Christian Friedrich Hunold (Menantes)
Satyrischer Roman
Christian Friedrich Hunold (Menantes)

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Madame.

OB Sie diese Zeilen von der unwürdigsten Person / die ehmals dero Conversation genossen / lesen; oder bey dem ersten Anblick aus Zorn zerreissen werden / weiß ich nicht. Es wäre das allergeringste / was ich verdient; Und weil Madame vielleicht eine weit grössere Straffe vor mich aufgehoben / als daß Sie solche an dem unschuldigen Papier solten auslassen / so habe durch diese unterthänige Zuschrift versichern wollen / daß mich zu dem ärgsten suche gefast zu machen. Sie werden vielleicht nicht glauben / unvergleichliche Madame, daß ein Mensch / der / ob gleich in der grösten Trunckenheit / sich so weit vergehet / eine unendliche Reue darüber emfinden / und sich selber deswegen so sehr hassen könne: Allein ich bezeuge bey allem / was mir heilig / daß einen rechten Abscheu vor mich habe. Ich will noch hier die letzte Schwachheit begehen / und bekennen / daß bishero eine übermässige Hochachtung vor mich selber getragen / und mir / ich kan nicht sagen mit welchen Qualitäten flattiret / da der Madame Arismenien gefallen. Allein nunmehro habe einen Eckel länger zu leben / da mich so gar auf unmenschliche Art aufgeführet / daß / da zwar alle vorige Erlaubnis aus Güte hergerühret / doch nun keine Gnade sich so weit erstrecken kan / mir zu pardoniren. Englische Madame, manche dürften um Vergebung eines sothanen Fehlers bitten / weil sie sich nicht vorsetzlich / sondern wider alles Vermuhten in unbekandtem Wein berauschet / und da sie ihrer Sinnen nicht mächtig / sich eines Orts nicht enthalten können / der ihnen bey nüchternem Verstande der annehmlichste von der Welt gewesen. Ja viele dürften vorwenden / daß / weil sie eine so vollkommene Dame so wenig mit Vorsatz beleidiget / als sie sich ihrer Verbrechen genau zu entsinnen wüsten; So hofften sie vor diemahl einen großmühtigen Pardon, und betheuerten auf das höchste / die retiréeste Conduite inskünftig zu führen. Allein / Madame, mein Verstand saget mir selber / daß alle Excusen unzulänglich / und wenn mir ihr ungemein edles Hertz gleich alles vergiebt / was andere vielleicht rächen würden / so wird doch das Concept, so Sie von mir nun machen können / mich aus der particulairen Gunst bannen / und mir selbige nicht weiter geniessen lassen. Das Andencken meiner begangenen Prostitution bey einer Dame, da mich Lebenslang am besten angeschrieben wünschte / ist schon eine solche Marter vor meine Seele / daß sie die andere anitzo nicht wohl begreift / wenn nach meinem Verdienst mit mir verfahren wird. Aber Sie wird sie mit der Zeit empfinden / und ich muß zu meinem unendlichen Schmertzen selber sagen: Madame handelten fast unbillig / mich nicht durch blosse Benehmung ihrer Gutheit aufs grausamste zu tractiren. Ich bin es wehrt / und allzu unwehrt / daß Sie noch diese Zeilen von mir / ob gleich in meiner eussersten Bereuung / vor ihre schönen Augen kommen lassen. Ich verlange nicht länger ein Leben / das nicht das vorige / und durch eine so unverantwortliche Ausschweifung besudelt worden; Ja wenn nicht eine Verzweifelung mich auch ihrer Großmuht unwürdig machte / würde mehr sagen; So aber will so lange es mir gegönnet / auf eine Art leben / da mich desto billiger verachten lerne / je mehr mich vorher geliebet. Jedoch / Madame, solte mir nicht mein Leben deswegen so lieb und schätzbar seyn / um durch eine nach allen Kräften eingerichtete edle Conduite das Versehen zu verbessern / und zu zeigen / daß es eine unvermuhtete Ausschweifung gewesen / und mein Gemüht durchaus weit anders gesinnet; Aber was würde es mir helffen / wenn es Madame nicht zu wissen oder erfahren verlangten. In meinem unglückseeligen Zustand scheue mich / ihnen vor Augen zu kommen / ja die Schaam würde mich vielleicht sterben machen; Und wenn ja noch einmahl Ihnen aufzuwarten die Ehre ausbitte / so glauben Madame, daß es aus ehrerbietigster Schuldigkeit geschiehet / nach dieser schriftlichen auch eine mündliche Abbitte zuthun. Ich halte mich darzu höchst verpflichtet / aber ausser Dero gütigsten Erlaubnis nicht in dem Vermögen / eine mir sonst ungemein beliebte Sache zu verrichten. Der ich mit gröster Verwirrung / aber vollkommenster Passion bin

