Christian Friedrich Hunold (Menantes)
Satyrischer Roman
Christian Friedrich Hunold (Menantes)

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Unter vielen Artigkeiten des Tyrsates eine zu erwehnen / so bekam er einen verliebten Kerl auf einem Bilde vor sich / welcher ein Affections-Band / so seine Maitresse am Strumpf getragen / immer küßte / und es am Hals gehangen.

Er nahm daher Anlaß / über die süssen Einbildungen vieler Verliebten zu schertzen; und mit guter Manier beyden zu eröffnen / daß er von dem Innhalt oben gedachter Verse oder ihren zuweilen geführten Discoursen was wisse / fieng er an: Weil es aber wo nicht nach der Verliebten / doch nach der Staats- und galanten Welt / Ritter-Orden auszutheilen / so könte er / wann sie ihm die Ehre eines Ordens-Meisters geneigt erlauben wolten / mit viel besserer Art ihnen beyden den Orden de la noble Sympathie, (oder: Der edlen Ubereinstimmung der Hertzen) austheilen / und von ihnen den Orden der Edlen / und auf seiner Seite ergebenen Freundschaft empfangen.

Hiermit nahm er drey zu Auslegung der Bilder gehörige Stück-Bänder und offerirte ihnen zwey / eins aber behielt er vor sich. Selander lachte über diesem artigen Streich / welchen er so wohl / als Arismenia verstand / und wie er seines behielt / so nöhtigte er auch Sie / daß sie es endlich annahm / und man allerhand Kurtzweil darüber trieb.

Arismenia wolte ihnen beyden die Zeit besser passiren / und bat sie also zu einem Allombre Spiel / wovon sie eine so grosse Liebhaberin / als sie darinnen glücklich war.

Nach einigen Stunden beurlaubte sich Tyrsates bey ihnen beyden / weil ihm Selander in geheim eröffnet / daß er mit Arismenien noch etwas allein zu reden; Und hierauf forschte sie / wo Tyrsates auf den Einfall von der Sympathie gekommen / und ob er ihm vielleicht die Verse lesen lassen / oder ihm auch ihre unter sich zuweilen geführte Discourse vertrauet?

Selander hatte von Tyrsates schon erfahren / daß er auf seinem Zimmer gewesen; Und weil er sich besann / was er unter seinen Schriften liegen gelassen / entdeckte er Arismenien seine Muhtmassung hier über / und bat sie verpflichtet: Ihm einen aus Nachläßigkeit begangenen Fehler zu vergeben / welches er deswegen einen Fehler nennte / wo es ihr mißfallen / daß Tyrsates auf diese Art gesehen / wie sehr und wie edel er sie liebe:

Arismenia antwortete: Weil die Welt ohne dem glaubte / daß er sie liebte / so wäre ihr angenehmer / wenn sie auf solche unschuldige Manier erführ / daß er sie edel liebe.

Selander küßte sie vor diese schöne Erklärung / und nachdem bat er sich die Erlaubnis aus / zu einem Cavalier auf das Land zu fahren; Mit der Versicherung / daß es ihm zwar nahe gehen würde / ihre allerliebste Gesellschaft auf ein acht Tage ungefehr zu entbehren; Allein da er es diesem guten Freund schon vielmahls abgeschlagen / und doch versprochen / ihn einmahl zu besuchen / nöhtige in der Wohlstand / sein Vergnügen selbigem nachzusetzen; Doch solte es wider dero Willen nicht geschehen.

Arismenia willigte gar gerne darein / indem es billig / seiner guten Freunde nicht gar zu vergessen; Und wünschte: Daß dieser Zeit-Vertreib auf dem Land ihm den Verdruß ersetzen möge / welchen sie ihm durch ihre Ausfahrten zuweilen auch wider Willen gemacht.

Der Verdruß meiner itzigen Ausfahrt / erwiederte Selander / wird einiger massen erleichtert werden / wenn Ma Chere mich selber bittet / diese Gesellschaft nicht auszuschlagen / damit mir zum wenigsten in der Unruh meiner kurtzen Entfernung einbilden möge / als ob ihnen ein Gefallen dadurch geschehen.

So bitte ich Sie denn darum / antwortete Arismenia, und versichere / daß mir dadurch in der That ein Gefallen geschieht / wenn Sie ihren guten Freunden meinetwegen nicht mißfallen.

Wenn ich meinen guten Freunden / versetzte Selander, und der liebsten Arismenien zugleich gefallen kan / ist es mir angenehm; Sonsten aber will lieber der gantzen Welt / als derjenigen zu wider seyn / ohne die mich die gantze Welt nicht kan glücklich und vergnügt machen.

Wenn ich aber / fuhr er nach einer kleinen Weile / in welcher sie sich mit Küssen unterredeten / fort / mit meinem Gemüht alle Augenblicke bey ihnen bin / so wird es ja so glücklich seyn / bey ihnen ein Hertz anzutreffen / das auch zuweilen an mich gedenckt?

Arismenia versicherte: Daß er darinnen besser angeschrieben stünde / als er vielleicht glaubte. Und nachdem nahmen sie verbündlichen Abschied voneinander.

Selander fuhr den andern Tag bey anbrechendem Morgen hinaus / und traf eine ziemlich starcke Gesellschaft / theils von Frauenzimmer und Manns-Personen an. Was recht Galantes gieng unter solcher nicht vor / aber wohl possierliche Sachen / darunter die erste / daß sich ein gewisser Magister, den ein anderer von Adel / als seinen Hof-Meister seiner Kinder mitgebracht / in eine Dame verliebte / die nicht häßlich von Person / und dabey von lustigem Humeur war.

