Victor Hugo
Notre Dame
Victor Hugo

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X.

Eine Hochzeitnacht

Nach wenigen Minuten befand sich unser Dichter in einem kleinen gewölbten Zimmer, das gegen den Zugang der Luft wohl verwahrt und wohl geheizt war, und saß vor einem Tische, der zwar noch nicht besetzt war, aber die Aussicht auf einen an der Wand hängenden Speiseschrank darbot, aus dem man nur für die Tafel entnehmen durfte; ein gutes Bett stand in der Ecke, und er befand sich unter vier Augen mit einem schönen Mädchen. Seliger Peter Gringoire! Dieser Wechsel der Dinge glich einer wahren Verzauberung. Unser Poet begann im Ernst sich für eine Art irrenden Ritters zu halten, an dessen Person die Feen und Zauberer guten und schlimmen Antheil nehmen. Er blickte von Zeit zu Zeit um sich, um den mit zwei geflügelten Genien bespannten Feenwagen zu suchen, der allein vermocht hatte, ihn mit so reißender Schnelligkeit aus dem Tartarus in den Olymp zu bringen. Dann, um diesen magischen Schwung abzukühlen und sich in die Wirklichkeit zurückzuversetzen, sah er wieder seinen abgeschabten, zerrissenen Rock an, und dies war der einzige Faden, an dem seine schwankende Vernunft noch festhielt.

Das schöne Zigeunermädchen schien gar nicht auf ihn zu achten; sie ging, kam, verrichtete Dieses und Jenes, plauderte mit ihrer Ziege. Endlich setzte sie sich an den Tisch, und unser Dichter konnte sie mit Muße betrachten.

Je mehr und mehr in seine Träumereien versinkend und nur von Zeit zu Zeit einen Seitenblick auf das Mädchen werfend, sprach er zu sich selbst: Das ist also die Esmeralda! Fürwahr ein himmlisches Geschöpf! Sie tanzt zwar auf der Straße, aber gleichviel! Sie ist es, die heute meinem Mysterium den Garaus gemacht hat, sie ist es, die diesen Abend mein Leben gerettet hat. Mein böser Genius! Mein guter Engel! In der That ein schönes Weib, und die ganz rasend in mich verliebt sein muß, da sie mich auf solche Weise geheirathet hat! Potz tausend! fügte er, sich besinnend hinzu, ich bin also ihr Mann, obgleich ich nicht recht weiß, wie das zugegangen ist.

Diese Idee im Kopfe und in den Augen, näherte er sich dem Mädchen mit einer so legitimen Galanterie, daß sie vor seinen Blicken zurückwich,

»Was willst Du von mir?« fragte sie.

»Kannst Du fragen, angebetete Esmeralda?« antwortete Peter Gringoire mit einem so leidenschaftlichen Ausdrucke, daß er sich über sich selbst wundern mußte.

Das Zigeunermädchen öffnete ihre großen, schwarzen Augen und sprach: »Ich weiß nicht, was Du damit sagen willst.«

»Nun, wahrlich!« erwiederte der Poet, der immer hitziger wurde und zu bedenken anfing, daß er am Ende doch nur eine Tugend, wie sie im Hofe der Wunder zu finden waren, vor sich habe, »bin ich nicht Dein, bist Du nicht mein, mein süßes Mädchen?«

Mit diesen Worten umfaßte er sie ohne Umstände. Das Mieder der Zigeunerin glitschte in seiner Hand, wie die Haut eines Aals, den man abzieht. Das Mädchen sprang wie eine Gemse von einem Ende des Zimmers zum andern, einen kleinen Dolch in der Hand, stolz und zürnend, mit aufgeworfenen Lippen und offenen Nasenflügeln, mit vor Scham und Wuth brennenden Wangen und Augen, die Blitze von sich schleuderten. Zu gleicher Zeit stellte sich die Ziege auf die Hinterbeine, blöckte und bedrohte unsern Dichter mit ihren spitzigen Hörnern. Alles dies war das Werk eines Augenblicks.