Madame

Dero Ergebenster und Ver-
pflichtester

Scalander von Ama-
lienburg.  

       

Er übersendete diesen Brief alsofort; weil sie aber nicht zu Hause / zweifelte er dennoch an der Würckung in dieser Zuschrift nicht / und blieb / um ihr seine Ehrerbietung auch in der That zu zeigen / ein paar Tage zu Hause.

Hierauf sendete er noch ein kleines Billet an sie / folgenden Inhalts:

Madame.

Dero unterthäniger Diener bittet nochmahls um die gütigste Erlaubnis / Ihnen durch eine persöhnliche Aufwartung seine ehrerbietigste Reue wegen des begangenen Fehlers sehen zu lassen / und Dieselben um Vergebung zu bitten; Und versichert / wie er eine so großmühtige Gutheit Lebenslang mit dem verpflichtesten Andencken ehren / und mit dero Permission davor ersterben wird

Madame.

Dero

Getreuester und Erge-
benster            

Selander.

Allein das Unglück muste es von neuem fügen / daß sie eben eine gute Freundin besuchet / und er also sonder der Vergnügung eines völligen Perdons diesen Tag bleiben muste; Und gleichwohl wolte er nicht eher eine persönliche Visite abstatten / bis er ihre Erlaubnis dazu erhalten; und durch sothane Conduite hatte er sie nicht wenig verpflichtet.

Im Gegentheil fügte es das Glück / daß er sie in einer Assembleé unverhofft erblickte / und bey Gelegenheit sich ihr gantz modest nahete / und auf eine Art um Vergebung bat / die sich schriftlich nicht ausdrücken läßt.

Sie begegnete ihm mit einer gar leutseeligen Manier, und nachdem sie anfangs von keinem Fehler wissen wollen / dem er wider sie begangen / sagte sie endlich: Wo er ja etwas versehen / so sey es durch seine verbindliche Zuschrift zur Tugend worden / weil er sie ein Gemüht kennen lassen / daß sie lebenslang wünschte; Und da er sich einige Tage durch den versparten Zuspruch selber so wohl zu strafen beliebt / so wolle sie ihn nunmehro bitten / Sie mit ehesten wieder zu besuchen.

So angenehm ward hier ein Fehler wieder ausgesöhnet / und die Bekandtschaft darauf recht wunder-schön fortgesetzt / daß auch nunmehro Arismenia, mit Selandern allein auszufahren / vor ihr gröstes Vergnügen achtete.

Tyrsates war inzwischen auch in die Bekandtschaft eines Frauenzimmers aus Engelland gelanget / welches sich mit ihrer Familie daselbst niedergelassen / und nach der in Engelland gewohnten freyen Art zu leben galante Compagnie nicht ausschlug / sondern ihr Hauß mehrentheils ein Rendevous von Cavalieren und Officiren seyn ließ.

Sie war etwas lang von Person / magerer Statur, wohl gewachsen / wohlgebildet im Gesicht / in der Music geschickt / und unter andern Qualitäten auch mit einem guten Verstande begabt / welcher aber / weil er mit keiner Leutseeligkeit / sondern einer hoffärtigen Mine begleitet ward / nicht so wohl der Leute Gunst als Widerwillen zu wege brachte.

Tyrsates war von dem Gemühte / daß ihn nichts / als eine angenehme Sittsamkeit von einem Frauenzimmer rühren konte; und weil diese so gar andere gescheute Leute durchzuhecheln / und mit spitzigen Minen vielmahls verächtlich zu tractiren suchte / kam da ein rechtes Paar zusammen: Denn Tyrsates moqvirte sich über sie / weil sie sich über ihn moqviren wolte.

