Christian Friedrich Hunold (Menantes)
Satyrischer Roman
Christian Friedrich Hunold (Menantes)

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Satyrischer
Roman,

In
Unterschiedlichen / lustigen / lä-
cherliche und galanten

Liebes-Begebenheiten.

von

Menantes.

Hamburg [1706] /

Verlegt: Benjamin Wedel.


Vorrede

Hochgeneiger Leser.

EHe demselben die Ursach melde / warum einen Satyrischen Roman von siebenzehn Bogen in den Druck gegeben / so befinde mich verbunden / meine auffrichtige Meynung von den Satyren zu entdecken. Diese sind nichts anders / als eine Durchziehung der Laster der Welt / welche man an statt einer ernsthafften mit einer lächerlichen und ungeheuchelten Manier abzuschildern bemühet ist; und weil in der Liebe die grösten und possierlichsten Schwachheiten vorgehen / so kan es einem wohl selten an Materie in Satyrischen Romanen mangeln. Nun ist der Fehler / anderer Leute Thorheiten zu tadeln / und seine eigene dabey nicht zu erkennen / uns mehrenteils so sehr / als die ungereimte Eigen-Liebe angebohren / alle zeit mehr als andere Leute seyn wollen; und aus dieser Qvelle unserer verdorbenen Neigungen entspringen die meisten Satyren. Demnach können wir nicht läugnen / daß es eine so üble als gefährliche Profession: Denn ob wohl einige in den Gedancken stehen / ein Mensch / der an allen was zu tadeln finde / und dem nichts könne recht seyn / müsse viel Verstand besitzen / und sey dadurch Estims-würdig: So urtheilen dergleichen Leute dennoch falsch / und wird mir keiner abstreiten könen / daß weniger Verstand / schlimm / als gut zu seyn erfodert wird. Das Hertz / so von Natur zum Bösen geneigt / arbeitet bey schlimmen Erfindungen um desto mehr an geschickten und Sinnreichen Redens-Arten / seine Schalckheit auszudrücken; und ein mittelmässiger Verstand / der durch ein übles Hertz unterstützet ist / kan der ohne dis zum bösen inclinirten Welt leicht ein Blendwerck vor die Augen machen / als ob er was wunderwürdiges in sich hege: da hingegen ein edles und tugendhaftes Gemüht mehr Schwierigkeiten findet / durch lauter gute und auf des Nechsten Ruhm gegründete Sachen zu gefallen / weil die meisten nur was schlimmes von andern wünschen / üm durch frembde Untugenden ihre eigene / wiewohl offt wenige Qvalitäten schätzbahrer zu machen.

Demnach ist es so wenig rühmlich / Satyren zu schreiben / als einem Autori, der sich auff diese Profession mit so grossem Vergnügen und Fleiß leget / vorteilhafftig: Denn wenn man / was das erste anbelangt / von den meisten Satyren / die Lüge / Verläumdungen / und kurtzweilige Einfälle absondert / wird man sehr wenig gründliches und recht verständiges darinnen finden; und der Nutzen / den die Herren Verfasser daraus ziehen / bestehet mehrentheils darinnen / sich welche neue Feinde und Verfolgungen mit grosser Scharfsinnigkeit zu wege zu bringen. Meinem allerbesten Freunde habe also öffters bey seiner Poesie die Erinnerung vorgelesen:

Hat deine Muse noch Satyren nicht vermieden?
Ein schlimmes Handwerck ist / Verläumdungen zu schmieden /
In Garten dieser Kunst / wo sonsten Rosen blühn /
Aus fremdem Augen sich den Dorn ins Hertze ziehn /
Vor Blumen / die Gedult und Sanfftmuht auf uns streuen /
An Neider-Nesseln sich in Strafen zu erfreuen.
An andern böses sehn / hat offt die Frucht gebracht:
Selbst weinen / daß dabey ein Schlimmer Leser lacht.

Viel besser ist demnach / wenn man ja von andern Leuten schreiben wil / nichts als Lob-Reden zu verfertigen / und die allergrösten und offenbahrsten Laster / die hundert mahl begangen worden / eine kleine Ubereilung zu nennen / und sie mit der allgemeinen und vor nichtswürdige Leute trostreichen Maxime zu entschuldigen: daß niemand ohne Fehler und der allervollkommenste ihrer nur wenig habe. Und was mittelmässige Thorheiten anbetrifft / so vergleiche man deren Besitzer der Sonnen / welche nicht auffhöret / das gröste Licht der Welt zu seyn / ob sie gleich einige Flecken an sich hat: Ich versichere / man wird dadurch mehr Freunde finden / als ein Tugend-Liebender verlanget.