Der gute Magister nahm sich die Künheit ihr seine Liebe mündlich / wie der Compagnie durch Minen / zu entdecken; Und nachdem die Dame manchen Spaß mit ihm gehabt / er aber dadurch so frey wurde / sie um eine Nacht- Visite zu ersuchen / stellte sie sich / als ob ihr dieses nicht unangenehm / also / daß sie nach langem Bitte überwunden schien / ihm solche zu versprechen / wenn es nur in Geheim zugehen könne.

Selander war vorhero mit ihr bekannt gewesen; Dahero überlegte sie mit ihm / wie man diesen unverschämten Schlucker bezahlen möchte.

Sie untersuchten die Gelegenheit / wo sie am besten ein Lager vor ihm bereiten konten; Und weil vor der Damen ihrem Schlaf-Zimmer noch eine Kammer mit einem Bett war / dessen sich ihr Mädgen bediente / überredete sie ihn / sich zu Mitternacht in solches zu verfügen / mit der Versicherung / Sie wolle auf ein gegebenes Zeichen vom Husten alsofort bey ihm seyn; Ihr Mädgen solte aber anderswo schlafen; Denn in ihrem Zimmer schicke es sich nicht / weil darneben eine andere Dame ruhete.

Der Herr Magister begab sich am ersten mit zu Bett / weil er vor Ungedult nicht länger in der andern Gesellschaft seyn konte; Und hierauf ließ ihm Selander den Schlaf-Rock heimlich wegstehlen / damit er in blossem Hemd auf seinem Sammel-Platz erscheinen müste. Er fragte auch wenig darnach / ob es gleich des Nachts schon ziemlich kalt zu werden anfieng / und wanderte dergestalt in aller Stille / und unter Bedeckung der Finsternüß nach dem bestimmten Ort.

Er fand das Nest leer; Und weil er theils aus Frost / theils aus Furcht zitterte / ob ihn auf solchen bösen Wegen nicht ein Gespenst erschrecken möchte / warf er sich geschwind in selbiges. Allein an statt / daß er husten solte / fieng er überlaut an zuschreyen / denn man hatte das Bett so wichtig mit Dornen durchgespicket / daß er an die Rosen der Wollust davor nicht gedencken konte.

In dem Augenblick kamen Selander und der von Adel / bey dem er Hofmeisterirte / mit dem Licht darzu / und besahen diesen Herrn / wie er in dem kurtzen Magister Hemd und mit blutigen Beinen in der Cammer herum tantzete.

Eben so bald öffnete auch diese Dame ihr Zimmer / und fragte gleichsam gantz erschrocken / was hier in so später Nacht vor ein Lärm wäre / dabey sie sich über dem Anblick unsers nackigten Herrn Magisters nicht wenig verwundernd stellte.

Da gieng es nun an ein Examiniren / was ihn zu so ungewöhnlicher Zeit und in blossem Hemd hieher getrieben: Wer war aber mehr in Aengsten / als der gute Herr Magister? Denn er wuste im geringsten nichts zu sagen / und durffte am wenigsten gestehen / daß ihn diese Dame so wohl betrogen.

Nachdem er nun hundert derbe Ausputzer von seinem Herrn bekommen / und die Dame Satisfaction begehrte / daß er ihr Mädgen / wie aus allem zu glauben verunehren wollen / schloß sie gleichsam erzürnt ihre Thür hinter sich zu / Selander und der von Adel aber verriegelten die andere / daß der verliebte Kautz darinnen bleiben / und weil das Bett-Tuch zugleich mit Pferde Staub wichtig ausgewürtzet war / sich diese Nacht fast zu Tode kratzen muste.

Den ander Morgen brachten ihm seine Untergebene den Schlaf-Peltz / und hohlten ihn in völliger Procession aller Cavaliers und Dames ab; Dabey Selander, um ihn wegen dieses Schimpffes zu consoliren / ihn unter die Märtyrer zehlte / weil er wie ein gewisser von den Heiligen / sich in Dornen herum weltzen müssen / um den Kitzel der Wollust zu vertreiben.

Wenn man in Unglück Gefehrten hat / soll es vor einen Elenden ein nicht geringer Trost seyn; Und vergaß man einigermassen die Raillerie über den Herrn Magister, nachdem dieser gantze Adliche Hof sich mit der Zeitung von einem Gespenst trug / und seine Gedancken also auf was anders zuwenden Ursach bekam.

Denn einige von den Bedienten / welche nach Mitternacht von ihren Herren gangen / waren durch ein grosses und ungeheuers Gespenst / so gantz weiß / und bald groß und klein / dermassen erschreckt worden / daß man wegen des entstandenen Geschreyes glaubte / es sey Feuer verhanden / und sich hernach niemand mehr bey später Zeit aus seiner Kammer wagen wollte.

Einige Tage giengen hin / da es bald dem bald jenem begegnet war / daß auch die Gäste deswegen sich zum Aufbruch wolten gefast machen. Hierüber ward aber der Herr dieses Land-Gutes so bestürtzt / daß weil er vormahls dergleichen nie gehört / er sich nun vornahm / des Nachts gantz allein aufzupassen / und zusehen ob es würcklich ein Gespenst / oder eine Phantasie der Leute.

An Hertzhaftigkeit mangelte es ihm nicht / daß er auch niemanden ein Wort davon sagte / sondern ohne Beystand in einer Ecke auf dem Saal / worüber das Gespenst marchiren solte / bis zum zwey Uhr des Nachts wartete.

Da sahe er nun das / was er nicht glauben wollen: Denn es kam ein überaus langes und schneeweisses Ding daher geschlichen / daß er es im geringsten nicht konte gehen hören / und verfügte sich / sonder ihm ein Leid anzuthun / in eine Kammer / die sich sonder Anrührung aufthat / als ob sie aufgeblasen worden.