Einer von seinen guten Freunden suchte bey ihr Amour, darinnen er auch so weit kam / daß / wie er Tyrsates vertrauet / die Küsse schon trefflich unter ihnen gewechselt wurden. Und von diesem erfuhr er auch / wie sie seine Conduite durchgezogen / in dem er so wenig Complaisance unterschiedliche mahl vor sie spüren lassen / daß er sie in Compagnie kaum angesehen / und sey mit einem solchen Cavalier kein Umgehen / der viele Fehler an sich hätte / und anderer ihre untersuchen wolte.

Ein so höfliches Urtheil von ihm wurde er desto mehr zu glauben bewogen / da sie ihm einmahl in der Carrosse begegnete / und wie er sie grüßte / eine so spöttische Mine machte / daß auch einige dabey stehende Freunde gar zu mercklich sehen konten / wie dieses Frauenzimmer Tyrsates dadurch touchiren wollen.

Es gab ein Gelächter / aber noch mehr / da ihnen Tyrsates die Ursach davon zu eröffnen versprach / und des Abends noch in einer Compagnie folgende lustige Einfälle zeigte:

Als die Engelländerin im vorbey fahren
ein spöttisch Maul auf ihn machte.

Er.

Du siehst viel andre gut / mich aber spöttisch an /
Sprich / Nasen-weises Kind / was hab ich dir gethan?

Sie.

Darum veracht ich dich / nichts-wehrter Courtisan,
Dieweil mir andre was / du aber nichts gethan.

Er.

Was gutes will ich nicht / das weist du vor / wie nun:
Was böses / meinst du das? Das mag der Teufel thun.

Kein grösser Plaisir ist / und nichts findet mehr Approbation, als wenn Leute / die sich über andere unbillig moqviren / selber mit guter Manier durchgezogen werden; Dahero man leicht erachten kan / wie von Hertzen die Compagnie darüber gelacht / und wie bemüht sie war / es abzuschreiben / und andern Bekandten gleichfalls part davon zu geben.

Wie heftig sie es aber empfunden / daß sie Tyrsates ihrer üblen Conduite wegen so nachdencklich raillirt / entdeckte ihm der oben gedachte Freund / der ihre Gunst zu erwerben bemüht war; Und hatte sie dieses Pasqvill, wie sie es genennet / am meisten deßwegen verdrossen / weil man sie gering tractiret / da doch Tyrsates wüste / daß sie sich viel einbildete.

Immittelst glückte es gemeldetem Freund in seiner Liebe nicht / denn weil sie ziemlich bemittelt / war sein Absehn / durch seine Schmeicheleyen die letzte Gunst bey ihr zu wege zu bringen / und durch die nachdrücklichsten Caressen innerhalb drey viertel Jahren ihre Familie zu nöhtigen / sie ihm zur Frauen zu geben / worauf er sich sonsten keine Gedancken zu machen.

Allein seine Jahre und sein Verstand waren in der Liebe bey erfahrnen Frauenzimmer noch nicht reif genug / und also hatte er ihre Gunst im Anfang zwar leicht durch ein gutes Ansehen gewonnen / aber solche zu erhalten / oder bis auf den höchsten Grad zu bringen / ist etwas schwerer.

Demnach trug ein gewisser Officier die schöne Beute davon / ich meine / ihre Gunst / weil die meisten der itzigen galanten Welt nicht so gleich heyrahten / wenn sie schon ihre Geliebte als ihre Frau tractiren.

Tyrsates erfuhr dieses neue Liebes-Verständnis / und wie ihm die angenehme Engelländerin einmahl des Abends nebst diesem Officier in der Carrosse begegnete / trieb ihn die Curiosité so weit / daß er an statt des Dieners hinten auf selbige sprang / um zu vernehmen / wie weit sich eine Dame in verliebten Erklärungen heraus lassen würde / die in allen Stücken so Ehrgeitzig und super-klug seyn wolte.

