Homer
Ilias
Homer

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630  Sprach's, und eilte voran; ihm folgte der göttliche Streiter.
Jetzo wie laut das Getös' holzhauender Männer emporsteigt
Aus des Gebirgs Waldtal, und weit umher es gehört wird:
So dort stieg ein Getön von der weitumwanderten Erde,
Erzes zugleich und Leders und wohlbereiteter Stierhaut,
635  Unter dem Stoß der Schwerter und zwiefach schneidenden Lanzen.
Nicht wär' itzt, auch ein achtsamer Mann, der den edlen Sarpedon
Kennete; so mit Geschossen, mit Blut ringsher, und mit Staube
War er vom Haupte bedeckt bis hinab zu den äußersten Sohlen.
Immer noch den Toten umschwärmten sie: gleich wie die Fliegen
640  Sumsen im Meierhof' um die milcherfülleten Eimer,
Im anmutigen Lenz, wann Milch von den Butten herabtrieft:
Also dort den Toten umschwärmten sie. Aber Kronion
Wandte nie vom Getümmel der Schlacht die strahlenden Augen;
Sondern schaut' auf die Streiter hinab, und vieles im Herzen
645  Dacht' er über den Tod des Patrokleus, tiefnachsinnend:
Ob bereits auch jenen, in schreckenvoller Entscheidung,
Dort um den hohen Sarpedon die Kraft des strahlenden Hektors
Tilgte mit mordendem Erz, und die Wehr von der Schulter ihm raubte;
Oder ob mehrere noch er überhäufte mit Arbeit.
650  Dieser Gedank' erschien dem Zweifelnden endlich der beste:
Daß der tapfre Genoß des Peleiaden Achilleus
Wieder der Troer Volk und den erzumschimmerten Hektor
Rückwärts drängte zur Stadt, und vielen noch raubte das Leben.
Hektorn sandt' er zuerst unmutige Furcht in die Seele;
655  Und er sprang in den Sessel, und wandte sich, rufend den andern
Troern zu fliehn; denn er kannte Kronions heilige Waage.
Auch nicht Lykias Helden verweileten, sondern gescheucht flohn
Alle, nachdem sie den König gesehn, der im Herzen verwundet
Lag, im Gemisch der Toten gestreckt; denn viel' um ihn selber
660  Sanken in Blut, da den heftigen Streit anstrengte Kronion.
Jen' entzogen nunmehr von Sarpedons Schulter die Rüstung,
Schimmernd von Erz, und hinab zu den räumigen Schiffen zu tragen
Gab sie den Kampfgenossen Menötios' tapferer Sprößling.
Jetzo begann zu Apollon der Herrscher im Donnergewölk Zeus:

665 

Phöbos, geh', o Geliebter, vom dunkelen Blut ihn zu säubern;
Aus dem Geschoß enthebe Sarpedon, trage darauf ihn
Fern hinweg an den Strom, und spül' ihn rein im Gewässer;
Auch mit Ambrosia salb' ihn, und hüll' ihm ambrosisch Gewand um.
Dann ihn wegzutragen vertrau den schnellen Geleitern,

670  Beiden dem Schlaf und dem Tode, den Zwillingen, welche sofort ihn
Setzen ins weite Gebiet des fruchtbaren Lykierlandes:
Wo ihn rühmlich bestatten die Brüder zugleich und Verwandten
Mit Grabhügel und Säule; denn das ist die Ehre der Toten.

Jener sprach's; und dem Vater war nicht unfolgsam Apollon.

675  Eilend schwebt' er vom Idagebirg' in die schreckliche Feldschlacht;
Aus dem Geschoß enthub er den Held Sarpedon, und trug ihn
Fern hinweg an den Strom, und spült' ihn rein im Gewässer;
Auch mit Ambrosia salbt' er, und hüllt' ihm ambrosisch Gewand um.
Dann ihn wegzutragen vertraut' er den schnellen Geleitern,
680  Beiden dem Schlaf und dem Tode, den Zwillingen, welche sofort ihn
Setzten ins weite Gebiet des fruchtbaren Lykierlandes.

Aber Patroklos, die Ross' und Automedon laut ermahnend,
Jagte den Troern nach und Lykiern, rennend ins Unheil:
Törichter! Hätt' er das Wort des Peleiaden bewahret,

685  Traun er entrann dem bösen Geschick des dunkelen Todes.
Aber Zeus' Ratschluß ist mächtiger stets, denn der Menschen:
Der auch den tapferen Kämpfer verscheucht, und den Sieg ihm entwendet,
Sonder Müh; dann wieder ihn selbst antreibt zum Gefechte:
Er der jenem auch nun das Herz im Busen entflammte.