Unserm Herrn von Adel stunden die Haare ein wenig zu Berge / denn er erkannte an allen Eigenschafften / die man sonst den Gespenster zulegt / daß es in der That was mehr als eine Einbildung der Menschen; Er wäre auch gern fortgegangen / wenn er nicht die Kammer vorbey gemust / in welche sich das Gespenst begeben; Dahero blieb er in grosser Furcht stehen / und besann sich auf allerhand Sachen / damit man / wie er ehmals gehört / die Gespenster vertreiben könne.

Es fiel ihm endlich ein / daß wenn man zu einem Gespenst sagte: Alle gute Geister loben GOtt den Herrn / so könne es einem nichts thun.

Sich darauf verlassend verzögerte er eine gantze Stunde / ehe das Gespenst in seiner gräßlichen Politur sich wieder sehen ließ; Und ob ihn gleich ein neuer Schauer überfiel / faßte er dennoch einen Muht / daß er mit einem Stock in der Hand auf solches zugieng. Das Gespenst machte sich abscheulich groß / da es ihn erblickte; Allein der von Adel / je näher er dem Gespenst kam / je weniger hielt er es vor eins / denn er sahe nichts als ein weisses Tuch vor sich; Und um zu wissen / was unter solchem verborgen / schlug er mit dem Stock nach ihm. Die Frömmigkeit dieses Gespenstes machte den von Adel immer behertzter / daß er Schlag vor Schlag auf solches that / bis er diesen unsaubern Geist / nicht durch Fasten und Beten / sondern mit einer derben Prügel-Suppe dergestalt austrieb / daß er Bett-Tuch und alles liegen ließ / und im blossen Hembde in einer recht menschlichen Gestalt und viel kleiner als zuvor ausfuhr.

O ho! sagte der von Adel / das muß einer von den guten Geistern seyn / weil er die Menschen lieb hat: Denn dieser Gast / wer er auch unter der Gestalt des Gespenstes war / kam aus der Kammer seiner Liebsten ihrer Zofen / worinnen er sich über eine Stunde verweilet.

Um daß nun dieses Mädgen nicht auch einen Spiritum Familiarem kriegen / und also das gantze Hauß voller Gespenster werden dörfte / nahm er das Bett-Tuch zu sich / um morgen Visitation zu halten; und nunmehro verwunderte er sich nicht mehr / wie das Gespenst so lang seyn können / denn er fand einen Stock / damit es das Bett-Tuch ohnfehlbar in die Höhe gehoben und sich alsobald grösser und kleiner gemacht.

In dem Augenblick aber / da er fortgehen wolte / entstund ein heftiges Geschrey / welchem der von Adel nachlief / und die Kammer eines Fräuleins / so von den Fremden nebst ihrem Mädgen hierinnen schlief / offen / und sie in tausend Aengsten fand. Denn da klagte man abermahl über das Gespenst / welches nun so verzweifelt kühne geworden / daß es dem Fräulein das Bett-Tuch unter dem Leibe / und sie damit auf die Erde gerissen / worauf es mit dem Bett-Tuch fort gelauffen.

Der von Adel tröstete dieses Fräulein und versicherte / daß es kein wahrhaftes Gespenste / sondern weil es von ihm so und so tractirt / und ihm sein Tuch genommen worden / habe es sich ohnfehlbar ein anders stehlen wollen / damit der Mangel desselben im Bette nicht verrahten möge / wer es gewesen.

Dergestalt bracht er das Fräulein wieder in Ruh / daß sie gern sonder Bett-Tuch liegen blieb / nachdem sie sich nichts weiter von diesem Polter-Geist zu befürchten; Er aber gab des Morgens seiner Liebsten Ordre, die Betten durch zu suchen / um zu sehen / ob ein jedes sein rechtes habe; Und da ward befunden / daß dieser verliebte Nacht-Geist der Herr Informator im Hause gewesen.

Der von Adel vertraute es seinem wehrten Freund Selandern und dem andern von Adel / dessen Hof-Meister gleichfalls eine so schöne Wallfahrt halten wollen; Und weil sich diese beyde Herren so wohl legitimirt / nahm man sich vor / sie auf eine gute Manier nachdrücklich zu beschimpffen.

In dem Speiß-Gemach bauete man oben an der Tafel von dem Bett-Tuch ein Gerüste / das einem Baldachin nicht unähnlich sah; Hierauf fiengen sie in einem andern Zimmer / sonder dem Informator ein Wort zu sagen / daß man dieses Nacht-Gespenst kenne / ein Spiel an / wer König seyn würde: Denn man wolte / wie sie vorgaben / diesen Tag eine Hof-Stadt bei der Tafel formiren / und es möge auch treffen / wen es wolle / der solle von den andern bedienet werden. Weil nun auch die Zofe mit spielen muste / traff den Herrn Informator und selbige das Looß / daß selbige als zwey Königliche Personen unter der neuen Art von einem Thron-Himmel / der andere Herr Hof-Meister aber bey der Dame, als seiner im Spiel gewordenen Gemahlin / sitzen muste / welcher er zuvor dieses Glück in der Nacht gönnen wollen.

Diese beyde Paare hatte man oben zusammen gefügt / und zu einem grössern Splendeur der Königlichen Hoheit / dem Herrn Informator den Stock / statt des Zepters in die Hand gegeben / dessen er sich die Nacht unter der Gestalt eines Gespenstes bedienet.

In der grösten Ernsthaftigkeit schraubte man sie beyde auf die empfindlichste Art / und ob sie gleich wusten / daß man sie mit aller dieser Veranstaltung wegen ihrer begangenen Thorheiten durchzog / musten sie sie dennoch stellen / als verstünden sie es nicht.