Unser Philosoph war wie verzaubert und festgebannt, und betrachtete mit stieren Blicken bald die Ziege, bald das Zigeunermädchen. Heilige Jungfrau, sprach er für sich, die beiden muß der Teufel gemacht haben!

»Du bist ein kecker Bursche!« sprach die Zigeunerin zu ihm.

»Aber warum, in's Teufels Namen, hast Du mich denn geheirathet?«

»Sollte ich Dich hängen lassen?«

»Also,« versetzte der in seinen verliebten Hoffnungen getäuschte Poet, »hattest Du keinen andern Gedanken dabei, als mich vom Galgen zu retten?«

»Welchen anderen Gedanken hätte ich denn haben sollen?«

Peter Gringoire biß sich vor Verdruß in die Lippen und sagte: »Ich bin also noch nicht so sieghaft in Cupido's Reiche, wie ich glaubte; aber wozu hat es denn jetzt genützt, den armen Krug zu zerbrechen?«

Inzwischen waren die Hörner der Ziege und Esmeralda's Dolch noch immer zur Vertheidigung gerüstet.

Als unser Philosoph seine Bemühungen fruchtlos sah, ergab er sich mit stoischer Gleichmüthigkeit in den Willen des Schicksals, gedachte in seinem Herzen, daß er ein hungriger Poet sei, und sprach: »Ich schwöre Dir, daß ich Dich ohne Deinen Willen mit keinem Finger berühren will, aber gib mir etwas zu Nacht zu essen.«

Peter Gringoire war ein Philosoph in der Liebe, wie in allen anderen Dingen! er konnte kapituliren und temporisiren, und ein gutes Nachtessen unter vier Augen schien ihm, besonders wenn er Hunger hatte, ein herrlicher Zwischenakt zwischen dem Prolog und der Entwicklung eines verliebten Abenteuers.

Das Zigeunermädchen antwortete nicht, sie warf den Mund spöttisch auf, hob das Haupt, brach in ein Gelächter aus, und plötzlich war der kleine Dolch verschwunden, ohne daß unser Dichter sehen konnte, wohin die Biene ihren Stachel versteckte.

Gleich darauf ward die Tafel mit Roggenbrod, einem Stück Speck, einigen gebratenen Aepfeln und einem Kruge Bier besetzt.

Unser Dichter machte sich mit Heißhunger darüber her, und wenn man das Geklapper von Messer und Gabel hörte, die er mit reißender Schnelligkeit handhabte, so hätte man glauben können, die Liebe sei ihm in den Magen gefahren.

Das junge Mädchen, das neben ihm saß, sah ihm stillschweigend zu und war sichtbarlich mit einem andern Gedanken beschäftigt, der bisweilen ein stilles Lächeln auf ihre Lippen brachte, während ihre zarte Hand das kluge Haupt der Ziege streichelte, welche sich zwischen ihre Kniee gepreßt hatte.

Ein gelbes Wachslicht beleuchtete diese Scene der Gefräßigkeit und des träumerischen Nachsinnens.

Nachdem die dringendsten Forderungen des Magens befriedigt waren, schämte sich unser Dichter, daß er von dem ganzen Mahl nur einen einzigen Apfel zurückgelassen habe.

»Willst Du denn gar nichts essen?« fragte er, freilich allzu spät, das Mädchen.

Sie antwortete mit einem verneinenden Kopfnicken und blickte gedankenvoll zur Decke des Zimmers hinauf.

An was denkt sie wohl? sagte Peter Gringoire für sich und folgte der Richtung ihrer Blicke. Das Fratzengesicht des steinernen Zwergs da, der in der Wölbung eingegraben ist, kann doch nichts so Anziehendes für sie haben. Beim Teufel! mit Dem halte ich die Vergleichung noch aus!

Er rief ihr laut zu: »Esmeralda!«

Sie schien ihn nicht zu hören.

Er rief noch lauter: »Esmeralda!«

Vergebens, ihr Geist war anderswo, und Peter Gringoire's Stimme hatte nicht die Macht, ihn zurückzurufen. Glücklicherweise nahm sich die Ziege der Sache an; sie zupfte ihre Gebieterin sanft am Aermel.