Ja giebt es an vielen Orten Weiber-Stipendia, dadurch manchem ehrlichen Kerl unter die Armen gegriffen wird: so ist nicht zu zweifeln / daß durch sothane Defension der menschlichen Schwachheiten ein Scribent eine jährliche Pension, wie der Pabst einen sehr reichen Tribut von den Galanterie-Häusern in Rom / und endlich ein so treffliches Begräbniß / wie der berühmte Frauen-Lob von allerhand Sorten von Leuten erhalten werde.

Gleichwohl lernt mir mein Spiegel einen Menschen kennen / der die üble Eigenschafft durch alle so vernünftige Reflexiones nicht abgewehnen kan / alles bey seinem rechten Nahmen / eine Katze / eine Katze / einen verliebten Wurm einen Narren / und eine H – – eine Maitresse zu nennen. Er weiß zwar wohl / daß man eher was schlechtes als gutes erkennen kan / und daß bey lächerlichen und durchhechlungs-würdigen Sachen andern die Augen zu öffnen / noch lange vor keinen so grossen Verstand geschätzet werde / als recht gute und schöne Eigenschafften an etwas zu entdecken; indem solche weit rarer und viel schwerer zu finden: Aber eben dieses / weil solche rar und schwer zu finden / hat ihn bewogen / sich so lange mit schlimmen zu behelfen / bis die schönen Qualitäten der verliebten und galanten Welt mit weniger Müher werden zu erkennen seyn.

Ausserdem könte seine Art zu schreiben damit gerechtfertiget werden / daß von seinem Nächsten dieses nichts böses sagen heist / was man mit Grunde der Wahrheit und Verstand sagen kan / sondern es heist / ihm dasjenige böse nur zu entdecken / welches er an statt des Guten zu besitzen sich angelegen seyn läßt; und ein Autor der in seinen Schrifften keinen andern als diesen Vorsatz hat / wird weder boßhafft noch übel Satyrisch seyn / und indem er alle Welt in einer edlen Art zu leben unterrichtet / untugendhaffte auf keine andere Manier beleidigen / als die in lustigen Erfindungen geschickte Holländer viele närrische Originale, deren Portrait sie mit so natürlichen Farben in ihren possierlichen Schildereyen entworfen.

Vor das andere würde können eingewendet werden / daß man in recht Satyrischen Büchern nur die Laster / aber nicht die Personen durchzustriegeln suche / und es einem Scribenten / der die Fehler der Menschen corrigiren wolle / fast unmöglich sey / nicht Bildnisse zu machen / die nicht welchen lebendigen Originalen gleichen solten. Allein wie es eine Boßheit / jemanden öffentlich und unschuldig zu beschimpfen / so ist es auch keine Tugend / von einem Autore zu glauben / er habe ein gewisses Absehen gehabt / welche Personen besonders anzugreiffen. Wer in Conversation alle Worte auf die Wag-Schaale leget / und nach seinem Gefallen übel ausdeuten will / verdienet den Ruhm eines unnützen Zänckers; Und die bey Moralischen und Satyrischen Tractaten die Personen wollen errahten haben / welche man darinnen lasterhafft aufgeführet / sind malicieuse Gemühter / die an den Zweiffel / daß sie wohl irren könten / sich gar nicht kehren / und durch ihre Nasenweise Erklärung Leute beschimpffen / an die der Autor wohl selten gedacht. Menschen haben nicht das Recht / von der Intention oder Gedancken zu urtheilen / denn solches hat sich eine höhere Weißheit vorbehalten.

Allein weil zu befürchten / alle diese Gegen-Gründe möchten von vielen / denen die Medisance mit der Fatalité von Ohrfeigen und Reprimanden zugleich angebohren / sonder Consideration verworfen werden; und ich mit denen Personen / die sich vieler Fehler schuldig wissen / und deswegen alle Satyren mit Augen voller Mißtrauen ansehen / annoch ein sehr grosses Mittleiden trage: So habe nur einen Satyrischen Roman von 17. Bogen verfertigen wollen / da sonst mit einem noch einmahl so grossem würde auffgewartet haben

 

Hochgeneigter Leser

 

Dessen

 

Dienstfertigster

 

Menantes.


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