Immittelst war Selander bey aller dieser Kurtzweil zu friedener / wenn er seinen Gedancken zu weilen allein Audientz geben konte / und die Hochachtung / nach welcher ihn auch das Frauenzimmer allezeit gern um sich leiden möchte / kam ihm vor diesmahl theuer zustehen / denn sie liessen ihn innerhalb dreyen Tagen kaum so viel Zeit / einen Brief an Arismenien zuschreiben.

Dieses war durchaus lustig / weil / wenn er ein paar Zeilen aufgesetzet / man ihn wieder zu der Gesellschaft holte / daß er also mehr seine schertzhafte Einfälle über die possierlichen Streiche / die unter den andern auch vorgiengen / als die Zärtlichkeit seiner Liebe gegen sie ausdrückte.

Man vertrieb sich allemahl nach der Tafel die Zeit mit einem Spiel / darinnen viel von Küssen vorkam; Und wenn denn Selandern das Glück im Lossen / oder der Appetit des Frauenzimmers mehr als andere mit dieser Affection regalirte / gab es bey manchem Cavalier eyfersüchtige Augen / so gar / daß es auch Verdrüßlichkeiten setzte.

Denn ein Obrist- Lieutenant hatte sich in ein Fräulein verliebt / die hergegen an Selandern was gefälliges angetroffen. Weil er nun von der Italiänischen Luft auch die Heftigkeit der Jalousie mochte bekommen haben / da er sonsten ein Frantzose von Geburt / gieng er mit seinem Verdacht so weit / daß er bey Nacht-Zeit Schildwacht stund / ob auch Selander dem Fräulein im geheim zusprechen würde.

Das Unglück muste es fügen / daß ihm ein anderer im Schlaff-Rock begegnete / den er vor Selandern hielte / und welcher nach einem geheimen Verständniß mit der Damen dieses Schlosses eine Visite nahe bey dem Zimmer gedachten Fräuleins ablegen wolte / als wohin ihn seine Maitresse bestellt.

Er wartete demnach bis auf dessen Zurückkunft / und fiel ihn / sonder ein Wort zu reden / mit dem Degen in der Faust an: Der andere / welcher kein Gewehr bey sich hatte / und sich einbildete / es sey der Herr des Schlosses / retirirte sich in die nechste / nehmlich in Selanders Kammer / daß also dieser eyfersüchtige Amant, um voritzo keinen weitern Lärm zu machen / den Morgen darauf Selandern noch im Bette dieses Billet zu sendete:

Monsieur.

Wofern Ihr euren Feinden / unter welchen die Neben-Buhler die grösten seyn / mit so guter Resolution könnet entgegen / als verliebt in die Kammern solcher Fräuleins gehen / von welchen meine ältere Bekandschafft euch billig abhalten solte: So werdet Ihr nicht abschlagen / sonder Beystand und ohne jemanden ein Wort davon zu sagen / an dem kleinen Gehöltze sonder Verlust der Zeit zu erscheinen; Und alsdenn wird sehen / ob Ihr vor einen braven Cavallier so wohl als einen Amanten bestehen könnet /

Eurer

schon

                                wartender

Feind.

Selander verwunderte sich zum höchsten über die Ausfoderung von einem Cavalier, dessen Nahmen er noch nicht einmahl wuste / weil seyn eigener Diener dieses Duell überbracht; noch mehr aber einer Sachen wegen / daran er so wenig schuldig / als daß er den grossen Mogul diese Nacht zum Hahnrey solte gemacht haben.

Er erhub sich demnach alsofort von seinem Lager / und ritte sonder jemandes Gewahrwerdung und allein mit seinem Diener wohl bewaffnet hinaus / um seinen Feind kennen zu lernen / und selbigem entweder die ungleichen Gedancken / oder unanständige Meinung zu benehmen / daß er mit dem grossen Gewehr nicht so gut / als mit dem Kurtzen fechten könne.

Er befremdete sich / da er den Obrist- Lieutenant vor dem genannten kleinen Gehöltze halten sahe / dahero bot er ihn bey der Näherung einen guten Morgen und fragte: Ob er ihn aus Schertz an diesen Ort bestimmt / oder ob er in der That glauben solte / daß er ihm die Gunst einer Dame dergestalt abzustreiten suchte / um die er sich niemahls bemüht.

Ich habe mich zu einen andern Disput als mit blossen Worten / resolvirt / antwortete der Obrist- Lieutenant, und wenn ihr diese Nacht noch so viel Kräffte von dem bewusten Fräulein übrig behalten / euch wegen des mir gethanen Unrechts zu beschützen / werden ihr mir solches den Augenblick zeigen müssen / und stelle ich euch aus Höfligkeit noch die Wahl der Waffen frey.

Ihr seyd in einer ungegründeten Meinung von mir / versetzte Selander, sintemahl ich das Fräulein / wie mich / vorzu honnet halte / als solche mir vorgeworffene Ausschweifungen zu begehen: Vielweniger weiß ich / daß ihr eine Foderung an dies Fräulein habt / und durch meine höfliche Bedienung euch Eintrag geschehen. Habt ihr aber Lust / mich kennen zu lernen / so dürfft ihr so unbillige Beschuldigungen nicht zum Deck-Mantel brauchen / sondern frey sprechen / ich bin dem Augenblick parat.

Nichtswürdiges Frauenzimmer / hub der andere erzürnt an / mag sich durch eure gute Worte zur Barmhertzigkeit bewegen lassen / bey einem braven Cavalier aber wird was mehr erfodert; Und noch steht euch die Wahl der Waffen frey / oder ich wehle sie selber.