Und gewiß / er kriegte Sachen zu hören / die man sich von einem recht vollkommenen Venus-Kinde nicht besser vorstellen kan; Und aus den lauten halb abgebrochenen Worten / die vielen hieher zu setzen nicht unangenehm seyn würden / verstand er so viel / daß sie einander mit einer geheimen Sprache unterhielten / welche sich mit der Feder so natürlich nicht ausdrucken läst.

Nachdem nun Tyrsates ein paar Stunden in der Stadt mit auf und nieder gekutschet / und man sich einbilden muß / daß man damahls in Venedig mit Carrossen überall herum gefahren / ließ er dieses verliebte Paar / das sonsten nicht allein zusammen können kommen / vergnügt nach Hause marchiren.

Und diese Geschichte kurtz auszuführen / so hatten sie beyde ein Bündnis unter sich eingegangen / davon die kleine Welt / ich meine der Engelländerin / aber nicht die Grosse oder ihre Familie was wuste.

Wie aber der Officier zu Felde gieng / liebte diese Dame, wie vormahls / auch andere Gesellschaft / absonderlich einen vornehmen und verehlichten Cavalier, welcher es an kostbahren Præsenten nicht ermangeln ließ / nicht aber eine wider ihre Keuschheit erhaltene Affection dadurch zu belohnen / sondern / wie man sagt / vor die Ehre ihrer honneten Bekandschaft erkentlich zu seyn.

Verliebten / zu mahl die dabey klug oder argwöhnisch sind / mangelt es niemahls an Spionen / daher auch dieser Officier eine und andere Nachrichten erhielte / die ihn nöhtigten / eine geheime Reise nach Venedig vorzunehmen / allwo er nicht so bald angekommen als er des Abends / gleichsam als ob er im Felde / seine Feinde oder Neben-Buhler recognoscirte.

Er erfuhr in unbekandter Kleidung / daß sie nicht zu Hause / sondern wie ihre Eltern glaubten / einer guten Freundin diese Nacht Gesellschaft leisten würde.

Er gieng in zweifels-vollen und unruhigen Gedancken an dem Wasser auf und nieder / und sein Gemüht wurde endlich durch eine schöne Music, die sich auf solchem hören ließ / so wohl divertirt / daß er bis am morgen / oder besser zu sagen / bis die Compagnie aus den kleinen Schiffen stieg / sich da verweilte.

Aus Neugierigkeit wolte er doch sehen / ob nicht jemand bekandtes darunter; Aber was machte er nicht vor grosse Augen / da er seine geliebte Engelländerin an der Hand eines Cavaliers erblickte? Er zweifelte etliche mahl / ob sie es in der That / und also des Nachts herum schwermen / und zugleich bey einer guten Freundin allein schlaffen können; Doch weil ihm sein Gesicht niemahls betrogen / so fand er auch itzo seine Schöne allzuwahr unter fremden Händen.

Den Tag darauf schlich er sich in ihr Zimmer / ehe es jemand gewahr wurde / und erschreckte sie durch seine unverhoffte Ankunft nicht wenig / da sich sonst Verliebte gemeiniglich über ein unvermuhtetes Wiedersehen freuen.

Er merckte ihre Bestürtzung anfangs im Gesicht / und errieht die Ursach / als sie etwas geschwind von ihrer Hand loß machen / und solches verstecken wolte: Denn er faßte sie eben so geschwind an / und ließ theils durch Bitten / theils durch Gewalt nicht eher nach / bis er ein paar überauskostbare Brasseleten in die Augen / und zugleich eine ungemeine Eyfersucht dadurch folgends ins Hertz bekam.

Sie erdichtete / daß sie es von der Frau Mutter bekommen; Allein die starcke Röhte des Gesichts und die vorige Bemühung etwas zu verbergen / so sie von der Frau Mutter erhalten / sagten das Gegentheil allzudeutlich / daß der Officier nach einer Stunde / die mehrentheils mit Zancken und Verweisen zugebracht war / ihr die Treue aufkündigte / und mißvergnügt in sein Qvartier kehrte.

