und im Begriff stünde, über ein unsicheres, gefahrvolles Weltmeer zu segeln.

Ella lächelt. Und hast doch nie am Siege gezweifelt?

Borkman ungeduldig. So sind die Menschen, Ella. Sie zweifeln und sie glauben zu gleicher Zeit. Vor sich hin. Und das war wohl der Grund, weshalb ich Dich und Deine Habe nicht mitnehmen wollte in den Ballon.

Ella gespannt. Warum, frage ich! Sag', warum!

Borkman, ohne sie anzublicken. Man nimmt nicht gern das Teuerste mit an Bord auf solcher Fahrt.

Ella. Du hattest ja das Teuerste mit an Bord. Dein ganzes zukünftiges Leben –

Borkman. Das Leben ist nicht immer das Teuerste.

Ella atemlos. Hast Du das damals so angesehen?

Borkman. Mir kommt es so vor.

Ella. Daß ich Dir das Teuerste wäre, dachtest Du?

Borkman. Ja, so etwas schwebt mir vor.

Ella. Und damals war doch Jahr und Tag darüber vergangen, daß Du mich sitzen ließest – und Dich verheiratet hattest mit – mit einer andern!

Borkman. Dich sitzen ließ, sagst Du? Du weißt ganz genau, daß es höhere Rücksichten waren, – nun ja, sagen wir andere Rücksichten, – die mich dazu zwangen. Ohne seinen Beistand konnte ich nicht vorwärts kommen.

Ella mit Überwindung. Du ließest mich also sitzen aus – höheren Rücksichten.

Borkman. Ich konnte seine Hilfe nicht entbehren. Und er beanspruchte Dich als Preis seiner Hilfe.

Ella. Und Du bezahltest den Preis. Die volle Summe. Ohne zu handeln.

Borkman. Es blieb mir keine Wahl. Ich mußte siegen oder fallen.

Ella mit bebender Stimme, indem sie ihn ansieht. Kann das wahr sein, was Du sagtest: daß ich Dir damals das Teuerste war auf der Welt?

Borkman. Damals und auch später, – lange, lange noch.

Ella. Und doch hast Du mich verschachert. Hast aus dem Recht Deiner Liebe ein Handelsgeschäft mit einem andern Mann gemacht. Hast meine Liebe verkauft um – den Posten eines Bankdirektors!

Borkman finster, mit gesenktem Kopf. Ich stand unter dem Zwange der Notwendigkeit, Ella.

Ella steht vom Sofa auf, in leidenschaftlicher, zitternder Erregung. Verbrecher!

Borkman fährt zusammen, beherrscht sich aber. Das Wort habe ich schon einmal gehört.

Ella. Ach, denk nur nicht, daß ich auf das anspiele, was Du gegen das Recht und die Gesetze des Landes verbrochen haben magst. Was Du mit den Aktien und Obligationen, – oder was es sonst war, – was Du damit angefangen hast – das, glaub' mir, ist mir gleichgültig! Wär' es mir vergönnt gewesen, an Deiner Seite zu stehen, als alles über Dir zusammenstürzte –

Borkman gespannt. Was dann, Ella?

Ella. Glaub' mir, ich hätte es froh und freudig mit Dir getragen. Die Schande, den Ruin, – alles, alles hätte ich Dir tragen helfen –

Borkman. Dazu hättest Du den Willen gehabt? Und die Kraft?

Ella. Den Willen wie die Kraft. Denn damals kannte ich ja nicht Dein großes, furchtbares Verbrechen –

Borkman. Welches? Was meinst Du?

Ella. Ich meine das Verbrechen, für das es keine Vergebung gibt.

Borkman starrt sie an. Du mußt von Sinnen sein.

Ella tritt näher an ihn heran. Du bist ein Mörder! Du hast die große Todsünde begangen!

Borkman weicht in der Richtung des Klaviers zurück. Du rasest, Ella!

Ella. Du hast das Liebesleben in mir gemordet. Immer näher. Verstehst Du, was das heißt? Die Bibel redet von einer geheimnisvollen Sünde, für die es keine Vergebung gibt. Ich habe früher nie verstehen können, was darunter gemeint war. Jetzt verstehe ich es. Die große, unverzeihliche Sünde, – das ist die Sünde, die man begeht, wenn man das Liebesleben mordet in einem Menschen.