»Was willst du, Djali?« fragte Esmeralda, wie plötzlich aus einem Traume erwachend.

»Sie wird Hunger haben,« antwortete der Poet im Namen der Ziege.

Esmeralda bröckelte Brod und gab es dem Thier in ihrer hohlen Hand zu fressen.

Damit das Mädchen nicht wieder in ihre Träumereien versinke, wagte unser Peter Gringoire eine kitzliche Frage: »Du willst mich also nicht zu Deinem Manne haben?«

Esmeralda fixirte ihn mit den Augen und sagte trocken: »Nein!«

»Oder zu Deinem Liebhaber?«

Sie warf den Mund höhnisch auf und sagte: »Nein!«

»Auch nicht zu Deinem Freunde?«

Sie sah ihm fest in die Augen und erwiederte nach augenblicklichem Nachdenken: »Vielleicht!«

Dieses Vielleicht, das den Philosophen so theuer ist, ermuthigte unseren Dichter: »Weißt Du,« fragte er, »was Freundschaft ist?«

»Ja,« erwiederte das Mädchen, »sie ist Bruder und Schwester, zwei Seelen, die sich berühren, ohne in einander zu fließen, zwei Finger einer Hand.«

»Und die Liebe?« fuhr der Dichter fort.

»Die Liebe!« wiederholte sie, und ihre Stimme zitterte und ihr Auge strahlte, »die Liebe macht aus zwei Wesen eines, einen Mann und ein Weib, die sich in einen Engel auflösen, das ist der Himmel.«

Die Straßentänzerin bot in dem Augenblicke, als sie diese Worte sagte, einen Anblick himmlischer Schönheit dar, die unseren Dichter um so mehr bezauberte, da sie in vollkommenem Einklang mit dem fast orientalischen Schwung ihrer Worte stand. Ihre rosigen Lippen waren halb geöffnet, ihre reine, freie Stirne umwölkte sich je und je nach dem Gange ihrer Gedanken, wie ein Spiegelglas vom Hauche getrübt wird, und unter ihren zu Boden gehefteten schwarzen Augbraunen schimmerte ein unauslöschbares Licht hervor, das ihrem Profil jene ideale Lieblichkeit gab, welche inzwischen Raphael auf dem Punkt des mystischen Durchschnitts der Jungfräulichkeit, der Mütterlichkeit und der Göttlichkeit wiedergefunden hat.

Der Dichter fuhr zu fragen fort: »Wie muß man denn beschaffen sein, um Dir zu gefallen?«

»Man muß ein Mann sein.«

»Und ich, was bin ich denn?«

»Ein Mann hat den Helm auf dem Haupt, das Schwert in der Faust und goldene Sporen an den Fersen.«

»Gut,« sprach unser Peter, »ohne Roß kein Mann! Liebst Du irgend Einen?«

»Lieben?«

»Ja, lieben!«

Sie dachte einen Augenblick nach und sagte dann mit eigentümlichem Ausdruck: »Ich werde das bald wissen.«

»Und warum nicht diesen Abend schon?« versetzte der zärtliche Poet. »Und warum nicht mich?«

Sie warf ihm einen ernsten Blick zu und sagte: »Ich liebe nur einen Mann, der mich zu schützen vermag.«

Peter Gringoire erröthete, denn augenscheinlich spielte sie auf den geringen Beistand an, den er ihr vor wenigen Stunden in einer bedenklichen Lage zu leisten vermochte. Plötzlich erinnerte er sich der Abenteuer dieser Nacht, schlug sich vor die Stirne und sprach: »Wie dumm! Eigentlich hätte ich damit anfangen sollen: ›Wie bist Du denn den Klauen des garstigen Zwergs entkommen?‹«

Bei dieser Frage schauderte Esmeralda zusammen: »O, der scheußliche Zwerg!« sagte sie und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.

»Scheußlich ist er,« fuhr der Poet fort, »aber sage mir, wie Du ihm entkommen bist?«

Esmeralda lächelte, seufzte und schwieg.

»Weißt Du, warum er Dir gefolgt ist?« fuhr Peter Gringoire fort, um auf einem Umweg auf seine Frage zurückzukommen.