Es ward gar bald in Venedig bekandt / warum dieser Officier mit unserer schönen Engelländerin gebrochen / Und da auch einige andere vornehme Cavaliers sich aus Schertz und nicht aus einer Heyrahts- Intention um ihre Gütigkeit bewarben / erschallte in kurtzen eine Zeitung / die man von einem schönen / jungen / galanten und bekandten Frauenzimmer nimmermehr vermuhtet. Was war es aber? Die allerliebste Engelländerin / welcher die gantze Welt nicht recht konte seyn / wolte sich nunmehro derselben enteussern und ins Kloster gehen.

Daß es bey vielen nicht wenige Bestürtzung verursacht / kan man glauben / in dem sie die angenehmste Gesellschaft dadurch verlohren / und absonderlich ein gewisser Herr nicht gern sah / daß man seine kostbare Brasseleten zu den verdrießlichen Rosen-Cräntzen legen wolte.

Es ist gewiß etwas schweres / sich mitten in seiner blühenden Jugend und Schönheit / und unter der Anbetung so vieler trefflichen Amanten zu entschliessen / allen Ergetzlichkeiten der Welt Adjeu zu sagen / und an statt Liebens-würdiger Menschen todte Bilder in dem Kloster lebenslang zu küssen; Allein man dürfte es auch von niemanden / als einem so großmühtigen / klugen / und mit so vielem Ehrgeitz versehenen Fräulein erwarten / und glauben / daß die Kloster-Luft / welche tausenden kaum ein paar Monat ansteht / ihr ewig gefallen würde.

Immittelst bemühten sich viele / die die Aenderung ihrer weltlichen Religion mit einer geistlichen ungern sahen / sie davon durch allerhand Gründe abwendig zu machen; Allein sie fühlte innerlich so viele nachdrückliche Bewegungen dazu / daß sie unmöglich davon abzubringen.

Der Tag des Scheidens brach an / und solcher kam den meisten so betrübt vor / als sie ihn mit grosser Eilfertigkeit nach einem Kloster ausser Venedig zurücklegte; Und dergestalt starb der Welt eine Schönheit bey lebendigem Leibe ab / vor welche man gern zwantzig andere und häßliche in so verdrießliche Einsamkeit geschickt.

Dem Tyrsates verursachte es ingleichen nicht wenig Verwunderung / und nahm er sich fest vor / daß / wo diese Schöne eine so harte / und unserer menschlichen Natur gantz widrige Lebens-Art beständig ertragen könne / er sich darzu ebenfalls entschliessen wolte.

Die Neugierigkeit trieb ihn also / sich in verstellter / und zwar weiblicher Kleidung nach der Gegend des Klosters zu begeben; Und als er daselbst angelangt / ließ er sich bey der Priorin anmelden: Er habe an die Engellische Nonne einen Brief von ihren Eltern zu bestellen / und müsse solchen persöhnlich überreichen. Denn / dachte er / wofern man ihn gleich erkennen solte / würde man ihm doch diesen Fehler pardonniren / wenn man seinen heiligen Vorsatz hörte / und wie er durch die Andacht der neuen Nonnen sich gleichfalls zu diesem Stand wolle bereden lassen.

Die Priorin ließ ihn demnach vor sich / und weil sie ihn / wegen seines geschornen Barts / würcklich vor ein Mädgen hielt / fragte sie nur genau: Ob er von denen Eltern abgeschickt? Und da er dieses gut beantwortet / führte ihn eine andere Nonne nach der verlangten Zelle.

Bey der Thür hörte er ein paar junge Mönche singen / die so wohl concertirten / als ob sie in einer Capelle zugleich jung worden; Indem er nun solche öffnete / schallte ihm diese besondere Music, welche alle Welt ohne Lehrmeister lernet / noch stärcker entgegen / und was noch artiger / so spielte die schöne Engellische Nonne das Clavir im Bette darzu.

Die Thränen giengen unserer Nonnen über den Anblick eines vermeinten und bekandten Mädgen aus ihrem Hause über / nicht zwar / daß ihr diese junge Mönche / welche sich an beyde menschliche Blasbälge recht manierlich gehangen / wehe thaten / sondern weil sie eben aus einem lamentablen Thon ihr geseegnetes Kloster Leben besang / und man gemeiniglich vor Freuden weinet / jemanden von den Seinigen zu sehen.