690 

Welchem entzogst du zuerst, und welchem zuletzt das Geschmeide,
Als, o Menötios' Sohn, dich zum Tod' itzt riefen die Götter?

Ihn den Adrastos zuerst, Antonoos dann, und Echeklos,
Perimos, Megas' Sohn, und Epistor, samt Melanippos,
Weiter den Elasos drauf, und Mulios, auch den Pylartes,

695  Rafft' er dahin; doch die andern entzitterten alle voll Schreckens.

Jetzt hätt' Argos Volk die türmende Troja erobert,
Unter Patroklos' Hand; so tobt' er voran mit der Lanze:
Wenn nicht Phöbos Apollon auf festgegründetem Turme
Dastand, ihm Verderben ersann, und die Troer beschirmte.

700  Dreimal stieg zur Ecke der hohen Mauer Patroklos
Kühn hinan, und dreimal verdrängte mit Macht ihn Apollon,
Gegen den leuchtenden Schild mit unsterblichen Händen ihm stoßend.
Als er das vierte Mal drauf anstürmete, stark wie ein Dämon;
Rief mit schrecklichem Drohn der treffende Phöbos Apollon:

705 

Weiche mir, edeler Held Patrokleus! Nicht dir gewährt ist,
Daß dein Speer verwüste die Stadt hochherziger Troer;
Nicht dem Achilleus einmal, der weit an Kraft dir vorangeht!

Jener sprach's; da entwich mit eilendem Schritt Patroklos,
Scheuend den furchtbaren Zorn des treffenden Phöbos Apollon.

710 

Hektor am skäischen Tor nun hielt die stampfenden Rosse;
Denn er sann, ob er kämpfte, zurück ins Getümmel sie treibend,
Oder dem Volk in die Mauer sich einzuschließen geböte.
Als er solches erwog, da nahete Phöbos Apollon,
Gleich an Gestalt dem Mann in blühender Stärke der Jugend,

715  Asios, welcher ein Ohm des rossetummelnden Hektors
War, der Hekabe Bruder, und Sohn des trefflichen Dymas,
Welcher in Phrygia wohnt' an Sangarios' grünenden Ufern;
Dessen Gestalt nachahmend begann itzt Phöbos Apollon:

Hektor, warum entziehst du dem Kampfe dich? Wenig geziemt dir's!

720  Möcht' ich, so weit ich dir folge, so weit an Stärke dir vorgehn;
Bald dann wärst du zum Graun hinweg aus dem Kampfe gewichen!
Aber wohlan, auf Patroklos gelenkt die stampfenden Rosse;
Ob du vielleicht ihn erlegst, und Ruhm dir gewähret Apollon!

Dieses gesagt, enteilte der Gott in der Männer Getümmel.

725  Doch dem Kebriones rief der helmumflatterte Hektor,
Daß er die Ross' in die Schlacht angeißelte. Aber Apollon
Drang in die Scharen hinein, und empört' in grauser Verwirrung
Argos' Volk; doch die Troer und Hektor schmückt' er mit Ehre.
Hektor vermied sonst alle die Danaer, keinen ermordend;
730  Nur auf Patroklos lenkt' er die mächtig stampfenden Rosse.
Auch Patroklos dagegen entsprang vom Geschirr auf die Erde,
Trug in der Linken den Speer, und faßt' in die Rechte den Marmor,
Glänzendweiß, rauhzackig, den eben die Faust ihm umspannte.
Angestrengt nun warf er; und nicht flog säumend zum Manne,
735  Noch verirrt das Geschoß; den Wagenlenker des Hektor
Traf er, Kebriones, ihn des Priamos' mutigen Bastard,
Wie er die Zügel gefaßt, an der Stirn mit dem zackigen Steine.
Beide Brauen zerknirscht' ihm der Fels; nicht wehrte des Hauptes
Knochen ihm; sondern die Augen entflossen zur Erd' in den Staub ihm.
740  Dort vor die Füße hinab; und schnell, wie ein Taucher von Ansehn,
Schoß er vom prangenden Sitz, und der Geist verließ die Gebeine.
Kränkenden Spott nun riefst du daher, Gaultummler Patroklos:

Wunder doch, wie behende der Mann! wie leicht er hinabtaucht!
Übt' er die Kunst einmal in des Meers fischreichen Gewässern;

745  Viele sättigte wahrlich der Mann mit gefangenen Austern,
Hurtig vom Bord abspringend, und stürmt' es noch so gewaltig:
So wie jetzt im Gefild' er behend' aus dem Wagen hinabtaucht!
Traun, auch im troischen Volk sind unvergleichliche Taucher!