»Ich weiß es nicht,« erwiederte sie und fügte lebhaft hinzu: »Aber Du selbst, warum bist Du mir nachgefolgt?«

»Meiner Treu!« antwortete der ehrliche Peter, »ich weiß es auch nicht.«

Es trat eine Pause ein. Der Dichter klimperte mit dem Messer auf dem Tisch, und die Zigeunerin streichelte ihre Ziege.

»Du hast da ein schönes Thier,« sagte Peter Gringoire.

»Es ist meine Schwester.«

»Warum nennt man Dich Esmeralda?«

»Ich weiß es nicht.«

Sie zog aus ihrem Busen ein längliches Säckchen, das an einer Kette um ihren Hals hing; dieses Säckchen hatte eine starke Ausdünstung von Campher, war mit grüner Seide bedeckt, und in seiner Mitte hatte es ein großes grünes Glas, das einen Smaragd (émeraude) vorstellte. »Es ist vielleicht deßhalb,« sagte sie, indem sie ihm das Säckchen hinhielt.

Peter Gringoire wollte es mit der Hand fassen.

Sie zog es hastig zurück: »Rühre es nicht an, es ist verzaubert. Du würdest dem Zauber schaden, oder der Zauber Dir.«

»Wer hat es Dir gegeben?« fragte der neugierige Poet.

Sie legte einen Finger auf den Mund und verbarg das Amulet in ihrem Busen.

»Was heißt das Wort: Esmeralda?«

»Ich weiß es nicht!«

»Welcher Sprache gehört es an?«

»Es ist ägyptisch, glaube ich.«

»Das dachte ich doch, Du bist nicht aus Frankreich?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wie alt warst Du, als Du nach Frankreich kamst?«

»Ganz klein.«

»Wann kamst Du nach Paris?«

»Im vergangenen Jahre. Als wir durch die päbstliche Pforte einzogen, sah ich die röthliche Grasmücke durch die Luft streichen; es war Ende August und ich sagte: Wir werden einen strengen Winter bekommen.«

»Das war er auch,« rief der Poet aus, »und ich habe mir mehr als einmal in die Hände gehaucht. Du besitzest also die Gabe der Weissagung?«

»Nein!«

»Ist der Mann, den Ihr den Herzog von Aegypten nennt, das Haupt Eures Stammes?«

»Ja!«

»Nun, und dieser Nämliche hat uns verheirathet,« sagte der Poet und warf einen schüchternen Blick auf die Schöne.

Sie machte die ihr eigene höhnische Geberde: »Ich weiß nicht einmal Deinen Namen!«

»Oh, wenn es nur daran liegt! Peter Gringoire, Dir zu dienen!«

»Da weiß ich einen schönern,« sagte sie,

»Verdammte Hexe!« fuhr der Poet fort, »doch gleichviel, ich will nicht zornig werden. Vielleicht lernst Du mich lieben, wenn Du mich erst besser kennst; und überhaupt will ich Dir meine Geschichte erzählen.«