Tyrsates hatte viel von der Delicatesse der Kloster- Music gehöret; Allein diese schien ihm zu gefährlich / und um nicht vor den Componisten derselben gehalten zu werden / wenn man unter seinem Habit eine Manns-Person anträf / überreichte er ihr einen Brief / und gieng / ehe ihm diese neue Art von Nonnen vor Thränen recht angesehen / wieder zum Dinge hinaus und nach Venedig zu.

Sein erstes war / daß er nach Selandern eilte / und ihm diese schöne Avanture erzehlte / welchen es so wohl befremdet / als sie sich beyde bemühten / den Herrn Capellmeister solcher Musicalischen Werckzeuge aus zu forschen; Und solchen erfuhren sie auch bald / wiewohl zu einer neuen Verwunderung / denn es war kein Cavalier von dem Stande / der sie vielleicht zuvor heyrathen wollen / sondern einer ausser Diensten / und der unter andern Qualitäten auch das Spielen überaus wohl verstand.

Man rühmte ihn inzwischen; Und da er sie bald darauf mit Consens des Vaters heyrahtete / und durch ihr Geld eine Hauptmanns-Stelle im Kriege erkaufte / gratulirten ihm viele in galanten Hochzeit-Versen zu seiner geehlichten Nonne; Dabei Tyrsates nicht der Letzte war / seine schuldige Freuden-Bezeugung abzustatten / wiewohl er seine Poetische Gedancken nur kurtz und also abgefasset:

Uber die Eheliche Verbindung
eines Spielers / und einer aus
dem Kloster geheyrahteten En-
gelländerin / die man zuvor mit
drey Hertzen in solches geschickt.

Madrigal.
Desperation facit aut Militem, aut
Monachem.

EIn Kind aus Engelland / das nach der Welt gesinnt /
Und auch das Spielen lieb gewinnt /
Vertreibt die Zeit mit Kauf- Labet.
Hertz wird gewehlt; Sie spielt zu erst das Taus /
Hernach den König aus:
Ein andrer aber sticht zwey rohte Bauren drein;
Und also büßt sie alles ein.
Sie wird Labet, weil ihr das Weib noch fehlt /
Und läuft bestürtzt ins Kloster nein.
Doch wie das Spiel sich dreht!
Hertz wird zum andern Trumpf / und Er Labet;
In dem / da sie die bunten Karten mengt /
Sie wiederum zwey Knecht empfängt /
Dabey Er in dem Kauf so sonderlich gewählet /
Daß ihn das Glück nur mit der Hur vermählet.

Solche Einfälle / über welche sich das verliebte Paar nicht lange freuen konte / weil der neue Mann kurtz darauf vor dem Feind / sie aber aus Gram starb / wolte Tyrsates seinem wehrtesten Freund Selandern zeigen / und also gieng er nach der zwischen ihnen gemachten Vertraulichkeit unangemeldet in sein Zimmer.

Er fand solches leer; Und sich immittelst die Zeit zu passiren / bis Selander nach Hause käm / studirte er dessen Schriften durch / unter welchen ein artig Urtheil von der Kraft der Sternen fand / wie von derselben Conjunction und Einfluß in der Gebuhrts Zeit nicht allein das Glück und Unglück besonders im Lieben dependire / sondern auch durch deren Gleichheit die Gleichheit der Gemühter / herstamme / und also zwo Personen eine Wunder-würdige Ubereinstimmung aller Gemühts-Neigungen unter sich verspührten / weil gleiche Sternen bey dem ersten Anblick der Welt über sie gestanden.

Es waren schöne Lehr-Sätze / um solche einem geliebten Frauenzimmer beyzubringen / und ihr dadurch eine genaue Verbündung desto süsser zu machen / und indem er weiter suchte / traf er eine überaus schöne Application in Versen an / darinnen Selander an seinem eigenen Gebuhrts-Tage mit seiner annehmlichen Arismenien der Sternen und ihrer Ubereinstimmung des Hertzens wegen geschertzet / und bekam dadurch viel Licht / wie wohl dieses galante Paar mit einander stand / da er folgendes mit vergnügter Neugierigkeit durchwanderte:

An die schöne Arismenia,

Als er seinen Gebuhrts-Tag an S. Michalis
bey ihr celebrirte.