Also sprach er, und stürzt' auf Kebriones Leiche des Helden,

750  Ungestüm, wie ein Löwe, der ländliche Hürden verödend,
Jetzt an der Brust verwundet, durch eigene Kühnheit vertilgt wird:
So auf Kebriones dort, Patrokleus, sprängest du wütend.
Hektor auch dagegen entsprang vom Geschirr auf die Erde.
Beid' um Kebriones kämpften, wie zween blutgierige Löwen,
755  Die auf den Höhn des Gebirgs um eine getötete Hindin,
Beide von Hunger gequält, hochtrotzendes Muts sich bekämpfen:
So um Kebriones dort die zween schlachtkundigen Männer,
Er Patroklos, Menötios' Sohn, und der strahlende Hektor,
Strebend einander den Leib mit grausamem Erz zu verwunden.
760  Hektor, nachdem er das Haupt anrührete, ließ es durchaus nicht;
Drüben hielt Patroklos am Fuß ihn; und sie umdrängten
Troer zugleich und Achaier, gemischt zu grauser Entscheidung.

Wie wenn der Ost und der Süd mit Gewalt wetteifernd daherstürmt
In des Gebirgs Waldtalen, den tiefen Forst zu erschüttern,

765  Buche zugleich und Esch' und zähumwachsne Kornelle;
Daß sie wild aneinander die ragenden Äste zerschlagen
Mit graunvollem Getös', und der Sturz der Zerbrochnen umherkracht:
Also stürzten die Troer und Danaer gegeneinander,
Mordend, nicht hier noch dort der verderblichen Flucht sich erinnernd,
770  Viel' um Kebriones starrten der spitzigen Lanzen geheftet,
Auch der gefiederten Pfeile, die schnellenden Bogen entsprangen;
Viel' auch der mächtigen Steine zerschmetterten krachende Schilde
Kämpfender Männer umher; er lag im Gewirbel des Staubes,
Groß, weithingestreckt, der Wagenkunde vergessend.

775 

Weil annoch die Sonne am Mittagshimmel einherging;
Hafteten jegliches Heeres Geschoß', und es sanken die Völker.
Aber sobald die Sonne zum Stierabspannen sich neigte;
Jetzt ward gegen das Schicksal die Übermacht den Achaiern:
Denn sie entrissen den Held Kebriones aus den Geschossen,

780  Und aus der Troer Geschrei, und raubten die Wehr von den Schultern.

Aber Patroklos stürzte mit feindlicher Wut in die Troer.
Dreimal stürzt' er hinein, dem stürmenden Ares vergleichbar,
Schreiend mit grausen Getön; dreimal neun Männer erschlug er.
Als er das vierte Mal drauf anstürmete, stark wie ein Dämon;

785  Jetzt war dir, Patroklos, genaht das Ende des Lebens.
Denn dir begegnete Phöbos im Ungestüme der Feldschlacht
Fürchterlich. Doch nicht merkt' er den Wandelnden durch das Getümmel,
Weil in finstere Nacht der begegnende Gott sich gehüllet.
Hinten stand und schlug er den Rücken ihm zwischen den Schultern,
790  Mit gebreiteter Hand; da schwindelten jenem die Augen.
Auch ihm hinweg vom Haupte den Helm schlug Phöbos Apollon;
Dieser rollte dahin, und erklang von den Hufen der Rosse
Hell, der gekegelte Helm; und besudelt ward ihm der Haarbusch
Ganz in Blut und Staube. Zuvor nicht war es nur denkbar,
795  Daß der umflatterte Helm besudelt würd' in dem Staube;
Sondern dem göttlichen Manne das Haupt und die liebliche Stirne
Deckt' er, dem Peleionen: allein Zeus gab ihn dem Hektor
Jetzt auf dem Haupte zu tragen; doch nah' ihm war das Verderben.
Auch in den Händen zerbrach ihm die weithinschattende Lanze,
800  Schwer und groß und gediegen, die eherne; und von den Schultern
Sank ihm der Schild mit dem Riemen, der langausreichende nieder.
Auch den Harnisch löst' ihm der herrschende Phöbos Apollon.
Graun nun betäubte sein Herz, und starr die blühenden Glieder,
Stand er erstaunt. Doch von hinten die spitzige Lanz' in den Rücken
805  Bohrt' ihm zwischen die Schultern genaht ein dardanischer Krieger,
Panthoos' Sohn Euphorbos, der vor den Genossen der Jugend
Prangt' an Lanz', an reisiger Kunst, und an hurtigen Schenkeln:
Denn schon zwanzig vordem der Kämpfenden stürzt' er vom Wagen,
Als er zuerst im Geschirre daherflog, lernend die Feldschlacht.
810  Dieser warf dir zuerst ein Geschoß, Gaultummler Patroklos;
Doch bezwang er dich nicht: dann eilt' er zurück in die Heerschar,
Schnell aus der Wund' entraffend den eschenen Speer, und bestand nicht
Vor Patroklos, entblößt wie er war, im Kampf der Entscheidung.
Jener, vom Schlag des Gottes gebändiget, und von der Lanze,
815  Rasch in der Freunde Gedräng' entzog er sich, meidend das Schicksal.