Selander sahe / daß sich der Obrist- Lieutenant in der Güte gar nicht wolte bedeuten lassen / sondern ihn mit Gewalt vor denjenigen hielte / welcher des Nachts zu den Fräulein solte geschlichen seyn; Demnach zog er von Leder / weil er sich um einen blossen Verdacht herum zu schiessen nicht von dem Wehrt achtete / und versetzte seinem erbitterten Gegentheil eine Wunde in den Hals und die andere in den Arm / dabey er aber auch an der rechten Hand leicht blessiret ward.

Der Obrist- Lieutenant war nichts destoweniger so ergrimmt / daß er mit der lincken Hand nach den Pistohlen griff; Allein sie wurden von einem Cavalier geschieden / der in ihrer Compagnie auf dem Schlosse mit gewesen / und weil er dieses Gefecht gesehen / Sporenstreichs hinzu rennete / um die Ursache zu vernehmen.

Er fragte demnach aus Verwunderung / warum sich ein paar Cavalier miteinander allhier schlügen / die gestern so gute Freunde gewesen? Und Selander trug keine Bedencken ihm die gantze Sache und des andern seinen irrigen Verdacht zu erzehlen.

Er stutzte hierüber nicht wenig / und fragte den Obrist- Lieutenant: Ob er derjenige gewesen / welcher ihn die vorige Nacht attaquirt? Wie? antwortete dieser / haben Sie / und nicht Mons. Selander mir bey dem Fräulein Eintrag gethan? So ist mir leid / daß nicht in dem Stande / Revange zu nehmen; Doch behalte mir solche bis nach meiner Genesung vor.

Weder ich noch Mons. Selander, gab dieser hierauf / sind bey einem Fräulein gewesen / wie ihr muhtmasset / sondern meine so späte Visite hat eine Dame angenommen / an die von ihnen beyden niemand eine Prætension zu machen? Weil mich aber wegen des unvermuhteten Uberfalls in Mons. Selanders als das näheste Zimmer retirirte / und sonder von ihm gehört zu werden / auch wieder heraus gangen / so ist bey ihnen ein irriger Verdacht daraus entstanden.

Selander bekam hierdurch einiger massen Licht von des Obrist- Lieutenants seinem Argwohn; Dieser aber wurde beschämt / daß ihn die Eyfersucht so sehr geblendet / und er sich so weit solte vergangen haben; Und da hernach der andere / nachdem man ihm alle Verschwiegenheit zugeschworen / aufrichtig bekennete / wie er der Dame auf diesem Schlosse des Nachts zugesprochen / und in Meinung / der Mann habe ihn attrapirt / zu Vermeidung ferner Ungelegenheit anitzo sonder Abschied fort reiten wollen: So bat der Obrist- Lieutenant bey Selandern um Vergebung / und muste wegen seiner empfangenen Wunden sich trösten / daß er solcherGestalt Ruhe in seinem Hertzen bekommen / und ihm die Hefftigkeit seiner Jalousie benommen worden.

Man versprach hierauf einander ewige und aufrichtige Freundschaft / und begab sich in ein ohnweit gelegenes Hauß eines Gärtners / wo sich der Obrist- Lieutenant von seinem Diener / der ein Balbier / verbinden ließ; Denn mit Selandern seiner Wunde an der Hand hatte es nichts zu bedeuten / daß er auch bey der Ankunft auf dem Schlosse einen Brief an Sie zu schreiben vermögend war; Und schien ihm nicht so wohl dieses / als die Gelegenheit zu hindern / da ihm die andern vornehmlich das Frauenzimmer keinen Augenblick allein zu seyn verstatten wollen.

Wir wollen die Entschuldigungen nicht anführen / welche unsere drey Cavaliers wegen ihrer entstandenen Streitigkeit bey dem Adel des Schlosses und der übrigen Compagnie gemacht / denn hier suchte man so gute Ausflüchte hervor / als es möglich: Sondern erwehnen allein / wie Selander sich dann und wann entfernte / um seine Gedancken an die schöne Arismenia aufzusetzen; Und solches geschah / wenn ja keine andere Gelegenheit vorhanden / des Morgens früh annoch im Bette: Denn wenn das Frauenzimmer nur merckte / daß er aufgestanden / so hohlten sie ihn schon und zu weilen im Schlaf-Rock zu der übrigen Gesellschaft; Ja sie waren so frey / daß sie ihn ein paar mahl aus den Federn jagten.

Dessen ungeacht / und mitten unter den grösten Lustbarkeiten / waren seine Regungen gegen Arismenien die allerzärtlichsten; Und wer nicht gewust / was eine edle Liebe in einem edlen Hertzen vor schöne Empfindungen könne verursachen / wird es aus diesem Brief satsam ersehen / worinnen mehr das Hertz als die Kunst / oder die Geschicklichkeit durch die Liebe gearbeitet.

Madame.