Borkman. Und das hätte ich getan?

Ella. Du hast es getan! Ich hatte eigentlich nie ein rechtes Bewußtsein von dem, was mir widerfahren war, – bis zum heutigen Abend. Daß Du mich sitzen ließest und dafür Dich Gunhild zuwandtest, – das nahm ich einfach für eine allgemeine Unbeständigkeit von Deiner Seite. Und für das Ergebnis ihrer herzlosen Kunstgriffe. Und ich glaube beinahe, ich verachtete Dich ein bißchen – trotz allem. – Aber jetzt sehe ich es! Du ließest das Weib sitzen, das Du liebtest! Mich, mich, mich! Was Dir das Teuerste war auf der Welt, das warst Du bereit zu veräußern, um des Vorteils willen. Das ist der zwiefache Mord, den Du auf dem Gewissen hast! Der Mord an Deiner eigenen Seele und der meinen!

Borkman kalt und sich beherrschend. Daran erkenne ich Deine leidenschaftliche, zügellose Gemütsart wieder, Ella! Es paßt Dir so, die Sache von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten. Du bist ja ein Weib. Und da willst Du denn von nichts anderm wissen, nichts anderes gelten lassen in der ganzen Welt.

Ella. Jawohl –, das will ich auch nicht.

Borkman. Bloß Deine eigene Herzensangelegenheit –

Ella. Bloß die! Bloß die! Da hast Du recht.

Borkman. Du darfst aber nicht vergessen, daß ich ein Mann bin. Als Weib warst Du für mich das Teuerste auf der Welt. Allein wenn es sein muß, so kann doch ein Weib durch ein anderes ersetzt werden –

Ella blickt ihn mit einem Lächeln an. Machtest Du die Erfahrung, als Du Gunhild zur Frau genommen hattest?

Borkman. Nein. Aber meine Lebensaufgaben halfen mir auch das ertragen. Alle Machtquellen dieses Landes wollte ich mir untertan machen. Alles, was der Boden und die Berge und die Wälder und das Meer an Reichtümern bargen, – alles wollte ich mir unterwerfen, wollte mir selbst die Gewalt aneignen und dadurch Wohlstand schaffen für viele, viele tausend andere.

Ella in der Erinnerung verloren. Ich weiß. So manchen lieben Abend haben wir von Deinen Plänen gesprochen –

Borkman. Ja, mit Dir konnte ich das, Ella.

Ella. Ich scherzte über Deine Entwürfe und fragte, ob Du sie alle wecken wolltest, des Goldes schlummernde Geister.

Borkman nickt. Auf den Ausdruck besinne ich mich noch. Langsam. »Des Goldes schlummernde Geister«.

Ella. Du nahmst es aber nicht für Scherz. Du sagtest: ja, ja, Ella, das eben will ich.

Borkman. So war es auch. Hatte ich nur erst den Fuß im Bügel –. Und das hing damals von dem einen Mann ab. Er konnte und er wollte mir an der Bank die leitende Stellung verschaffen, – wenn ich meinerseits –

Ella. Richtig, ja! Wenn Du dafür auf das Weib verzichtetest, das Du lieb hattest, – und das Dich unsäglich wieder liebte.

Borkman. Ich kannte seine blinde Leidenschaft für Dich. Wußte, daß er unter keiner andern Bedingung –

Ella. Und da schlugst Du ein.

Borkman heftig. Ja, das tat ich, Ella! Denn schau', die Machtbegierde, die war unbezwinglich in mir! Und da schlug ich ein. Mußte einschlagen. Und er half mir halb und halb empor zu den verführerischen Höhen, wohin es mich zog. Und ich stieg und stieg. Jahr um Jahr stieg ich –

Ella. Und ich war wie ausgelöscht aus Deinem Leben.

Borkman. Und gleichwohl stürzte er mich wieder hinunter in den Abgrund. Um Deinetwillen, Ella.

Ella nach kurzem, gedankenvollem Schweigen. Borkman, – glaubst Du nicht, über unserm ganzen Verhältnis habe etwas wie ein Fluch gelastet?