Hektor, sobald er sahe den hochgesinnten Patroklos
Wieder dem Kampf sich entziehn, vom spitzigen Erze verwundet,
Stürmt' er ihm nahe daher durch die Ordnungen, stieß dann die Lanze
Ihm in die Weiche des Bauchs, daß hinten das Erz ihm hervordrang:

820  Dumpf hinkracht' er im Fall, und erfüllte mit Gram die Achaier.
Wie den gewaltigen Eber der Löw' im Kampfe bezwinget,
Die auf den Höhn des Gebirgs hochtrotzendes Muts sich bekämpfen,
Nahe dem mäßigen Quell; denn sie sehnen sich beide zu trinken;
Aber der Schnaubende stürzt, der Gewalt des Löwen gebändigt:
825  Also bezwang den Würger, Menötios' tapferen Sprößling,
Hektor, Priamos' Sohn, und entriß mit dem Speer ihm das Leben.
Laut nunmehr frohlockt' er, und sprach die geflügelten Worte:

Ha! Patroklos, du dachtest die Stadt uns bald zu verwüsten,
Und die troischen Weiber, beraubt der heiligen Freiheit,

830  Weg in Schiffen zu führen zum lieben Lande der Väter!
Törichter! Jenen zum Schutz sind Hektors hurtige Rosse
Kühn im Sturm zu durchsprengen die Feldschlacht; auch mit der Lanze
Rag' ich selbst vor den Helden des Troervolks, und entferne
Ihnen der Knechtschaft Tag! Hier fressen dich jetzo die Geier!
835  Elender! Nichts hat, stark wie er ist, dir geholfen Achilleus,
Welcher gewiß dort bleibend dir Gehenden mancherlei auftrug:
Kehre nur ja nicht eher, Patrokleus, reisiger Kämpfer,
Zu den gebogenen Schiffen, bevor des mordenden Hektors
Blutigen Panzerrock ringsher um die Brust du zerrissen!
840  Also sprach er vielleicht, und bewog das törichte Herz dir!

Schwaches Lauts antwortetest du, Gaultummler Patroklos:
Immerhin, o Hektor, erhebe dich! Dir ja gewährte
Siegsruhm Zeus der Kronid' und Apollon, die mich bezwungen,
Sonder Müh; denn sie selber entzogen die Wehr von den Schultern.

845  Solche wie du, wenn mir auch zwanzige wären begegnet,
Alle sie lagen gestreckt, von meiner Lanze gebändigt!
Mich hat böses Geschick, und Letos Sohn nur getötet,
Und von Menschen Euphorbos; du dritter nur raubst mir die Waffen.
Eines verkünd' ich dir noch, und du bewahr' es im Herzen.
850  Selbst fürwahr nicht lange noch wandelst du, sondern bereits dir
Nahe steht zur Seite der Tod und das grause Verhängnis,
Daß du erliegst vor Achilleus, dem göttlichen Äakiden.

Als er dieses geredet, umschloß ihn das Ende des Todes;
Aber die Seel' aus den Gliedern entflog in die Tiefe des Aïs,

855  Klagend ihr Jammergeschick, getrennt von Jugend und Mannkraft.
Auch dem Toten erwiderte noch der strahlende Hektor:

Was weissagest du mir, Patrokleus, grauses Verderben?
Wer doch weiß, ob Achilleus, der Sohn der lockigen Thetys,
Nicht von meiner Lanze durchbohrt sein Leben verliere?

860 

Also sprach der Held, und den ehernen Speer aus der Wund' ihm
Zog er, die Fers' anstemmend, und warf ihn zurück von dem Speere.
Schnell alsdann mit dem Speer zu Automedon kam er gewandelt,
Ihm dem edlen Genossen des äakidischen Renners,
Sehnsuchtsvoll ihn zu treffen; allein die unsterblichen Rosse

865  Retteten ihn, die dem Peleus die ehrenden Götter geschenket.

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