TAusendmahl bitte um Vergebung / daß an Dieselben einen lustigen Brief geschrieben; Denn Sie werden mein Gemüht nach meiner Schreib-Art geurtheilt und geglaubt haben / daß mir Dero Entfernung nicht Marter genug verursache / und ich Sie nicht so zärtlich lieben müsse. Aber ich sterbe fast vor Verdruß / daß ich es gethan / und daß / indem die hiesige Compagnie mich in den getreuesten Gedancken von ihnen stöhren wollen / ich mehr über sie geschertzet / als die Heftigkeit meiner Neigung entworffen. Kein Verbrechen kan mit einer grössern Reue gebüßt werden / als mir meine Liebe die drey Tage darnach deswegen empfinden lassen; Und wo es Madamen zu einem Mitleiden bewegen könte / wolte betheuren / daß alles anwesende Frauenzimmer mit einem solchen Abscheu / wie mich selber angesehen / weil es mich zu diesem Fehler verleitet. In meiner Abwesenheit / ich sage / in meinem Unglück / wäre ich glückseelig / wenn meine Augen die annehmlichste Dame von der Welt allhier angetroffen; Es würde / wo ein unvollkommenes / doch ein so gutes Portrait von meinem geliebten Original gewesen seyn / als es die Geschicktesten Mahler entwerfen können. Durch dieses hätte mir zum wenigsten die Helfte vor der Anmuht meiner Englischen Arismenia allezeit vorstellen und mich nicht mit Gesichtern plagen dürfen / die den angenehmen Schatten / der mir von ihnen vor den Augen schwebet / durch ihre Unannehmlichkeit immer zu vertreiben suchen. Ja ich hätte Madamen allein adorirt / und mich über andere moquiren können / und Sie würden die innersten Regungen meines Hertzen im ersten wie in diesem Brief gelesen haben. Aber wer ist Schuld / Madame, daß ich vor die liebste in verdrießlicher Gesellschaft leben muß / und was hat mich von Ihnen / ich meine von mir selber getrennet? Ich Unglückseeliger! Mein Verstehen war es / daß bey Ihnen von einer Abreise erwehnte; Ich hätte es abschlagen sollen / sonder ein Wort bey Ihnen davon zu reden: Denn was hatte ich nöhtig / andern Leuten zu gefallen und gegen meine Marter selber unempfindlich zu seyn? Ja / ich armer bin Schuld / und Sie nicht / allerliebste Arismenia, denn ob ich gleich bezeigte / daß ihre Erlaubniß eine Grausamkeit vor mich sey / so wäre doch Ihre Generosité zu groß gewesen / mich von freyen Stücken von Venedig zu verbannen. Madame, die Welt hat vielleicht noch nicht erlebet / daß jemand / der so sehr als ich liebet / an der Abwesenheit seiner Schönen selber Ursach? Und weiß wohl schwerlich zu begreifen / mit was vor einem Titul ich deswegen zu belegen? Allein ich schwere / daß sie auch weder die Marter erleben noch begreifen soll / mit welcher sich meine Seele foltert / und dieses wider mich selbst begangene Verbrechen büsset. Ich seufze / da mit andern auf eine verhaßte Art lachen muß / und dieser unaussprechlichen Zwang raubt mir fast das Leben. Man lässet mich keinen Augenblick allein / um mein Hertz von der Qvaal nur etwas zu erleuchtern / und Stunden von jemanden zu opfern / dessen Jahre Ihnen allein gewidmet. Ach Madame! auch die Träume sind beschäftiget / mich zu kräncken? Ich stehle mich weg / daß nach meinem Bette komme / um meinen Gedancken Audientz zu geben / und da schreibe ich / wie Sie sehen / so schlecht. Unter unendlichen Seufzern / unter tausend verwirten Betrachtungen / ob meine Liebe ewig glückseelig bleiben werde / und unter unzehlbarer Verehrung meiner unvergleichlichen Arismenia schlaf ich ein. Umarme ich meine Arismenia nun / als vormahls gegenwärtig und in der schönsten Gutheit vor mich / so werde ich halb rasend / wenn ich frühe das Küssen nur ümfast! Und stellet Sie denn ein Traum mir abwesend vor / wie es in der That ist / so habe des Morgens / wann mich die übrigen aus der langen Ruhe / wie sie sagen / wecken wollen / genug zu thun / die in meinen Augen stehende Thränen vor eine Würckung des Schnuppens auszulegen; Weil man vor eine Thorheit halten möchte / was bey einer so edlen Liebe die gröste Tugend. Madame, mein Schmertzen würde endlich öffentlich ausbrechen / wann mich nicht Dero letzte gütigste Versicherung tröstete: Denn bey meinem Abschied bat ich sie / mich in geneigtesten Andencken zu behalten / und Sie hatten so viel Mitleiden / mich zu versichern / daß darinnen besser angeschrieben stünde / als ich vielleicht glaubte. Liebens-würdigste Arismenia, dieses eintzige erhält mich / und macht / daß ich sonder die andere Compagnie und sonder Abschied nicht den Augenblick fortlauffe. Wie Sinnreich bin ich aber nicht zu meiner Qvaal? In dem Moment erinnere mich / daß Sie beym Adjeu kein Andencken von mir ausgebeten. Es ist nicht nöhtig / ich gestehe es / weil Sie wissen / daß ich Sie mehr liebe / als mich selber / und noch mehr anbete / als wie ich liebe. Aber wodurch hätten Sie mich auf der Welt schöner versichern wollen / daß ein schätzbares Andencken von Ihnen zu hoffen / als wenn Sie verlanget / in eines zwar armseeligen / doch getreuen Gunst gleichfalls zu stehen? Ich sehne mich nach nichts mehr / als vor ihren schönen Füssen zu liegen / und entweder mit meinen Bitten oder meiner Umarmung dero Hertz zu erweichen / mich um etwas zu ersuchen / so Sie mehr als ich selber in Gewalt haben. Ja ich sehne mich / aus Liebe und aus Unruhe meines Gewissens. Ach Madame! Wie gerne habe ein Verbrechen verschweigen wollen / daß Sie von meiner Tendresse nicht glauben werden? Aber es martert mich zu tode / wo mein Hertz nicht davon erleichtere und bekenne / daß ich verreiset / um in anderer Frauenzimmers Compagnie die Heftigkeit meiner Passion gegen Sie zu mindern. So unverantwortlich ist meine Intention gewesen / und so unwürdig bin ich Ihrer Gutheit. Wollen Sie mich deswegen straffen? Sie haben es schon allzusehr gethan / denn je mehr ich Frauenzimmer sehe / je mehr Siege erhält dero Anmuht über Sie und über mein Hertz? Werde ich nun bey meiner Wiederkunft nicht die Glückseeligkeit erhalten / Sie allein und ewig zu sehen / so will einen Ort in der Welt suchen / wo von allen Menschen entfernt lebe / oder nur lauter Unglückseelige hinkommen. Adjeu, Madame dergleichen Gedancken setzen mich in einen Stand / wo meine Zärtlichkeit wieder auslöschen wil / was ich geschrieben. Adjeu.