Borkman blickt sie an. Ein Fluch?

Ella. Ja. Meinst Du nicht auch?

Borkman unruhig. Ja. Aber warum eigentlich –? Ungestüm. Ach, Ella, – ich weiß bald nicht mehr, wer recht hat, – ich oder Du!

Ella. Du bist es, der sich versündigt hat. Du hast alles Menschenglück in mir getötet.

Borkman angstvoll. Sag' das doch nicht, Ella!

Ella. Wenigstens alles Weibesglück. Von der Zeit an, da Dein Bild in mir zu erlöschen anfing, habe ich dahingelebt wie unter einer Sonnenfinsternis. In all diesen Jahren hat es mir mehr und mehr widerstrebt, – ein lebendes Geschöpf zu lieben, bis es mir schließlich ganz unmöglich wurde. Nicht Menschen, nicht Tiere noch Pflanzen. Nur einen einzigen –

Borkman. Wen –?

Ella. Erhard natürlich.

Borkman. Erhard –?

Ella. Erhard, – Deinen, Deinen Sohn, Borkman.

Borkman. War er Dir wirklich so sehr ans Herz gewachsen?

Ella. Warum hätte ich ihn denn sonst zu mir genommen? Und ihn behalten, solange ich nur konnte? Warum?

Borkman. Ich dachte, es wäre aus Barmherzigkeit geschehen. Wie alles andere.

Ella in heftiger innerer Erregung. Barmherzigkeit, sagst Du! Haha! Ich habe von keiner Barmherzigkeit etwas gewußt, – seit Du mich sitzen ließest. Ich konnte es einfach nicht. Kam einmal ein armes, ausgehungertes Kind in meine Küche, das fror und weinte und um ein bißchen Essen bat, so ließ ich die Köchin dafür sorgen. Nie fühlte ich den Drang, das Kind zu mir ins Zimmer zu nehmen, es an meinem eigenen Ofen zu erwärmen, mich zu weiden an dem Anblick, wie es sich satt essen durfte. Und so war ich doch in meiner Jugend nie gewesen; dessen erinnere ich mich ganz genau! Du trägst die Schuld, daß in mir die Öde und Leere einer Wüste herrschte – in mir und um mich herum!

Borkman. Nur für Erhard nicht.

Ella. Ja. Für Deinen Sohn nicht. Aber sonst für alles, alles, was da lebt und sich regt. Du hast mein Leben um die Freude und das Glück einer Mutter betrogen. Und auch um die Sorgen und Tränen einer Mutter. Und, siehst Du, das war für mich vielleicht der schwerste Verlust.

Borkman. So? Denkst Du, Ella?

Ella. Wer weiß? Mit den Sorgen und Tränen einer Mutter wäre mir vielleicht am meisten gedient gewesen. In wachsender Erregung. Ich konnte mich aber damals bei dem Verluste nicht in Geduld fassen! Und darum nahm ich Erhard zu mir. Gewann ihn ganz. Gewann mir sein armes, vertrauensvolles Kinderherz, – bis zu der Stunde, da –. O!

Borkman. Bis zu welcher Stunde?

Ella. Bis seine Mutter, – seine leibliche Mutter, meine ich, ihn mir wieder genommen hat.

Borkman. Er konnte wohl nicht länger bei Dir bleiben. Mußte wohl in die Stadt.

Ella ringt die Hände. Ja, Du, aber ich ertrage die Verlassenheit nicht! Die Öde! Ertrag' es nicht, das Herz Deines Sohnes verloren zu haben!

Borkman mit einem gehässigen Ausdruck in den Augen. Hm, – Du hast es sicherlich nicht verloren, Ella. Man verliert nicht leicht Herzen an jemand hier unten – in der Parterrewohnung.

Ella. Ich habe Erhard hier verloren. Und sie hat ihn zurückgewonnen. Oder auch eine andere. Das geht deutlich genug aus den Briefen hervor –, die er mir dann und wann schreibt.

Borkman. Du bist also gekommen, um ihn zurückzuholen?

Ella. Ja, wenn sich das nur machen ließe –!

Borkman. Machen läßt sich's schon, wenn Du durchaus willst. Denn Du hast ja den größten und ersten Anspruch auf ihn.

