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Einleitung

Wie ein Heldengesang, dessen Aventüren auf und ab schwellen, wie das Märchen eines Lebens, dessen Beginn, Verlauf und Ende gute wie böse Geister umschweben, liest sich die Geschichte des armen arabischen Findelkindes Mohammed, das als allein anerkannter Gesandter Gottes, von allen Stämmen seines Volkes verehrt, gestorben ist. In der einfachen legendenhaften Art, wie sie sein erster ältester Biograph Mohammed Ibn Ishak nach den mündlichen Berichten und Überlieferungen von Zeitgenossen und Zeugen hier erzählt, tritt das wechselvolle Geschick des Kämpferpropheten besonders eindringlich hervor. Freilich ist die früheste Fassung dieser Lebensbeschreibung verlorengegangen. Uns liegt nur ihre Erweiterung in dem Werk des sechzig Jahre später im Jahre 213 der Hedschra, 828 nach Christi Geburt, gestorbenen Abd el Malik Ibn Hischam vor, wie sie dies Büchlein in der alten Übersetzung des tüchtigen Orientalisten Gustav Weil in Auswahl wiedergibt.

Voltaire las schon diese Biographie und begeisterte sich an ihr zu seiner Tragödie »Mahomet«. Das Allgemein-Menschliche im Lebenslauf des Stifters der drittgrößten Religion ergriff sein entgöttertes Gemüt. Gerade dies, daß der Heiligenschein seinem Helden mangelt, zog ihn wie uns Heutige an der Lebensgeschichte des arabischen Propheten an. Menschlicher und irdischer klingt allerdings kein anderer Mythus eines Gottesgesandten, wie der dieses Erleuchteten, der keine Wunder tat, der lange Zeit nichts in seiner Vaterstadt galt, bei dem die Offenbarungen oftmals zu seinem qualvollsten Schmerz ausblieben und der zum Berge kam, weil der Berg, von seiner Inbrunst unbewegt, nicht zu ihm kommen wollte. Doch welche Majestät muß um diesen Nur-Menschen geglänzt haben, der es wagen durfte, dreizehn Frauen zu heiraten, mit denen allen, außer zweien, wie sein Evangelist erzählt, er die Ehe vollzogen hat, ohne damit der Lächerlichkeit zu verfallen. Der Zauber der Kindlichkeit zog um diesen Mann, der sein Leid wie seine Lehre zunächst den Frauen zutrug, einen Schimmer, der alte redlich nüchterne Männer, wie Abu Bekr, seinen späteren Schwiegervater, und harte Kriegsnaturen, wie Hamza und Omar vor ihm in die Knie zwang. Mehr als das Siegel des Prophetentums, das er in einem Mal zwischen seinen Schultern trug, scharte sein reines naives Wesen die Gläubigen zu ihm. Viele reizende und rührende Züge dieser seligen Knabenhaftigkeit, die ihn noch im Todeskampf, auf dem Schoß seiner Lieblingsfrau ruhend, um einen Zahnstocher bitten läßt, leuchten wie goldene Reflexe aus dem Lebensgemälde dieses Büchleins.

Allerdings auch das mystische Über- und Außersinnliche fehlt nicht in der Geschichte des Gottgesandten, der seine Gesichte wie Moses und Buddha auf dem Berge oder in der Einsamkeit, die er über alles liebte, bekam und seine Sprüche und Suren unmittelbar nach dem Diktat Gottes niederschrieb. Die Erscheinung des Erzengels Gabriel und die prophetischen Visionen Mohammeds gehören dahin und seine rätselhafte Traumreise nach Jerusalem, das er nie gesehen hatte und denen, die es kannten, mit jedem Stadtteil genau beschrieb, sowie seine Himmel- und Höllenfahrt. Aber seine Füße blieben, wenngleich sie leicht einherschritten, als ob er über Wasser wandelte, dennoch meist wie seine Lehre auf der Erde haften. Darum hat er kein Ideal aufgestellt, das niemand außer ihm erreichen konnte, sondern seine Religion den Menschen und ihrer Natur angepaßt, also daß seine Moslems nicht zwischen seinen Geboten und ihrem Leben in Zwiespalt zu geraten brauchten. Wie er bei der Rückkunft vom Himmel auf Moses' Rat von den fünfzig Gebeten, die der Herr ihm täglich für sein Volk auferlegt hatte, so viele von dem Höchsten herunterbittet, bis seine Gläubigen nur mehr fünf Gebete am Tage zu verrichten haben, so ist er auch in allem übrigen der Schwäche und Sinnlichkeit der staubgeborenen Söhne und Töchter Adams und Ismaels entgegengekommen. Dadurch hat er seine Anhänger vor Konflikten bewahrt, welche die Mitglieder anderer Bekenntnisse manches Mal bedrücken, sofern sie ihnen nicht von vorneherein durch Umgehung oder Nichtbefolgung der fraglichen Gebote schon zu entrinnen sich gewöhnt haben.

Seiner Lehre ist ein Volk von Kriegern entsprossen, wie es seit den alten Germanen kein urwüchsigeres gegeben hat. Gleich ihnen hat es sich in einer gewaltigen Wanderung über Europa dahingewälzt und schlangenwandelnd den Halbmond über die Säulen des Herkules und den Hellespont getragen. Bis vor Tours und Wien erscholl Mahomeths Gesang und der Ruf von dem einzigen Gott und seinem Propheten. Der aber, der die Botschaften Gottes seinem Volke verkündet hatte, ruhte, umwoben von Legenden, von Trauerklagen und Gebeten, an der Stelle, wo ihn der Tod berührt hatte, unter der Heimatserde. Doch seine Lehre blieb wie die Kaaba, der dunkle vom Himmel gefallene Stein, anbetungswürdig unter den Seinigen stehen, und mit seinem Namen grüßen sich noch heute Afrika und Asien: »Es gibt nur einen Gott und Mohammed ist sein Prophet.«

Herbert Eulenberg


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