»Wisse also, daß ich Peter Gringoire heiße und der Sohn eines Pächters aus der Amtei Gonesse bin. Als man vor zwanzig Jahren Paris belagerte, haben die Burgunder meinen Vater gehängt, und die Picarden meiner Mutter den Bauch aufgeschnitten. Im sechsten Jahre also, denn ich bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt, lief ich als eine vater- und mutterlose Waise mit bloßen Füßen auf dem Pflaster von Paris. Wie ich die Zeit vom sechsten bis zum sechzehnten Jahre zugebracht habe, weiß ich mich kaum mehr zu erinnern. Hier warf mir eine Obsthändlerin eine Pflaume, dort eine Gemüsehändlerin einen halbverfaulten Kohlkopf zu; Abends ließ ich mich von der Polizei auffangen, die mich über Nacht einsteckte, und im Gefängniß fand ich einen Bund Stroh zum Liegen. So wurde ich groß und blieb mager, wie Du siehst. Im sechzehnten Jahre dachte ich daran, Etwas zu werden. Ich machte allerlei Versuche: ich wurde Soldat, aber es fehlte mir an Muth; ich wurde Mönch, aber ich war nicht fromm genug; ich wurde Zimmermann, da fehlte es mir an Stärke; ich wollte ein Schulmeister werden, aber ich konnte weder lesen noch schreiben. Nach einiger Zeit nahm ich wahr, daß es mir zu Allem an Etwas fehlte, und da ich einsah, daß ich zu Nichts tauglich sei, so wurde ich ein Dichter. Man kann Poet und Vagabund zugleich sein. Zu meinem Glück lernte ich eines Tages Don Claude Frollo, den hochwürdigen Archidiakonus der Liebfrauenkirche, kennen; er nahm Antheil an mir, und ihm danke ich es, daß ich jetzt ein wahrer Gelehrter bin, der das Latein von Cicero's Officien an bis zum Leichengesang der hochwürdigen Cölestiner aus dem Grunde versteht. Ich bin der Verfasser des Mysteriums, das man heute, unter großem Zulauf und Beifall des Volks, im großen überfüllten Saale des Justizpalastes aufgeführt hat. Ich habe auch ein Buch von sechshundert Seiten über den wunderbaren Kometen des Jahres 1456 geschrieben, worüber ein Mensch närrisch geworden ist. Ich verstehe mich auch ein wenig auf das Geschütz und habe an dem großen Mörser geholfen, der, als man den ersten Versuch damit machte, auf der Brücke von Charenton zersprungen ist und achtzig Personen getödtet hat. Du siehst also, daß ich ein Mann bin, den man brauchen kann und demnach keine so üble Partie für Dich wäre. Ich verstehe auch allerlei Kunststücke, die Deiner Ziege wohl zu Statten kommen werden, z. B. den Bischof von Paris nachzumachen, und derlei Dinge. Auch werde ich ein schönes Stück Geld für mein Mysterium einnehmen, wenn man mich anders bezahlt. Somit bin ich zu Deinem Befehl, meine Person, mein Geist, meine Wissenschaft, Alles nach Deinem Gefallen, züchtig oder lustig, Mann und Frau, wenn Du willst, oder Bruder und Schwester, wenn es Dir so lieber ist.«

Der Philosoph schwieg und wartete auf den Erfolg, den seiner Meinung nach seine wohlgesetzte Rede unfehlbar hervorgebracht haben mußte. Das Mädchen hob ihre schwarzen Augen vom Boden und sagte halb träumend: Phöbus! Hierauf wandte sie sich dem Dichter zu mit den Worten: »Phöbus, was bedeutet das?«

Peter Gringoire, der gerne seine Gelehrsamkeit glänzen ließ, antwortete auf der Stelle: »Das ist ein lateinisches Wort und bedeutet Sonne

»Sonne!« wiederholte sie.

»Es ist der Name eines schönen Bogenschützen, der ein Gott war,« fügte der Dichter hinzu.

»Ein Gott!« wiederholte Esmeralda, und in ihrem Tone lag etwas Nachdenkliches und Leidenschaftliches.

In diesem Augenblicke entfiel ihr eines ihrer Armbänder. Der galante Poet bückte sich hastig darnach. Als er den Kopf wieder erhob, war das Mädchen mit der Ziege verschwunden, und er hörte von Außen den Riegel schließen.

»Hat sie mir doch wenigstens ein Bett dagelassen?« sagte unser Philosoph.

Er machte die Runde im Zimmer und fand nur eine nicht sehr lange hölzerne Kiste, auf deren Deckel hölzerne Figuren in erhabener Arbeit ausgeschnitten waren. Als er sich auf derselben zum Schlaf ausstreckte, hatte er ungefähr die nämliche Empfindung, wie der Riese Mikromegas, als er die Alpen in ihrer ganzen Länge zur Ruhestätte wählte. Nun, sprach er mit Ergebung, man muß sich begnügen. Es ist freilich eine sonderbare Brautnacht. Schade, es lag in dieser Verheiratung mittelst eines zerbrochenen Kruges etwas Ungekünsteltes und Antediluvianisches, das mir wohlgefiel.


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