Madame

          Dero

Gehorsamster und getreuester      

Selander.

Diesen / wie auch den vorigen Brief sendete er an den Tyrsates, um solchen an Arismenien zu bestellen; Und da er noch ein paar Tage sich auf dem Lande verweilen müssen / brach er endlich mit der andern Gesellschaft nach Venedig wieder auf / und stattete auch so gleich Visite bey Arismenien ab.

Sie empfieng ihn mit der angenehmsten Freundlichkeit / und erkundigte sich des Zeit-Vertreibs / welchen er wie sie glaubte / ohnfehlbar nach seinem Wunsche würde genossen haben.

Er versicherte das Gegentheil / und bat / wo sie ihm keinen völligen Glauben beymessen wolte / den letzten an Sie geschrieben Brief zu fragen / und nur so viel zu seinen Vergnügen zu glauben / daß er aus aufrichtigem Hertzen geschrieben.

Arismenia schiene darbey zweifelhaftig / weil Sie von seinem gehabten Duell wegen eines Fräuleins bereits Nachricht erhalten / daß also Selander genug zu thun / ihre alle ungleiche Gedancken zu benehmen.

Immittelst verwunderte er sich zum höchsten / wo sie dieses schon erfahren / und bat sehr / ihm zu entdecken / mit wem sie so vertraute Corresponedence von dem Adelichen Schloß gehabt. Allein seine Bemühung war vergebens / und Sie wolte ihn überreden / es habe ihr nur davon geträumet / und würde Sie nunmehro mehr als jemahls auf die Träume was halten / da es so wohl eingetroffen.

Selander muste sich damit befriedigen lassen / ob er gleich in seinem Hertzen was anders urtheilte; Allein was ihm noch mehr seltene Gedancken erweckte / war / daß sich Arismenia zwar sehr gefällig in ihrem Wesen / aber dabey so retirée aufführte / daß sie ihm keinen Kuß weiter verstatten wolte / und zu ihrer Entschuldigung vorwendete: Sie wolle aus der vorigen Liebe eine edle Freundschaft machen / weil sie glaubte / daß diese eher als jene beständig zu unterhalten.

Wenn man glaubt / daß Selander aufrichtig geliebet / so wird man auch von sich selber urtheilen können / daß diese fremde Aufführung ihm nicht wenig nahe gegangen. Gleichwohl war es nicht zu ändern / und alle sein Bitten diente zu nichts / als ihm dieses / wiewohl mit der artigsten Manier, noch etliche mahl zu sagen / was er zuvor von ihr gehöret.

Er gieng unruhig von Ihr / und da er des andern Tages in ihrem Hause wieder einsprach / muste er sich mit der Entschuldigung befriedigen: Sie sey nicht zu Hause.

Selander wuste das Gegentheil allzu wohl / indem er Sie so gar auf ihrem Zimmer reden gehört; Dahero sann er allen diesen Sachen weiter nach / und hielt davor: Sie müsse ohnfehlbar einen andern Cavalier angetroffen haben / welcher Sie mehr / als er Sie vergnügen könte / weswegen Sie ihn auf diese Art loß zu werden gedächte.

Ist dem also / fieng er zu sich selber an / so liebe ich Sie zwar / aber nicht so / mich dabey zu hassen; Und ich werde die Grösse und die Aufrichtigkeit meiner Liebe nicht besser zu erkennen zu geben wissen / als wenn ich mein Vergnügen dem ihrigen nachsetze. Du darfst es nur sagen / wehrte Arismenia, fuhr er fort / hat mir der Himmel ein Hertz gegeben / von deiner Annehmlichkeit gerühret zu werden / so hat er mir auch so viel Großmuht dabey verliehen / dasjenige zu ertragen / was ihm nicht gefällt. Wehle nur einen andern / es wird mich zwar kräncken / allein mein Gemüht ist nicht vermögend / was anders als den Schluß des Himmels zu seinen beständigen Vergnügen zu wehlen.

In solchen Gedancken kam er zu Tyrsates und danckte ihm wegen richtiger Bestellung der Briefe an Arismenien. Tyrsates ümarmte ihn / und sagte: Wenn ich ihnen mein liebster Freund nur so ein Vergnügen dadurch erwiesen / als ich wünschte / so würde es mein eigen Ergetzen seyn; Allein ich fürchte / ihr Glück in der Liebe dürfte an dem Ort vor sie nicht beständig blühen / und was mich überaus kräncket / ist / daß ich ihnen dieses sagen muß. Die Gesetze der Freundschaft erfodern das von mir / was andere würden verschwiegen haben / und sie werden es so wohlmeinend aufnehmen / als mir von einem Gemüht versprechen kan / welches so edel als das Ihrige zu erkennen das Glück gehabt.

Sie sagen mir nur liebster Tyrsates, antwortete Selander, was ihre Aufrichtigkeit und die wahre Beschaffenheit der Sache in diesem Stücke haben will: Mein Gemüht habe bereits zu allen gefast gemacht / und aus der Aufführung Arismeniens seit meiner Wiederkunft schon geurtheilet / was sie widriges in meiner Liebe werde sagen können.