Ella. Ach, Anspruch, Anspruch! Was gilt denn hier ein Anspruch? Kommt er nicht aus eigenem Antrieb, – so habe ich ihn gar nicht. Und das eben muß ich! Ganz und ungeteilt muß ich jetzt das Herz meines Kindes haben!

Borkman. Du darfst nicht vergessen, daß Erhard schon in den Zwanzigern ist. Lange würdest Du wohl nicht darauf rechnen können, sein Herz ungeteilt zu besitzen, wie Du Dich ausdrückst.

Ella mit einem trüben Lächeln. Es brauchte auch nicht gar so lange zu sein.

Borkman. Nicht? Ich dachte, was Du beanspruchst, das beanspruchtest Du bis ans Ende Deiner Tage.

Ella. Das tue ich auch. Aber darum braucht es nicht so lange zu dauern.

Borkman betroffen. Was soll das heißen?

Ella. Du weißt doch wohl, daß ich kränklich gewesen bin die ganzen letzten Jahre?

Borkman. So?

Ella. Weißt Du das nicht?

Borkman. Nein, eigentlich nicht –

Ella blickt ihn überrascht an. Hat Dir Erhard das nicht erzählt?

Borkman. Kann mich wahrhaftig im Augenblick nicht besinnen.

Ella. Er hat vielleicht überhaupt nie von mir gesprochen?

Borkman. Doch, gesprochen hat er von Dir, das glaube ich wohl. Übrigens sehe ich ihn selten. Fast nie. Dort unten ist jemand, der ihn von mir fern hält. Fern, fern, verstehst Du.

Ella. Weißt Du das so gewiß, Borkman?

Borkman. Ganz sicher. In verändertem Ton. Also, Du bist kränklich gewesen, Ella?

Ella. Ja, das bin ich. Und in diesem Herbst nahm das Übel so sehr zu, daß ich hierher mußte, um mit erfahrenen Ärzten zu sprechen.

Borkman. Und hast am Ende schon mit ihnen gesprochen?

Ella. Ja, heute vormittag.

Borkman. Und was haben sie gesagt?

Ella. Sie haben mir volle Gewißheit gegeben über das, was ich schon längst geahnt hatte –

Borkman. Nun?

Ella schlicht und ruhig. Ich leide an einer tödlichen Krankheit, Borkman.

Borkman. Ach, glaub' doch so etwas nicht, Ella!

Ella. Es ist eine Krankheit, Du, für die es nicht Hilfe noch Heilung gibt. Die Ärzte wissen kein Mittel gegen sie. Sie müssen dem Übel seinen Lauf lassen. Können nichts tun, es aufzuhalten. Nur etwas Linderung können sie vielleicht schaffen. Und das ist ja noch ein Glück.

Borkman. Ach, das kann noch lange dauern, – glaube mir.

Ella. Es kann möglicherweise noch den Winter über dauern, sagte man mir.

Borkman, ohne sich etwas dabei zu denken. Na ja, der Winter, – der ist doch lang.

Ella leise. Wenigstens ist er lang genug für mich.

Borkman eifrig, ablenkend. Woher in aller Welt hast Du aber die Krankheit nur bekommen? Du hast doch sicherlich ein gesundes und regelmäßiges Leben geführt!? Wie hast Du Dir nur so etwas zugezogen?

Ella blickt ihn an. Die Ärzte meinten, ich hätte vielleicht einmal eine starke Gemütserschütterung gehabt.

Borkman aufbrausend. Gemütserschütterung! Aha, ich verstehe! Daran soll ich schuld sein!

Ella in wachsender, innerer Erregung. Das zu untersuchen, dazu ist es jetzt zu spät! Aber ich muß mein Herzblatt von Kind wieder haben, ehe ich von hinnen gehe. Es ist für mich ein so unsagbar trauriger Gedanke, daß ich von allem scheiden soll, was da lebt, – von Sonne und Luft und Licht scheiden soll, ohne hier ein einziges Wesen zurückzulassen, das meiner gedächte, das mich in warmer und wehmütiger Erinnerung behielte, – so, wie ein Sohn der Mutter gedenkt, die er verloren hat.

Borkman nach einer kurzen Pause. Nimm ihn, Ella, – wenn Du ihn erringen kannst.