           

WEenn ich an diesem Tag / auf dich / du Schöne blicke /
    An welchem ich zu erst das Lebens-Licht erblickt /
So geht mein treuer Geist auf jene Macht zurücke /
    Die da dein Bildnis schon in meinen Geist gedrückt.
Man leugne / wie man will / daß nicht die Kraft der Sternen
    Die Regung des Gemühts in der Geburts-Zeit sey /
Ich kan und muß aus mir den Einfluß stündlich lernen /
    Und meine Lebens-Art stimmt ihrer Würckung bey.
Denn eben dieser Stern / der mich anitzt regieret /
    Stand (denn ich rechne nach) auch damahls über Dir /
Da du mit Anmuht hast die Welt zu erst gezieret /
    Und die Vereinigung war schon geheim in mir.
Drum flößte seine Kraft (vergönne mir das Glücke /
    Daß ich dir gleich gemacht) mir gleiche Regung ein.
Und daß ich längst nach dir die reinsten Seufzer schicke /
    Muß warlich nur ein Zug von deinen Sternen seyn.
Ich fühlte / da ich mich noch nicht recht selber kannte /
    Daß nichts gemeines mir den Zeitvertreib gebahr /
Wie in der Jugend schon in mir ein Feuer brandte /
    Dadurch ich Sehnsuchts-voll und ungedultig war /
Mir war es ein Verdruß / was andre konte letzen /
    Und die Zufriedenheit / die mir noch wolte blühn /
War / daß mich fremde Lust nicht wuste zu ergetzen /
    Und daß / was vielen schön / mir viel zu niedrig schien.
Doch liebte mich die Welt / ob ich sie muste hassen /
    Vielleicht / weil mein Gemüht nie aus den Schrancken gieng /
Und / wenn sichs eusserlich im Schertzen konte fassen /
    Es Gedancken doch an etwas edlers hieng.
Nur mit Beneidung must' ich kluge Schriften lesen /
    Da traf ich manches Bild / wie ichs gewünschet / an.
Ach seuftzete mein Hertz; Ist denn was vor gewesen /
    In dieser Welt nicht mehr / so mich vergnügen kan?
Der Wunsch ist tausendmahl den Sternen zugegangen:
    Ach möcht' ich / die ihr mich so sonderbahr gemacht /
Was Wunder-schönes auch durch eure Gunst erlangen /
    Und schauen / was im Geist mich immer angelacht.
Und hätt' ich dich noch nicht / Annehmlichste / gesehen /
    So hätte diesen Wunsch vielleicht das Grab gestillt.
Ja müst' ich nicht entzückt um deine Gnade flehen /
    Mein Klagen hätte noch die gantze Welt erfüllt.
Drüm zürnt ihr Sternen nicht / ihr habt mich gnug beglücket /
    Ihr zeiget mir anitzt durch meiner Schönen Strahl /
Welch Bild in der Gebuhrt ihr mir ins Hertz gedrücket /
    Und wie vollkommen Sie / als mein Original.
Denn siehst du nicht an mir / du Anmuhts-Kind der Sternen /
    Daß ich dein Spiegel bin / der nur von dir allein /
Als dem Original muß alle Stellung lernen /
    So bald dein Auge will auf mich gerichtet seyn?
Lacht deine Freundlichkeit / so muß ich gleichfalls lachen.
    Siehst du mit Lust in mich / so sieht die Lust heraus.
Machst du mir Minen zu / muß ich Geberden machen /
    Und schaust du streng auf mich / so seh ich sauer aus /
Regt sich dein schöner Mund / so sprechen meine Lippen;
    Urtheilt dein edler Geist / red' ich vernünftig mit.
Liebst du das Schweigen drauf / so gleich ich stummen Klippen /
    Und tritt dein Fuß zurück / so weich ich einen Schritt.
Streckt sich dein Arm nach mir / so bin ich / meine Hände
    Um deinen Schwanen Leib zu winden schon bemüht.
Und wenn ich mich zur Lust auf Cypris Auen wende /
    So spür ich / daß ein Trieb dich auch nach solchen zieht.
Drum bist du / Schönste / recht mein Ander-Ich zu nennen /
    Mein Leit-Stern / denn du giebst mir alle Regung ein /
Mein Bildnis / ohne das ich mich nicht kan erkennen /
    Und sehn / wodurch ein Mensch kan irdisch seelig seyn;
Mein Leben / ohne das ich lieber nie gebohren /
    Und in der ersten Kraft der Bildung noch versteckt;
Mein Licht / das sich mein Hertz zur Sonnen auserkohren /
    Davor mir jener Glantz nur Dunckelheit erweckt;
Mein Stern / aus dem allein mein Glück und Unglück strahlet /
    Der meinen Himmel schmückt / so bald mein Leib in Ruh;
Denn ob sich sonst die Nacht mit tausend Lichtern mahlet /
    Wirft mir doch deines nur entflammte Rosen zu.
Du Leit-Stern meiner Lust / mich lege Nacht und Schatten
    Ehr ewig in das Grab / wo mich kein Licht bescheint /
Als wenn dein holder Glantz sich nicht mit mir zu gatten /
    Mich lebend / aber nicht beglückt zu machen meint /
Lieb-reiches Meister-Stück / holdseeligste der Frauen!
    Da heute nun ein Tag / da ich die Welt erblickt /
So gönne mir / durch dich den schönsten Theil zu schauen /
    Der meine Seele bloß auf dieser Welt beglückt.
Ich bin vor dich gemacht; Wo find ich welche Schönen /
    Da Hertz und auch Verstand mir Geist und Hertze rührt?
Kurtz: Ich bin am Gemüht / (ach kan ich mehr erwehnen!)
    Ein Uhr-Werck / das dein Geist stets stellet und regiert.
So leb ich bloß durch dich; So will ich durch dich sterben.
    Ach Schönste / wirst du auch vor mich geschaffen seyn?
Die Anmuht / die dir kan mehr Kostbarkeit erwerben /
    Macht mich dir zugering / dich mir zu ungemein.
Vor tausend Frauen muß man dich holdseelig nennen;
    Du hast was Himmlisches in deinem Augen-Strahl;
Es lieben dich auch die / die kein Gemüht nicht kennen /
    Und deine Unmuht macht dir Sclaven sonder Zahl.
Hingegen bin ich nicht vor männlich schön zu schätzen /
    Ich habe nichts an mir / als (Himmel laß mir zu /
Ich will hier meinen Ruhm vor tausend Männer setzen /)
    Nichts hab ich kostbares / als ein Gemüht wie Du.
Drum bist du ein Magnet? Will ich den Stahl bedeuten /
    Du Agstein? Bin ich Spreu: Ach zeuch mich doch an dich.
Bist du ein Reben-Stock von Götter Süssigkeiten?
    Um diese winden auch die schlechten Ulmen sich.