Hat ihnen denn / fragte Tyrsates, Arismenia die ewige Treue versprochen / und sind sie mit ihr bis auf eine Vermählung verbunden? Mein wehrtester Tyrsates, gab Selander hierauf / mein Wunsch ist zwar allezeit so weit gegangen; Aber nachdem ich mehr aus ihrem Wesen als Reden wahrgenommen / daß Sie mir so viel nicht sagen wolle oder könne / so habe auf keine Sache weiter dringen wollen / die ich allezeit geglaubt / daß man sie mit vollkommenem und freyem Hertzen verschencken müsse.

So seyn sie denn in einem Stücke noch glücklich / antwortete Tyrsates; Und als ein vertrauter Freund bey ihnen zu handeln / so hat sich Arismenia mit ihnen in keine Vermählung einlassen können / nachdem sie mit einem gewissen Obristen vor langer Zeit ein Bündniß eingegangen / ein ander auch in dem ledigen Stande lebenslang zu lieben. Dieser wird nun in kurtzer Zeit aus dem Felde und in Venedig kommen / und der Obrist- Lieutenant, welcher mit ihnen auf dem Land die Händel gehabt / hat / wie er mir gestern selber gestanden / schon ein paar Tage vor ihrer Wiederkunft Briefe von demselben an Sie abgeschickt. Aus diesem allen urtheilen sie nun / ob sie jemahls in dieser Liebe werden glücklich seyn? Ich kenne ihr Gemüht / das überaus edel zu lieben geschickt / aber allein unvermögend ist / den geringsten Eintrag zu leiden. In einer erfolgten Heyraht würden sie bey allem ihren Ergetzen tausenderley verdrießliches Nachsinnen haben / ob Arismenia den Obristen nicht mehr geliebet / als man ausser der Ehe thun solle / denn man kann alles vergessen / ausser allein diejenige Beleidigung nicht / die nimmermehr kan ersetzt werden. Sie haben einen edlen Ehrgeitz und würden ihr Leben nicht vor den Schimpf achten / wenn einer sich von derjenigen was wider die Ehre rühmen könte / mit der sie alle ihre Ehre lebenslang theilen wollen. Ja da Arismenia bey der blossen Nachricht / der Obriste werde nunmehro wiederkommen / ihnen die vorige Gunst nicht mehr verstatten will / was werden sie nicht zu gewarten haben / wenn er gegenwärtig? Mehr will anitzo nicht sagen / beschloß Tyrsates seine Raisonnements, denn was zu ihrer Ruh und Befreyung von solchen Banden dienet / werden sie schon bey sich haben.

Selander blieb eine gute Weile nachsinnend über Anhörung so nie vermuhteter Sachen; Und weil Tyrsates glaubte / es würde seinem Hertzen schwer fallen / einen Schluß zu ewiger Vermeidung einer Person zu fassen / die er eine ziemliche Zeit so zärtlich geliebet / betrübte es ihn / und wolte ihn durch ein und andere Gründe zu frieden stellen.

Allein Selander antwortete: Sie bemühen sich nicht / mein wehrter Tyrsates, mir mehr Gründe beyzubringen: Ich kenne mein Verhängniß im Lieben / und wie es allezeit grausam gegen mich gewesen ist; Und was ich ihnen itzo nicht sagen kan / soll ihnen die Verfliessung etlicher Tage offenbahren.

Selander küßte hierauf Tyrsates, und nachdem sie eine Zeitlang von andern Materien gesprochen / gieng er in Assemble, wo er Arismenien anzutreffen vermeinte.

Er fand sie auch daselbst / und führte sich gantz gefällig gegen Sie auf / dabey er sich nicht das geringste mercken ließ / was er von Tyrsates erfahren; Bey dem Abschied aber / bat er sich die Erlaubnis aus / Sie nach Hause zu begleiten / und erhielte solches sonder Weigerung.

Daselbst beklagte er sich nun nochmahls über die Aenderung ihrer vorigen vollkommenen Gunst gegen ihm / und bat / ob es ihr denn nicht möglich / ihm die Ursach davon zu eröffnen?

Sie antwortete / daß sie keine andere wüste / als weil sie aus gewissen Umständen / die sie ihm nicht sagen könne / eine Liebe zwischen ihnen in einem andern Stand nicht vor glücklich oder möglich schätzte / ob sie es gleich wünschte: Darum solte er sich befriedigen lassen / daß sie ihm eine ewige und treue Freundschaft hiermit verspräche / und solche lebenslang zu halten wolle verbunden seyn.

Selander nahm dieses Anerbieten mit verpflichtester Dancksagung an / und versicherte im Gegentheil / daß er eher ersterben / als die Gutheit vergessen würde / die er von einer so liebens-würdigen Person genossen / und solte ihm hinführo sein Vergnügen seyn / ihr in dem Character der Freundschaft durch alle ersinnliche Dienste die Ergebenheit zu zeigen / welche er ihr / wenn es dem Himmel gefallen / durch die honneteste Liebe weisen wollen.

Damit Sie aber wissen möge / daß ihm die Ursache ihrer Weigerung zu einem genauen Bündnis mit ihm nicht unbekandt / so eröffnete er ihr von dem Obristen / was er von Tyrsates erfahren.

Sie gestund es / in dem sie es nicht läugnete / doch wolte sie auch nicht sagen / daß es eine Liebe / weil sie sonder Verletzung ihrer Tugend das keine Liebe nennen konte / die niemahls auf eine tugendhafte Manier vollzogen würde / und gab dem längst gehabten vertrauten Verständnis mit ihm den Nahmen einer Freundschaft.

Selander wendete nichts darwider ein / und begnügte sich bloß damit / ihr ein edles Gemüht sehen zu lassen / indem er sie mit der höflichsten und verbindlichsten Art bediente / und auch so Abschied von ihr nahm.


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