Ella lebhaft. Willigst Du ein? Kannst Du das?

Borkman finster. Ja. Und es ist auch kein so großes Opfer. Denn ich besitze ihn ja doch nicht.

Ella. Dennoch dank' ich Dir von Herzen für das Opfer! – Nun habe ich aber noch eine Bitte. In meinen Augen eine große Bitte, Borkman.

Borkman. Na, so sag' es nur.

Ella. Du wirst es vielleicht kindisch von mir finden, – es nicht einmal verstehen –

Borkman. So sag' es nur, – sag' es!

Ella. Wenn ich tot bin – und lange dauert es ja nicht mehr – so hinterlasse ich ein nicht unbedeutendes Vermögen –

Borkman. Das kann ich mir denken.

Ella. Und es ist meine Absicht, Erhard alles zu vermachen.

Borkman. Es steht Dir ja auch niemand näher.

Ella mit Wärme. Nein, – es steht mir wahrlich niemand näher als er.

Borkman. Niemand aus Deiner eigenen Familie. Du bist die Letzte.

Ella nickt langsam. Das ist es gerade. Wenn ich sterbe, – so stirbt auch der Name Rentheim aus. Und dieser Gedanke peinigt mich so sehr. Ausgelöscht aus dem Dasein – und der Name mit –

Borkman fährt auf. Aha, – ich sehe, wo Du hinauswillst!

Ella leidenschaftlich. Laß das nicht zu! Laß Erhard den Namen tragen als mein Erbe!

Borkman blickt sie mit Härte an. Ich verstehe Dich. Du willst meinen Sohn davon erlösen, den Namen seines Vaters tragen zu müssen. So liegt die Sache.

Ella. Nimmermehr! Ich selbst hätte ihn trotzig und freudig getragen zusammen mit Dir! Aber eine Mutter, die bald sterben wird –. Ein Name ist ein festeres Band, als Du Dir wohl vorstellst, Borkman.

Borkman kalt und stolz. Schön, Ella. Ich bin Manns genug, meinen Namen allein zu tragen.

Ella ergreift seine Hände und drückt sie. Dank, Dank! Jetzt haben wir restlos miteinander abgerechnet! Ja, ja, laß nur! Du hast wieder gutgemacht, was Du gutmachen konntest. Denn wenn ich aus dem Leben bin, so überlebt mich Erhard Rentheim!

Die Tapetentür wird aufgerissen. Frau Borkman, das große Tuch über den Kopf geworfen, steht in der Türöffnung.

Frau Borkman in furchtbarer Erregung. Nie und nimmermehr soll Erhard so heißen!

Ella prallt zurück. Gunhild!

Borkman hart und drohend. Niemand hat von mir die Erlaubnis, mein Zimmer zu betreten.

Frau Borkman macht einen Schritt in den Saal. Ich nehme mir die Erlaubnis.

Borkman ihr entgegen. Was willst Du von mir?

Frau Borkman. Ich will für Dich kämpfen und streiten. Dich verteidigen gegen die bösen Mächte.

Ella. Die bösesten Mächte, die sind in Dir selbst, Gunhild!

Frau Borkman hart. Davon ist nicht die Rede. Drohend, mit aufgehobenem Arm. Das aber sage ich Euch, – seines Vaters Namen soll er tragen! Und stolz soll er ihn tragen und ihn wieder zu Ehren bringen! Und ich allein will seine Mutter sein! Ich allein! Mir soll das Herz meines Sohnes gehören. Mir und keiner anderen.

Ab durch die Tapetentür, die sie hinter sich zumacht.

Ella erschüttert und mitgenommen. Borkman, – Erhard wird zugrunde gehen in diesen Stürmen. Es muß zu einer Verständigung kommen zwischen Dir und Gunhild. Wir müssen gleich zu ihr hinunter.

Borkman blickt sie an. Wir? Du meinst, ich auch?

Ella. Wir alle beide.

Borkman schüttelt den Kopf. O, sie ist hart. Hart wie das Erz, das dem Bergesschacht zu entreißen einst mein Traum war.

Ella. So versuch' es jetzt!

Borkman steht, ohne zu antworten, da und blickt sie unschlüssig an.


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