Wohl / Schönste / wirst du mir heut keine Gunst versagen /
    Nimmst du / mein Engel / mich / wie meine Geister hin /
So spür ich / wenn dein Arm / der Englisch mich wird tragen /
    Daß ich am Engel-Tag gebohren worden bin.

Die Gedancken / das darinnen abgebildete Vergnügen / und die genaue Ubereinstimmung der Hertzen zwischen Selandern und Arismenien waren Tyrsates durchaus so annehmlich / daß / wo er ein schönes Frauenzimmer vor sich gefunden / er sich gleich verliebt hätte.

Allein / da es in Ermangelung dessen noch eine Zeitlang anstehen muste / war er zu frieden / in ruhiger Freyheit seines Hertzens zu bleiben / und Selandern an seinem geliebten Ort zu suchen / weil er ihn gewiß da vermuthete.

Er traf ihn in dem aufgeräumsten Humeur, wie er gemeiniglich war / und zwar in einer artigen Arbeit an / denn er half ihr welche Frantzösische Bilder auslegen / oder mit wohl ausgesuchten Farben auskleiden; Daher sie sämtlich darüber schertzten / und Tyrsates, um zu beweisen / daß er an Gefälligkeit Selandern nichts nachgeben wolle / Arismenien so lange qvälte / biß sie ihn ebenfals darinnen ein wenig unterrichtete.


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